Vorbericht
Wiedergutmachung ist angesagt – RWE zu Gast im Westschlager bei Alemannia Aachen
Nach einer sehr enttäuschenden Hinrunde ist seltsamerweise eine kleine Euphorie zu spüren. Die Verantwortlichen haben sich darum bemüht, die fehlerhafte Kaderplanung vom Sommer zu korrigieren und namhafte Spieler zu verpflichten, die eine schwierige Aufgabe vor sich haben. Die Mission Klassenerhalt startet in Aachen und es wird sich bald zeigen, ob die Fans in Essen auf eine weitere Saison in der Dritten Liga hoffen können.
Allerdings soll in diesem Vorbericht auch ein wenig Ursachenforschung betrieben werden, warum der Kader den Ansprüchen bislang nicht genügte und sich in diese schlechte Ausgangsposition gebracht hat. Dabei soll auch kritisch überprüft werden, inwieweit die Saisonprognose unserer Redaktion Fehleinschätzungen beinhaltete. Allerdings macht sich auch bei uns wieder etwas mehr Hoffnung breit, dass diese schwache Saison doch noch gerettet werden kann.
Die Personalsituation – Rückblick und Vorschau auf Aachen
Gut, aber nicht überragend – Die Torhüter
Wenn es eine Position mit den wenigsten Problemen gab, dann ist es wahrscheinlich die zwischen den Pfosten. Jakob Golz ist ein verlässlicher Rückhalt, allerdings gab es von ihm weniger herausragende Spiele wie z. B. das Auswärtsspiel bei Dynamo Dresden in der letzten Saison. Außerdem hat sich Jakob Golz „am Fuß“ noch nicht deutlich gesteigert, was sich an den Problemen im Aufbauspiel der Essener häufig zeigt. Dennoch gehört er weiterhin in die Riege der besten Torhüter in Liga drei und wird sehr wahrscheinlich den Verein am Ende der Saison zu einem höherklassigen Verein verlassen. Er hätte es auf jeden Fall verdient.
Mit Felix Wienand stände allerdings ein würdiger Nachfolger bereit. In den Pokalspielen hielt er bis auf das Viertelfinale in Sonsbeck seinen Kasten sauber, ohne ihn wäre aber RWE wahrscheinlich am linken Niederrhein ausgeschieden. Im letzten Saisonspiel gegen Stuttgart 2 vertrat er den erkrankten Golz mit einer soliden Leistung, an den beiden Gegentoren war er machtlos. Für den guten Zusammenhalt in der Gruppe der Einzelgänger sorgt der dritte Mann Ole Springer, wodurch sich niemand an der Hafenstraße hier groß Sorgen machen muss.
Keine sichere Festung – die Innenverteidigung
In der Saisonprognose gingen wir noch davon aus, dass der alles überragende Götze von den Kaderplanern durch eine breitere Aufstellung in dieser Abteilung einigermaßen ersetzt werden konnte. Leider hat sich dies nicht bewahrheitet. Nur die beiden Mannschaften hinter RWE, Osnabrück und Unterhaching, fingen sich mehr Gegentore ein. Als erste Neuverpflichtung für die Innenverteidigung wurde Tobias Kraulich an die Hafenstraße gelotst. Der Mann aus Dresden brauchte aber eine ganze Zeit, bis er wieder an seine alten Leistungen anknüpfen konnte. Zuvor fiel er ein halbes Jahr in Dresden aus. Mittlerweile zeigt sich Kraulich mit den besten Leistungen aus dem Quartett, ist zweikampfstark und kann auch einen Spielaufbau betreiben. Seine unnötige rote Karte im Horrorspiel gegen 1860 München hat wahrscheinlich dazu beigetragen, dass RWE auch in den nächsten beiden Spielen sieglos vom Platz ging.
Schwieriger gestaltet sich die Bilanz von Michael Schultz, der zudem von Ex-Trainer Dabrowski als Kapitän ernannt wurde. Nach zwei Absagen von Lewald (Sandhausen) und Paetow (Münster) waren die Verantwortlichen sehr glücklich, eine Zusage von dem erfahrenen Verteidiger zu haben. Schultz ist aber weder auf noch neben dem Platz der erwartete unumstrittene Organisator. In den Zweikämpfen wirkt er häufig zu behäbig und weicht lieber aus, statt den Gegner zu stellen. Auch die Kopfballhoheit im eigenen Strafraum, die sich Dabrowski so sehr gewünscht hatte, konnte durch „Schulle“ nicht erreicht werden.
Als Kapitän stellt er sich gerne hinter die Mannschaft und betont, wie viel Qualität im Kader steckt. Allerdings bestätigte die Mannschaft nicht einmal in zwei aufeinanderfolgenden Spielen diese Aussage. Als Dabrowski nach dem 1860-Spiel entlassen wurde, monierten er und die anderen Mitglieder des Spielerrats zwar, dass sie nicht zu der Personalie gefragt worden sein, aber mit der Körpersprache der Mannschaft in der Partie gegen die Löwen setze die Mannschaft ein Statement, was nur auf ein gestörtes Verhältnis zwischen Trainer und Spieler gedeutet werden konnte. Auch wenn Michael Schultz direkt für die Leistung aufgrund einer Gelbsperre nichts konnte, sind seine öffentlichen Aussagen wenig konkret.
