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2019/2020 - Regionalliga West

SV Lippstadt – Rot-Weiss Essen (2:4)

Langsam wird es unheimlich. Nach einem 0:1-Rückstand traf der kurz zuvor eingewechselte Ayodele Adetula zum 1:1. Joshua Endres erzielte in der 2. Hälfte die kurzeitige Führung für die Essener. Der anschließende Ausgleich der Gastgeber hielt nicht lange vor, weil Hedon Selishta – gerade fünf Minuten auf dem Platz – zum ersten Mal traf und anschließend mit seinem zweiten Treffer den Deckel drauf machte. Oh, wie ist das schön.

Vorbericht

Von der Papierform her sind für RWE die Wochen der namhaften Gegner zunächst vorüber. In den ersten sechs Ligaspielen trafen die Rot-Weissen mit den jeweiligen Zweitvertretungen des BVB und FC Kölle, dem großen Mitfavoriten SV Rödinghausen sowie dem Revier-Rivalen Rot-Weiß Oberhausen auf gleich vier Mannschaften, denen die obere Tabellenregion zuzutrauen ist. Hinzu kamen die Begegnungen bei Aufsteiger Homberg und das bereits dritte Revier-Derby der Saison gegen Wattenscheid 09.

RWE hat mit 16 von 18 möglichen Punkten aus diesen Partien einen sensationell guten Saisonstart hingelegt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich mit einer gewissen Berechtigung behaupten lässt, dass die Essener das schwerste Auftaktprogramm der Regionalliga West-Vertreter zu absolvieren hatten. Im Niederrhein-Pokal trafen die Roten zudem sogleich in Runde Zwei auf den Drittligist KFC Uerdingen. Am vergangenen Freitagabend versetzte RWE seine mal wieder in fünfstelliger Anzahl erschienene Anhängerschaft in Verzückung und feierte gegen den West-Rivalen einen hoch verdienten 2:1-Erfolg. Die kommenden Gegner sind nun zwar nicht mehr so bekannt, jedoch möchte Rot-Weiss auch weiterhin auf der Welle des Erfolges surfen.

Nun geht es nach Lippstadt. Lippstadt, da war doch was? Vor fast genau einem Jahr war es ebenfalls der siebte Spieltag und RWE stand sogar noch einen Platz höher in der Tabelle, als der freche Aufsteiger aus Ostwestfalen die Hafenstraße stürmte und beim nicht unverdienten 3:2-Erfolg Essens Serie stoppte. Es war das Spiel mit dem luxemburgischen Austauschschiedsrichter, der Roten Karte mit anschließender vierwöchiger Sperre für Kai Pröger und dem verschossenen Foulelfmeter kurz vor Schluss durch Benni Baier. Danach ging wenig bei den Roten. Von daher sollte RWE sensibilisiert dafür sein, den formidablen Saisonstart diesmal über die Partie gegen Lippstadt hinaus zu konservieren. Immerhin gelang im Rückspiel in Ostwestfalen beim glatten 3:0-Sieg eine der wenigen überzeugenden Leistungen der Rückrunde. Zudem verkündete RWE-Boss Marcus Uhlig im unmittelbaren Vorfeld der damaligen Partie, dass man einen strategischen Partner gefunden habe, mit dem man sein Budget nennenswert aufstocken könne. Dieser Partner entpuppte sich später als Naketano-Gründer Sascha Peljhan und Uhligs Versprechungen als gehaltvoll, denn Rot-Weiss Essen erfüllt zu Beginn der Spielzeit 19/20 die in den Verein gesetzten Erwartungen vollauf. Aufgrund dieser Anekdoten rund um die letztjährigen Spiele gegen den SVL, die eine gewisse Symbolkraft offenbarten, sehen nicht nur abergläubische Fußballanhänger daher der Partie am Freitag den Dreizehnten mit Spannung entgegen. Die Vorzeichen scheinen klar zu sein.

