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Die JHV-Nachlese Teil 2 – Der Aufsichtsrat

Im zweiten Teil unserer Nachlese der Jahreshauptversammlung setzen wir uns mit der kontrovers aufgenommenen Rede von Dr. Lothar Oelert sowie der zwar medial groß angekündigten, jedoch weiter unsichtbar gebliebenen Opposition auseinander.

Der Aufsichtsrat bleibt sich treu: Wie die Axt im Walde oder wie gieße ich Oel(ert) ins Feuer

Nachdem die guten Auftritte der beiden Vorstandsmitglieder Marc-Nicolai Pfeifer und Alexander Rang der Versammlung die vorab erwartete Brisanz genommen hatten und Versammlungsleiter Walther Müggenburg der zarten Hoffnung Ausdruck verlieh, durch ein zügiges Ende der Veranstaltung noch das Spiel der zweiten Mannschaft in Frintrop sehen zu können, war es einigen anderen Verantwortlichen wohl der Harmonie zu viel im Raum. Für die am Aufsehen erregendsten Beiträge sind in der jüngeren Vergangenheit die Vorsitzenden des Aufsichtsrats zuständig, die sich gerne wie die Axt im Walde gebärden. André Helf hatte da zuletzt einige Downlights gesetzt. Da wollte sich der neue AR-Chef Lothar Oelert nicht lumpen lassen und goss reichlich Öl ins Feuer.

Schwere Geschütze fuhr Oelert auf. Im Mittelpunkt der Kritik Sascha Peljhan, mit dem das Verhältnis auf Eiseskälte abgekühlt ist. Ein Umstand, der im RWE-Umfeld nicht gut ankommt, verbindet man doch mit Sascha Peljhan zurecht den Mann, der im Verbund mit Marcus Uhlig den lang ersehnten Aufstieg möglich gemacht hatte. Schon als Walther Müggenburg als Vorsitzender des Gremiums für seinen Vortrag des Berichts des Ehrenrats kurz aus der Rolle des Versammlungsleiters schlüpfte, betonte er, dass der Ehrenrat in Sachen Sascha Peljhan tätig geworden sei und zu vermitteln versucht habe. Dieser lehne jedoch jegliches Gespräch mit den aktuell Verantwortlichen ab.

Das betonte auch Oelert in seiner Rede gefühlte 1907 Mal. Dieser Punkt war nach Meinung vieler im Saal allerdings schon durch eine professionell und auch empathisch wirkende Einlassung des Vorstands Vertrieb Alexander Rang in Richtung von Sascha Peljhan geklärt worden. Oelerts Wiederaufnahme des Themas wirkte überflüssig. Auch darüber hinaus ist der Eindruck entstanden, der Bericht des AR drehe sich eigentlich fast nur um Sascha Peljhan. Das war aufschlussreich. Im Grunde muss man sich fragen, worüber Oelert überhaupt hätte berichten wollen, hätte er sich nicht derart auf Sascha Peljhan eingeschossen?

Aufgedeckt oder besser genannt wurden dabei durchaus kritikrelevante Punkte. So habe Peljhan zu Jahresbeginn sein weiteres Sponsoring davon abhängig gemacht, Einfluss auf Personalentscheidungen nehmen zu dürfen. Hier wurde zumindest zwischen den Zeilen der Vorwurf der Erpressung in den Raum gestellt. Zudem hätten Peljhan und Uhlig weiteres Fremdkapital in den Verein einbringen wollen. Aufgedeckt habe man auch, dass einige Mitglieder seit Jahren keine Beiträge bezahlt hätten, hieraus aber keine Konsequenzen erwuchsen. Der Fehlbetrag an nicht eingeholten Beiträgen ist ärgerlich und auch den treu zahlenden Mitgliedern gegenüber nicht in Ordnung.

Ein letztes heikles Detail war die Nennung einer Zahlung von 15.000 €, die Sascha Peljhan an seinem letzten Arbeitstag im RWE-Vorstand dem ehemaligen Vorsitzenden Marcus Uhlig als Gehaltsvorschuss ausgezahlt habe. Dieser Betrag sei mittlerweile vollständig zurückgezahlt. Diese Information löste aber eine erhöhte Kritikhaltung gegenüber dem alten Vorstand und dessen Entlastung aus. Man darf bei den Ergebnissen von einem blauen Auge für zumindest Marcus Uhlig sprechen. Allerdings musste Oelert auch einräumen, dass aktuell nicht klar sei, ob der Vorgang der Zahlung nicht satzungskonform gewesen sei oder doch. Warum man sich hierüber noch keine Klarheit verschafft habe, blieb offen.

Grundsätzlich stellte sich die Frage, warum genau alle diese Punkte erst jetzt auf die Tapete kamen? Alle diese Dinge ereigneten sich, bevor Marcus Uhlig und Sascha Peljhan den Verein verlassen haben. Immerhin hieß es im Sommer seitens des Klubs aber noch, man sei in Friede-Freude-Eierkuchen-Manier geschieden. Dass das nicht stimmte, berichtete Jawattdenn.de schon häufiger. Warum erfolgte nun diese Kehrtwende in der Darstellung?