Hier sei auf seinen Mannschaftskollegen Ahmet Arslan verwiesen, dem dies besser gelingt. Der im Kader verbliebene Rios Alonso hat es auch nicht geschafft, stabile Leistungen auf dem Platz zu spielen. Weiterhin verliert er auch gerne die entscheidenden Duelle und ist im Spielaufbau fehleranfällig, eine große Weiterentwicklung lässt er vermissen. Häufig wird von außen gesagt, dass Rios Alonso nur einen guten Nebenmann braucht, an den er sich orientieren kann, um Höchstleistungen abzurufen. Mittlerweile ist er aber im besten Fußballalter angekommen und muss selbst Verantwortung übernehmen, wie er ja auch vor dem 1860-Spiel in einem Interview bekannte und für sich selbst das Ziel „zweite Bundesliga“ ausrief. Das Ergebnis ist leider bekannt. Er muss sich deutlich steigern, sonst wird er hinter den beiden anderen Innenverteidigern dauerhaft zur Nummer drei werden.
Ein großes Rätsel gibt die Personalie Mustafa Kourouma auf. Statt sich zu überlegen, wie der junge Spieler sich im dritten Jahr weiterentwickeln kann, findet er sich als Nummer vier in der Innenverteidigung auf der Bank wieder. Warum sich die Verantwortlichen nicht vor der Saison für einen Verkauf bzw. einen Anschlussvertrag mit Leihe entschieden haben, bleibt weiter unklar. Seine Leistungen im Pokal sprachen allerdings auch nicht für ihn, obwohl er in Osnabrück trotz des Platzverweises eine Steigerung zeigte. Insgesamt sind aber die Überlegungen des Vereins, im Winter auf dieser Position nicht nachzulegen, nachvollziehbar. Das Personalangebot ist da und es gibt wichtigere Baustellen im Kader.
Fehleranfällig, dennoch mit einem Lichtblick – Außenbahnen defensiv
Mit der Systemumstellung zu Beginn der Saison von Vierer- auf Fünferkette gab es auch Verlierer. Lucas Brumme musste wieder den Gang nach hinten antreten, obwohl er zunächst für die Offensive eingeplant war. Mit der Verletzung von Ekin Celebi war die Rückkehr auf die defensive Außenbahn dann endgültig. Dabei zeigte der gelernte Linksaußen im Spiel gegen Hannover wahrscheinlich nach dem Derbyheimsieg gegen den MSV Duisburg in der Vorsaison seine beste Leistung. Der ehrgeizige Brumme hätte sich vermutlich auch gerne dort gezeigt, um seinen Traum von der zweiten Bundesliga für die kommende Saison zu untermauern. Vielleicht wirkt er deshalb auch ein wenig lustlos, schlägt gerne Flanken aus dem Halbfeld statt wie im vergangenen Jahr die Linie zu beackern und unterlaufen ihm auch Fehler in der defensiven Absicherung, die zu Gegentoren geführt haben. Zudem hat das mediale Einschalten seines Beraters für einige Unruhe hinter den Kulissen geführt, woran aber der Verein nicht ganz unschuldig zu sein scheint. Dennoch ist er in Normalform immer noch einer der besseren Spieler im rot-weissen Kader.
Die Einschätzung, dass Ekin Celebi diese Saison zum Stammspieler heranwächst, erwies sich als weiterer Fehler der Verantwortlichen. Nach nur drei Spielen war wieder Schluss für den Ex-Hannoveraner. Natürlich steht dahinter ein Fußballerschicksal, dies soll nicht vergessen werden. Allerdings wollten die Verantwortlichen einen zweiten Fall „Niemeyer“ verhindern. Dies ist nicht gelungen, Ekin Celebi fällt mindestens bis Frühjahr aus. Die Lücke hinter Brumme wurde mit der Leihe von Matti Wagner (19) aus Fürth geschlossen. Eigentlich stammt Wagner aus der Jugend des FC Kölns und weist immerhin jeweils ein Spiel in der zweiten Bundesliga sowie im DFB-Pokal vor. Auf der anderen Seite der Abwehr hatten die Verantwortlichen ein glückliches Händchen auf dem Transfermarkt. Mit Jungnationalspieler Julian Eitschbergerkonnte von Hertha BSC ein verheißungsvolles Talent ausgeliehen werden. Eitschi ist immer mit vollem Einsatz dabei, kann in den Zweikämpfen auf der rechten Außenbahn meistens die Oberhand behalten und schaltet sich mit seiner Geschwindigkeit auch in die Offensive ein. Nach der Kritik, durch die Systemumstellung auf eine Viererkette und mit der Entlassung von Andreas Wiegel keinen defensiv ausgerichteten Rechtsverteidiger mehr in der Hand zu haben, wurde mit Eitschi jemand gefunden, der für diese Position sogar noch ein Upgrade darstellt.
Ursprünglich war der Plan, Eric Voufack einen offensiveren Part in der Fünferkette zu geben, was aufgrund seiner anhaltenden Defensivschwächen Sinn gemacht hätte. Nach wie vor sucht er bei Flanken nicht den entscheidenden Zweikampf, gerade auf den Außenbahnen gerät RWE immer wieder unter Druck, so dass die Innenverteidigung oft nur zweiter Sieger bleibt. In der Offensive hat der schnelle Voufack durchaus seine Qualitäten, was z. B. seine Flanke vor dem 2:0 gegen Cottbus zeigt. Auch muss dem jungen Rechtsverteidiger hoch angerechnet werden, dass er häufig auch auf der linken Seite aushelfen musste, wenn Lucas Brumme mal ausfiel. Dennoch fehlt noch der Durchbruch in seiner Entwicklung, der jüngere Eitschberger ist im Gesamtpaket hier deutlich weiter. Ein weiterer Kandidat für die rechte Außenbahn war auch noch der gelernte Mittelfeldspieler Nils Kaiser, bei dem der Überraschungseffekt aus der letzten Saison etwas nachgelassen hat und er zudem noch eine schwerere Verletzung im Spiel gegen Hansa Rostock hinnehmen musste. Vielleicht wäre es an der Zeit, Nils Kaiser wieder für die Zentrale einzuplanen, hier gibt es sicherlich mehr Bedarf.
