Vorbericht
Exkurs. Freitag, 04.10 Verl, Poststraße um 20:53. Schlusspfiff beim Match zwischen dem SC Verl und den Sportfreunden Lotte, Endstand 1:1. Und dieses Ergebnis darf sogar noch als glücklich für die Gastgeber bezeichnet werden, denn die Lotter nahmen sich in Person ihres übereifrig erscheinenden Spielers Marcel Sobotta sehr wahrscheinlich selbst den Sieg.
In der Nachspielzeit war Verls Keeper Brüseke bereits geschlagen, als ein per Kopf verlängerter Ball den Weg Richtung Tor der Ostwestfalen einschlug, doch Sobotta ließ es sich nicht nehmen, die Kugel auf der Linie stehend noch ins Netz zu dreschen, woraufhin der Linienrichter auf Abseits entschied. Vermutlich nur wegen dieser Einlage. Ansonsten wäre aus dem zuvor prognostizierten Verler Pflichtsieg eine Heimniederlage geworden, jedoch auch ohne diese wurde deutlich, dass die Bäume für keinen in dieser Liga in den Himmel wachsen. Noch einen Tag zuvor wurde nämlich nach der RWE-Niederlage in Mönchengladbach von diversen Medien die Alarmstufe Rot-Weiss ausgerufen und den Essenern der tabellarische Absturz prophezeit, weil die Konkurrenz wohl kaum selber Federn lassen würde. Typisch, möchte man da sagen. Da spielen die Essener Rot-Weissen bislang eine herausragend gute Saison und dann reichen zwei Rückschläge, dass alles in Frage gestellt und die Krise ausgerufen werden soll. Trainerteam, Mannschaft und Fans sind nun gefordert, solchen Tendenzen einheitlich entgegen zu treten und allen zu zeigen, dass Rot-Weiss Essen in dieser Spielzeit aus einem anderen Holz geschnitzt ist als zuvor.
Natürlich wird RWE dafür an den eigenen Fehlern arbeiten müssen, um zurück auf die Erfolgsspur zu kommen. Davon gab es in den beiden vorangegangenen Partien schlichtweg zu viele. Baustellen bleiben die Chancenverwertung und die eigene Anfälligkeit in der Defensive. Dieser Cocktail führte zuletzt zu 0 Punkten aus zwei Spielen, die man beide nicht hätte verlieren müssen, am wenigsten die Partie am Einheitstag in Mönchengladbach. Eine Halbzeit lang dominierten die Essener das Spiel eindeutig, führten früh, ließen aber weitere gute Chancen liegen, den Vorsprung auszubauen. Nach dem Elfmetergeschenk von Schiri Dardenne an die Gastgeber verloren die Rot-Weissen jedoch in den 20 Minuten nach dem Seitenwechsel den Faden und verteilten ihrerseits Präsente in Form von zwei saudummen Gegentreffern. Besonders das 1:2 aus Essener Sicht erinnerte an das Gegentor, das man im Spiel zuvor gegen Verl ebenfalls zum 1:2 kassiert hatte. Das Abwehrzentrum war komplett geöffnet und der Gegner wurde eingeladen, uns weh zu tun. Fast bekommt man den Eindruck, die RWE-Mannschaft sei zuletzt etwas übermotiviert gewesen und habe zu früh im Spiel zu viel gewollt.
Gerade die Ruhe hatte das Titz-Team in den Wochen zuvor ausgezeichnet und auch, dass es nichts wirklich aus dieser Ruhe heraus bringen konnte. Beispiel die Schiedsrichterleistung. In Gladbach schenkte Schiri Dardenne den Gastgebern nicht nur mittels einer Fehlentscheidung den Ausgleich, sondern verweigerte RWE beim Stand von 1:0 für die Gäste umgekehrt einen Strafstoß, der eindeutiger nicht mehr sein konnte. Statt 2:0 stand es daher 1:1. Die Roten verloren daraufhin die Struktur und gerieten spielentscheidend mit 1:3 in Rückstand. Zwei Wochen zuvor beim Sieg gegen Bonn spielte sich Ähnliches ab. Während die Beethovenstädter durch Spielleiter Schuh mit dem Ausgleich per unberechtigten Strafstoß beschenkt wurden, blieb dessen Pfeife nach einem kristallglasklarem Foul an Dorow im 16er stumm. Hier behielt RWE jedoch die Nerven und schickte die Gäste dennoch mit einem 4:1 nach Hause. Die Fehler der Unparteiischen kann man halt selbst nicht abstellen, aber es müssen wieder die richtigen Antworten darauf gefunden werden.
