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2022/2023 – 3. Liga

Rot-Weiss Essen – SC Freiburg II (2:0)

Dieses epische Wasserspiel hatte alles, was die Hafenstraße ausmacht. Kampf pur, Tore von Simon Engelmann und Ron Berlinski und den Sieger Rot-Weiss Essen. Unsere Spielanalyse ist online.

Spielbericht

3 Punkte bei bestem Ron-Berlinski-Wetter

Bei bestem Ron-Berlinski-Wetter kämpfte RWE die in 2023 noch ungeschlagene Reserve des SC Freiburg mit 2:0 nieder und konnte sich wieder mehr Luft im Abstiegskampf verschaffen.

Im Fokus stand vor dem Spiel ein Rot-Weisser, der in den folgenden 90 Minuten gar nicht zum Einsatz kommen sollte: Lawrence Ennali wurde unter der Woche von ein paar vorgeblich eigenen Fans rassistisch beleidigt. Die Reaktion im Stadion folgte vor Anpfiff, nachdem ein klares Statement des Vereins gegen Rassismus verlesen wurde: Ein Transparent für Ennali auf der Rahn-Tribüne, Sprechchöre für den Spieler und deutliche „Nazis raus!“-Rufe sendeten ein starkes Signal an den Spieler, aber auch an die wenigen ewig Gestrigen, die ihr widerliches Gedankengut noch immer ins Stadion tragen wollen.

Doch nicht nur in diesem Punkt konnte die rot-weisse Anhängerschaft an diesem Tag überzeugen, denn auch die Unterstützung für die gesamte Mannschaft war während der vollen 90 Minuten fantastisch und half der Truppe sicherlich über den nervösen Beginn hinweg. Nach dem Grottenkick in Bocholt und der teilweise deutlich überzogenen Kritik stand schließlich zu befürchten, dass die Stimmung kippen könnte. Schlecht gelaunt war hinterher zum Glück nur der Gästetrainer, doch dazu mehr unter „Der Aufreger“.

Das Personal

Durch die Ausfälle von Kapitän Felix Bastians (verletzt) und Andreas Wiegel (gelbgesperrt), rückte Christoph Dabrowski von der Dreierkette wieder ab und setzte auf das in der Saison oftmals bewährte 4-2-3-1 mit Fokus auf die Arbeit gegen den Ball. Dass der seit fast fünf Monaten ungeschlagene Tabellenzweite zu Gast war, der trotz der widrigen Platzverhältnisse gerne seinen Ballbesitzfußball aufziehen wollte, kam RWE dabei entgegen. Vor Jakob Golz im Tor lief Felix Herzenbruch erstmals mit der Kapitänsbinde aufs Feld und bildete mit Rios Alonso die Innenverteidigung. Für Bastians lief Moritz Römling erstmals seit dem achten Spieltag wieder in einem Ligaspiel auf und übernahm die Position des linken Verteidigers, auf der gegenüberliegenden Seite durfte Meiko Sponsel beginnen. Die Doppel-6 bildeten Rother und Fandrich, Eisfeld ging auf die 10, Berlinski kam über den rechten Flügel, Kefkir über links und im Sturmzentrum lief Simon Engelmann auf. Nach 70 Minuten nahm Dabrowski einen Dreifachwechsel vor und ersetzte Kefkir, Berlinski und Eisfeld durch Young, Plechaty und Tarnat. Sponsel ging neben Rios Alonso und Herzenbruch in eine Dreierkette, Römling links und Plechaty rechts übernahmen die Rollen als Schienenspieler in der neuen 3-5-2 / 5-3-2 Formation, vorne ging Young neben Engelmann in die Sturmspitze. Kurz vor Abpfiff kamen dann noch Torben Müsel für Simon Engelmann und Mustafa Kourouma für Clemens Fandrich zu Kurzeinsätzen.

Die Pluspunkte

Auch in dieser Redaktion wurde die Personalie Christoph Dabrowski im Laufe der Saison bereits heiß diskutiert, allerdings stets auf einer sachlichen Ebene. Und auf dieser Basis kann man nur zu der Feststellung gelangen, dass die Mannschaft ein deutliches Signal für ihren Trainer gesendet hat, dessen Stärken an diesem Tag bestens zur Geltung kamen. Einerseits hat er das Team im Laufe der Saison in der Arbeit gegen den Ball zu einer der besten Defensivreihen der Liga geformt, denn klammert man aufgrund des rot-weissen Katastrophenstarts die ersten drei Spieltage aller Mannschaften aus, haben in den letzten 27 Spielen nur Elversberg (21), Freiburg (27) und Dresden (29) weniger Gegentore kassiert als Rot-Weiss Essen (32)! Andererseits schafft Dabrowski es, vermeintlich ausgemusterte oder im Formtief befindliche Spieler wieder in die Mannschaft zu integrieren und dem Team Selbstvertrauen selbst in größten Drucksituationen zu vermitteln.

Da wäre der vielfach gefeierte Felix Herzenbruch, der nach einem fürchterlichen Saisonstart gestern als Ersatzkapitän auflief und mit einer ganz starken Leistung alles abräumte. Der junge Rios Alonso spielte eine Woche nach seinem Katastrophentag gegen Wehen Wiesbaden wieder abgeklärt wie eh und je. Clemens Fandrich erhielt trotz einer schwachen Vorstellung in Bocholt erneut das Vertrauen des Trainers und zahlte es mit einer seiner besten Leistungen im RWE-Trikot zurück. Der seit mehreren Monaten nicht mehr in der Liga eingesetzte Moritz Römling kam nach Anlaufschwierigkeiten immer besser ins Spiel und beackerte 90 Minuten lang leidenschaftlich die linke Seite. Wenn dann selbst Thomas Eisfeld, der auf dem getränkten Acker natürlich seiner Stärken beraubt wurde, nach einer Stunde mit vollem Anlauf über den Platz grätscht, spricht alles dafür, dass der Trainer die Mannschaft erreicht und ausgezeichnet motivieren kann. Wer den Trainer fair bewerten möchte, kann nicht immer nur alles schwarz oder weiß malen und sollte anerkennen, dass Dabrowski großen Anteil am gestrigen Sieg hat.