Die Veranstaltung erweckte den Eindruck, man wolle Sascha Peljhan von einem Podest stoßen. Nun neigt der Ruhrgebietler ohnehin selten zum Personenkult. Gegenüber Peljhan  bestand aber durchaus ein hoher Grad an Dankbarkeit. Im Saal war in der Sitzungspause aus Aufsichtsratskreisen zu vernehmen, man habe sich nur gegen Peljhan verteidigen wollen. Aber wogegen denn genau? Während Peljhan öffentlich nur sagt, es gab Meinungsverschiedenheiten und man habe sich getrennt, entscheidet sich Oelert dazu, dreckige Wäsche zu waschen.

Besonders abstrus wirkte dabei der Vorwurf, Peljhan habe gegenüber Dritten schlecht über andere Personen im Verein gesprochen. Nun, wenn das der neue Maßstab ist, freuen wir uns generell auf die dann notwendige Aufarbeitung von Äußerungen von AR-Mitgliedern Dritten gegenüber. Wurden diese Äußerungen ausreichend bedacht?

Man darf annehmen, ein Peljhan ist unter Unternehmen leicht besser vernetzt als die RWE-Verantwortlichen, und diese Aktion wird hängen bleiben. Hier ging es also keineswegs um das Vereinswohl, denn dann wäre Oelert vage geblieben, sondern es erschien einzig und allein als eine persönliche Sache. Sicherlich gibt es diverse berechtigte Kritikpunkte an den Handlungen Sascha Peljhans und auch Marcus Uhligs. Aber wo genau sieht sich der Aufsichtsrat in dem großen Ganzen?

Nach Ende seiner Philippika zählte Oelert noch einmal alle Verdienste des Aufsichtsrats auf, der die schlechte Bilanz des Jahres 2022 nicht kommen sehen konnte, aber unmittelbar und nachhaltig gehandelt habe. Besonders unschön wirkte dabei die Aussage, man habe auch nach dem Ausscheiden von Marcus Uhlig und Sascha Peljhan Schädliches im Verein identifiziert und ausgemerzt. Redet man so doppeldeutig über verdiente Personen und kann dabei noch den Anstand wahren?

Unter dem Strich entstand einmal mehr der Eindruck, das Gremium sei immun gegen Kritik und statte seine Handlungen mit dem Edikt der aufsichtsrätlichen Unfehlbarkeit aus, der Vatikan lässt grüßen. Besonders paradox wirkte dabei das stetige Beschwören eines notwendigen Wir-Gefühls bei gleichzeitiger Spaltung von Personenkreisen in Schuldige und Unschuldige. Dem Gremium Aufsichtsrat stellte sein Vorsitzender zudem eine umfassend positive Expertise aus, die Botschaft lautete, es seien genau die richtigen Personen dort versammelt. Oelerts Vortrag ließ jedoch mehr Fragen entstehen, als er beantwortete:

Frage 1: Wenn der AR, wohlwollend gesehen, von dem Fehlbetrag des Geschäftsjahrs 2022 erst spät erfahren hat, wieso waren ihm und sind ihm nicht wenigstens die fehlerhaften Abläufe z. B. auf der Geschäftsstelle aufgefallen? 

Frage 2: Wenn der AR um das Wohl und die Außendarstellung besorgt ist, wieso hat man dann Marcus Uhlig bei der JHV des Grauens im Sommer 2023 so alleine gelassen? Seitdem ist die Außendarstellung aller Gremien beschädigt.

Frage 3: Wieso hat Marcus Uhlig trotz seiner angeblichen massiven Verfehlungen von sich aus um eine Vertragsauflösung gebeten und wurde nicht vor die Tür gesetzt?

Frage 4: Wieso sagt der AR, es wurden Fehler gemacht, benennt aber trotz Versprechen der Transparenz keinen einzigen davon? Sich kurzzeitig das Büßergewand überzuwerfen und dann sofort wieder zum Frontalangriff auf andere zu rüsten, ist wenig glaubhaft.

Frage 5: Wieso wird davon gesprochen, man hätte von der letzten JHV den Auftrag zu strengeren Kontrolle innerhalb des Vereins bekommen? Galt dieser Auftrag nicht schon lange vor 2023 und war ein stetiger Begleiter seit der Insolvenz 2010??

Frage 6: Wieso wechselt der Vorsitzende des ARs kurz vor der JHV und nicht kurz danach oder mit Greifen der Satzungsänderung im nächsten Jahr, damit der AR in „alter“ Besetzung für das letzte Geschäftsjahr gerade steht? Herrn Helfs berufliche Verpflichtungen sind nicht vom Himmel gefallen.

Frage 7: Warum hielt der AR an der offiziellen Linie fest, man gehe mit dem Vorstand „als Freunde“ auseinander, obwohl a) alle es besser wissen und b) dann doch später das bestätigen, was eh alle schon wussten?

