Vorbericht
Quattro A! Rot-Weiss Essen hat Ahmet Arslan und empfängt Alemannia Aachen
Saisonauftakt in der Dritten Liga. Der traditionsreiche Westschlager zwischen Rot-Weiss Essen und Alemannia Aachen steht auf dem Programm an der ausverkauften Hafenstraße 97 A. Im Jahr 1953 war diese Paarung sogar das deutsche Pokalendspiel, Essen siegte mit 2:1 und holte sich den ersten großen Titel der Vereinsgeschichte. Am Samstag geht es „nur“ um Punkte. Doch ein guter Start in die Saison ist immens wichtig, schon allein um das stets kritische Essener Umfeld zu beruhigen und positiv mitzunehmen. Da kam es gerade zur rechten Zeit, dass RWE mit Ahmet Arslan doch noch seinen offensiven Königstransfer realisieren konnte. AA steht somit nicht nur für den Gegner aus Aachen, sondern auch für Ahmet Arslan. Dennoch darf man Rot-Weiss Essen nicht auf diese Personalie reduzieren und einen einzigen Spieler überhöhen. Vielmehr muss Essen einmal mehr sehr gute Teamarbeit aufbieten, um sich den angestrebten Erfolg über den Aufsteiger aus der Kaiserstadt zu sichern.
Das Personal und die taktischen Optionen
Hier offenbart sich ein noch ambivalentes Bild in der Formation von Coach Christoph Dabrowski. Die Testspiele und insbesondere das abschließende Match gegen Bayer Leverkusen zeigten, dass RWE zwei Drittel des Feldes gut bespielen kann. Die Abwehr stand sicher, der stets ruhige Spielaufbau bestach und auch im Zentrum zeigte Essen Präsenz. Geht es dann aber ins letzte Drittel und in Richtung der gegnerischen Box wird alles dünner. Kein Wunder, dass Dabrowski das Bespielen der torgefährlichen Räume während des Trainingslagers als Königsdisziplin ausmachte. Das entsprach nicht unwesentlich auch dem Stand der Personalplanungen bis kurz vor Saisonauftakt. Während Essen für die Abwehr und das defensive Mittelfeld richtig gute Qualität reinholen konnte, drückte der Schuh in den offensiven Bereichen noch.
Mit Marvin Obuz, Cedric Harenbrock und auch Isi Young verlor Essen drei Spieler, die an zwei Dritteln der 60 Saisontore der vergangenen Spielzeit beteiligt waren. Im Umkehrschluss kam dort lange wenig zurück in Essens Kader. Zumindest bis zum Ende der letzten Woche. Ahmet Arslan kann nun Abhilfe schaffen. Der konnte mit dem 1.FC Magdeburg lange Zeit keine Einigung über die Höhe der geforderten Abfindung erzielen. Arslan stand dort noch 2 Jahre unter Vertrag. Offiziell schrieb Essens Kaderplaner Marcus Steegmann den Transfer von Christoph Dabrowskis Wunschspieler bereits ab. Doch insgeheim arbeiteten die Parteien weiter an einer Lösung. Am Ende wurde es den Sachsen-Anhaltinern doch wohl auch finanziell zu heiß, einen Spieler dieser Gehaltsklasse im Oberliga-Team versauern zu lassen. Der sportliche Leiter Otmar Schork lenkte ein und Essen freut sich nun diebisch über einen sportlichen Coup. Schlichtweg gut gemacht von Markus Steegmann. Der Profi-Fußball ist manchmal wie die Börse. Allein die Nachricht vom Arslan-Transfer hob die Stimmung im bereits wieder von apokalyptischen Endzeitszenarien getriebenen Essener Umfeld. Die rot-weissen Aktien steigen wieder. Wie wichtig das ist, zeigt allein die Tatsache, dass RWE sich sputete, noch am Sonntagabend offiziell Vollzug meldete und nicht auf den Montagmorgen wartete. Ahmet Arslan ist folgerichtig seit Beginn dieser Woche im Training.