Die Rummenigge-Städter tummeln sich derzeit im unteren Drittel der Tabelle und stehen mit 7 Zählern aus ebenso vielen Partien nicht allzu rosig da. Im Ostwestfalenduell gegen Verl setzte es Zuhause eine 0:5-Klatsche, bei der Zweitvertretung der Gladbacher Borussia ein 0:4. Seelenmassage konnte der SVL hingegen am vergangenen Wochenende beim hohen 5:1-Sieg beim in der Liga wohl derzeit überforderten Aufsteiger SG Bergisch Gladbach betreiben. Davon abgesehen hat Lippstadt das Toreschießen dieses Jahr jedoch nicht als eine Leidenschaft entdeckt, gelangen in den sechs übrigen Partien doch gerade einmal zwei weitere Torerfolge. Es gibt Gründe dafür.

Nicht nur RWE vollzog in der abgelaufenen Transferperiode eine Neuausrichtung. Die Gastgeber hatten im Sommer einen personellen Aderlass zu bewältigen, der offenbar nicht spurlos am Verein vorüber gegangen ist. Gleich 11 Akteure verließen den Klub. Die prominentesten Abgänge sind der defensive Mittelfeldspieler Sven Köhler, der bei Zweitligist Osnabrück anheuerte, sowie Linksaußen Marcel Hoffmeier, den es ebenfalls höherklassig zu Preußen Münster gezogen hat. Ins Gewicht fällt wohl auch der Wechsel des letztjährigen Sturmtanks mit dem klangvollen Namen Exaucè Andzouana zum ostwestfälischen Ligakonkurrenten SC Verl, der sich mit Innenverteidiger Yannick Langesberg einen weiteren vormaligen Leistungsträger aus Lippstadt schnappte. Mit auf der anderen Seite 16 Neuzugängen hat der derzeitige SVL noch ebenso viel gemeinsam mit dem Team von 18/19 wie der Gast aus Essen, nämlich sehr wenig. Die neuen Spieler stammen entweder aus der eigenen U19, gleich vier an der Zahl, oder im Schwerpunkt von Vereinen aus der Oberliga Westfalen. Einen kennt man von früher, Lukas Arenz entstammt der Jugend von Rot-Weiss Essen und kam nun von Westfalia Rhynern an die Lippe. Beim Sieg in Bergisch-Gladbach traf er doppelt, sodass sein Torhunger gegen seinen ehemaligen Verein hoffentlich gestillt sein dürfte. Ganz frisch kam Stürmer Sergio Gucciardo, der seine Leihe von Paderborn zu Alemannia Aachen auflöste, um endlich Spielpraxis sammeln zu können. Wie in Essen ist auch in Lippstadt der Trainer neu. Felix Bechtold zählt gerade einmal 28 Lenze und ist somit jüngster Chef-Trainer der Regionalliga West.

Sein Vorgänger Daniel Berlinski verließ den Verein nach Saisonende, um sich einer neuen sportlichen Herausforderungen zu stellen, ist derzeit aber kurioserweise vereinslos. RWE erwartet am Freitagabend auf dem Papier somit eine kleine Wundertüte, wobei mittlerweile bekannt ist, dass Christian Titz selten etwas dem Zufall überlässt und auch über den Gegner einiges wissen wird, was Essens Ambitionen auf einen Dreier stützen kann. Für die Gäste aus dem Pott geht es darum, beim kommenden Gastspiel in Lippstadt nicht locker zu lassen. Die bisherigen Siege wurden teils beeindruckend eingefahren, von Woche zu Woche steigerten sich die Essener dabei kontinuierlich. Aus dieser klaren Favoritenrolle heraus ergibt sich somit auch eine potenzielle Bürde, nämlich den Erwartungen gemäß zum Siegen verdammt zu sein. Da RWE bislang gegen jeden Gegner einzig und allein auf Sieg gespielt hat, werden 3 Punkte auf dem Wunschzettel stehen. Nach dem Derby in Oberhausen und insbesondere dem Duell gegen den klassenhöheren KFC im Pokal erwartet Rot-Weiss nun jedoch ein gänzlich anderes, aber kein einfacheres Spiel. Mittelfeldstratege Dennis Grote verwies jedenfalls schon vor Wochen darauf, dass auch gegen die Mannschaften von unten die Einstellung absolut stimmen müsse, um erfolgreich zu sein.

