Spielbericht
Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel – RWE punktet nach Rückstand gegen Sandhausen
Besser als nix, möchte man sagen. Rot-Weiss Essen errang beim 1:1 im Stadion an der Hafenstraße gegen den SV Sandhausen einen Punkt und knöpfte den Kurpfälzern die Tabellenführung ab. Vor allem in Hälfte 2 zeigte die Dabrowski-Elf, die nach rekordverdächtigen 37 Sekunden durch Wolf und eigenes Unvermögen in Rückstand geraten war, eine gute Leistung. Leo Vonic traf nach kluger Vorarbeit von Müsel und dann Eitschberger zum verdienten 1:1 (57.). Den möglichen Siegtreffer erzielten die Essener jedoch nicht mehr. So trennt RWE auch nach diesem Spieltag nur das etwas bessere Torverhältnis gegenüber dem VFB Stuttgart 2 von einem Abstiegsplatz. Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel.
Das Personal
Essen begann vor Jakob Golz mit einer Dreier- bzw. Fünferkette bestehend aus Tobias Kraulich, Michael Schultz und Ríos Alonso Innen sowie Rückkehrer Eitschberger und Eric Voufack auf Außen. Torben Müsel und Ahmet Arslan besetzten das Zentrum, offensiv sollten Owusu Meisel und Ramien Safi auf den Flügeln wirbeln und Leonardo Vonic den Neuner geben. Viermal machte RWE von Wechseln Gebrauch und tat das jeweils doppelt. Nach 72 Zeigerumdrehungen gingen Meisel und Safi vom Feld, es kamen Boyamba und Kaparos, sodass das Zentrum gegen den Ball etwas gestärkt werden sollte. Zehn Minuten vor dem regulären Ende ersetzten D‘Haese und Eisfeld jeweils Eitschberger und Müsel positionsgetreu.
Die Pluspunkte
RWE zeigte erneut, dass es gegen Teams von oben mithalten kann. Gegen keine Mannschaft auf den Plätzen 1-4 ging Essen bislang als Verlierer vom Platz. Positiv in der insgesamt deutlich dürftigeren ersten Hälfte war, dass die Rot-Weissen den selbst verschuldeten Blitzrückstand wegsteckten und schon kurz darauf durch Voufack und Safi eine Doppelchance zum Ausgleich besaßen. Ansonsten zeigte Vonic noch einen guten Drehschuss, der nur das Außennetz traf, und ein krummes Ding von Müsel bereitete Gäste-Keeper Königsmann Problemchen.
Richtig rein ins Match kamen die Gastgeber allerdings erst in Hälfte 2. Sehenswert der Ausgleich zum 1:1. Eitschberger startete in den Raum hinter Sandhausens Kette und Müsel chippte die Kugel zum exakt richtigen Zeitpunkt in diesen hinein und den Lauf von Eitschi. Kein Abseits. Der deutsche U-Nationalspieler hielt den Kopf oben und sah, wo Vonic lauerte. Der behielt anders als in Aue in bester Position die Nerven.
Danach marschierte RWE, offenbar von einer Last befreit, fortwährend in Richtung Gästebox, vor allem mit den rot-weissen Außenbahnen hatte Sandhausen so seine Probleme und fand selber in der Offensive kaum noch statt. Bei aller Leidenschaft verzeichnete RWE aber auch nur noch zwei gute Gelegenheiten. Vonic zog gefährlich von der Strafraumkante ab, Königsmann tauchte rechtzeitig ab. Kurz vor dem Ende war es natürlich die Übersicht von Tommy Eisfeld, die für das Happy End hätte sorgen können. Eisi passte vom linken Flügel auf den einrückenden Arslan, dessen Versuch von Höhe des Elferpunktes wurde leider geblockt. Die Moral stimmte.
Die Knackpunkte
Kaum hatte das Spiel begonnen, da verpassten sich die Rot-Weissen quasi selbst den ersten gewaltigen Nackenschlag. Bei einem langen hohen Ball behielt Sandhausens lebende Kanonenkugel Dominic Baumann gegen den 16 Zentimeter größeren (!) RWE-Kapitän Michael Schultz in der Luft die Oberhand, dennoch hatte Essen danach die Kugel und kombinierte sich danach wie so häufig selbst ins Verderben. Arslan, dessen Einsatz vorher auf der Kippe stand, wollte Müsel vor der eigenen Box risikofreudig in Szene setzen, fand aber stattdessen seinen ehemaligen Kieler Mitspieler Lucas Wolf, der nun aber leider in Diensten von Sandhausen steht. Der fackelte nicht lange und knallte die Kugel aus Schützensicht links unten präzise rein. Da konnte sich Jakob Golz nur vergeblich strecken. Was für ein Fehlstart.
Sandhausen, in der Blitztabelle nun wieder ganz oben, blieb dominant. Wer weiß, wie es ausgegangen wäre, hätte nicht Rios Alonso nach 20 Minuten per Kopf auf der Torlinie geklärt, als Lewald nach einem von Schiedsrichter Nouhoum an die Gäste verschenkten Freistoß aus der Drehung geschossen hatte. Defensiv fiel auf, wie viel Mühe Michael Schultz mit Dominic Baumann hatte, der immer wieder gesucht wurde und seine Antimodell-Athleten-Figur immer wieder geschickt nutzte, um Anspiele zu sichern.