Zuvor waren andere ambitionierte Transfers, die Essen anstrebte, nicht gelungen, genannt seien hier Stoßstürmer und Wandspieler André Becker, den es nach Bielefeld zog, oder Flügelstürmer Kai Pröger, der in Regensburg noch in Liga Zwei unterkam. Essen konnte sich aber die Dienste von Ramien Safi aus Rödinghausen sichern. Zwar verfügt Safi (24) noch über keine Profierfahrung, jedoch weckte der pfeilschnelle Außenbahnspieler auch Begehrlichkeiten bei anderen Drittligisten und gilt als ehrgeizig und lernfähig. Umgekehrt musste RWE aber auch sofort wieder zwei Verletzungen beklagen, die aufgrund der aktuell geringen Kaderdichte weh tun. Tom Moustier, flexibel im Mittelfeld einsetzbar, brach sich den Mittelfuß, Essen kann wohl erst im September wieder auf ihn zurückgreifen. Ausfallen wird vorerst auch Außenbahnspieler Robbie D‘Haese mit einem Muskelfaserriss.
Damit hängt wohl nicht unwesentlich die potenzielle Rückholaktion des zuvor ausgemusterten Sandro Plechaty zusammen. Sandro garantiert bekanntlich hohe Flexibilität auf den Außen und Dabro betonte, man wisse, was man an ihm habe. Während sich ein Teil der Fans freut, dass mit Plechaty ein beliebter Akteur zu sicherlich verringerten Bezügen womöglich bleiben darf, sieht ein anderer Teil darin auch einen Akt der Verzweiflung, weil RWE die ersehnten Erfolge auf dem Transfermarkt (noch) nicht gelingen wollten. Doch nach dem Arslan-Coup sicherte RWE sich nun die Dienste von Stürmer Manuel Wintzheimer. Unabhängig von den nun geglückten Transfers wird man die Augen bei RWE weiter offen halten. Stichtag ist bekanntlich der 31.08 und bis dahin werden viele Akteure ihren Wert auf dem Markt weiter austesten wollen. Insbesondere im offensiven Bereich ist RWE daher nicht eingespielt. Suboptimale Aktien für Rot-Weiss Essens Saisonstart?
Mit viel Kreativität wird das Trainerteam die genannten Baustellen ausmerzen wollen und es gibt Anzeichen dafür, dass RWE vernünftig in die Spielzeit starten kann. Wie soll das gelingen? Mit Jakob Golz hütet der beste Keeper der Dritten Liga das rot-weisse Tor. Nach dem Abgang von Cedric Harenbrock ist Golz nun der dienstäleste Akteur im Essener Kader, er geht in seine sechste Spielzeit. Davor wird eine Dreierkette agieren. Im Zentrum steht der neue RWE-Kapitän Michael Schultz (31), von Viktoria Köln gekommen und ein absoluter Wunschspieler von Essens Kaderplaner Markus Steegmann. Mit Tobias Kraulich (25) steht ein voraussichtlicher Königstransfer links in Essens Kette. Kraulich ist zweikampf- und spielstark, zudem garantieren seine 1,91 zusammen mit den sogar 1,94 m von Michael Schultz die so häufig vermisste Lufthoheit in der Box. Den beiden Neuzugängen gesellt sich mit Jose-Enrique Rios Alonso ein alter Bekannter rechts in der Kette hinzu. Ene hat sich prächtig entwickelt und im Verbund mit Schultz und Kraulich wirkt RWE hier stabiler als in der Vorsaison, zumal auch ruhig und abgeklärt hinten heraus das Spiel aufgebaut wird.
Im Interview mit dem Fachmagazin Kicker betonte Christoph Dabrowski, die besten Spieler lieber auf dem Platz haben und Rios Alonso keinesfalls auf die Bank setzen zu wollen. Das stützte die Entscheidung für die Dreierkette und ist ein verdienter Vertrauensbeweis für den Deutsch-Spanier, dem seine neuen Mitstreiter hoffentlich ebenso viel Sicherheit geben werden wie zuvor der abgewanderte Felix Götze. Zumindest von der Papierform agiert RWE auf den defensiven Außen mit Schienenspielern. Ekin Celebi ist ein Kandidat auf links. Celebi ist im Grunde ein Neuzugang. Wegen großem Verletzungspech machte der im Vorjahr zum Kader gestoßene Linksverteidiger kein einziges Pflichtspiel für Essen. Das wird nun anders werden. Auf der anderen Seite wird wohl Eric Voufack auflaufen. Zumal RWE Andreas Wiegel den Koffer vor die Tür gestellt hat. Die Dreierkette im Rücken nimmt Voufack etwas den Druck seines weiterhin arg verbesserungsbedürftigen Defensivverhaltens. Nach vorne hingegen hat er einen guten Zug.