Am besten schon am kommenden Freitag im Heimspiel gegen Fortuna Köln. Nostalgiker wissen, dass am 19.05.2012 die Kölner Südstädter der letzte Essener Punktspielgegner im alten Georg-Melches-Stadion gewesen sind. Kerim Avci markierte damals den Ausgleich zum 1:1, der bis zum Schlusspfiff Bestand hatte. In den 80er und 90er Jahren mussten die Gäste zudem für einen wenig schmeichelhaften Kalauer hinhalten. Wegen des nicht nur im Vergleich zum großen FC Kölle stets geringem Zuschaueraufkommens im Südstadion wurde bundesweit der Schmähgesang „Ihr seid leiser als Fortuna Köln!“ angestimmt, wenn der gegnerische Anhang weder zahlreich erschienen war noch lautstark auf sich aufmerksam gemacht hatte. Sprich, die Kölner Fortuna war das Synonym für wenig Fans und wenig Stimmung. Da man in der Regionalliga West aber ohnehin nur selten vor vollen Rängen antritt, fallen die Rheinischen in dieser Hinsicht nicht mehr wirklich negativ auf. In Köln sind sie mittlerweile nur noch die Nummer 3 in der Stadt, nachdem die Viktoria in die Dritte Liga auf- und die Fortuna selbst aus dieser abgestiegen ist. Relativ trist ist auch die Gegenwart. In 11 Spielen gab es 12 Punkte und man rangiert auf Rang 12 der Tabelle. Zuletzt feierte Köln einen 2:1-Last-Minute-Sieg über Bergisch Gladbach. Dieses dient nach dem Willen der Spielplaner dem nächsten Essener Gegner jeweils zum Warmschießen und war zuvor in Verl mit 0:3 und gegen Gladbach gar mit 0:6 unter die Räder gekommen. Die Bilanz der Domstädter im Vorfeld des RWE-Spieles nährt somit die Hoffnungen darauf, dass die Rot-Weissen am kommenden Freitag unter ihrem geliebten Flutlicht wieder an die guten Ergebnisse des Saisonstarts anknüpfen können. Die Rollen scheinen klar verteilt und RWE spürt daher vielleicht auch ein leichtes Unwohlsein, wenn die kommende Partie als Pflichtaufgabe eingestuft wird.
Fortunas Chefcoach Thomas Stratos war dann zu Wochenbeginn auch sogleich bemüht, den Essener Rot-Weissen noch ein bisschen Siegesdruck mehr zu machen, als er RWE als den FC Bayern der Regionalliga bezeichnete. Der geneigte Leser weiß, das ist eine Plattitüde, die wenig mit der Realität gemein hat. Weder finanziell marschiert Essen der Liga voraus noch hat es im Gegensatz zu den medialen Behauptungen den unbedingten Druck, jetzt sofort den Erfolg haben zu müssen. Davon zeugt auch die letzte Spielerverpflichtung der Roten, die den gerade einmal 19 Jahre alten Erolind Krasniqi, zuletzt HSV U19, für zunächst zwei Jahre an die Hafenstraße lotsten. Krasniqi ist der zehnte Spieler des Kaders, der unter die U23-Regel fällt. Essen setzt auf Nachhaltigkeit und die sportliche Leitung um Jörn Nowak und Christian Titz macht ganz und gar nicht den Eindruck, als ginge es bei ihren Personalentscheidungen um kurzfristigen Erfolg mit der Brechstange. Dennoch täte RWE ein Dreier am Freitag sehr gut. Stratos prophezeit jedenfalls ein enges Spiel und dass seine Mannschaft nach vorne spielen werde. Mit Roman Prokoph haben die Gäste einen erfahrenen torgefährlichen Mann im Sturm. Bereits 5 Treffer markierte Prokoph in dieser Saison und damit die Hälfte aller Kölner Tore. Diese nach Adam Riese 10 Saisontore in 11 Auftritten werden RWE keine schlaflosen Nächte bereiten.
