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Helden von einst XIV – Interview mit Vincent Wagner

Hier gibt es den 2. Teil des Interviews mit Vincent Wagner. Hier gibt Vincent Einblicke in die Aufstiegssaison bei RWE, spricht über seine Karriere als Trainer und über seinen Umgang mit den RWE-Fans. Viel Spaß dabei!

„Ich habe die Fans als Privileg wahrgenommen“

Vincent Wagner

Per Kurzmitteilung kommt die Frage, ob es auch zwanzig Minuten später geht, da er noch mit seiner Mannschaft via Videokonferenz arbeitet. Na klar, wir sind doch dankbar, dass er sich trotz seiner Verpflichtungen überhaupt Zeit für uns nimmt. Dann beginnt unsere Videokonferenz und ein bestens gelaunter Vincent Wagner nimmt sich trotz einem Tag, an dem er gearbeitet und mit seiner Mannschaft auf Distanz trainiert hat, nochmal richtig viel Zeit, um mit Jawattdenn.de über seinen Werdegang, seine Zeit bei RWE und seine Rolle als Trainer zu sprechen:

Teil 1

Jawattdenn.de: Frank Goosen hat in einem Programm mal die Sorgen von Fußballfans karikiert und diese Suche nach Negativem gibt es auch bei RWE. So gibt es einige Fans, die auf das Jahr 2015 verweisen, als RWE ebenfalls als Spitzenreiter aus der Winterpause kam und dann einen tabellarischen Absturz hingelegt hat. Ist diese Sorge aus Deiner Sicht berechtigt?

Vincent Wagner: So etwas kann immer passieren, aber diese Sorge habe ich weniger. Empathie und Qualität spielen im Fußball eine große Rolle. RWE hat ohne Frage eine gute Mannschaft. Der Trainer weiß, was er will, er scheint, was man so hört, auch die nötige Empathie zu besitzen. Hinzu kommt, dass sich ein Fehler, der damals aus meiner Sicht gemacht wurde, nicht zu wiederholen scheint, nämlich viele Spieler im Winter dazu zu holen. Damals hat der Verein trotz einer sehr guten Hinrunde gleich drei Spieler im Winter verpflichtet.

Wenn man erkennt, dass in einer funktionierenden Mannschaft auf einer bestimmten Position der Schuh drückt, dann ist ein gezielter Transfer sinnvoll. In der Aufstiegssaison in der NRW-Liga hat der Verein beispielsweise Benedikt Koep verpflichtet, da Lukas Lenz der einzige Stürmer bis dahin war. Der Transfer war sinnvoll und hat die Mannschaft nicht kaputt gemacht. Die Verantwortlichen werden möglicherweise auch nachlegen, wenn es einen qualitativ hochwertigen Spieler auf dem Markt gibt. Ich hoffe, dass sie es dann dabei belassen. In den Äußerungen, die man von der Hafenstraße wahrnimmt, wird aber auch deutlich, dass sie den Sachverhalt ähnlich sehen.

Jawattdenn.de: Hast du denn den Eindruck, dass RWE mit der jetzigen Qualität schon die Spitze der Liga darstellt?

Vincent Wagner: An den Hinrundenergebnissen kann man erkennen, dass RWE einen großen Abstand zu allen anderen Vereinen aufbauen konnte. Borussia Dortmund ist drangeblieben. Die verlieren mit Tigges zwar einen hervorragenden Spieler an die Erste Mannschaft, die anderen Spieler sind jedoch ebenfalls sehr gut, weswegen Dortmund eklig bleiben wird. Ob es am Ende zum Aufstieg reicht, kann ich nicht sagen. Es wird aber nicht zu solch einem Sturz ins Bodenlose wie 2015 kommen. Sie moderieren das in Essen im Moment so gut, dass ich überzeugt bin, dass das Team leistungsstabil bleibt.

Jawattdenn.de: Du fühlst Dich dem Verein nach eigenen Aussagen sehr verbunden. Schaffst Du es denn, Spiele im Stream im Moment zu sehen?

Vincent Wagner: Ich habe schon Spiele im Livestream und das Pokalspiel auf Sky verfolgt. Durch das Training mit der U15 beim MSV ist es natürlich schwierig, da fehlt mir dazu oft die Zeit, weil ich selber auf dem Fußballplatz stehe. Wenn aber Spiel am Freitagabend ist, dann höre ich schon, wie es läuft, wenn ich nach dem Training nach Hause komme und aus dem Auto steige. Ich wohne immer noch in Bergeborbeck, nur fünf Minuten vom Stadion entfernt, und höre es sofort, wenn es bei RWE gut läuft. (lacht) Außerdem hat Jörn Nowak einen guten Schachzug gemacht, als er Svenni (Athletik-Trainer Sven Linnemann, Anm. d. Red) verpflichtet hat. Seit er da ist, ist die Fitness so gut, dass RWE immer mal wieder hintenraus Tore erzielt.