Celebi und Voufack vorgeordnet werden Lucas Brumme und Ramien Safi sein. Gegen Leverkusen hielt Brumme bei eigenem Ballbesitz sehr klar die linke Außenbahn und machte mächtig Dampf. Safi hingegen war da etwas zentrumslastiger und tauchte infolgedessen auch mehrfach torgefährlich in der Box auf. Ins Zentrum zurückziehen soll sich auch Lucas Brumme, und zwar wenn der Gegner in Ballbesitz ist. LB14 soll dann Essens Doppelsechs bestehend aus Torben Müsel und Neuzugang Jimmy Kaparos Unterstützung liefern. Kaparos (22) überzeugte in der Vorbereitung und erntete gegen Leverkusen mit seiner guten Technik und Spielübersicht mehrfach sogar Szenenapplaus. Zusammen mit Müsel soll er auch die Bälle nach vorne schleppen, beide Akteure sind in der Zentrale die Ballübernahmespieler für die aufbauende Dreierkette.
Mit Kaparos und auch den konsequent hinter den Ball zurückeilenden Brumme und Safi hat Essen auch mehr Dynamik im defensivem Umschaltspiel gewonnen. Nicht unwahrscheinlich wird RWE hier sogar besser stehen als in der Vorsaison, als man den Gegnern viel gestattete. Bislang hörte sich alles wirklich gut an. Zeigt RWE auch gegen Aachen in der Defensive Kompaktheit und den sicheren Spielaufbau wird man den Gegner zurückdrängen können. Dann aber geht es um die bereits angesprochenen notwendigen Lösungen im letzten Drittel.
Nun hat man endlich Ahmet Arslan, auch wenn die Planungen für den offensiven Bereich noch nicht abgeschlossen sind. Auch mit Arslan wird RWE die Dreierkette praktizieren, in dieser Hinsicht war Christoph Dabrowski zuletzt deutlich. Wenn Dabro wie gesagt seine besten Spieler auf dem Platz haben will, sollte auch Ahmet Arslan dazu gehören. Dabro wird in dieser Trainingswoche sicherlich ein genaues Auge auf die körperliche Fitness seines Neuzugangs werfen. Diesem fehlt womöglich etwas die Dynamik, trainierte Arslan in Magdeburg doch nur in der Oberligamannschaft, wo die Intensität nicht so hoch ist. Ist er fit, wird er sicherlich ein Startelfkandidat sein.
Eine Variante, wie der Einbau gelingen kann, wäre Lucas Brumme die linke Seite wie gewohnt als Linksverteidiger beackern zu lassen. Arslan wird ihm dann vorgelagert, aber sicherlich mehr zur Mitte ziehen. Ekin Celebi müsste in diesem Fall weichen. Umgekehrt könnte es auf dem anderen Flügel dann Eric Voufack treffen. Im Sturmzentrum davor gibt es endlich Alternativen. RWE, das zuvor nur einen nominellen Stürmer zur Verfügung hatte, hat ganz frisch Manuel Wintzheimer vom 1. FC Nürnberg ausgeliehen. Der hat immerhin bereits profunde Zweitligaerfahrung und wird motiviert sein, seine zuletzt etwas stagnierende Karriere wieder auf Touren zu bringen. Wintzheimer kann zentral, aber auch über beide Flügel stürmen, er wird aber zunächst in der Jokerrolle bleiben. Leonardo Vonic darf seine aktuell unumstrittene Rolle in der Essener Startelf natürlich freuen. Gegen Leverkusen gelang ihm auch ein Treffer. Manchmal ist sein Strafraumspiel aber noch zu verschnörkelt und statt dem gefühlt dritten Haken wünscht sich der geneigte Betrachter eher den konsequenten Torabschluss.
Dennoch ist Leo aktuell gesetzt. Im Premium-Test gegen Leverkusen gab es jedenfalls einen klaren Wink. Vonic spielte als einer der wenigen Akteure durch. Gesellschaft in der gegnerischen Box wird er am ehesten vom dann einrückenden Ramien Safi bzw. Ahmet Arslan erhalten. Aber auch von Akteuren wie Torben Müsel, von der DNA her Offensivspieler, und weiteren zentralen Spielern muss man nun mehr konsequente Box-Präsenz erwarten. Gegen Aachen, die Alemannia darf man defensiv tiefer stehend erwarten, wird RWE zudem die Laufwege hinter die Ketten finden müssen. Insgesamt fordert Essens System hier Laufintensität und Flexibilität. Die erste Elf wirkt durchaus gut, bislang fehlten jedoch echte Wechseloptionen. Von daher ist es sehr wichtig gewesen, dass RWE nun von der Bank besser nachlegen kann.
