Spielbericht
Essen sieht gegen Dresden Rot und holt nach großem Kampf einen Punkt
Die Spieler von RWE konnten sich mit dem Abpfiff nicht wirklich freuen. Einerseits hatte das Spiel, bei dem Rot-Weiss mehr als 40 Minuten in Unterzahl agierte, sehr viel Kraft gekostet, andererseits erfolgte der einzige Gegentreffer nach großem Kampf erst kurz vor Spielende und versetzte der eigenen Stimmung einen gehörigen Dämpfer. Rückblickend kann Christoph Dabrowski jedoch sehr viele positive Erkenntnisse aus diesem Spiel ziehen, auch wenn er in Mannheim aufgrund der Sperren und Verletzungen umstellen muss.
Besonders erfreulich ist, dass ein Thema kein Thema war, was insbesondere die hiesigen Gazetten dominiert hat. Viel zu viel wurde über Gewaltpotenziale der beiden sich begegnenden Fanszenen gesprochen und die spannenden sportlichen Themen fast völlig ausgeklammert. Am Ende waren es beeindruckende 18.300 Zuschauer, die sich im Stadion an der Hafenstraße das Spiel angeguckt haben und die Atmosphäre war bundesligawürdig. So sollte es sein.
Das Personal
Die größte Hiobsbotschaft offenbarte sich erst kurz vor Spielbeginn in ihrer ganzen Tragweite. Topscorer Simon Engelmann erlitt unter der Woche eine Fußverletzung, weswegen er gegen Dresden ohnehin ausfiel. Bei Spielbeginn wurde bekannt gegeben, dass die Verletzung für Engelmann das Aus für das Jahr 2022 bedeutet. Das ist zweifellos ein Dämpfer. Man kann nach dem Spiel jedoch festhalten, dass die erneut sichtbare mannschaftliche Geschlossenheit zeigte, dass die Spieler gemeinsam den Ausfall kompensieren wollten und dies auch über weite Strecken erfolgreich schafften. Auch Routinier Felix Bastians musste aussetzen, da dieser ärztlich verordnet bekam, seinem Körper keiner maximalen Belastung auszusetzen.
Nun konnten die 10.000en Amateurtrainer im rot-weissen Lager verschiedene Aufstellungsvariationen durchspielen. Am Ende beorderte Dabrowski Ron Berlinski wieder ins Sturmzentrum und besetzte seinen Platz im rechten Mittelfeld mit Isaiah Young, der immer besser in der Dritten Liga anzukommen scheint. Felix Bastians wurde durch Felix Herzenbruch ersetzt. Diese Personalie war nicht unumstritten, da Herzenbruch auf der linken Abwehrseite bei den schwächeren Auftritten von RWE gegen Elversberg und in der ersten Halbzeit gegen Duisburg auflief und fortan nur noch als Innenverteidiger eingesetzt wurde. Hier sei vorab gesagt, dass Herze ein sauberes Spiel ablieferte und seine defensiven Stärken vor allen Dingen ausspielte. In der Offensive ist Felix Bastians deutlich auffälliger, aber Herzenbruch zeigte, dass er eine gute Alternative darstellen kann.
Die Spielerwechsel sind hingegen schwierig zu beurteilen, da diese im Zeichen der Unterzahl durchgeführt wurden. Moustafa Kourouma übernahm den Platz von Andreas Wiegel und erneut begeisterte der Spieler aus der eigenen Jugend mit seinem unbekümmerten Auftritt. Kourouma hat sich auf jeden Fall in Position gebracht, dass er eine Alternative während der Sperre von Wiegel sein kann.
Luca Wollschläger und Lawrence Ennali konnten in einer Viertelstunde Einsatzzeit keine im Gedächtnis bleibenden Aktionen landen und Clemens Fandrich kam erst kurz vor Abpfiff auf den Platz.
Die Pluspunkte
Wie bereits beschrieben, begeistert RWE vor allen Dingen mit mannschaftlicher Geschlossenheit. Man erkennt, dass jeder bereit ist für den Mitspieler zu laufen oder eventuelle Fehler auszubügeln. Darüber hinaus baute Rot-Weiss in der ersten Halbzeit eine Dominanz auf, die so nicht zu erwarten war. Dresden konnte sich erst ab ca. 35 Minuten überhaupt aus der eigenen Hälfte befreien. Zwingende Torchancen erspielte Dynamo dagegen nicht. Auch die zweite Hälfte begann so, allerdings wurden die Karten nach dem Platzverweis neu gemischt.