Jawattdenn.de: Sven Linnemann hat, wie ich gehört habe, durchaus einen guten Ruf in der Sportwelt…

Vincent Wagner: …den hat er zurecht. Er hat sogar ein paar Bundesligaspieler im Einzeltraining gehabt. Ich habe mit Michael Lorenz zusammen zwei Jahre mit ihm in Kray gearbeitet. Nun hat RWE zugegriffen und dort macht er anscheinend ebenfalls einen guten Job.

Jawattdenn.de: Es ist neben der Kondition auch auffällig, dass nach seiner Verpflichtung massiv weniger Verletzungen im muskulären Bereich auftreten.

Vincent Wagner: Ich habe meinen Master schwerpunktmäßig in dem Bereich gemacht. Da kommt sehr viel Steuerung und Präventionsarbeit hinzu. Sven arbeitet da sehr clever und gewissenhaft, deswegen wundert es mich nicht, weil ich mittlerweile die wissenschaftlichen Fakten dazu kenne. Ich würde mir im Nachhinein wünschen, dass man das zu meiner Zeit auch schon so intensiv gemacht hätte. Nichtsdestotrotz kann es auch bei der besten Arbeit in dem Bereich trotzdem weiterhin zu Verletzungen und schweren Verletzungen kommen, man minimiert die Wahrscheinlichkeit aber deutlich.

Jawattdenn.de: Das letzte große Interview haben wir vor über zehn Jahren mit Dir geführt. Damals haben wir gar nicht gefragt, wie Du damals von einem Schweriner Verbandsligisten zu RWE gekommen bist, der damals gerade aus der Zweiten in die Dritte Liga abgestiegen ist?

Vincent Wagner: Das weiß ich noch genau. Es gab damals noch ein U21-Länderturnier, bei dem die Auswahlmannschaften aller Fußballverbände gegeneinander in einem Turnier gespielt haben. Da war ich nicht erste Wahl, der damalige Stürmer ist aber nach Hamburg gewechselt und dann bin ich eingeladen worden, weil ich neben der Bundeswehr in meinem ersten Seniorenjahr gleich 15 Tore in der Verbandsliga geschossen habe, die heute Oberliga ist. Ich habe da fünf Tore geschossen. Bei jedem Treffer hörte man, woher der Spieler kam, vom BVB oder dem HSV. Dazwischen kam immer wieder Vincent Wagner von Eintracht Schwerin.

Jawattdenn.de: Wurden dort die Vereine auf Dich aufmerksam?

Vincent Wagner: Danach riefen mich mehrere Berater an und der Kapitän der Auswahl hat mir einen empfohlen, der mir sagte, er würde mich in die Zweite oder Dritte Liga bringen. Das wunderte mich schon, weil sich in den zehn Jahren davor niemand für mich interessiert hat, obwohl ich immer viele Tore geschossen habe. Da hatte ich die Möglichkeit Profi eigentlich schon abgehakt. Ich wollte mich dann mit anderen Vereinen treffen, mir wurde jedoch verboten zu Probetrainings zu gehen, obwohl ich einen minimalen Vertrag dort hatte. So mussten die Vereine Scouts schicken. Peter Kunkel hat mich damals gescoutet und hat geschrieben: überragender Regionalligakicker (damals noch dritte Liga Anm. d. Red.) mit Potenzial für die Zweite Liga. Ich durfte dann doch zu Trainings und habe zunächst drei Tage unter Pavel Dotchev in Erfurt trainiert. Die wollten mich haben.

Gleichzeitig hat mich Olaf Janßen nach Essen eingeladen. RWE war noch Zweitligist mit einer ordentlichen Ausgangsposition. Es war das Spiel gegen Wacker Burghausen. Sagt Dir Ledgerwood noch etwas?

Jawattdenn.de: Ich glaube den Namen vergisst kein RWE-Fan, der 2007 schon im Stadion war…

Vincent Wagner: RWE hat 1:0 geführt und dann „Angst essen Seele auf“. Ledgerwood knallt den Ball aus 30 Metern ins Tor und fluchtartig strömen die Menschen aus dem Stadion. Das Spiel war fast ausverkauft und ich habe noch nie gesehen, dass ein Stadion so schnell leer gewesen ist.