Alles andere als ein sehr kompakt mit zwei Viererketten den eigenen Strafraum abschirmender SV Lippstadt, der in der Offensive auf Nadelstiche und Standards setzen wird, wäre jedenfalls eine spieltaktische Überraschung Felix Bechtolds. Metaphorisch werden die Gastgeber wohl eher Beton anrühren, sodass es für RWE nicht vorderrangig um die Spielkontrolle im Mittelfeld gehen wird, sondern darum Lücken im letzten Drittel gegen einen tief stehenden Gegner zu reißen. Zuletzt setzte Titz im Sturmzentrum auf den technisch sehr beschlagenen Jan-Lucas Dorow in der Rolle der „falschen Neun“, die sich stetig durch Zurückfallen dem Zugriff der gegnerischen Abwehr entzieht und überfallartig nach vorne stoßen kann. Möglich, dass Dorow diese Rolle wieder einnehmen soll, um den Gegner spielerisch auszuhebeln oder auf die bewährte Weise müde zu spielen. Nicht unwahrscheinlich jedoch ist die Rückkehr zu einem klassischen Mittelstürmer und Zielspieler im Zentrum der gegnerischen Box, in die immer wieder Flanken über Essens meist sehr aktive Außenspieler Kefkir und Endres geschlagen werden. Mit Marcel Platzek, Derbyheld Enzo Wirtz und Hedon Selishta stehen gleich drei solche Spielertypen im Kader. Vor dem geistigen Auge entsteht jedenfalls bereits ein Geduldsspiel wie am zweiten Spieltag in Homberg. Steht am Ende jedoch ein Sieg, wäre das Wie zweitrangig.

Reißt RWE die entscheidende(n) Lücke(n) ins zu erwartende Bollwerk, so reißen die Titz-Schützlinge gleichzeitig eine punktuelle Lücke in die Tabelle. Nachdem der SV Rödinghausen das meisterschaftsspielfreie Wochenende der Essener zu einem punktelosen Auftritt in Aachen genutzt hat, könnte RWE nun die erste „echte“ Tabellenführung der Saison gelingen. Ein Vorsprung von 3 Punkten auf den SVR winkt, der zwar gegen TuS Haltern nachziehen könnte, jedoch dann ein Spiel mehr aufzuweisen hat. Zugleich gibt es am kommenden Wochenende das Duell der hoch eingeschätzten Mannschaften von Dortmund 2 und Köln 2, sodass nicht beide ungeschoren bleiben können und Verl gegen Gladbach 2 stellt ein weiteres direktes Verfolgerduell dar. RWE hat also Gründe genug, das Spiel bei den Ostwestfalen hochmotiviert anzugehen.