Zudem erfreute sich Baumann bei einem Eckball sehr großer Freiheiten in der Essener Box. Eine flache Variante fand die klassische Neun, sein Direktschuss ging nur knapp vorbei. Schultz war offenbar als direkter Bewacher für Baumann auserkoren, denn dieser fand sich fast ausschließlich in Zweikämpfen mit dem RWE-Kapitän, der irgendwann Gelb verwarnt auf dünnem Eis wandelte. Ebenso wie das gesamte Team steigerte sich Schulle aber später und war zunehmend Sieger gegen seinen sehr unangenehmen Gegenspieler.
In der Offensive fiel mehrfach Essens arg verbesserungsbedürftige Boxbesetzung auf. Öfters gelangten die Gastgeber gefährlich über Außen an die Box, da aber der erste Pfosten häufig offensiv verwaist war, bekam die Abwehr mit einer Ausnahme immer das Bein dazwischen.
Die Aufreger
Schiedsrichter Assad Nouhoum ist nicht gerade für souveräne Spielleitungen bekannt und diesem zweifelhaftem Ruf wurde er leider erneut gerecht. Das muss man nicht einmal an dem verweigertem Handelfmeter für RWE nach 64 Minuten festmachen. Nach einem Arslan-Freistoß hatte sich Sandhausens Schikora den Ball selbst an die Hand geschossen, Nouhoum ahmte die EM-Geste von Schiri Taylor aus England nach und signalisierte kein Elfmeter. Mit etwas Spielglück erfolgt hier ein Pfiff, aber damit muss man in Zeiten absurder Handregelungen leben. Vielmehr nervten Nouhoums völlig ambivalente Zweikampfauslegungen und Festlegungen persönlicher Strafen ganz gewaltig. So ermahnte er Sandhausens Jonas Carls nach einem rustikalem Einsteigen an der Auslinie lediglich, wenige Sekunden später machte Carls das nächste Foul und kam wieder ungeschoren davon. Völlig absurd wurde der Flirt zwischen Nouhoum und Carls, als dieser in der zweiten Hälfte einen Essener Konter mit einem Football-Block gegen Eitschberger unterband, die Pfeife aber gänzlich stumm blieb. Dafür kassierte Torben Müsel Sekunden später den Karton für ein notwendig gewordenes taktisches Foul. Solitär betrachtet richtig, aber in der Entstehung durch zweierlei Maß begründet.
Als Tobi Kraulich für jeden im Stadion klar erkennbar nur den Ball gespielt hatte, verschenkte Nouhoum einen Witz-Freistoß an die Gäste, der beinahe zum 0:2 geführt hätte (siehe Knackpunkte). Das Sahnehäubchen war der zurückgepfiffene Vorteil in der Nachspielzeit, als Thomas Eisfeld aussichtsreich Tempo weit in Sandhausens Hälfte hätte aufnehmen können, aber Nouhoum ihn zurückpfiff und Essen nach einem Foul an Kraulich stattdessen mit einem Freistoß in der eigenen Hälfte Vorlieb nehmen musste. Ein Referee, dem einfach jegliches Fingerspitzengefühl fehlt.
Zudem dekorierte Nouhoum Ahmet Arslan wegen Meckerns mit der fünften Gelben Karte. Arslan beteuerte nach Schlusspfiff, nichts gesagt zu haben. Coach Dabrowski verwies bei der PK darauf angesprochen auf die Kapitänsregel bezüglich der Kommunikation mit den Schiedsrichtern. Ein Zeichen dafür, dass Dabro hier wohl nicht gänzlich an die Unschuldsvermutung glaubte.
Fazit und über den Tellerrand geschaut: Die Lage in der Dritten Liga
RWE tritt im Tabellenkeller auf der Stelle. Die Leistung war unter dem Strich zufriedenstellend, aber das Remis war zu wenig, um sich auch punktetechnisch etwas unten abzusetzen. Das Remis zwischen Verl und Stuttgart 2 (2:2) sicherte RWE immerhin den hauchdünnen Stand über dem Strich. Das wird sich auch nach den noch ausstehenden Partien nicht verändern. Generell war es am Samstag ein Spieltag der Punkteteilungen. Auch Aachen und 1860, Dresden und der nächste RWE-Gegner Saarbrücken sowie auch Haching und Wiesbaden trennten sich jeweils 1:1. Rostock setzte sich hingegen etwas aus der Abstiegszone ab und fügte Bielefeld beim 2:1-Erfolg die erste Schlappe seit Wochen zu.
Für RWE geht es am ersten Advent nach Saarbrücken. Die Saarländer sind Tabellenfünfter und wie eingangs erwähnt konnten die vier weiter oben postierten Teams die Essener in dieser Spielzeit nicht besiegen. RWE wird aber auch auswärts die gegen Sandhausen Zuhause gezeigten Widerstandskräfte benötigen, um im Ludwigspark zu bestehen. Aktuell müht sich das Einhörnchen nur mühsam.
NUR DER RWE!
Sven Meyering