Jawattdenn.de: Wie ging es dann weiter?

Vincent Wagner: Olaf Janßen unterhielt sich mit mir. Er erzählte vom neuen Stadion, das kommen sollte, und was sie mit mir perspektivisch vorhaben. Es sollte im 4-4-2 gespielt werden. Ich sollte fester Bestandteil des Profikaders sein und als Nachwuchstalent einer von fünf Stürmern sein. Am Ende war es mir damals noch egal, ob ich nach Erfurt oder Essen gehe. Essen hat mehr bezahlt und als ich unterschrieben habe, war Essen noch in der Zweiten Liga, das war attraktiver als Regionalliga. Leider ist RWE abgestiegen, aber für mich war es trotzdem ein Schritt nach vorne.

Jawattdenn.de: Du bist in eine Mannschaft gekommen, die ebenfalls ihren Fußabdruck hinterlassen hat. Das Team 2007/08 bestand aus hervorragenden Spielern wie Guié-Mien oder Sören Brandy, konnte aber nicht das Ziel Wiederaufstieg erreichen und schaffte schließlich nicht einmal die Qualifikation für die neu geschaffene Dritte Liga. Kannst Du Dir im Nachhinein erklären, was damals schiefgelaufen ist?

Vincent Wagner: Das war ein hausgemachtes Problem, das ich heute mit der Erfahrung der Jahre und der Trainerausbildung auch gut erkennen kann. Heiko Bonan war in Ahlen vorher extrem erfolgreich und hatte dort das 3-4-3 System für sich entdeckt. In den 80ern und 90ern war das 3-5-2 in Mode, dann kam die Viererkette und alle spielten 4-4-2 bzw. 4-3-3. Oberhausen ist damals aufgestiegen, weil Bruns auf ein 3-5-2 gesetzt hat, das dem 4-4-2 überlegen war. Heute spielen die Leute beides, wobei es da mehr um Systemiken und nicht mehr um klassische Systeme geht. Auch Nagelsmann spielt mit einem ähnlichen System, nämlich 3-6-1. Du hast in dem System zwar zwei Außen weniger. Aber das Spiel entscheidet sich in der Regel im Zentrum und da hast du in diesem System mehr Spieler.

Jawattdenn.de: So erklärt, würde ich sagen, dass Bonan dann richtig lag.

Vincent Wagner: Heiko Bonan hatte mit seinem 3-4-3 eine geile Idee. Er hatte in Ahlen im Abwehrzentrum Daniel Thioune, der heute Cheftrainer beim HSV ist. Das war ein ganz starker und intelligenter Aufbauspieler, der heute auch in Hamburg immer noch so spielen lässt. In Essen spielte Daniel Sereinig auf der Position. Er ist ein netter Kerl, aber er war zu langsam und hatte nicht genug Sicherheit, um die Position so zu spielen, wie Heiko das wollte.

Außerdem hatte Ahlen vorne Lars Toborg, der einerseits sehr torgefährlich, aber auch ein sehr mannschaftsdienlicher Spieler war. Wir hatten damals einen dänischen Zweitligatorschützenkönig (Karsten Jensen, Anm. d. Red.) verpflichtet, der ein paar Tage vor Beginn gesagt hat, dass er zu Hause bleiben würde, weil seine Frau keinen Bock hat.

Dann waren nur noch ich, der eigentlich erst aufgebaut werden sollte, und Güve, der hängende Spitze spielen sollte, da. Trotzdem waren die Ergebnisse in der Vorbereitung ganz gut.

Jawattdenn.de: In der Saison zeigten sich aber dann die Probleme.

Vincent Wagner: Es ging am ersten Spieltag gegen RWO. Es war kein überragendes Spiel, es war aber eine ordentliche erste Halbzeit. Das große Problem war leider folgendes: „40. Minute, Konter RWO, 0 zu 1 Lüttmann!“ So haben wir kurz vor der Pause das 0:1 bekommen und das Stadion hat gepfiffen. Heute würde ich als Trainer Stellschrauben justieren und darauf dringen, dass die Jungs entspannt weiterspielen. Damals wurden leider sofort die Nerven verloren und der Druck wurde sofort an die Spieler weitergegeben. Ich kenne solche Situationen des Drucks aus dem Abstiegskampf in der Zweiten Liga mit Bochum, aber das war der erste Spieltag. Dann wurde es chaotisch, kopflos und wir verloren 1:4.

