Vorbericht
Sekt oder Selters am Berg Fidel? Rot-Weiss Essen vor schwerer Aufgabe bei Preußen Münster
Für die Fanlager beider Vereine steht ein hoffentlich nur sportlicher Großkampftag im Preußenstadion an der Hammer Straße an. Im Münsteraner Stadtteil Berg Fidel will Rot-Weiss Essen quietschfidel sein und den gastgebenden Preußen ein Beinchen stellen. Das wird für den aktuellen Tabellenfünften von der Essener Hafenstraße ein hartes Brett. Münster spielt als Aufsteiger eine gute Rolle in der 3. Liga, ist tabellarisch im Land der Sorgenfreien und kommt mit breiter Derbybrust aus seinem vergangenen Heimspiel gegen Arminia Bielefeld (2:1). Unter der Woche unterstrich die Hildmann-Elf ihre gute Verfassung mit einem Punktgewinn in Ingolstadt. Doch auch RWE ist gut drauf und zeigte zuletzt beim 3:1 über Viktoria Köln eine starke Performance. Somit dürfen wir ein heißes Duell erwarten.
Das Personal und die taktischen Optionen
Christoph Dabrowski findet eine relativ entspannte Personalsituation vor. Weiterhin ausfallen werden Ekin Celebi, Sandro Plechaty und Fabian Rüth. Ansonsten stehen Dabro alle Kicker zur Verfügung und werden jeweils heiß sein, einen der begehrten Plätze in der Essener Startformation zu ergattern. Diese dürfte im Schwerpunkt so aussehen wie zuletzt beim Sieg über Viktoria Köln. Jakob Golz im Tor sowie die Innenverteidiger Felix Götze und Rios Alonso sind derzeit unantastbar, ebenso wie Lucas Brumme als Linksverteidiger. Spannender wird es auf der rechten defensiven Außenbahn, wo Eric Voufack und Routinier Andreas Wiegel um einen Startplatz rangeln. Nach zuletzt einigen Voufack-Wacklern ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Pendel in Richtung Wiegel ausschlagen wird.
Im Mittelfeld führt kein Weg an Kapitän und Motor Vinko Sapina vorbei, ebenso wird bestimmt nach zuletzt überragendem Spiel Torben Müsel beginnen. Dann stellt sich die Frage, ob Dabro Cedric Harenbrock oder den in die Startelf drängenden Thomas Eisfeld den Vorzug geben wird. Marvin Obuz und Isi Young, auch Isi verzeichnet eine stark ansteigende Formkurve, starten auf den offensiven Außen-Bahnen. Ob Leo Vonic seinen Startelf-Einsatz feiern darf oder Ron Berlinski zunächst die 9 geben wird, bleibt abzuwarten. Die Tendenz weist eher in Richtung Vonic, Berlinskis starke Joker-Qualitäten sind aber bestimmt später gefragt.
Es gibt auch in Münster wenig Gründe, die zuletzt erfolgreiche Essener Taktik zu ändern, RWE wird erneut auf kontrollierten Ballbesitz und Dominanz aus sein, ohne die Defensivarbeit gegen die starke Offensive der Gastgeber und dabei vor allem deren Umschaltspiel auch nur einen Deut vernachlässigen zu dürfen. Vor allem wird auch Robustheit gefragt sein, denn die Derby-Fetzen werden fliegen. Essen wird dabei aller Voraussicht nach wieder auf den Dreier gehen, denn Unentschieden sind nicht die dominante Tendenz der Essener Partien. Meist heißt es Sekt oder Selters. Das wird taktisch interessant, denn umgekehrt halten die Gastgeber mit bislang 8 Remis durchaus etwas von Punkteteilungen.
Der Gegner: SC Preußen Münster (12. Platz/ 21 Spiele/29 Punkte/ 7 Siege/ 8 Remis/ 6 Niederlagen/33:28 Tore/Differenz +5)
Preußen Münster ist kein typischer Aufsteiger mit Ligaanlaufschwierigkeiten, sondern mischt ziemlich gut mit im Geschehen. Zwar nicht so gut wie es mit dem SSV Ulm ein anderer Neuling tut, aber Sascha Hildmann hat sich mit seiner Mannschaft schon respektabel weit von den Abstiegsplätzen abgesetzt und somit liegt kein sehr großer Druck auf den Adlerträgern. Das muss bekanntlich kein Nachteil sein.
Die vor allem in den letzten Jahren in neue Höhen gepuschte Rivalität zwischen den beiden Vereinen und Fanlagern wirkt dennoch elektrisierend. Die Schwarz-Grünen sind hochmotiviert und wollen nach dem Coup über Arminia Bielefeld auch das zweite Westderby binnen einer Woche in eigenen Gefilden für sich entscheiden. Das Spiel selber zu gestalten ist nicht unbedingt die Münsteraner Kernkompetenz. Das wird man nicht unwahrscheinlich eher den Essenern überlassen und lauern. Lauern auf pfeilschnelle Gegenstöße über Turbo-Spieler wie Daniel Kankam Kyerewaa, im Hinspiel in Essen sehr auffällig, und Joel Grodowski. Beide Spieler trafen gegen Bielefeld, Grodowski insgesamt in dieser Saison schon 9 Mal.