Allerdings hat die Kölner Fortuna auch schon einen Sahnetag beim rot-weißen Nachbarn in Oberhausen gehabt, als sie gleich dreimal ins gegnerische Netz traf und so einen Punkt entführte. Umgekehrt heißt das aber auch, dass es diverse Spiele ohne einen Kölner Torerfolg gab, und zwar gleich 5 an der Zahl. Angesichts dieser Bilanzen verwundert es daher, dass Trainer Stratos glaubt, etwas anderes als nach vorne spielen könne Köln auch in Essen nicht. Vor dem geistigen Auge entwickelt sich eher ein Geduldsspiel und zwei defensive Viererketten zum Schutze des Gästetores. Wir werden sehen, ob wir den Gästen hier Unrecht tun. Was spricht aber für den Essener Erfolg? Trotz der zuletzt ernüchternden Ergebnisse gibt es noch immer eine starke Gesamtstatistik der Roten. Als einzige Mannschaft der gesamten Liga spielte RWE noch nie offensiv zu Null, immer mindestens ein Treffer gelang unserem Team, meistens waren es mehr. Mit 22 Punkten aus 10 Spielen liegt der Schnitt bei 2,2 Zählern. Das ist auf die Saison hochgerechnet eine Garantie für einen Spitzenplatz. Am Ende der Hinrunde in der Vorsaison hatte RWE übrigens 24 Punkte aus 17 Partien bei einem Schnitt von 1,4 gesammelt. Auch das belegt im Zusammenspiel mit der nun besseren Kaderbreite und Kadertiefe wie absurd die Quervergleiche mit dem Vorjahr sind.
Das sehen auch die Essener Anhänger so. Auch nach dem Schlusspfiff in Mönchengladbach, der für eine Menge Frust bei Fans und Mannschaft gesorgt hatte, da man trotz insgesamt klar überlegenen Spiels mit leeren Händen dastand, fielen keine bösen Worte Richtung des RWE-Teams. Im Gegenteil, Aufmunterung und Ermutigung waren angesagt. Und nur so kann es gehen! RWE wird immer dann eine Macht sein, wenn wir unser Potenzial ausschöpfen und gemeinsam am Erfolg arbeiten. Am Freitag unter Flutlicht tun wir dieses bekanntlich ganz besonders gern. Die Meisterschaftsspiele gegen den BVB II, Wattenscheid, in Lippstadt und gegen Bonn wurden an diesem Wochentag ebenso siegreich bestritten wie das Niederrheinpokalmatch gegen den KFC Uerdingen, eine fünfstellige Kulisse wird es wohl auch wieder geben. Kommt das Glück nicht von alleine, so muss RWE es nun dem Gegner abzwingen und die Fortuna wieder auf seine Seite bringen. Packen wir es an!
NUR DER RWE!
Sven Meyering
Spielbericht
Tanz den Tanz auf dünnem Eis! (H. Grönemeyer)
RWE ist hart auf dem Boden der Tatsachen aufgeschlagen. Am Ende reichte es nicht, um Fortuna Köln auch nur einen Punkt abzuknöpfen und Rot-Weiss erlitt mit dem Spiel von Freitag die dritte Niederlage in Serie und diese war besonders schmerzhaft, da es hier keine Entschuldigungen mehr gab, dieses Spiel durfte Rot-Weiss Essen niemals verlieren.
Spielen wir nun um die Goldene Ananas oder haben wir am Freitag den Rückschlag erlebt, auf den die Verantwortlichen immer hingewiesen haben? Am Ende hilft die Zeile von Bochums Herbert Grönemeyer weiter: Bleibt alles anders.