In Summe muss sich das Gremium somit nicht wundern, dass es angesichts mehrfacher öffentlicher 180 Grad-Wendungen seine Glaubwürdigkeit zumindest zum Teil verloren hat. Niemand stehe über dem Verein, betonte Oelert wiederholt mantraartig. Gemünzt war das auf Sascha Peljhan, doch schließen sich die Mitglieder des Aufsichtsrats bei dieser für RWE-Mitglieder als Dogma zu betrachtenden Aussage selber aus, indem man selbst jegliche Verantwortung für Fehlentwicklungen von sich weist?

Hierzu sei ganz klar gesagt, der Verein gehört nicht seinen Gremien, der Verein gehört seinen Mitgliedern. Zumindest den zahlenden Mitgliedern. Und die verdienen es, jederzeit ernst genommen und nicht nach Belieben einmal so und einmal anders informiert zu werden. Trotz allem wurde der Aufsichtsrat am Ende durch die Mitgliederversammlung entlastet. Dem Aufruf eines großen Transpis, das am Eingang zur Messehalle an einem Treppengeländer prangte und die Aufschrift trug „Aufsichtsrat nicht entlasten!“, wurde somit nicht gefolgt.

Lothar Oelert, sichtlich erleichtert, griff nach Bekanntgabe des Ergebnisses zum Mikro und dankte den Mitgliedern für das entgegen gebrachte Vertrauen. Hier sollte sich der AR-Vorsitzende genau seine Wortwahl überlegen. Walther Müggenburg hat zuvor exakt beschrieben, was eine Entlastung bedeutet, nämlich, dass man keine rechtlichen Verfehlungen sehe, für das man ein Gremium belangen kann, über das auch nicht einzeln pro Person, sondern nur en bloc abgestimmt werden könne.

Wenn Oelert sich dann für das Vertrauen bedankt, dann ist das die falschest mögliche Wortwahl. Das Vertrauen in den Aufsichtsrat ist insbesondere durch die Reden von André Helf inklusive einer Publikumsbeschimpfung im vergangenen Jahr und umso mehr noch durch den Auftritt von Lothar Oelert gestern massiv und womöglich auch irreparabel erschüttert worden. Es ist daher wichtig, die Begriffe Entlastung und Vertrauen nicht synonym zu verwenden. Viele der gezeigten grünen Stimmkarten gingen wohl auch in die Luft, weil man mehrfach angemahnt hatte, für den anstehenden Stadionausbau gegenüber der Stadt Essen Kontinuität im Klub zu benötigen.

Obwohl der Auftritt des AR eigentlich eine Steilvorlage gewesen wäre, zeigte sich die viel beschworene Opposition nicht. Schon zu Beginn forderte Versammlungsleiter Müggenburg dazu auf, die entsprechenden Leute, über die man so viel gehört und gelesen habe, mögen sich offenbaren. Das tat später auch Lothar Oelert ohne Erfolg.

Diese Personengruppe bleibt somit nebulös und unbestimmt. Ob das Kriterien sind, die für eine geforderte Erneuerung und Transparenz geeignet erscheinen, ist sehr zweifelhaft. Bei den Wahlen zum Wahlausschuss zeigte sich jedoch eine mehrheitliche Pro-Haltung zur Reformierung. Die zuvor weitgehend unbekannten neuen Kandidaten Nicole Neugebauer und Stefan Lantermann schafften auf Anhieb den Sprung in das seit Jahren konsistent besetzte Gremium. Tatsächlich vereinte nur die langjährige Galionsfigur, der ehemalige Essener Stadtdirektor und rot-weisse Aufsichtsratsvorsitz Christian Hülsmann, mehr Stimmen auf sich als die beiden Newcomer.

Stefan Lantermann fand zudem in seiner nachvollziehbaren Forderung, dass die jeweiligen Kandidaten der Mitgliederversammlung auch durch den Verein im Vorfeld vorgestellt werden, in Versammlungsleiter Müggenburg für künftige JHVs einen Fürsprecher. Zudem gehören noch Claus Werner Genge und Klaus-Peter Zimmert weiterhin dem Wahlausschuss an.

Inwiefern das tatsächlich zu einer größeren Kandidatenstreuung im nächsten Jahr führen wird, bleibt abzuwarten. Der aktuelle Aufsichtsrat gab jedenfalls erneut das Signal zur Bewahrung und zeigte sich wenig offen für neue Gesichter. Von daher ist es spannend, was an dieser Front im kommenden Jahr passieren wird. Wichtig ist, dass die Personen, die in Vereinsgremien und ganz besonders im Aufsichtsrat mitarbeiten, über eine notwendige Expertise verfügen, den Verein Rot-Weiss Essen nach vorne zu bringen und eine Behauptungs- in eine Umsetzungskultur transformieren zu können.

In diesem Sinne gilt umso mehr

NUR DER RWE!