Ihm gesellt sich mit Malik Batmaz ein weiterer Stürmer zu, der weiß, wo das Tor steht. Batmaz zählt mit 11 Treffern zu den erfolgreichsten Schützen der Liga. Diese Offensive ist nicht nur auf dem Papier gefährlich. Und sie hat noch einmal Zuwachs bekommen. Aus der polnischen Ekstraklasa kommt Dominik Steczyk kurz vor Transferschluss ins Münsterland. Steczyk war auch schon in Liga 3 für den Halleschen FC aktiv, wo ihm immerhin 10 Scorerpunkte gelangen. Auch ihm wird ein veritables Tempo nachgesagt.
Essen wird nach Ballverlusten extrem gut gegen den Ball arbeiten müssen, um nicht in arge Schwierigkeiten zu geraten. Umgekehrt stehen die Preußen nicht nur gerne hinten sehr kompakt, um vorne Räume für ihre Angreifer aufzutun. Anders als der Angriff steht die Abwehrkette nicht im Verdacht, Rekorde im 100 Meter Lauf zu brechen. Das kennen wir vom Ex-Rot-Weissen Ali Hahn, der zuletzt aber nicht mehr im Stamm auflief. Doch auch der zentrale Kettenspieler und Ur-Münsteraner Simon Scherder hat Tempodefizite. In der Mittelfeldzentrale ist Kapitän Marc Lorenz mit 35 Jahren der erfahrene Ruhepool, wenn es sein muss aber auch der aggressive Leader. Preußen Münster hat insgesamt eine interessante Kadermischung, die Essen zu schaffen machen könnte, es aber nicht zwingend muss. Viel wird also auch von der Tagesform abhängen.
Fazit und über den Tellerrand geschaut: Die Lage in der Dritten Liga
Heiß wie Frittenfett sei RWE auf das Derby in Münster, so Kapitän Vinko Sapina. Worte, die der Essener Anhang sehr gerne hören wird. Siege gegen Erzrivalen munden bekanntlich doppelt so gut. Ebenso wie Niederlagen in solchen Partien doppelt bitter sind. Mit bislang 10 Zählern aus neun Auswärtspartien ist die rot-weisse Bilanz in der Fremde ausbaufähig. Vor allem wenn man im Kampf um den Relegationsplatz 3 weiterhin ein ernstes Wörtchen mitsprechen möchte. Preußen Münster wiederum ist heimstark, RWE wird besser und konstanter agieren müssen als zuletzt bei Erzgebirge Aue.
Den Spieltag eröffnen am Freitagabend der Hallesche FC und Waldhof Mannheim. Vor allem die Gäste stehen unter gehörigem Druck. Auch die scheinbare Hammer-Verpflichtung von Stürmer Terence Boyd hat den Lauf der Bube in Richtung Regionalliga Südwest nicht stoppen können. Der HFC hingegen könnte sich bereits aus der Gefahrenzone absetzen.
Am Samstag treffen mit Saarbrücken und Ingolstadt zwei Verfolger der Spitzengruppe aufeinander. Zwangsläufig wird somit mindestens ein Team weiter abreißen lassen müssen. Ein Duell des scheinbar gesicherten Mittelfeldes tragen Viktoria Köln und die Spielvereinigung Unterhaching gegeneinander aus. Jahn Regensburg ist zuletzt gestrauchelt und hat nach dem 0:1 beim BVB II die Tabellenführung an Dynamo Dresden übergeben müssen. Da kommt der Enochs-Elf die strauchelnde Arminia aus Krisenfeld gerade recht zur Wiedergutmachung. Bielefeld ist unter Mitch Kniat eine einzige Enttäuschung und muss sogar den Blick Richtung Abstiegsplätze richten.
Kniats Ex-Klub Verl dürfte beim Tabellenletzten Freiburg II nichts anderes im Auge haben als einen Dreier. Boris Schommers und sein MSV Duisburg hören die Glocken der Regionalliga West immer lauter läuten. Vielleicht gelingt in verzweifelter Lage ein Überraschungscoup beim Dritten aus Ulm. So viel Solidarität muss sein im Revier. Erzgebirge Aue braucht gegen den VfB Lübeck die Punkte, um im Verfolgerfeld zu bleiben, die Gäste benötigen Zähler im beinharten Abstiegskampf.
Am Sonntag steht neben der Essener Partie in Münster das Match des SV Sandhausen bei 1860 München an. Unter dem auch schon in Essen tätigen Neu-Coach Agirios Giannikis haben sich die Löwen stabilisiert. Der Gast aus Sandhausen steht unter Jens Keller für spaßbefreit zynischen Ergebnis-Fußball, bei dem wohl Magenta-Sport-Experte Steven Ruprecht exklusiv mit der Zunge schnalzt. Da man den Gegner gerne machen lässt, ist der SVS spezialisiert auf Spitzenspiele und spielstarke Gegner, um am Ende ein schmutziges 1:0 einzufahren. Ob diese Taktik bei 1860 auch greifen wird, bleibt abzuwarten.
Schließlich gibt es noch das Duell der Schwarz-Gelben zwischen Dresden und Dortmund II. Spitzenreiter Dresden kann keine Spitzenspiele, lässt aber in solchen Partien in der Regel nichts anbrennen. Ganz im Gegensatz dazu wird es am Sonntag an der Hammer-Straße sicherlich emotional brennen. Am Ende sieht man hoffentlich Essener Siegesfeuer in den Augen der Anhänger lodern.
NUR DER RWE!
Sven Meyering