Die „Kleine JHV“, die schon seit vielen Jahren mit ihrem etwas missverständlichen Namen als Infoveranstaltung für Mitglieder von der FFA initiiert wird, fungierte diesmal – in Folge einer desaströsen JHV im Juni – als Erklärungsplattform für Vorstand und Aufsichtsrat.
400 Mitglieder meldeten sich im Vorfeld an, um vor Ort teilzunehmen. 2200 weitere Fans verfolgten die Veranstaltung über einen Livestream. Inhalte sind bereits von der lokalen Presse aufbereitet oder im Liveticker des Reviersports nachzulesen.
Einige Eindrücke zu den handelnden Personen ließen sich allerdings nur vor Ort, im VIP-Bereich „Assindia“ des Stadions, wahrnehmen. So wie den Auftritt von Alexander Rang, der sichtlich bemüht war, einen guten Eindruck bei den Anwesenden zu hinterlassen und sich vor der Veranstaltung an die Tür stellte, um allen 400 Gästen die Hand zu schütteln. Das wirkte, insbesondere nach den Diskussionen um seine Person, für manchen etwas aufgesetzt. Marcus Uhlig ergänzte das zuletzt sehr hochgekochte Thema mit einer biederen Geschichte, dass am Auto des neuen Vorstands Vertrieb doch ein RWE-Aufkleber prangen würde. Auch das wirkte leider nicht sonderlich authentisch.
Die klaren Aussagen von Rang im Reviersport, dass es sich bei der Tätigkeit im Schalker Fanclub-Verband um einen einjährigen Job handelte, der durch einen Sponsor, für den Rang gearbeitet hat, initiiert wurde, klangen recht plausibel und dürften schon einiges an Schärfe aus der Thematik genommen haben. Der Rangrücktritt sollte also heute nur in Bezug auf die Darlehen der beiden Gönner ein Thema werden. Nichtsdestotrotz täten die handelnden Personen gut daran, eine gerade kritisch betrachtete Personalie mit Bochumer Wurzeln nicht künstlich zum RWE-Fan hochzustilisieren. Mit Ehrlichkeit, Bodenständigkeit und Geradlinigkeit lässt sich in Essen besser punkten.
Die Präsentation zum eigentlichen Thema des Abends eröffnete Hans-Henning Schäfer, der als langjähriges Mitglied des Aufsichtsrates erstmals aus dem Hintergrund in die erste Reihe rückte. Dabei gelang dem gelernten Wirtschaftsprüfer das Kunststück, die buchhalterischen Hintergründe zu den bekannten Entwicklungen verständlich zu erklären und seinen Auftritt noch ein Stück weit zu genießen, ohne dabei abgehoben zu wirken. Schäfer war mit Sicherheit ein großer Gewinner des Abends, der viele Sympathiepunkte sammeln konnte und zugleich den Mitgliedern die Gewissheit gab, die nötige Kompetenz auf seinem Fachgebiet mit in den Aufsichtsrat zu bringen.
Dem ein oder anderen RWE-Fan dürfte die aktuell (!) nicht bedrohliche Lage des Vereins dadurch etwas klarer geworden sein. Aktuell mit Ausrufezeichen, weil wir fortan keinen Fallschirm mehr haben und es in den kommenden Saisons umso wichtiger sein wird, seriös zu wirtschaften und am seit 2010 ungeschriebenen Gesetz („Wir geben nur aus, was wir einnehmen!“) festzuhalten.
Die Hauptverantwortung dafür, dass dieser Grundsatz nicht eingehalten wurde, trug und trägt Marcus Uhlig, der bereits mit einem geplanten Defizit i.H. von 750.000 € in das Jahr 2022 gegangen war. Mit dem Darlehen von Sascha Peljhan im Rücken und dem Aufstieg vor Augen, dürfte das womöglich ein vertretbarer Invest gewesen sein, der so auch vom Aufsichtsrat abgenickt worden war.
Weitere Verluste (Wertberichtigung Harfid, Wegfall der besagten Spende, höhere Spielbetriebskosten und glücklicherweise auch Aufstiegsprämien i.H. von 450.000 €) haben das Defizit im 1. Halbjahr 2022 nach oben schießen lassen. Einige Posten ungeplant und unvorhersehbar, andere wiederum, wie die Kostenexplosion beim Umzug der Geschäftsstelle, sehen nach Management- oder Kalkulationsfehlern aus.
Trotz einer Vielzahl an kommunizierten und auch sehr konkret benannten Maßnahmen, die in Zukunft eine entsprechende Früherkennung ermöglichen sollen, bleibt die latente Sorge, dass die Finanzen auch in Zukunft nochmal derart aus dem Ruder laufen könnten. Besorgniserregend war vor allem die Grafik, die die Verluste anderer Vereine aus den letzten drei Jahren in der 3. Liga aufzeigte. Fehlsummen in Höhe von 1 Million Euro waren bei den Klubs eher die Regel als die Ausnahme.