Die große Fehleinschätzung – Defensives Mittelfeld
Nach dem Ende der Saison winkte das große Geld mit dem Verkauf von Vinko Sapina Richtung Dresden. Die Verantwortlichen, namentlich der sportliche Leiter Marcus Steegmann, gaben sich aber hier optimistisch, mit Jimmy Kaparos einen Spieler verpflichtet zu haben, der Sapinas Abgang kompensieren kann. Zudem zeigte Vinko Sapina nicht mehr die Leistungen, die ihn in der Hinrunde der vergangenen Saison zu einem der besten Sechser der Liga gemacht haben. Die Erwartungen an Jimmy Kaparos erwiesen sich als Trugschluss. Zwar ist sein Talent unbestreitbar, es unterlaufen ihm aber zu viele Fehler im Spielaufbau und er kann sich körperlich nicht annähernd so durchsetzen, wie es Vinko Sapina konnte, der mit vier Spielern an seinen Waden wahrscheinlich es noch über das ganze Feld bis zum gegnerischen Strafraum geschafft hätte. Kaparos Spiel wirkt manchmal eher, als wäre er ein „Achter“ statt ein „Sechser“.
Sowohl in der Fünfer- als auch in der Viererkette entstanden zu viele Löcher zwischen Mittelkreis und eigenem Sechzehner, wodurch der Druck auf die auch nicht immer sicher agierende Innenverteidigung immer weiter zunahm. Zunächst versuchten die Trainer es damit zu lösen, dass Torben Müsel mehr Defensivaufgaben übernehmen musste, damit wurde er allerdings seiner Stärken in der Offensive beraubt. Auch Müsels Saisonleistungen sind nicht mehr so stark in der Vorsaison, seine fußballerischen Qualitäten sind aber nach wie vor vorhanden. Auch in die Rückkehr von Neuzugang Tom Moustier wurde sehr viel Hoffnung gesetzt, doch nach seiner Genesung von einem Mittelfußbruch wirkte er viel zu übermotiviert, was sich in überflüssigen gelben Karten und einer hastigen Spielweise z. B. in Dresden zeigte, die wahrscheinlich mitverantwortlich für den Verlust von zwei sicher geglaubten Punkten war. In seinen Einsätzen im Auswärtsspiel beim VFL Osnabrück und im Heimspiel gegen Stuttgart 2 konnte er endlich gute Leistungen auf dem Platz bringen und kann möglicherweise eine Verstärkung für die Rückrunde sein.
Auch Gianluca Swajkowski ist ein kleiner Lichtblick. Der Nachwuchsspieler überzeugte bereits in der Vorbereitung, kam aber vor dem Spiel gegen Stuttgart 2 nur im Pokal zum Einsatz. Sein Tor zur 2:1 Führung war eine echte Kraftanstrengung und auf dem Platz ist er immer mit vollem Einsatz dabei. Es bleibt ihm zu wünschen, dass er mehr Einsatzzeiten in der Rückrunde bekommt. Trotz dieser Aussichten musste für mehr defensive Stabilität auf dieser Position gesorgt werden. Die Verantwortlichen haben mit Klaus Gjasula (35) auch diese Baustelle schließen können. Der bundesligaerfahrene Albanier mit Länderspieleinsätzen bei der letzten EM ist eine echte Erscheinung auf dem Platz, wie es in der letzten Saison Sapina war. Zweikampfstark, ballsicher, im Aufbau eine tragende Säule im Spiel – hier wird wieder auf einen klassischen Sechser gesetzt, der Druck von der letzten Kette nimmt und sich auch nach vorne einschalten kann. Bleibt nur zu hoffen, dass Klaus Gjasula fit bleibt und die in ihn gesteckten Erwartungen voll erfüllen kann.
Gute Besetzung mit Luft nach oben – offensives Mittelfeld
Nach einem langen Tauziehen war es dann noch möglich, dass sich Ahmet Arslan das rot-weisse Trikot überziehen konnte. Der ehemalige Dresdener und Magdeburger hatte eine schwere Zeit auf den Bänken der beiden Ostklubs hinter sich und erhoffte sich in Essen einen Neustart seiner Karriere. Ein gewisses Risiko war da, dass der Topscorer der Drittligasaison 22/23 überhaupt an seine vergangenen Leistungen anknüpfen konnte. Natürlich muss zu diesem Zeitpunkt gesagt werden, dass er seine damalige Leistung noch nicht erreicht hat. Allerdings war seine Verpflichtung alles andere als ein Fehler. Mit vier Toren und fünf Vorlagen ist er der beste Scorer in einer lahmenden Offensive. Zudem stellte sich Arslan immer in den Dienst der Mannschaft und war sich nicht zu schade, für ihn ungeliebte Defensivaufgaben zu übernehmen. Auch erweist sich Ahmet Arslan als meinungsstarker Spieler, dessen Kritik treffend, aber nicht bloßstellend und durchaus auch selbstkritisch ist. Eigentlich wäre er der geborene Anführer der Mannschaft, wenn er sich gegenüber den Schiedsrichtern mehr im Griff hätte. Wenn Klaus Gjasula es schafft, Arslan und möglicherweise auch Müsel den Rücken freizuhalten, wird auch das offensive Mittelfeld der Essener wieder zu alten Stärken finden.