Während Vonic fast schon Narrenfreiheit genoss, war Dion Berisha noch bester Joker für die offensive Außenbahn, nun hat man zum Glück auch Manuel Wintzheimer. Im Mittelfeld-Zentrum sieht es mit Thomas Eisfeld und Nils Kaiser schon deutlich besser aus, für die Dreierkette hat man mit Musti Kourouma auch noch guten Ersatz. Warum sollen offensiv nicht auch Standards helfen? Mit Schultz und Kraulich drängen dann groß gewachsene Defensivspieler nach vorne. Bei der Thematik Abwehrspieler in der gegnerischen Box erinnern wir uns sehr gerne an den letzten Auftritt der Alemannia in Essen. Am 30.10.2021 war es Felix Herzenbruch, der einen allerletzten Eckstoß der Essener per Kopf in die Maschen setzte und RWE mit der Schlussaktion zum 2:1 Sieg über Aachen köpfte. Die Hafenstraße eskalierte. Gerne wieder.
Der Gegner: TSV Alemannia Aachen
Herzlich willkommen zurück im Profifußball Alemannia Aachen! Trotz aller Rivalität kommt dieser Gruß von Herzen, denn wir müssen uns über jeden echten Traditionsklub in den oberen Ligen freuen. Elf Jahre verweilte Alemannia Aachen in der viertklassigen Regionalliga West, eine erste Parallele zu Rot-Weiss Essen. Die nächste Parallele ist die riesige Euphorie im Grenzland. Mit den Kaiserstädtern kommt ein echter Zuschauermagnet in die Liga. Der neue Tivoli fasst 31.000 Zuschauer und die Alemannen werden diesen häufig sehr gut füllen können. Da kann RWE schon aus Gründen des derzeit noch viel kleineren Stadions mit aktuell 19.200 Plätzen Kapazität nicht mithalten. Für das Match in Essen haben die Aachener Anhänger die ihnen zur Verfügung stehenden 2.500 Tickets binnen kürzester Zeit abgegriffen. Der Aufsteiger bietet dabei bereits jetzt eine Auswärtsdauerkarte an, etwas, das in Essen noch immer nicht umgesetzt worden ist. Das Stadion an der Hafenstraße wird somit restlos ausverkauft sein.
Im Sportlichen gestaltet sich für Aachen die neue Liga ambitioniert. Ebenso wie RWE hat die Alemannia noch echte Kaderbaustellen. Zunächst einmal ist das Aufgebot derzeit viel zu groß. Mehr als 30 Vertragsspieler nennt das Portal Transfermarkt.de als bei der Alemannia gelistet. Das hängt auch damit zusammen, dass die sportliche Leitung der Kaiserstädter eine ähnliche Strategie verfolgte wie RWE unter Jörn Nowak und man die potenzielle Aufstiegsmannschaft mit längerfristigen Verträgen motivierte. Die Folge davon, längst nicht jeder Spieler des Kaders ist tatsächlich noch erwünscht, aber Vertragsauflösungen gelangen noch nicht im erhofften Maße. Hieran arbeitet die Alemannia derzeit noch.
Nichtsdestotrotz hat man den Transfermarkt in Sachen Neuzugängen ordentlich beackert. Neun neue Spieler zog man an Land, drei U19-Spieler erhielten Profiverträge. Prominenteste Zugänge sind der linke offensive Mittelfeldspieler Leandro Putaro (27) von Arminia Bielefeld, Staubsauger Bentley Baxter Bahn (31) von Waldhof Mannheim für das zentrale Mittelfeld sowie Stürmer Kevin Goden (25), den man ebenfalls aus Mannheim an den Aachener Dom lotste. Diese drei Spieler holte man von anderen deutschen Profivereinen. Aus der zweiten österreichischen Liga kommt Gianluca Gaudino (27) fürs Mittelfeld. Der Sohn des früheren Klassekickers Maurizio Gaudino galt einst als Megatalent. Zwar konnte er diesen Vorschusslorbeeren nicht gänzlich gerecht werden, spielte aber nicht nur bereits 14 Mal in der ersten und zweiten deutschen Liga, sondern für ausländische Vereine auch schon Europa-League und sogar einmal in der Königsklasse. GG wird es nun wissen und seine nächste Chance im deutschen Profifußball nutzen wollen.