An Motivation fehlt es auch den Rot-Weissen Anhängern derzeit bestimmt nicht. Die starken Leistungen haben bei den zuvor fußballerisch ausgehungerten Fans jedenfalls Riesenappetit auf mehr gemacht. Der Spieltermin, Freitagabend um 19 Uhr, ist natürlich nicht ideal, um nach Feierabend eine rechtzeitige Anreise aus dem Revier nach Ostwestfalen zu ermöglichen. Dennoch darf sich Lippstadt wohl auf 800 – 1000 Essener in der Liebelt-Arena einstellen. Die neue Spielstätte des Klubs löste 2015 das traditionelle Waldschlösschen ab. Optisch erinnert sie an den „Baustil“ des Häcker-Wiehenstadions des kommenden Tabellenzweiten. Highlight ist die moderne Haupttribüne, während die Stehplatzbereiche von der Sichtqualität eher als suboptimal einzustufen sind. Den RWE-Fans, die die Gelegenheit haben vor oder nach dem Spiel in der nahegelegenen Innenstadt zu verweilen, sei jedoch die dortige Gastronomie empfohlen. Lippstadt ist ein nettes Städtchen und sein fußballerisches Aushängeschild hoffentlich ein guter Gastgeber. Und überhaupt gibt es ja gar kein schlechtes Omen. Anders als im Vorjahr können die Roten die Tabellenführung jedenfalls nicht verspielen, sondern wollen sie erobern. Und am Freitag den 13. liegen Glück und Pech manchmal eng beieinander. Ruft Rot-Weiss aber die bislang gezeigte Klasse erneut ab, wird es nicht unwahrscheinlich gar nicht auf Glück und Pech ankommen. Also, alles ist (hoffentlich) anders in der Spielzeit 2019/20!

 NUR DER RWE!

Spielbericht

Was ist noch gefährlicher als Spielbergs weißer Hai, King Kong und Godzilla zusammen? Die Bank von Rot-Weiss Essen! Vor allem wenn dann noch ein Trainer wie Christian Titz den Taktstock- und man möchte fast meinen als (rot)-weisser Magier den Zauberstab schwingt. Beim letztlich verdienten 4:2 (1:1)-Auswärtserfolg in Lippstadt, nach dem RWE als einzige Mannschaft der Regio West weiterhin ungeschlagen ist, waren es nämlich erneut die „Reservisten“, welche jeweils nur kurz nach ihrer Einwechslung trafen und insgesamt drei der vier Tore zum Sieg beisteuerten. Essens sechster Erfolg im siebten Ligaspiel. Die Bilanz ist ebenso beeindruckend wie die Stimmung im rot-weissen Lager. Doch der Reihe nach. Zunächst einmal muss Jawattdenn.de dem SV Lippstadt Abbitte leisten. Hatten wir in unserem Vorbericht einen sehr defensiven Gastgeber, der mit zwei hintereinander agierenden Viererketten die eigene Box abschirmt, prophezeit, so trug die Mannschaft von Trainer Felix Bechthold einen gehörigen Teil zu einem sehr guten und ebenso unterhaltsamen Regionalligaspiel bei. Der Sieg fiel den Essenern jedenfalls unterm Strich deutlich schwerer als der letzte Erfolg bei RWO. Coach Titz behielt wieder einmal  Recht. Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel schilderte er die gesammelten Eindrücke vom Gegner, der viel besser sei, als der Tabellenplatz es ausdrücke und stets auf einen geordneten Spielaufbau von hinten heraus bedacht sei. So rieben sich die insgesamt wohl über 1000 RWE-Anhänger unter insgesamt 2334 Zuschauern zunächst verwundert die Augen, als ihrer Mannschaft, die deckungsgleich zur Partie gegen Uerdingen im Niederrhein-Pokal aufgestellt worden war, zunächst nicht das bekannt dominante Spiel gelang, sondern der SVL mit aggressivem Pressing und messerscharfen Pässen in die Schnittstelle der Gästeabwehr für Furore sorgte. Eines dieser Zuspiele nutzte Yannick Albrecht, Neuzugang aus Haltern, nach nur 12 Spielminuten zum 1:0 für Lippstadt. Mutterseelenallein tauchte er dabei vor Marcel Lenz auf und vollendete eiskalt. RWE schüttelte sich und fand langsam sein Spiel. Jan-Lucas Dorow verpasste aus kurzer Distanz den Ausgleich, auch Oguzhan Kefkir roch an einem Treffer. Der wollte jedoch vorerst nicht fallen. Dafür setzten die Gastgeber den nächsten, fast erneut schmerzhaften Nadelstich, doch Marcel Lenz behielt in fast deckungsgleicher Situation wie beim Gegentreffer diesmal die Oberhand und rettete großartig. RWE war außerdem zu so vielen langen Bällen aus der eigenen Abwehr heraus gezwungen wie selten zuvor, so energisch wirkte Lippstadt streckenweise.