Trotz des matschigen Geläufs erarbeitete sich RWE im Verlauf der 90 Minuten einige gute Chancen: Thomas Eisfeld war es, der unerklärlicherweise nach 27 Minuten das möglich 1:0 vertändelte, als er einen durchgerutschten Ball keine zehn Meter vor dem Tor noch an seinem Gegenspieler vorbeilegen wollte, statt diesen einfach in die Maschen zu zimmern. Simon Engelmann versemmelte die nächste hundertprozentige Chance, als er fünf Minuten vor der Pause einen Foulelfmeter (Berlinski wurde auf der Strafraumgrenze von den Beinen geholt) in die Arme von Deutschlands U21-Nationalkeeper Atubolu schoss, glücklicherweise jedoch den Nachschuss im langen Eck versenkte. Nach der Pause konnten die Freiburger dann mehrere einschussbereite Rot-Weisse im Strafraumgetümmel am Treffer hindern, doch der eigentlich schon geklärte Ball kehrte nach einem Doppelpass von Berlinski und Sponsel zurück auf den linken Fuß der rot-weissen Nummer 9 und wurde von diesem mit einem herrlichen Schlenzer aus zwanzig Metern im langen Eck versenkt. Oguzhan Kefkirs Distanzschuss hätte nach einer Stunde das Spiel entscheiden können, landete jedoch auf der Latte.

Die Knackpunkte

In der ersten Hälfte des ersten Durchgangs fehlte RWE oft der Zugriff auf die spielstarken Freiburger, ein zu kurz geratener Klärungsversuch Björn Rothers nach zehn Minuten kam postwendend als Schuss von Mika Baur zurück aufs Tor und sprang vom Innenpfosten wieder heraus. In dieser Situation hatte RWE endlich mal das Glück auf seiner Seite, das in den letzten Wochen so oft fehlte. Sowohl in dieser Frühphase des Spiels, als auch mit dem verschossenen Elfmeter Simon Engelmanns hätte das Spiel sicherlich noch eine andere Wendung nehmen können, doch durch den verwandelten Nachschuss zum 1:0 war den Freiburgern der Stecker gezogen und bis auf eine kurze Drangphase nach einer knappen Stunde kam von den Gästen offensiv nicht mehr viel.

Der Aufreger

Zwei Spiele, null Punkte, 0:5 Tore lautet die Bilanz von Gästetrainer Thomas Stamm in dieser Saison gegen Rot-Weiss Essen. Die mit Jungnationalspielern und gelegentlichen Profi-Verstärkungen hochgezüchtete Superzweitvertretung hat trotz des zweiten Platzes in Liga 3 in RWE ihr Kryptonit gefunden. Statt dies anzuerkennen, jammerte sich der Trainer der SC-Reserve in Rage und brachte wie schon nach dem Hinspiel kein Wort der Anerkennung eines starken Gegners über die Lippen. Für ihn hätte das Spiel gar nicht angepfiffen werden dürfen, das mangelnde Fingerspitzengefühl des Schiedsrichters hätte also erst die vorherrschenden „Kreisliga“-Bedingungen ermöglicht. Herr Stamm sei daran erinnert, dass seine Mannschaft nur aufgrund des nicht vorhandenen Fingerspitzengefühls des DFB überhaupt in einer Profiliga mitspielen darf. Eine eigene Reserve-Liga würde seinem Team packende Duelle mit dem FC Augsburg II auf gut gepflegten Trainingsplätzen ermöglichen und uns Fans den Anblick eines gähnend leeren Gästeblocks ebenso ersparen, wie die bange Frage, ob seine Mannschaft nicht plötzlich mit einem dreihundertfachen Bundesligaspieler aufläuft, der dann mit einem Doppelpack zum Matchwinner wird (so erging es dem MSV Duisburg, der von Jonathan Schmid abgeschossen wurde). Da man Herrn Stamm und seine Zweitvertretung im Falle des Klassenerhalts notgedrungen wiedersieht, bleibt nur zu hoffen, dass wir auch in der nächsten Saison zweimal Zeugen seines Gejammers werden dürfen. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass zweite Mannschaften einfach nichts in der dritten Liga zu suchen haben!

Fazit und über den Tellerrand geschaut – Die Lage in der Liga

Der rot-weisse Sieg wurde durch die Ergebnisse auf den anderen Plätzen noch vergoldet: Zwickau gab eine 2:0-Führung in Wehen aus der Hand und verlor noch mit 3:4. Oldenburg unterlag Aue 1:0. Dortmund II und Halle nahmen sich beim 0:0 gegenseitig Punkte weg. Siegreich war im Keller nur die SpVgg Bayreuth, die dem SV Meppen mit dem 3:0 wohl die Drittliga-Lichter ausgeknipst hat. Den Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz, den der Hallesche FC mit 29 Punkten innehat, konnte RWE auf sieben Punkte ausbauen und hat zudem das beste Torverhältnis aller Abstiegskandidaten. Die Mannschaft von Christoph Dabrowski hat alles selbst in der Hand und wird nächste Woche von zahlreichen Fans nach Dresden begleitet, wo mit einem Überraschungserfolg der nächste Schritt zum großen Ziel Klassenerhalt getan werden könnte.

NUR DER RWE!

Dominik Gsell