Zudem ist Sturmroutinier Charlison Benschop (34) vom Wuppertaler SV losgeeist worden, Benschop bringt profunde Profierfahrung mit. Die Abteilung Attacke zeigt exemplarisch die derzeitige Kaderstärke. Während RWE hier nur Leonardo Vonic, Manuel Wintzheimer und den eigentlich ausgemusterten Moussa Doumbouya aufweist, sind es sechs Angreifer in Aachens Aufgebot. Geschäftsführer und Sportdirektor Sascha Eller möchte den Mammutkader auf insgesamt 25 Akteure reduzieren, wünscht sich aber auch noch weitere Neuzugänge, die die Kaderqualität erhöhen sollen. Somit sind noch zahlreiche Abgänge ein Thema. Ebenso wie Essen wird auch Aachen bis zum 31.08 weiter basteln. Generell erscheint das Aachener Aufgebot aktuell als spannende Mischung aus erfahrenen Spielern mit Profierfahrung und diversen hungrigen Akteuren, für die diese Erfahrung neu ist.
Trainer Heiner Backhaus, als aktiver Spieler ebenso wie der aktuell im Kader befindliche Lukas Scepanik auch schon für RWE am Ball, hat also in Sachen Teambuilding Schwerstarbeit zu leisten. Dennoch kann er umgekehrt darauf bauen, dass sein Aufstiegskader natürlich eine gewisse Qualität mitbringt. Zumal die Alemannia die Regionalliga West nicht einfach mal so eben, sondern ausgesprochen souverän gewann. Mit Anton Heinz (26) konnten die Alemannen zudem ihren Unterschiedsspieler und Standardspezialisten halten. In 33 Regionalliga West-Partien netzte Heinz 20 Mal für Aachen ein und sammelte weitere 11 Assists. RWE kennt den starken Linksfuß noch aus dessen Oberhausener Zeiten. Er wird an der Hafenstraße sein Profidebut feiern.
Wie werden die Aachener in Essen taktisch auftreten? Sicherlich wird Heiner Backhaus RWE beobachtet haben und eine gewisse Spielstärke der Bergeborbecker festgestellt haben. Wird daraus eher eine Kompaktheit und tiefes Stehen in der eigenen Hälfte resultieren? Eine Taktik, die eine unangefochtene Spitzenmannschaft der letzten Regionalliga-Saison nicht unbedingt verinnerlicht haben dürfte. Backhaus wird aber bewusst sein, dass nun ein anderer Wind weht. Insbesondere, weil RWE sich schwertut, Torgefahr im letzten Drittel zu kreieren, wird er seine Mannschaft kaum in ein offenes Messer laufen lassen. Andererseits lobte der Trainer nach dem abschließenden Test gegen Roda Kerkrade (1:2) das funktionierende Pressing seiner Mannschaft. Auch Dabro erwartet intensiv gegen den Ball arbeitende Gäste. Einigeln wird Aachen sich somit sicherlich auch nicht. Umgekehrt setzt schließlich auch Essen mit seiner Dreierkette auf Kompaktheit gegen den Ball und möchte trotzdem aktiv sein. Ein Wandspieler wie der wuchtige Benschop dürfte bei der Alemannia dafür gut sein, Bälle vorne festzumachen und auch Freistöße in für Essen gefährlichen Räumen herauszuholen, über die sich dann Anton Heinz freut. In der Startelf darf man neben Heinz im Sturm eher die jüngeren Akteure Ismail Harnafi (zuletzt 1. FC Düren) und Thilo Töpken erwarten. Nachdem in den letzten beiden Spielzeiten mit Elversberg, Ulm und Münster gleich drei Aufsteiger in Liga Zwei durchmarschiert sind, dürfte RWE jedenfalls sonnenklar sein, dass mit Aachen alles andere als Kanonenfutter zur Hafenstraße kommen wird.
Fazit und über den Tellerrand geschaut: So startet die Dritte Liga
Die Saison eröffnen am Freitagabend 1860 München und der 1. FC Saarbrücken. Beiden Mannschaften darf man gemessen an ihrer Personalpolitik einiges zutrauen. Insbesondere die Saarbrücker sind nach den satten Einnahmen im DFB-Pokal weit vorne zu erwarten. In Relation zu den angeblichen Etatkürzungen überraschten die gastgebenden Löwen mit hoher Aktivität auf dem Transfermarkt. Zeitgleich zu Essen am Samstag gibt es fünf weitere Partien. Der SV Sandhausen empfängt Absteiger VFL Osnabrück. Auch hier sind ambitionierte Teams am Werk. Den SC Verl sehen viele Experten nach schmerzhaften Abgängen weit unten in der Tabelle verortet. Die wehrhaften Ostwestfalen wollen diese gegen den Absteiger Wehen Wiesbaden sofort Lügen strafen.