Titz hatte genug gesehen und vollzog einen seiner bereits legendären Wechsel. Der bislang in keiner Saisonminute fehlende Abwehrrecke Alex Hahn musste nach 32 Zeigerumdrehungen vom Feld. Der Trainer hatte in den Situationen nicht ganz zu Unrecht einige Tempoprobleme seines Spielers erkannt, wie er später auf der PK zu Protokoll gab. Ayodele Adetula kam ins Spiel, Marco Kehl-Gomez ging zurück in die Abwehrzentrale. Was dann folgte, ist eigentlich mal wieder kaum angemessen zu beschreiben. Zwei Minuten brauchte Adetula, dann durfte er den Ausgleichstreffer bejubeln. Das Tor war vor allem in der Vorbereitung erste Sahne. Dorow zeigte nach dem Wechsel vom Sturmzentrum ins Mittelfeld beordert seine herausragend zu nennende Technik und spielte mit dem rechten Außenrist gemäß des heutigen Jawattdenn-Titels einen Monsterpass über 30 Meter hinter die SVL-Abwehr.

Der schönste Pass nutzt allerdings nichts, wenn es nicht den entsprechenden Abnehmer dafür gibt, in diesem Fall einen Spieler mit Monstertempo. Eben einen Ayodele Adetula. Keeper Christopher Balkenhoff war der letzte verbliebene Gegenspieler und hätte die Kugel wohl vor den meisten anderen Akteuren der Regio-West noch klären können, weil er eigentlich besser zum Ball stand. Adetula jedoch zündete derartig den Turbo, dass er in dem folgenden Pressschlag mit Balkenhoff den Ball mit dem Glück des Tüchtigen mitnehmen konnte und nun in deutlich reduziertem Tempo damit über die Linie joggte. Das siebte Jokertor der letzten fünf Ligaspiele. Phänomenal. Einmal wieder. Bis zur Halbzeit hätte Essen dann eigentlich sogar führen müssen. Doch Dorow zeigte sich im Abschluss erneut nicht so stark wie in der Vorbereitung eines Treffers und vergab die Riesenchance zum 1:2. Licht und Schatten in Halbzeit 1, die weitere personelle Konsequenzen nach sich zog. Titz brachte Florian Bichler für Kevin Grund. Da Bichler rechts verteidigen sollte, wechselte David Sauerland auf die linke Außenverteidigerposition. Der Coach ist halt für so manche Rochade gut.

Da RWE eigentlich immer eine bessere zweite als erste Hälfte spielt, sah der Essener Anhang positiv gestimmt dem weiteren Spiel entgegen. Zurecht. Die ersten gut 10 Minuten waren spektakulär. Auf dem Rasen und den Rängen. Die RWE-Fans auf der Hintertortribüne zeigten zunächst eine sehenswerte Choreo mit unzähligen Fähnchen, tauchten kurz danach aber die Kurve in bengalisches Feuer. Schiedsrichter Felix Weller wurde in dieser bislang sehr fairen Partie von den Fans jetzt mehr gefordert als von den Spielern und drohte kurzzeitig mit dem Gang in die Kabinen. Stante Pede erloschen jedoch dann die Bengalos und nur zwei Minuten danach waren die RWE-Fans auch ohne diese in Hitzewallung, denn Joshua Endres schlenzte das Leder sehenswert in den Winkel des SVL-Tores. 2:1 für RWE! Wer nun angenommen hatte, der Favorit würde wie gewohnt sein Pensum clever herunter spielen, sah sich jedoch getäuscht. Erstmals seit Saisonbeginn konnte eine gegnerische Mannschaft den Essenern eine Führung wieder streitig machen und nur vier Minuten nach dem Endres-Treffer war erneut Yannick Albrecht zur Stelle und köpfte das Leder aus kürzester Distanz in die Maschen. 2:2. Zusätzlich gelang dem SVL damit als erster Mannschaft überhaupt mehr als ein Treffer gegen RWE. Zahlen, die deutlich machen, dass die Gastgeber eine sehr gute Partie lieferten.