Immer wieder wurden im Umfeld der Hafenstraße Stimmen laut, dass Thomas Eisfeld mehr Berücksichtigung in den Spielzeiten finden sollte. Der erfahrene Ex-Bochumer ist mit Sicherheit der beste Fußballer in der Mannschaft, seine Verletzungsanfälligkeit war aber vorher klar und durch seinen Vertrag mit gekürzten Bezügen wurde zum Ausdruck gebracht, dass er von den Verantwortlichen nur als Backup gesehen wird. Dennoch stellt er sich immer voll in den Dienst der Mannschaft und zeigt seinen Qualitäten in den wenigen Einsatzzeiten auch auf dem Platz. Leider bremst ihn abermals eine Verletzung nach dem Trainingslager aus. Hoffentlich kann „Thommy“ bald wieder in den Kreis der Mannschaft zurückkehren.
Viel Masse, wenig Klasse – Offensive Außenbahnen
Ähnlich wie in der Innenverteidigung mit Felix Götze war hier auch allen rund um die Hafenstraße klar, dass Marvin Obuz schwer zu ersetzen sein wird. Einen Flügelspieler zu finden, der starke Flanken schlagen kann und eiskalt im Abschluss ist, wird kaum in der Dritten Liga zu finden sein. Immerhin ist es gelungen, mit Ramien Safi ein vielversprechendes Talent an die Hafenstraße zu lotsen. Safi spielte ingesamt eine ordentliche Hinrunde. Seine Schnelligkeit auf den Flügeln und das Durchbrechen der letzten Verteidigungslinie sind Qualitäten, die noch mehr Unterstützung durch das offensive Mittelfeld bedürfen. Allerdings ist Safi vor dem Tor noch nicht abgebrüht genug und lässt zu viele Chancen liegen.
Ähnlich gute Vorrausetzungen waren bei Kelsey Owusu zu finden, der in Sachen Schnelligkeit Ramien Safi durchaus ebenbürtig ist. Allerdings ist Owusu in den Zweikämpfen häufig noch der Unterlegene, die Verteidiger in der Dritten Liga können das junge Talent noch zu einfach abkochen. So tauchte Owusu in einigen Spielen völlig ab, dennoch zeigte er, dass er den endgültigen Sprung in Liga drei schaffen kann. Eher enttäuschend lief die Saison bislang für Joseph Boyamba. Er wurde ähnlich spät wie Owusu verpflichtet und war nach Ahmet Arslan der zweite große Wunschspieler des ehemaligen Trainers Christoph Dabrowski. Allerdings waren seine Leistungen trotz seiner Erfahrung nicht ausreichend. Gerade sein Defensivverhalten in der Rückwärtsbewegung und seine mangelnden Abschlussqualitäten werden im Umfeld sehr kritisch gesehen. Ausgerechnet nach der Entlassung seines Fürsprechers Christoph Dabrowski ging seine Formkurve leicht nach oben, aber immer noch mit mangelnder Torausbeute.
Gar keine Rolle in den Überlegungen der Verantwortlichen spielen Robbie D´Haese und Dion Berisha. Der Sprung aus der zweiten belgischen in die dritte deutsche Liga war für D‘Haese trotz ein paar guter Aktionen zu groß, was einige Fragen zum rot-weissen Scouting in den Beneluxstaaten aufwirft. Auch bei Dion Berisha müssen sich die Verantwortlichen fragen, warum der aus der Zweitvertretung des FC Bayern abgeworbene Nachwuchskicker ein Drei-Jahres-Vertrag erhalten hat. Beide Spieler blockieren mit ihren Verträgen mindestens einen weitere Neuverpflichtung, die diesen Kader wahrscheinlich wirklich verstärkt hätte.
Denksportaufgabe (noch) nicht gelöst – Der Sturm
Schon vor Beginn der Saison kamen auch uns Zweifel auf, ob die Dauerbaustelle nach dem Abgang von Simon Engelmann in der vorletzten Saison endlich geschlossen werden kann. Die Antwort darauf bleibt größtenteils gleich, Rätsel bleiben allerdings auch. Dies liegt vor allem an Leonardo Vonic. Der talentierte Stürmer spielt weiterhin unorthodox, bleibt häufig sehr unauffällig mit technischen Mängeln am Fuß. Dann hat er aber mal wieder gelungene Aktionen, wo er einen richtigen Riecher beweist, und sein Tor erzielen kann. Diese nicht vorhandene Konstanz ist ein Problem in einer Mannschaft, die viele Führungsspieler verloren hat, sowohl auf als auch neben dem Platz. So kam es vor, dass sich vor allem Arslan und Vonic häufiger auf dem Platz lauter austauschten, weil der Spielmacher mit den Laufwegen des Sturmkollegen nicht einverstanden war. Auch seinen Einsatz im Training hat er anscheinend nicht kontinuierlich verbessern können, so dass er eine schwierige Personalie blieb. Dennoch ist er, mal wieder, beim derzeitigen Stand bester Essener Torschütze. Sein Verbleib an der Hafenstraße ist aber sehr ungewiss. Angeblich gibt es mehrere Interessenten, die ihn für gutes Geld verpflichten möchten. Dieses Geld kann RWE angesichts der Transferoffensive im Winter gut gebrauchen. Der eigentliche Spieler, der Leo Vonic Dampf machen sollte, fällt nämlich auch bis zum Frühjahr aus.
Manuel Wintzheimer konnte zwar gute Ansätze zeigen, indem der den Ball für seine Mitspieler gut halten und durch schlitzohrige Aktionen wie beim Elfmeter in Ingolstadt seine ganze Cleverness einsetzt, allerdings bei seiner Kernkompetenz, nämlich das Toreschießen, auch nicht überzeugen konnte. Auch hier sieht es so aus, dass sich die Wege nach dem Ende der Leihe aus Nürnberg wieder trennen werden. Bleibt noch der bullige Moussa Doumbouya, der aber schon seit Ende der Saison in den Planungen der Verantwortlichen keine Rolle mehr spielt, aber auch bedingt durch eine Verletzung keinen Abnehmer fand. Also mussten neue Stürmer her, einer wurde bis zu diesem Zeitpunkt bislang gefunden. Mit Dominik Martinovic wurde neben Klaus Gjasula ein weiteres Ausrufezeichen auf dem Transfermarkt gesetzt. Der erfahrene Stürmer, der nach Aufenthalten in Elversberg und Kroatien wieder in die dritte Liga zurückkehrt, ist vor allem ein Spieler für den Umschaltmoment.