Auch Aufsteiger Hannover II wird es nach Meinung der Analysten schwer haben. Die Niedersachsen reisen ins Erzgebirge nach Aue. Die SpVgg Unterhaching hat ebenso wie Verl einen großen Aderlass zu verzeichnen. Für sie geht es auswärts zum BVB II. Einer der absoluten Topp-Favoriten tritt erst um 16:30 Uhr an. Hansa Rostock wird nach dem Abstieg aus der zweiten Liga ein dennoch fast sagenhafter Drittliga-Etat nachgesagt. Alles andere als ein Erfolg gegen Aufsteiger VFB Stuttgart II wäre für das neue Team von Cedric Harenbrock eine echte Enttäuschung. Da bleibt nur noch zu hoffen, dass der als harter Hund bekannte Trainer Bernd Hollerbach das Kapitel Belastungssteuerung im Trainingshandbuch noch einmal nachgelesen hat.
Am Sonntag gibt es noch drei weitere Partien zu bestaunen. Den Anfang machen zwei Teams, deren Abschneiden man entgegengesetzt erwartet. Viktoria Köln wird es schwer haben und empfängt um 13:30 Uhr mit Dynamo Dresden einen auch selbst ernannten Favoriten im Kampf um den Aufstieg. Weiter geht es mit Energie Cottbus gegen Arminia Bielefeld. Die Lausitzer kehren aus der Regionalliga Nordost zurück in den Profifußball. Dort will Pele Wollitz Kollege Mitch Kniat ein Beinchen stellen. Der Arminia wird im Allgemeinen viel zugetraut, das tut sie auch selbst, denn Mitch Kniat kündigte in der Presse extrem erfolgreiche Zeiten an. Große Worte, denn vor wenigen Wochen rettete die Bielefelder in der Nachspielzeit nur der Pfosten vor einem Tor des Halleschen FC und dem Sturz in die Regionalliga West. Den Premierenspieltag beschließen der FC Ingolstadt und Waldhof Mannheim. In Ingolstadt sind die Ränge stets leer, aber die Kassen dank Audi gut gefüllt. Gute Voraussetzungen für Sabrina Wittmann, der einzigen Cheftrainerin im deutschen Profifußball, auch wenn finanzieller Aufwand und Ertrag häufig weit auseinanderklafften in Ingolstadt. Der Gast aus Mannheim strebt jedoch seinerseits ebenfalls ganz andere Ziele an als in der letzten Spielzeit, in der der Abstieg für den Waldhof lange ein Thema war.
Für Rot-Weiss Essen startet die Spielzeit 24/25 mit einem echten Kracher vor vollen Tribünen. Während die chronischen Pessimisten einen Auftakt wie vor zwei Jahren gegen Elversberg befürchten, als der damalige Mitaufsteiger RWE mit 5:1 aus dem eigenen Stadion schoss, sehen andere die Rot-Weissen durchaus weitaus besser gewappnet als damals. Essen ist in der Liga angekommen und strebt den ersten Auftaktsieg im dritten Anlauf nach der Rückkehr in den Profifußball an.
Zudem seien alle notorischen Schwarzseher darauf hingewiesen, dass RWE sich seit sechs Spielzeiten in Serie jeweils kontinuierlich verbessert hat. War es 2018/19 in der Regio West allerdings nicht schwer, die Vorjahresplatzierung (Platz 10) auf Rang 8 anzuheben, begann danach eine durchweg respektable Zeit. RWE kletterte das Podium der Regionalliga in den kommenden drei Spielzeiten von Platz 3 bis Platz 1 hoch, stieg auf und hielt in der Spielzeit 22/23 die Klasse, um sich im Vorjahr dann sehr deutlich zu steigern und Platz 7 zu erzielen. Es wird also seit Jahren nicht so schlechte Arbeit an der Hafenstraße 97 A geleistet, wie es Dauerzweifler scheinbar selber glauben. Die Stimmung im Stadion an der Hafenstraße war aber schon immer besser als in Social Media. Hier wurden unsere Spieler in der letzten Spielzeit stets auf einer Welle der Unterstützung getragen. So soll es auch am Samstag wieder gegen Alemannia Aachen sein. Packen wir es gemeinsam an!
NUR DER RWE!