Aber das Rot-Weiss Essen der Spielzeit 2019/20 ist eben auch nicht mehr das RWE der vergangenen Spielzeiten. Als wäre nichts gewesen gingen die Gäste sogleich wieder in die Offensive und unterstrichen ihre Ambitionen auf den Auswärtsdreier. Die Partie wurde auch ruppiger. Besonders Oguzhan Kefkir schien wie die Fans On Fire und holte sich nach einem rustikalen Einsteigen eine berechtigte Gelbe Karte ab. Anlass für Titz, den nächsten Zauber- und Einwechseltrick zu vollführen. Fast sofort wurde Kefkir vom Feld genommen und Hedon Selishta, zuletzt länger nicht auf dem Rasenrechteck, sollte seine Chance bekommen. Nun wurde es, dieser Kalauer sei erlaubt, im wahrsten Sinne des Worte hedonistisch. Gerade 5 Minuten auf dem Feld sorgte Selishta für die nächste Essener Adrenalinbombe. Sehenswert hatte sich RWE auf dem linken Flügel durchgespielt und der erneut sehr starke Endres beförderte den Ball so ins Sturmzentrum, wie es besser nicht mehr geht. Denn zum einen war das Leder für den verzweifelt grätschenden Abwehrspieler nicht zu erreichen, zum anderen aber sehr wohl für Essens nächsten Top-Joker, der zudem den perfekten Laufweg genommen hatte und mit Rechts eiskalt zur erneuten Gästeführung verwandelte. Essener Ekstase! So und nicht anders lautet die passende Antwort auf die gegnerischen Bemühungen. Selishta ließ es sich 10 Minuten später nicht nehmen, Enzo Wirtz seinen Doppelschlag in Oberhausen nachzumachen. Bei einem langen Ball enteilte er gleich zwei Gegenspielern und nahm nun den linken Fuß, um den Ball erneut zu versenken. Hier nochmals die nackten Zahlen. Es war Essens neuntes Jokertor der letzten fünf Ligapartien. Als RWE in der Vorwoche im ebenfalls siegreichem Niederrhein-Pokal-Intermezzo ausnahmsweise mal kein Tor von der Bank gelungen war, erlaubte sich „Der Westen“-Redakteur Ralf Wilhelm mit Titz auf der PK einen kleinen Spaß und meinte, jetzt sei er wohl wieder auf dem Boden angekommen. Mal schauen, ob der RWE-Coach nun eine scherzhafte Replik bereithalten wird.

Die restlichen Minuten waren die gewohnt ausgelassene RWE-Partie auf den Rängen. Da Lippstadt nie aufgab, gab es weitere gute Kontergelegenheiten für die Gäste, die das Ergebnis im Grunde noch höher schrauben hätten müssen. Das wäre umgekehrt aber auch nicht ganz gerecht gegenüber den guten Gastgebern gewesen, die in dieser Form der Abstiegszone entkommen sollten. Natürlich gab es nach Schlusspfiff das gemeinsame Feiern von Mannschaft und allen mit Essener Fans besetzten Tribünenteilen. Einen Jubelsturm erntete Trainer Titz, der sich von den Fans gefordert zu einer Art kleinen Ehrenrunde aufmachte. Schöne Impressionen. Schon am nächsten Freitag gibt es wieder Flutlichtzauber mit unserem RWE, wenn den Beethovenstädtern aus Bonn an der Hafenstraße hoffentlich der Marsch geblasen und anschließend der RWE-Walzer getanzt werden wird.


NUR DER RWE!

Fotos by M.R.

Fotos by M.E.

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PK vor dem Spiel