Die Hälfte aller Kurze-Fuffzehn-Hefte wurde digitalisiert und veröffentlicht. Dabei sind neue Erkenntnisse und Daten zur Vereinsgeschichte zu Tage gefördert worden. Außerdem gab es interessante Kontakte zu diversen Nachfahren relevanter Persönlichkeiten unseres Vereins, wie Theo Giebels und Heinrich Schenk.
Die ersten Bestrebungen zur Erstellung dieses Archiv gab es im Juni 2022. Der Launch erfolgte am 15. August 2024 mit einer Digitalisierungsquote von knapp 30 %, wobei davon ein Großteil auf die aktuellen Ausgaben zurückfiel, die ohnehin schon digital zur Verfügung standen. Nur mühsam konnte diese Anzahl zunächst erhöht werden. Bis das Interieur der eigenen Wohnung – trotz allen Aufbegehrens der Ehefrau – um einen A3-Scanner bereichert werden konnte. Der Nachwuchs hatte glücklicherweise gerade das Töpfchen für sich entdeckt, so dass die Wickelkommode guten Gewissens zweckentfremdet werden konnte. Seitdem wurden hunderte Stadionzeitungen von Hand eingescannt, zurechtgeschnitten und hochgeladen. Heute können im Kurze-Fuffzehn-Archiv über 650 Exemplare, mehr als 50 % der verschriftlichten Vereinsgeschichte, durchstöbert werden.
Neben der Unterstützung aus dem JWD-Team, wo Torsten Kraemer als Schaffer der technischen Grundlage und Oliver Perrey als Grafiker hervorzuheben wären, gab es zwischenzeitlich auch bei der Digitalisierung einige helfende Hände, die sich über das RWE-Forum oder per E-Mail gemeldet hatten. Davon geblieben ist leider nur eine Person: Unser Stadionsprecher Walter Ruege, mit Ehrenratsmitglied Detlev Jaritz wohl der dienstälteste Vereinsmitarbeiter an der Hafenstraße, hatte sich als großer Fan des Archivs geoutet und Hilfe angeboten.
Der Ur-Entwurf des RWE-Emblems von Heinrich Schenk
Kontakt suchte auch Robert Schenk, Enkel des Grafikers Heinrich Schenk (1908 – 1975), der wohl um 1925 das Vereinslogo entwarf. Eine Reinzeichnung in Tusche von 1964, die die Proportionen des Ur-Entwurfs bis heute definiert, ist noch immer im Besitz der Familie Schenk. Dass das Wappen bis heute ohne Anpassungen auskommt, spricht für das stimmige Design und das Traditionsbewusstsein von Rot-Weiss Essen. „Ein echter Glücksgriff der Fußball-Heraldik“ urteilte Wappenexperte Hardy Grüne in einem seiner Werke.

Der Großvater – geboren als Arbeiterkind im Essener Norden – wurde in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts von Georg Melches entdeckt. Als junger Grafikstudent, gefördert durch die international geschätzte Folkwangschule, wurde Schenk von Melches bis zu seiner Rente bei Didier-Kogag beschäftigt. Neben seinen täglichen Konzernaufgaben, gab es allerhand Grafikaufträge, die vor allem der Leidenschaft von Georg Melches zuträglich waren. So hatte Heinz Schenk, wie er genannt wurde, nicht nur das geliebte Vereinslogo entwickelt, sondern auch die Kurze Fuffzehn ins Leben gerufen und gestaltet. „Es wurde auf Antrag des Sportkameraden Schenk beschlossen, eine Vereinszeitschrift einzuführen.“, heißt es im Protokoll der Vorstandssitzung vom 18. September 1951.

Selbst das bekannte Transparent zur Deutschen Meisterschaft, das zuletzt wieder auf dem Sondertrikot zum 70. Jubiläum des Titelgewinns – in der limitierten Edition – abgedruckt war, wurde von Schenk entworfen. Bemerkenswert, dass all seine Zeichnungen mit einer von Geburt an degenerierten Hand gemacht wurden. Die bewahrte ihn aber immerhin vor der Einberufung in den Krieg.
Heinrich Schenk war nicht nur Identitätsstifter, sondern auch Vereinsmitglied und allwöchentlicher Stadionbesucher. Bei vielen wichtigen Ereignissen des Vereins, z.B. beim Endspiel um die Meisterschaft in Hannover, war der Vereinsgrafiker dabei. Häufig an der Seite von Georg Melches. Eine kurze Sequenz (bei 39:35) im 100-Jahre-Film von 2007 zeigt beide Herren in trauter Gemeinschaft.