Sven Meyering
Spielbericht
Keine Leistung der Güteklasse A gegen AA – Essen unterliegt Alemannia Aachen mit 1:2
Lange Gesichter an der Hafenstraße 97 A. RWE verpatzte seinen Saisonauftakt vor ausverkauften Rängen. Und das ausgerechnet gegen den Aufsteiger und alten Westrivalen Alemannia Aachen. Der Sieg der Gäste war nicht unverdient und RWE offenbarte viele Baustellen. Hier kommt unsere Analyse.
Das Personal
RWE spielte wie erwartet mit einer Dreierkette vor Jakob Golz bestehend aus Tobias Kraulich, Michael Schultz und Enrique Rios Alonso. Ekin Celebi begann links und Ramien Safi rechts als Schienenspieler. Vor allem Safi interpretierte diese Rolle offensiver als Celebi. Torben Müsel und Jimmy Kaparos verdingten sich auf der Doppelsechs. Lukas Brumme und Neuzugang Ahmet Arslan sollten für offensive Tiefe sorgen und Stoßstürmer Leonardo Vonic mit Bällen beliefern. Dieses 3-4-2-1 war zu erwarten und darauf hatten sich die Gäste aus Aachen perfekt eingestellt. Dazu später mehr. Nach gut einer Stunde nahm Christoph Dabrowski einen Doppelwechsel vor. Ekin Celebi und Leo Vonic wichen Eric Voufack und Manuel Wintzheimer positionsgetreu. 15 Minuten vor dem regulären Ende sollte noch Thomas Eisfeld anstelle von Jimmy Kaparos für mehr offensive Power sorgen.
Die Pluspunkte
Diese Kategorie ist eher dünn besetzt. RWE zeigte eine Reihe sehr ordentlicher Standards. Dafür sorgte nicht nur das feine Füßchen von Ahmet Arslan, sondern auch das variantenreiche Rochieren seiner Mannschaftskameraden im Zentrum. So gelang auch der Ausgleich zum 1:1. Arslan zog den Ball auf den kurzen Pfosten, Michael Schultz nutzte seine Lufthoheit und verlängerte in die Mitte wo Leo Vonic den Fuß nur noch hin halten musste. RWE hatte die Aachener zuvor gut irritiert, zunächst alle Spieler zusammen- und dann auseinander gezogen, was die Zuteilung der Defensive zerbrach. So kann es gehen. Arslan hatte kurz darauf Pech mit einem zentralen Freistoß, der sich leider etwas zu spät senkte. Hier hat RWE an Qualität zugelegt. Über andere Dinge wird zu reden sein. Wenn man mal Aachens erste Pressing-Linien überspielt hatte, ging es stets zügig in Richtung Gästetor. Das gelang jedoch zu selten.
Die Knackpunkte
Heiner Backhaus hatte seine Alemannia sehr gut vorbereitet auf Essens Dreierkette und Zentrumsspiel, eine eigentlich Stärke von RWE. Die drei Innenverteidiger standen sich im Aufbauspiel ziemlich auf den Füßen und die Kugel wollte einfach nicht da hingelangen, wo sie hinsollte. Aachens Boxstürmer Benschop lief aggressiv unterstützt von Anton Heinz an, dahinter baute Aachen förmlich eine Wand von vier Spielern auf, die den Pass auf Torben Müsel oder Jimmy Kaparos unterbinden sollten. Und das gelang aus RWE-Sicht erschreckend gut. Die Halb- und Zwischenräume waren zugestellt, wenn es sein musste, verteidigte Aachen schon hier Mann gegen Mann und Torben Müsel war von Kettenhunden umstellt.
Da sich Celebi und Safi nicht auch noch in das dichte Netz in und um Essens Box hinein begeben wollten, erwarteten sie die Zuspiele weiter vorn und mit dem Rücken zum Gegenspieler. Die Alemannia markierte auch hier konsequent und RWE verlor den Ball entweder oder musste ihn wieder hinten herum zirkulieren lassen. Irgendwann landete der Ball dann wieder bei Jakob Golz, der wählte oft den langen aber nicht hohen Schlag, weil Leo Vonic nun der Empfänger sein sollte. Auf Höhe der Mittellinie, dazwischen befand sich meist von RWE nicht besetzter Raum, sollte Vonic das Leder verteidigen, auch das gelang überschaubar oft. Vonic ist halt kein Wandstürmer.
Das Spiel, das RWE auszeichnet, viele schnelle Kontakte, den Ball in die Halbräume spielen und dann Richtung gegnerische Box zu treiben, war über die gesamte Distanz kaum zu sehen. So verwunderte es auch nicht, dass Ahmet Arslan scheinbar kaum mitspielte, in seine Räume gelangte der Ball häufig erst gar nicht.