Ein deutlich kürzerer Vortrag folgte von Sascha Peljhan, dem man sichtlich angemerkt hatte, wieso er öffentliche Auftritte lieber meidet. Dem ersten Part, der recht schnell abgelesen wurde, war kaum zu folgen. Der zweite Teil zu den beiden großen Darlehen hingegen hat viel Transparenz geschaffen. Der Hergang zu Beginn der strategischen Partnerschaft wurde offengelegt, genauso wie die Konditionen der beiden Darlehen. Auch hier hätte der Verein schon in der Vergangenheit viel früher auf eine offene Kommunikation setzen sollen.
Die Position im Vorstand als größter Gläubiger bleibt bei Sascha Peljhan ein Stück weit prekär. Über die letzten Jahre und durch einige persönliche Gespräche ist mittlerweile jedoch das gesunde Misstrauen einem positiven Eindruck gewichen, der Vergleiche mit Koryphäen wie Windhorst, Ponomarev oder Ismaik verbietet. Ohne das Engagement von Sascha Peljhan wären wir vermutlich heute nicht in der 3. Liga oder wieder insolvent. Auch für die in Bescheidenheit geleistete, ehrenamtliche Tätigkeit im Verein soll daher an dieser Stelle eine Lanze gebrochen werden.
Den unangenehmsten Redebeitrag der Veranstaltung lieferte Dr. André Helf, wie auch schon auf der JHV im Juni. Der Aufsichtsratsvorsitzende brachte erstmals eine ordentliche Schärfe rein, in dem Marcus Uhlig sehr frontal angegriffen wurde. Während die Kontrolle des Vorstands selbstredend die Kernaufgabe des Gremiums ist, dessen Vorsitz Helf innehält, schien hier jedoch das Zuschieben des schwarzen Peters im Vordergrund zu stehen. Nahezu ohne jegliche Selbstkritik wurde die Tätigkeit des Aufsichtsrates reingewaschen und mit dem Finger auf andere gezeigt.
Mit Nachdruck implizierte Helf mehrfach, vom Vorstand – Marcus Uhlig wurde kaum bis gar nicht beim Namen genannt – mit falschen Zahlen informiert worden zu sein, so dass die negativen Entwicklungen daher im Frühjahr sehr überraschend kamen. Bereits auf der JHV im Juni fiel die Aussage, dass bei der Aufsichtsratssitzung im Herbst noch alles im Lot gewesen sei.
Diese Aussagen aber sind widersprüchlich zu den Ausführungen von Hans-Henning Schäfer, der mehrfach betonte, dass diese Entwicklung nicht aus heiterem Himmel kam. Ganz konkret stand auf seinen Folien: „Soweit in der Mitgliederversammlung der Eindruck entstanden ist, diese Entwicklungen seien bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses nicht bekannt gewesen und ‚wären dann erst aufgedeckt worden‘, trifft dies im Wesentlichen nicht zu.„
Auch auf Nachfrage hin konnte dieser Widerspruch nicht zufriedenstellend aufgeklärt werden. So bleibt die Frage offen, ob der Wirtschaftsprüfer im Aufsichtsrat beschwichtigen möchte, die Lage von vornherein mit dem geschulten Auge im Blick gehabt zu haben oder ob der Vorsitzende mit seiner Darstellung jegliche Schuld möglichst weit von sich weisen will. Denkbar wäre nach den letzten Monaten auch eine unsaubere Kommunikation innerhalb des Aufsichtsrates oder gegenüber den Mitgliedern.
Fazit: Trotz dessen, dass der Bericht hier und da einen kritischen Unterton hat, war der Gesamteindruck von der Veranstaltung überwiegend positiv. Gut strukturiert und gut vorbereitet konnten seinerzeit falsch oder schlecht dargestellte Sachverhalte ins rechte Licht gerückt werden. Auch das Publikum war trotz der fortgeschrittenen Zeit über die volle Distanz sehr diszipliniert, so dass Eskapaden, wie 2008 bei einer Aussprache im damaligen VIP-Zelt, heute nur Anekdoten vergangener Tage blieben.
Die Verantwortlichen haben glaubhaft vermittelt, die Warnschüsse gehört zu haben. Sowohl der DFB im Rahmen der Lizenzierung, wie auch die Stadtoberen – mit Hinblick auf den Stadionausbau – und nicht zuletzt die Mitglieder, dürften allesamt deutlich gemacht haben, dass solides Wirtschaften fortan einer noch größeren Bedeutung beigemessen werden muss, um die langersehnte Rückkehr in den Profifußball nicht zu einem kurzen Gastspiel verkommen zu lassen.
Sebastian Hattermann