Christian Titz rotierte Oguzhan Kefkir und Daniel Heber wieder in die Startelf, was nicht überraschte. Wer dafür weichen musste, überraschte umso mehr. Hamdi Dahmani durfte gegen seinen alten Arbeitgeber nicht beginnen und auch Dennis Grote gehörte erstmals nicht zur Startelf. Christian Titz erklärte nach dem Spiel, dass er bei Grote in den vergangenen Spielen einen Hänger beobachtet und gab dem Routinier Zeit zum Durchatmen.
RWE begann sehr druckvoll und dominant, wie es die Zuschauer aus den vergangenen Spielen kannten. Erste Chancen bekam Oguzhan Kefkir, der zunächst knapp am gegnerischen Gehäuse vorbeizog (9.) und dessen Vorlage, die zum Tor führte wegen Abseits zurückgepfiffen wurde (10.). Diese Entscheidung wirkt in der Zeitlupe denkbar knapp, kann jedoch nicht endgültig aufgelöst werden.
Zum ersten Mal durfte jedoch der Kölner Anhang jubeln. Aufgrund eines zu kurz geratenen Passes von Alexander Hahn griff Marco Kehl-Gomez zu ungestüm ein und es gab Freistoß aus ca. 25 Metern Entfernung. Franko Uzelac zog direkt auf das Tor und der Ball schlug ein. Es erinnerte etwas an einen Treffer, den Michael Oelkuch 2002 ebenfalls für die Fortuna erzielte. Der Freistoß trudelte unbehelligt von Freund und Feind durch die Reihen und am Ende konnte so richtig niemand glauben, dass der Ball drin war.
Dieser Treffer drückte merklich auf die Stimmung, was man sehr gut erkennen konnte. Konzentrierte sich das Geschehen bislang nahezu ausschließlich auf die Düsseldorfer Hälfte rückten beide Mannschaften sichtbar ca. 25 Meter weiter in Richtung Essener Hälfte, sodass eine Augenhöhe hergestellt wurde. Endres hatte zwar noch eine gute Einschussmöglichkeit (27.), die beste Chance der ersten Hälfte hatte jedoch Kölns Owusu, der aber nur den Außenpfosten traf.
Zur Halbzeit gab es erstmals Pfiffe, da die mutlose Vorstellung nach dem Gegentreffer nicht verständlich erschien. In der zweiten Hälfte zeigte sich RWE durchaus engagiert, allerdings nicht zwingend genug. Am nächsten dran am Tor war Ayodele Adetula, der aus kurzer Distanz den Pfosten traf (74.).
Abschließend war die Niederlage trotz Feldüberlegenheit nicht unverdient. RWE spielte sein schlechtestes Spiel in dieser jungen Saison und über 10.000 Zuschauer gingen mehrheitlich enttäuscht nach Hause. Einige Schnitzer und Fehlpässe kann man von außen erkennen, allerdings sind die Fans zu weit von der Mannschaft entfernt, als dass sie die Psyche der Spieler nachvollziehen können. Am fehlenden Willen lag es auch gegen Köln nicht, aber das Team bringt seine Qualität nicht mehr so gut zur Geltung wie in den ersten Spielen. Dies ist eine knifflige Aufgabe für das Trainerteam um Christian Titz.
Stell die Uhr auf Null, wasch den Glauben im Regen! (H. Grönemeyer)
Am Ende bleibt uns allen gar nichts anderes übrig, als das Spiel abzuhaken. Egal, ob wir wütend, enttäuscht oder nachdenklich sind, der Blick muss nach vorne gehen. Dort wartet mit Bergisch-Gladbach sicher auch keine Mannschaft von Antifußballern, aber die Negativspirale muss dort einfach mit einem Sieg durchbrochen werden, wenn RWE den Anschluss nicht frühzeitig verlieren will. Wir sollten allesamt nicht an frühere Jahre denken, weil es destruktiv ist und hemmt. Es bleibt nicht so, wie es immer war, es soll und wird anders kommen. In diesem Sinne: Bleibt alles anders!
Hendrik Stürznickel