In dem Kader zunächst eine gute Vorrausetzung, schließlich besitzt man auf den offensiven Außenbahnen schnelle Spieler, die mit einem Paß in die Tiefe Martinovic gut einsetzen können. Allerdings ist Martinovic kein Stürmer für alle Spielsituationen. Dafür müsste noch ein weiterer Spieler her, den man scheinend in Marek Janssen (27) aus Meppen gefunden hat. Der über 1,90 m große Sturmtank soll der „Wandspieler“ sein, welche die Kaderplaner bislang vergeblich suchten. Sollte dieser Transfer gelingen, wären die Lücken aus dem Sommer zunächst geschlossen. Der viertschlechteste Sturm der Liga bekommt dadurch hoffentlich ein wenig Aufwind.
Unser Gegner: Alemannia Aachen (5 Siege – 10 Unentschieden – 4 Niederlagen, 18:21 Tore, Platz 13)
Der Aufsteiger aus der Regionalliga West hat sein Etappenziel in der Hinrunde erreicht. Die Alemannia hat sieben Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz und kann eine Truppe stellen, die schwer zu besiegen ist. Trainer Heiner Backhaus, der bei seinen vielen Stationen als Spieler am Anfang seiner Karriere auch mal Halt in Essen machte, lässt einen kompromisslosen Spielstil aufbieten, der auch gerne mal an oder über die Grenze des Erlaubten geht. Hier sei auf das Hinspiel verwiesen, bei denen die Aachener auch mal überhart zur Sache gingen, letztendlich aber einen Sieg über den Kampf gegen schlecht organsierte Essener verdient feiern konnten. Seitdem hat sich wenig in der Art und Weise der Kaiserstädter geändert.
Mal geht diese Taktik auf, wie bei den starken Auftritten in Rostock oder gegen Unterhaching, manchmal aber auch nicht, wie nach der frühen roten Karte gegen Gaudino im Spiel in Sandhausen, wo die Alemannia mit vier Gegentreffern nach Hause geschickt werden. Trainer Backhaus kalkuliert solche Niederlagen mit ein und ist nicht müde zu betonen, dass Aachen nicht die finanziellen Mittel hat, um sogar gegen derzeit schlechtere platzierte Teams wie Essen oder Osnabrück mitzuhalten. Zuletzt gab es einen deutlichen Seitenhieb an die Hafenstraße, da auch Aachen gerne Martinovic verpflichtete hätte und sehr schnell klar wurde, dass an der Grenze zu Belgien die Regale etwas niedriger hängen. Eine erstaunliche Aussage für einen Verein, der in der letzten Saison konkurrenzlos die besten Spieler der Regionalliga West aufkaufte und am Anfang Probleme hatte, seine Favoritenrolle gerecht zu werden.
Ein solches, sehr unglaubhaftes, Understatement gehört aber dazu, um den Druck an die Konkurrenz weiterzugeben. Dabei muss Aachen auch auf den Verbleib in die Liga drei hoffen, um in der nächsten Saison den Etat zu erhöhen und dauerhaft im Wettbewerb mithalten zu können, was auch oft genug aus Reihen der Aachener zu hören ist. Mit der bisherigen Ausbeute an Punkten sollte dies gelingen, sicher kann sich da aber im Aachener Umfeld keiner sein. Heiner Backhaus sorgte bislang dafür, dass seine Spieler am Boden bleiben und die gestellten Aufgaben gut erfüllen. Allerdings gibt es eine große Hürde bei der Mission Klassenerhalt.
Während die Aachener die zweitbeste Defensive in der Hinrunde stellten, bleibt der Angriff nur ein laues Lüftchen. Nur 18 geschossene Tore bedeutet die rote Laterne, selbst RWE traf seltsamerweise häufiger als die Schwarz-Gelben. In der Bückzone, wo ja laut Backhaus der Verein hin greifen muss, fanden die Verantwortlichen Niclas Castelle beim SSV Ulm, der in dieser Saison nur viermal in der zweiten Liga eingewechselt wurde, und Daouda Beleme vom Hamburger SV 2, der in dieser Spielzeit fünfmal bei 20 Spielen in der Regionalliga Nord netzen konnte. Wirklich keine überragenden Werte der beiden Neuzugänge, aber die Leistung von Backhaus, solche Spieler in ein bestehendes Kollektiv zu integrieren, darf nicht unterschätzt werden.
Dazu holte sich der Verein noch den vereinslosen Daniel Wiebe, der im defensiven Mittelfeld zu Hause ist und zuletzt bei Eintracht Braunschweig unter Vertrag stand. Der erfahrene Wiebe soll der Mannschaft mehr Stabilität verleihen. Auch auf der Torhüterposition gab es noch eine Veränderung. Mit Jan Olschowsky wurde ein verheißungsvolles Talent mit Bundesligaerfahrung von Borussia Mönchengladbach ausgeliehen. Hingegen mussten Dustin Willms (MSV Duisburg), Ayman Aourir und Frederic Baum (beide Eintracht Hohkeppel) den übervollen Kader verlassen. Das wird ein echter Gradmesser für die Essener Mannschaft.