Bereits in der 19. Minute schickte sich der wieder einmal stark aufspielende Andreas Wiegel an, das Tor des Jahres zu erzielen. Aus locker 20 Metern schickte der Rechtsverteidiger einen Strahl von schier unglaublicher Härte auf den Dresdner Kasten. Torhüter Drljaca hätte keine Chance, der Ball knallte jedoch an die Latte und kam kurz vor der Linie auf. Einige Zuschauer hörten allerdings noch eine Minute später die Vibration des Querbalkens.
Nur eine Minute später jubelte der ausverkaufte Heimbereich, denn Isi Young zahlte das Vertrauen des Trainers mit seinem zweiten Saisontreffer zurück. RWE läuft den Gegner unangenehm an und dieses Mal war Stefan Drljaca nicht aufmerksam genug und traf beim Abschlag nur noch den herangeeilten Young und der Ball rollte von Young abprallend ins Tor. So kurios der Treffer gewesen ist, so verdient war die Führung zu diesem Zeitpunkt.
Aber auch nach der roten Karte, nach der die Offensivbemühungen sich lediglich auf Konter beschränkten, gab es positive Eindrücke. Die verbliebenen zehn Mann kämpften um den knappen Sieg und Dynamos Offensive musste große Frustphasen überstehen, bevor es in der 89. Minute das Unentschieden erreichte. Wenn einmal die Abwehrreihe überspielt wurde, dann war Jakob Golz mit unglaublichen Reflexen zur Stelle. In der 76. Minute platzierte Tim Knipping einen Kopfball perfekt in die Ecke des Tors. Golz war geistesgegenwärtig schnell am Boden und lenkte den Ball um den Pfosten, eine irre Parade. Auch im 1:1 Duell mit Dennis Borkowski lenkte Golz den Ball mit seinem Fuß über die Latte. Das Verdienst für den Punktgewinn geht also zu einem guten Teil auf das Konto des Essener Keepers.
Die Knackpunkte/Der Aufreger
Es war die Szene des Spiels, sorgte für so viel Gesprächsstoff und nahm derart Einfluss auf das weitere Geschehen, dass man die Kategorien Knackpunkte und Aufreger vereinen kann. Es lief die 52. Spielminute, als sich der bis dato einmal mehr überzeugende Andreas Wiegel mit dem Ball auf die Reise machen wollte und von seinem Gegenspieler mit aller Macht am Trikot gerissen wurde. Der wütende Wiegel wischte gleich zweimal oben mit dem Arm Richtung Gegner, ohne ihn dabei zu treffen, und erwischte diesen im Fallen auch noch am Fuß. In Summe war das Schiedsrichter Tom Bauer aus Mainz zu viel. Wiegel sah wegen versuchter Tätlichkeit den roten Karton, sein Widersacher Meier den gelben. Bitter für RWE, das bis dato die klar bessere Mannschaft gewesen ist und auch mit mehr Schwung als die Gäste wieder aus der Kabine gekommen war. Auch Jawattdenn intern sorgte Wiegels Strafe für erhitzte Diskussionen, von klar berechtigt bis hin zu klarer Fehlentscheidung reichten die Einschätzungen. Zumindest besonders viel Fingerspitzengefühl zeigte Tom Bauer nicht. Da alles noch im Kampf um den Ball und aus Wiegels Bemühungen resultierte, sich aus der Umklammerung seines Gegenspielers zu lösen, wäre Dunkelgelb zumindest eine Option gewesen. Christoph Dabrowski, fair und gelassen wie gewohnt, wollte auf der Pressekonferenz keine Schiri-Schelte betreiben und bescheinigte Bauers Gespann eine gute Leistung.