Als Heinz Schenk 1975 starb, hatte Rot-Weiss Essen einen großen Kranz zum Begräbnis geschickt. Die letzte Ehrerbietung für den Mann, der einen ganz wesentlichen, unverkennbaren Anteil zur DNA von Rot-Weiss Essen beigesteuert hat.
Neue Erkenntnisse durch die Archivarbeit
Da der eigene Anspruch darin besteht, alle Stadionzeitungen vor der Veröffentlichung zumindest einmal zu überfliegen, ließen sich allem voran in den Heften der Nachkriegszeit unzählige Kuriositäten entdecken und neue Erkenntnisse gewinnen. So zum Beispiel, dass die Kurze Fuffzehn in der Zeit von Februar 1963 bis August 1965 gar nicht erschien. Das war selbst Vereinshistoriker Georg Schrepper, der permanent mit Rat und Tat zur Seite steht, völlig unbekannt. Gründe dafür werden nicht benannt, aber mutmaßlich wird die Ausfallzeit mit dem Tod von Georg Melches († 24.03.1963) und der wirtschaftlichen Not des Vereins seinerzeit zusammengehangen haben.
Neben der Digitalisierung der Stadionzeitungen, wurden für jede Saison seit 1911/12 separate Saisonseiten angelegt, die Mannschaftsfotos, Abschlusstabellen, Eintrittskarten und Spielerfrisuren im Wandel der Zeit zeigen. Ein großer Erfolg war es, dass historische Daten, die bisher in keiner RWE-Chronik erfasst sind, zugänglich gemacht werden konnten. Mithilfe von Thomas Preußler, der die Facebook-Seite „Fußballarchiv Essen“ verwaltet, konnten einige Tabellen aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts korrigiert oder gar vervollständigt werden. Als Beispiele seien die Tabellen der Saisons 1920/21 und 1928/29 genannt.
Historische Daten aus der Kaiserzeit
Besonders wertvoll war die Unterstützung des Fußballhistorikers Udo Luy, der sich seit vielen Jahren der Rekonstruktion der deutschen Fußballgeschichte widmet. Luy hat unzählige Tabellen aus der Frühzeit des deutschen Fußballs recherchiert, in dem er in mühsamster Kleinstarbeit die Ergebnisse aus den Zeitungen zusammengetragen und daraus Kreuztabellen erstellt hat. Die Sammelwerke, z.B. Fussball in Westdeutschland 1911/12 – 1912/13, können über den AGON Verlag erworben werden. Dem RWE-Archiv stellte Udo Luy dankenswerterweise zwei Tabellen aus der Kaiserzeit zur Verfügung, die den Vereinschroniken von Rot-Weiss Essen bisher vollkommen unbekannt waren.

Somit ist die Tabelle der C-Klasse des Ruhrbezirks aus 1912/13 nun die älteste bekannte Abschlusstabelle des Vereins. Diese stammt aus einer Zeit, als RWE noch unter dem Namen Turnerbund Bergeborbeck (TBBB) auflief. Die Tabelle aus der Saison 1913/14, in der Melches und seine Mannen erstmals als SuS Emscher 1912 aufliefen, war ebenso noch in keiner Chronik dokumentiert.Diese Tabellen zeigen die sportlichen Leistungen des Vereins in einer Zeit, als der Fußball in Deutschland noch in seiner frühen Entwicklungsphase steckte. Ein großer Gewinn, der es uns erlaubt, ein kleines Stückchen tiefer in die Vereinsgeschichte zur Gründungszeit einzutauchen.
Dauerkarten aus den 60ern und Mannschaftsfotos aus der Vorkriegszeit
Nicht ganz so aufwendig, aber auch nicht weniger spannend, war die Recherche nach dem 2018 verstorbenen Alfred Elbracht, einem Dauerkarteninhaber aus den 60er Jahren. Bilder der alten Saisonkarten kursierten vor etlichen Jahren mal im Netz. Auf einen Suchaufruf über das RWE-Forum hatte sich ein Bekannter der Familie gemeldet und letztlich Kontakt zum Sohn Harald Elbracht (65) herstellen können. Der hatte die gelochten Pappkarten all die Jahre aufbewahrt und dem Archiv letztlich zur Digitalisierung zur Verfügung gestellt hat. Die älteste Dauerkarte ist seitdem in der Saison 1966/67 zu finden.

Ein Zufallsfund hingegen war der Draht zu einem Erbe der Vereinslegende Theodor Giebels, der mit Karl Hein und Jupp Derks eine seinerzeit legendäre Läuferreihe bildete. Von 1933 bis über den Krieg hinaus schnürte Theo Giebels seine Fußballschuhe für Rot-Weiss Essen. Sein gleichnamiger Sohn konnte aus dieser Zeit einige Fotos von Reisen, geselligen Kneipenrunden und diverse Mannschaftsfotos präsentieren. Leider ohne jegliche Angaben dazu.

Im Austausch mit Thomas Preußler, absoluter Kenner der alten RWE-Kader, konnten allerdings manche Mannschaftsfotos zeitlich recht genau eingeordnet und Lücken im Archiv geschlossen werden. Seine Expertise wird durch nachfolgende Auskunft eindrucksvoll unterstrichen: „Ich kann zusichern, dass die Aufnahme die Mannschaft von 1933/34 zeigt. Es ist die einzige Spielzeit, in der Karl Hein und Torwart Albert Arimont, der bereits zur Meistermannschaft von 1928/29 gehörte, zusammengespielt haben. Beide sind auf dem Foto eindeutig zu erkennen.“
Dieses und weitere Fotos aus den 30er Jahren konnten so im Original digitalisiert eingebunden werden. Zum Teil mit wehenden Hakenkreuz-Fahnen im Hintergrund wird ungeschönt die dunkelste Zeit dieses Landes dokumentiert, während die Mannschaftsfotos in den Vereinsmitteilungen der 50er Jahre oftmals günstig zurechtgeschnitten oder gar zensiert waren.
Ziele des digitalen RWE-Archivs
Doch Geschichte muss nicht nur bewahrt, sondern auch aktiv erforscht und zugänglich gemacht werden. Die Bereitstellung dieser Daten ermöglicht es insbesondere auch kommenden Generationen, die Wurzeln des Vereins besser zu verstehen und tiefer in die Vergangenheit einzutauchen.
Ziel soll es sein, irgendwann ein nahezu vollständiges Kurze-Fuffzehn-Archiv zur Verfügung stellen zu können. Auch die einzelnen Saisons im digitalen RWE-Archiv sollen mit der Zeit noch um weitere Inhalte ergänzt werden.
Wer dazu beisteuern möchte, womöglich noch ein paar alte Stadionzeitungen, alte Eintrittskarten oder andere Zeitzeugnisse im Keller versteckt hat, darf gerne über [email protected] Kontakt aufnehmen.