Nur Erzgebirge Aue konnte am Tivoli gewinnen, und dies liegt auch bereits 15 Spieltage zurück. Die Mannschaft von der Hafenstraße muss von Beginn an körperlich dagegenhalten, was durch eine verstärkte Defensivzentrale um Gjasula gelingen kann. Aber auch dann muss es erst einmal gelingen, die starke Aachener Abwehr in Bewegung zu kriegen und vor nicht lösbare Aufgaben zu stellen. Da die Kaiserstädter durch ihre begrenzten Möglichkeiten kaum das Spiel machen werden und somit das Essener Umschaltspiel möglicherweise ins Stocken gerät, muss Markus Koschinat auch darauf gefasst sein, das Zepter im Spiel selbst in die Hand zu nehmen, was seinem geforderten Spielstil weniger entspricht. Sollte aber ein Sieg am Tivoli drin sein, würde dies ordentlich Kräfte für den Kampf um den Klassenerhalt freisetzen.
Der Blick auf die Liga oder der Weg aus dem Tal der Tränen
Selbstverständlich muss zunächst die Mannschaft an der Hafenstraße liefern. In einer solchen Situation ist aber RWE dazu verdammt, sich auch die Ergebnisse auf den anderen Plätzen anzuschauen. Wir machen uns einmal die Mühe, die Spiele nach der Relevanz für die rot-weisse Mission „Kampf gegen den Abstieg“ zu bewerten.
Hannover 96 2 vs. Erzgebirge Aue – Wichtigkeitsfaktor: hoch
Bereits am Freitagabend richtet sich die Aufmerksamkeit auf das Duell an der Leine. Kaum jemand traut dem Nachwuchs der 96er den Klassenerhalt zu, dementsprechend lastet der Druck auf andere Mannschaften. Verlieren die Hannoveraner gegen Aue, könnte RWE bei entsprechender Punkteausbeute schon einmal einen Platz gut machen. Zumal Erzgebirge Aue mit 29 Punkten den Aufstieg noch nicht aufgeben hat. Prognose: Sieg für die Erzgebirgler!
1. FC Saarbrücken vs. 1860 München – Wichtigkeitsfaktor: mittel
Nachdem der Motor zunächst etwas stotterte, ist der FCS dort, wo viele Experten ihn vor der Saison erwartet, nämlich auf einem (indirektem) Aufstiegsplatz. Zuletzt schwächelten die Münchener, ohne den Sieg an der Hafenstraße hätte es sehr bitter aussehen können. Damals konnten die Löwen die Abstiegskonkurrenz distanzieren, mit 24 Punkten ist auch ein kleiner Puffer da. Es besteht dennoch die Möglichkeit, dass die Blauen in die rote Zone wieder reinrutschen können. Prognose: Sieg für die Saarländer!
VfB Stuttgart 2 vs. Hansa Rostock – Wichtigkeitsfaktor: sehr hoch
Der kleine VfB bekleidet den Platz, welcher RWE sich gerade sehnlich wünscht, Hauptsache über dem Strich. Die Stuttgarter dürfen nicht unterschätzt werden, im Verein herrscht ein hohes Potential an richtig guten Kicker. Hansa Rostock kam nach schwieriger Anfangsphase immer besser in Fahrt und träumt auch noch von der Rückkehr in Liga 2. Prognose: Sieg für den Ostseeklub!
VfL Osnabrück vs. SV Sandhausen – Wichtigkeitsfaktor: sehr hoch
In Osnabrück wurde ähnlich wie in Essen viel im Winter auf dem Transfermarkt gearbeitet. Der ehemaliger MSV-Spieler Niklas Kölle soll die linke Abwehrseite verstärken, auch der zuletzt vereinslose Jannik Müller wurde geholt, um die wackelige Verteidigung sicherer machen. Im Mittelfeld wurde mit Bryan Henning von Viktoria Köln nachgelegt, zuletzt fanden die Angreifer Nikky Goguadze (Bremer SV) und Ismael Badje (Abbruch der Leihe, SC Wiedenbrück) den Weg an die Bremer Brücke. Der SV Sandhausen hingegen stolperte sich durch die zweite Hälfte der Hinrunde und findet sich derzeit im tristen Mittelfeld wieder. Prognose: Unentschieden
SpVgg Unterhaching vs. Borussia Dortmund 2 – Wichtigkeitsfaktor: mittel
Natürlich ist auch Unterhaching ein Konkurrent von RWE im Kampf gegen den Abstieg. Aber es gab im Winter aufgrund der finanziellen Situation keine Verstärkungen auf dem Platz, stattdessen wurde Heiko Herrlich als neuer Trainer präsentiert. Vier Mannschaften steigen nun einmal ab, die Hachinger werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dabei sein. Der Nachwuchs des BVB präsentiert sich wie immer talentiert, aber durchaus wankelmütig. Prognose: Unentschieden
Arminia Bielefeld vs. Energie Cottbus – Wichtigkeitsfaktor: sehr gering
Wahrscheinlich das Topspiel an diesem Wochenende in Liga drei, leider sind diese Teams aber außerhalb der rot-weissen Reichweite. Beide wollen hoch, die Arminia braucht die Punkte nötiger als die Brandenburger. Prognose: Sieg für die Almbewohner.
Wehen Wiesbaden vs. SC Verl – Wichtigkeitsfaktor: mittel
Anscheinend hat ausgerechnet dieses Spiel verdient, den Topplatz am Samstagnachmittag zu bekommen. Wehen hat zwar noch Möglichkeiten im Aufstiegskampf, musste aber zuletzt Federn lassen und sich mit einem Mittelfeldplatz begnügen. Verl macht wieder Sachen, die anscheinend nur auf ostwestfälischen Dorfplätzen möglich sind. Die Truppe spielt einen anständigen Fußball in der Liga und wird nach hoher Voraussicht wieder nichts mit dem Abstieg zu tun haben, nur um kurz vor der nächsten Saison wieder gerupft zu werden und anschließend dann wieder die Klasse zu halten. Prognose: Unentschieden.