Danach wurden hektisch Spieler verpflichtet. Rafael Kazior und Rolf-Christel Guié-Mien kamen dazu und die Krönung war André Schei Lindbaek. Er war einmal ein überragender Mittelstürmer, er konnte damals aber kaum noch laufen.

In der Rückrunde wurde es dann besser. Da haben sie um die Lorenzbrüder ein Team gebildet, das wieder eine Mannschaft war. Michael Kulm hat das gut moderiert und die Ergebnisse passten wieder. Dann kam das Lübeckspiel. Da gibt es bis heute viele Gerüchte. Es hat sich vielleicht nicht mehr jeder zu 110% zerrissen, aber keiner hat das Spiel freiwillig abgeschenkt.

Jawattdenn.de: Lübeck war allerdings zu dem Zeitpunkt abgestiegen und insolvent. Wie ist es zu erklären, dass so ein wichtiges Spiel verloren geht?

Vincent Wagner: Das gibt es heute im Fußball immer noch. Vorher hatten wir nichts mehr zu verlieren, weil RWE schon aussichtslos im Rückstand war. Nach dem Sieg in Magdeburg war die Chance dann aber doch da, aus eigener Kraft den Klassenerhalt zu schaffen. Lübecks Team hat sich in jeden Ball hineingeschmissen. Da hat jemand sicherlich eine Prämie ausgelobt, das ist aber auch nicht verwerflich. Wir sind einfach nicht durch die Vierer- und Fünferkette durchgekommen. Dann gehen ein paar Chancen nicht rein und wir bekamen dann einen dummen Konter. Da entsteht Druck auf dem Feld und die Zuschauer haben ebenfalls die Nerven verloren und dadurch ebenfalls Druck erzeugt. Das passiert in den meisten Stadien der Welt, das ist kein Problem der Essener Fans. Aber so geht das Spiel verloren und RWE steigt ab.

Was ich im Nachhinein schade finde, ist, dass sich die älteren Spieler nicht um die jüngeren gekümmert haben. Das hätte ich mir gewünscht und ich gehe davon aus, dass das in Essen nun besser funktioniert. Auch das Trainerteam hat kaum mit einem gesprochen, weil im Prinzip jeder mit seinen Problemen zu kämpfen hatte. Menschlich ist das verständlich, nur so entsteht leider keine Mannschaft.

Ich bin bei einem Spiel in Babelsberg eingewechselt worden, was wir auch gewonnen haben. Danach saß ich auf der Tribüne und danach die Woche musste ich in der Zweiten Mannschaft spielen. Im Nachhinein ist das ein ganz normaler Vorgang, der passieren kann, aber das verstehst du in dem Alter nicht und da brauchst du jemanden, der dir das erklärt. Ich glaube, dass durch dieses Verhalten in den Zeiten viele junge Spieler auf der Strecke geblieben sind, aus denen was hätte werden können. Das ist für mich als Trainer heute auch ein Anreiz, das besser zu machen, die Dinge also neben dem Inhalt Fußball mit Empathie und Achtsamkeit anzugehen.

Jawattdenn.de: Für Dich lief es auch körperlich nicht gut. Zu Beginn warst Du mehrfach verletzt, sogar mal mit Verdacht auf Herzmuskelentzündung im Krankenhaus, der sich zum Glück nicht bestätigt hat. Gab es damals auch Gedanken, dass der Körper Dir einen Strich durch die Rechnung macht und Spitzensport nicht möglich ist?

Vincent Wagner: Da hätte ich ja nicht mitentscheiden können, das hätte mir der Körper vorgegeben. Ich bin sehr zufrieden, dass ich an die 200 Regionalligaspiele machen konnte mit der Verletzungshistorie. Die vermeintliche Herzmuskelentzündung war zum Glück nur eine gebrochene Rippe. Ich habe damals 74 Kilo gewogen. Mein Kampfgewicht war aber 86-88 Kilo. Es fehlten mir also 12-14 Kilo Muskelmasse. Das war kein Wunder, dass ich mich dann so häufig verletzt habe. Das wurde besser, als wir regelmäßig Krafttraining mit Waldemar Wrobel gemacht haben. Da habe ich bestimmt sechs Kilo Muskelmasse zugelegt.