Irgendwann hätte man sich hier eine Systemumstellung auf ein 4-2-3-1 gewünscht, um RWE mehr Präsenz im Zentrum zu ermöglichen oder auch Lucas Brumme ganz konsequent auf seine Paraderolle auf der linken Außenbahn zu stellen.
Und dann die Gegentore. Beim 0:1 rutschte Jimmy Kaparos von Jakob Golz vor der eigenen Box angespielt weg und Essen verlor den Ball in diesem neuralgischen Raum. Aachen nutzte diese Einladung konsequent und wieder kam die Frage nach der zu hohen Risikobereitschaft im RWE-Spiel auf. Das 1:2 war hingegen eine Fehlerkette. Ein langer Ball auf die Außen wurde von Tobias Kraulich unterlaufen, Lucas Brumme ließ sich im Zweikampf zu leicht abkochen und Goden hatte dann freie Bahn. Sein präzises Zuspiel verwertete Heinz zu seinem Doppelpack, Rios Alonso konnte den Querpass nicht mehr blocken. Wenn man schon vorne nicht durchkommt, sollte man hinten nicht solche Szenen zulassen.
Aachen zerstörte Essens Spiel meistens im Ansatz und schlug offensiv eiskalt zu. Das wirkte reif für einen Aufsteiger. Erst als die Alemannia in den letzten 10 Minuten ihrer Intensität Tribut zollen musste und sich etwas zurückzog, kam RWE zu Chancen. Neuzugang Wintzheimer traf zunächst mit einem Drehschuss nur den Pfosten, das war Pech. Kurz darauf hatte erneut Wintzheimer eine gute Gelegenheit, scheiterte aber an Torhüter Johnen, der Abschluss war zu zentral. Essen muss sich fragen, warum es lange Zeit nicht gelang, die Alemannia derart in Bedrängnis zu bringen und man zudem in den Zweikämpfen weniger Intensität an den Tag legte als die Gäste.
Die Aufreger
Schiedsrichter Assad Nouhoum hatte eine nicht wirklich vorhandene Spielleitung. Mal kleinlich, mal extrem großzügig. Kurz vor der Pause war ihm ein klarer Ellbogenschlag von Aachens Hanrath gegen Lucas Brumme nicht einmal einen Freistoß wert. Als er RWE in Hälfte Zwei ohne Not eine vielversprechende Vorteilssituation zurückpfiff, kochte die Hafenstraße. Nouhoum dürfte über die neue Regel, dass nur der Kapitän das Zwiegespräch mit dem Schiedsrichter führen darf, froh gewesen sein, sonst hätte es wohl die ein oder andere Massentalkrunde mit ihm als Moderator gegeben. Diese suchte er aber häufig selber. So gab es kaum mal einen Eckball, bei dem Nouhoum nicht im Vorfeld großen Redebedarf mit den Spielern sah.
Fazit und über den Tellerrand geschaut: Die Lage in der Dritten Liga
Eine herbe Enttäuschung für Rot-Weiss Essen zu Saisonbeginn, die sofort wieder für mächtig Unruhe sorgen wird. So tritt Essen am nächsten Sonntag mit ordentlich Druck auf dem Kessel bei der Zweitvertretung von Hannover 96 an. Der kommende Gegner unterlag ebenfalls mit 1:2, und zwar bei Erzgebirge Aue. Die anderen beiden „Zweiten“ feierten hingegen Erfolge. Während der BVB 2 die SpVgg Unterhaching klar mit 3:0 besiegte, ärgerte der VFB Stuttgart den Topfavoriten Hansa Rostock und entführte beim 1:1 einen Punkt aus dem Ostseestadion.
Der SV Sandhausen schockte den VFL Osnabrück spät und siegte durch einen Treffer in der Nachspielzeit mit 1:0. Der SC Verl trotzte Wehen Wiesbaden ein 2:2 ab und lag dabei sogar lange in Front. Am Freitagabend eröffneten 1860 München und der 1. FC Saarbrücken die Saison. Die hoch gewetteten Saarländer zeigten zynisch effektiven Ergebnisfußball und ließen die Löwen beim 1:0 Erfolg am langen Arm verhungern. Heute spielen noch Viktoria Köln gegen Dresden, Cottbus gegen Bielefeld und Ingolstadt gegen Mannheim. Wir melden uns im Laufe der Woche mit der Vorschau auf das Match in Hannover. Bis dahin wie immer
NUR DER RWE!
Sven Meyering