Dynamo Dresden vs. Viktoria Köln – mittel bis gering
Die Dresdener wollen es endlich schaffen und in der Rückrunde weiter erfolgreichen Fußball spielen. Allerdings muss vor den Kölner den Hut gezogen werden, die aus der finanziellen Situation das Optimum herausgeholt haben und mit 29 Punkten sogar noch in Reichweite der Aufstiegsplätze steht. Wäre da nicht die Gesetzmäßigkeit, dass der Viktoria in der zweiten Saisonhälfte häufig die Puste ausgeht. Es bleibt eine geringe Hoffnung, Köln könnte noch einmal unten reinrutschen, wobei der Klassenerhalt in greifbarer Nähe ist. Prognose: Sieg für die Sachsen.
Waldhof Mannheim vs. FC Ingolstadt – Wichtigkeitsfaktor: sehr hoch
Sowohl der Anfang als auch das Ende des Spieltages haben es für RWE in sich. In Mannheim ist der Klassenerhalt keineswegs gesichert, nur vier Punkte trennen RWE und die Schwarz-Blauen. Waldhof hat noch keinen Ersatz für den verletzten Torjäger Boyd gefunden, allerdings kehrt mit Mittelfeldspieler Ferati ein erfahrener Mann in das Benzstadion zurück. Der FCI hingegen schnuppert am Aufstieg und will diese Chance wahren. Dennoch müssen sich die Bayern auf einen heißen Tanz in Mannheim einstellen. Prognose: Unentschieden.
Machen wir uns nichts vor, trotz der namhaften Neuzugänge bleibt es eine große Herausforderung, sich wieder aus dem Sumpf zu ziehen. Dennoch will keiner an der Hafenstraße den Glauben an den Klassenerhalt aufgeben. Die Mannschaft muss aber schnell in die Spur finden, bevor der Zug abgefahren ist. Am besten wäre es, sie würde in Aachen schon einmal ein dickes Ausrufezeichen setzen.
In diesem Sinne: NUR DER RWE!
Pascal Druschke
Spielbericht
RWE kassierte in Aachen die fünfte Auswärtsniederlage in Folge und rutschte nach einer indiskutablen Leistung auf den vorletzten Tabellenplatz ab.
Die Pluspunkte des Spiels sind schnell abgehandelt: Ohne Jakob Golz wäre die Niederlage noch deutlicher ausgefallen, er hielt RWE beim Stand von 0:1 mit einer sensationellen Parade aus kurzer Distanz gegen Anton Heinz im Spiel. Leider ließ ihm der ehemalige Oberhausener im zweiten Anlauf keine Chance und machte nach einem verlängerten Torwartabschlag mit dem 2:0 fünf Minuten vor Ende den Deckel auf eine Partie, die angesichts der Essener Hilflosigkeit auch bei einem Tor Rückstand schon entscheiden war.
Auf dem Feld knüpft der zwanzigjährige Leihspieler Julian Eitschberger an seine Leistungen vor der Winterpause an und geht weiterhin mit unermüdlichem Einsatz voran. Auch dem erst 22-jährigen Tom Moustier (in seiner ersten Profi-Saison) merkte man an, dass er sich nach Kräften gegen die drohende Niederlage stemmte. Ausgerechnet die beiden Jüngsten ragten aus einer unterirdischen RWE-Mannschaft heraus und widerlegen somit die These, dass der katastrophale Auftritt das Resultat überbordenden Drucks sein könnte.
Als Fanmagazin sehen wir uns im Hinblick auf Einzelkritik normalerweise in einer deeskalierenden Rolle und versuchen, nicht auf einzelne Spieler draufzuhauen – doch der Auftritt gestern ließ alle Betrachter mit blankem Entsetzen zurück. Trotz des Trainerwechsels und eines ausgiebigen Trainingslagers bei besten Bedingungen in der Türkei hat sich an den alten Problemen nichts verbessert, im Gegenteil. Konnte vorher noch in vielen Spielberichten erwähnt werden, dass es zwischen den Strafräumen ganz ansehnlich aussah, fällt nun auch dieser Punkt weg und RWE war schlicht und ergreifend in allen Belangen und allen Bereichen des Feldes schlechter als der Aufsteiger aus Aachen.
Das Problem waren dabei mitnichten die jungen, unerfahrenen Spieler oder die schwache Bank. Mit Martinovic, Arslan, Boyamba, Brumme, Schultz und Rios Alonso standen sechs von zehn Feldspieler auf dem Platz, die auf mehrere Jahre Dritt- und teilweise sogar Zweitligaerfahrung zurückblicken können und alle im besten Fußballalter sind – keiner der Genannten konnte gestern überzeugen, wobei Martinovic als Neuzugang in einem Spiel ohne strukturierte Offensivbemühungen von der Kritik sicherlich etwas ausgenommen werden muss.
Dass der Kader insgesamt ein Qualitätsproblem hat, steht außer Frage, doch daran lag es ganz sicher nicht, dass man sich von einer reichlich limitierten Aachener Truppe 90 Minuten lang den Schneid abkaufen ließ. Ganz Essen diskutiert über dringend nötige Verstärkungen im Sturm, während Aachen mit dem technisch limitierten Null-Tore-Stürmer Kevin Goden durch die Saison gehen muss und 11 Punkte mehr auf dem Konto hat.