Das Fingerspitzengefühl zeigte der Referee dann im wahrsten Sinne des Wortes in der Schlussphase gleich zweimal. Sowohl Daniel Heber als auch Musti Kourouma bekamen die Kugel in der eigenen Box im Eifer des Gefechts an die Hand, doch das legte Bauer nicht zu Ungunsten der Essener Abwehrrecken aus.
Wiegels Sanktionierung brachte RWE aber aus der Dominanz in die Abwehrhaltung. Dynamo hat ohnehin eine Menge Qualität und in Überzahl erdrückten die Gäste Rot-Weiss spätestens ab 20 Minuten vor Schluss förmlich. Ein Kritikpunkt in Richtung einer formidabel verteidigenden Essener Mannschaft darf sein, dass die wenigen aber vielversprechenden Entlastungsangriffe nicht konsequent zu Ende gespielt wurden. Schon in Hälfte eins eroberte Rot-Weiss mit starkem Pressing gleich mehrfach von Dynamo den Ball in der Dresdner Hälfte, suchte aber nicht entschlossen genug den Torabschluss. So kam es, wie es kommen musste, Dresden spielte fast nur noch lange Bälle in Richtung seiner Leuchttürme Kutschke und Schäffler und einen dieser Bälle, den Luca Wollschläger zuvor leider nicht für Essen festmachen konnte, verwandelten die Gäste dann auch zum Ausgleich. Da war die reguläre Spielzeit fast schon runtergelaufen. Verdient war dieser Treffer natürlich.
So muss Essen unter dem Strich ein wenig über das Thema Disziplin nachdenken. Denn auch Felix Götze gelang das Kunststück, im sechsten Einsatz für RWE die fünfte Gelbe zu kassieren. Somit ist Götze wie Wiegel bei Waldhof Mannheim gesperrt. Essens Nummer 24 war bis zu seiner taktisch bedingten Auswechselung nach 56 Minuten der Dreh-und Angelpunkt des Essener Spiels.
Geht Götze raus, kriegt RWE im Zentrum Probleme, erst recht in Unterzahl. Am Samstag war es ein taktisches Foul, das sanktioniert wurde, unter den Verwarnungen, die FG24 in den Partien zuvor kassiert hatte, fanden sich jedoch auch sehr vermeidbare.
Fazit
In der ersten Enttäuschung konnten sich alle, die es mit RWE halten, kaum über den Punktgewinn freuen, aber mit ein wenig Abstand erkennt man die großartige Leistung von Rot-Weiss Essen an diesem Samstag. Dynamo Dresden ist nicht ohne Grund einer der heißesten Aufstiegsfavoriten. Ein Topstürmer wie Manuel Schäffler, der immerhin 48 Tore in der 2. Bundeliga erzielt hat, wird von Dynamos Coach Markus Anfang von der Bank gebracht. Das zeigt, wie viel Qualität im Dresdner Kader steckt, sodass ein Punktgewinn vor Spielbeginn nicht seriös eingeplant werden konnte.
Auch wenn es spekulativ ist, wirkte es so, als hätte RWE zu Elft die Dresdner bezwingen können. Dass es immerhin noch ein Punkt geworden ist, ist das Ergebnis einer sehr starken Defensivarbeit. Eine 40-minütige Unterzahl gegen einen hochfavorisierten Gegner überstehen die wenigsten Mannschaften schadlos und RWE behielt hier immerhin den verdienten Punkt an der Hafenstraße.
Trotz der vielen positiven Erkenntnisse wartet nun viel Arbeit auf Christoph Dabrowski, denn nicht nur Felix Götze und Andreas Wiegel werden Rot-Weiss Essen nicht mit nach Mannheim begleiten, sondern auch Simon Engelmann wird ausfallen. Ein wichtiger Faktor ist die Rückkehr von Felix Bastians, der voraussichtlich in Mannheim mit seiner Routine der Mannschaft helfen kann. Während Clemens Fandrich der logische Ersatzmann für Götze ist, wird es spannend, wer die Nase auf der rechten Abwehrseite vorne hat. Bei allen Ausfällen braucht niemand Angst zu haben, denn der Star in Essen ist momentan die Mannschaft, die auch beim Waldhof füreinander kämpfen wird. Wofür es reicht werden wir sehen, bis dahin
Nur der RWE!
Sven Meyering & Hendrik Stürznickel