Wie funktioniert das? Indem Heiner Backhaus und seine Spieler verstanden haben, dass man die offenkundigen spielerischen Defizite nur durch die Grundtugenden Kampf und Laufbereitschaft kompensieren kann und in einem Spiel ohne eigenes Tor im Zweifel einfach mal die eigene Kiste sauber hält und mit einem 0:0 nach Hause fährt. RWE hat zwar drei Saisontore mehr als die Aachener, aber eben auch satte fünfzehn Gegentreffer mehr!
Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Saison, dass RWE sich irgendwann im Laufe der Partie durch unbeschreibliche Defensivfehler selbst das Leben schwer macht. Wie um alles in der Welt kann es passieren, dass der Aachener Offensivmann Anas Bakhat nach einer Ecke drei Meter frei vor dem Tor einnicken darf (57. Minute) und keinen Gegenspieler hat? Weder war es eine besonders ausgeklügelte Eckballvariante, noch hat sich hier ein Spieler nach vorne geschlichen, den niemand auf dem Schirm hatte – es ist schlicht und ergreifend ein indiskutables Abwehrverhalten, mit dem man mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit absteigt!
Die Frage muss allerdings gestattet sein, wieso die völlig dysfunktionale Innenverteidigung bestehend aus Schultz und Rios Alonso immer noch gesetzt ist und Tobias Kraulich 90 Minuten auf der Bank sitzt. Nicht nur kann Michael Schultz auch weiterhin Felix Götze nicht ersetzen, er ist auch mit der Führung seines Nebenmannes – von der Führung der Mannschaft ganz zu schweigen – völlig überfordert. Exemplarisch der Golz-Abstoß Mitte der ersten Halbzeit, der postwendend von den Aachenern zurückerobert wurde, die mit einem einfachen Lupfer beide Innenverteidiger bloßstellten.
Zum Glück blieb der eingangs erwähnte Kevin Goden bei 0 Saisontoren und sollte dies auch mit einem Lattenkopfball nach Ecke und einer weiteren guten Gelegenheit in Halbzeit 2 nach einem gewonnenen Laufduell gegen Schultz nicht ändern. Eine Pause auf der Bank wäre für den rot-weissen Kapitän aktuell wohl eine Erlösung. Bei José-Enrique Ríos Alonso ist es kein neues Phänomen, dass er sich den Leistungen seines Nebenmannes anpasst und daher im Vergleich zur Vorsaison nicht mehr wiederzuerkennen ist – auch seine Leistungen sind in dieser Saison sicherlich nicht höher einzuordnen als die von Kraulich.
Der unvorteilhafte Vergleich zur Vorsaison trifft auch auf Lucas Brumme zu, dessen Berater noch vor einem Monat öffentlich mit einem Winterwechsel kokettierte und der seit Mitte der Hinrunde nur noch ein Schatten seiner selbst ist – die Nicht-Leistung in Aachen stellte dabei einen absoluten Tiefpunkt dar. Bei ihm weiß man immerhin, dass er es besser kann – sein Vordermann Joseph Boyamba ist diesen Nachweis auch nach einem halben Jahr weiterhin schuldig geblieben und lieferte trotz Trainingslager und Koschinat-Lob wieder nicht ab. Beide stehen in der Pflicht, ihren Stammplatz endlich mit ansprechenden Leistungen zu untermauern und im Abstiegskampf mit ihrer Erfahrung voranzugehen.
Ahmet Arslan sollte sich seine Partie in Aachen ebenfalls noch mal anschauen und mit seinem Wut-Interview nach dem Debakel in Rostock abgleichen. Die Schlussphase in Aachen glich der Selbstaufgabe in Rostock in erschreckender Weise und an Arslan lief das Spiel völlig vorbei. Bezeichnenderweise vergab er auch die einzige nennenswerte Torgelegenheit, als er nach einem Martinovic-Querpass an Torhüter Olschowsky scheiterte und es somit verpasste, nach 20 Minuten auf 0:1 zu stellen. Dem vorausgegangen war ein langer Ball auf Martinovic, der nur deshalb nicht im Abseits stand, weil ein am Boden liegender Aachener dieses aufhob. Die anschließende Entrüstung der Aachener Bank mündete in einer roten Karte für den Technischen Direktor der Alemannia, Erdal Celik.
Weitere Großchancen hatte RWE nicht zu verzeichnen und schaffte es nach dem Rückstand auch nicht, durch personelle Veränderungen den Druck zu erhöhen. Der Doppelwechsel nach etwas über einer Stunde – Owusu und Doumbouya kamen für Boyamba und Kaparos – verpuffte vollkommen. Zehn Minuten vor Schluss räumten Moustier und Martinovic den Platz für Kaiser und Müsel und fünf Minuten vor dem Ende wich Safi für Voufack. Es bleibt die bittere Feststellung, dass es mehr an der Ein- statt an der Aufstellung lag und RWE nun einem absoluten Abstiegsendspiel gegen die Zweitvertretung von Hannover 96 entgegenblickt. Mit der Einstellung von Aachen steht das Ergebnis bereits fest.
Es bleibt die Hoffnung, dass Klaus Gjasula sein Debüt feiern wird und der RWE-Defensive vorlebt, dass man mit friedensnobelpreisverdächtigem Geleitschutz im Abstiegskampf nicht bestehen kann. Auch Uwe Koschinat wird die richtigen Worte und Maßnahmen wählen müssen, um die richtigen Spieler mit der richtigen Einstellung auf den Rasen zu schicken und einen absoluten Pflichtsieg gegen die vier Punkte entfernt auf dem ersten Nichtabstiegsplatz liegenden Hannoveraner einzufahren. Mit einem Sieg am Sonntag ist wieder alles drin, doch dafür muss sich innerhalb einer Woche vieles ändern.
Nur der RWE!
Dominik Gsell