Ich musste erstmal körperlich herankommen, als ich zu RWE gewechselt bin. Ich hatte den Traum Profi vorher abgehakt und nur noch drei Abende die Woche trainiert. Dann bin ich von jetzt auf gleich in eine Profitruppe gekommen, wo ich täglich trainiert habe. Als ich im Dezember dann so weit war, dass ich angreifen konnte, habe ich mich im anschließenden Trainingslager in Portugal am Knöchel verletzt. Da stellte sich dann heraus, dass ich mir bereits Jahre zuvor den Knöchel gebrochen habe, das wurde aber nicht bemerkt. Dies ist dann schief zusammengewachsen, sodass ich in Schwerin nicht mit dem Spann schießen konnte, als ich Torschützenkönig wurde. Die Tore habe ich alle mit der Seite gemacht. Ich war insgesamt von Januar 2008 bis Februar oder März 2009 raus.

Jawattdenn.de: Da musstest Du ja wahrscheinlich erstmal wieder sportlich aufholen?

Vincent Wagner: Der Verdacht auf Herzmuskelentzündung kam dann auch noch dazu, sodass ich erst Mitte April wieder regelmäßig trainieren konnte. Kurz bevor mein Zwei-Jahres-Vertrag auslief konnte ich aber wieder bei der Zweiten Mannschaft mitspielen. Ich bin gegen Bonn das erste Mal für acht Minuten eingewechselt worden und habe getroffen. Danach habe ich bei Fortuna Köln zwei Tore gemacht. Dann bin ich zu Damian Jamro gegangen und habe gesagt, dass ich gern bleiben und bei der Zweiten Mannschaft mitspielen würde. Das hätte neben dem Studium geklappt. Durch die Spiele, die ich dann gemacht habe, hatte ich ihn überzeugt und ich habe verlängert.

In der Hinrunde habe ich vier Tore gemacht. Ich war aber auch nicht richtig fit und deswegen immer wieder verletzt. RWE stand damals auf einem Abstiegsplatz in der NRW-Liga. Deswegen wurde Lukas Lenz aus Siegen verpflichtet. Zusätzlich kam Dirk Heinzmann aus der ersten Mannschaft herunter. Wir haben gegen den ETB die Rückrunde begonnen, Heinzmann hat als Stürmer angefangen und Lenz wurde eingewechselt. Ich durfte nicht spielen. Ich bin zu Waldi ins Büro gestampft und habe mich beschwert, dass ich nicht gespielt habe, weil es im Sturm wirklich grausam war in dem Spiel. Da hat Waldi gesagt, dass man sich manchmal im Leben trennen müsste.

Jawattdenn.de: Das kommt überraschend. Schließlich hatte man das Gefühl, dass Du für ihn ein Schlüsselspieler in der Saison 2010/11 gewesen bist.

Vincent Wagner: Nachdem noch einmal schneebedingt unterbrochen wurde, haben wir gegen den damaligen Tabellenführer Wiedenbrück gespielt. Wir hatten aber keine Verteidiger. Waldi fragte mich dann, ob ich mir vorstellen könnte Innenverteidiger zu spielen. Ich meinte, ich würde überall spielen, nachdem ich solange nicht gespielt habe. Gegen Wiedenbrück haben wir dann 3:1 gewonnen und sind danach vom vorletzten Tabellenplatz auf Platz 5 hochgekrabbelt.

Ich sollte dann sogar wieder in die erste Mannschaft hochgezogen werden. RWE hatte wenig Geld und ich wäre kostengünstig ins Team gerutscht. Ich habe dann ein extrem witziges Telefonat mit Peter Hyballa geführt, der damals Trainer werden sollte. Er hat mir erklärt, was er vorhat. Er hat mich geduzt, weswegen ich ihn auch geduzt habe. Am Schluss sagte er dann, dass das ja alles schön sei, in Zukunft ich den Trainer aber mit ‚Sie‘ anzusprechen habe.

Teil 2

Jawattdenn.de: Es kam dann nie zum Trainingsstart unter Hyballa, denn RWE ging in die Insolvenz und verlor die Lizenz.

Vincent Wagner: Waldi kam damals nach dem letzten Training vor der Sommerpause in die Umkleide und sagte, dass ich anrufen sollte, bevor ich ein anderes Angebot unterschreiben würde. Ich habe dann den Vertrag in Essen unterschrieben, weil ich nicht wegwollte. Ich habe mich sehr wohl gefühlt.

Das Jahr darauf war mega. Mich hat der Aufstieg aber nicht überrascht. Wir haben mit Timo, Lamczyk und Alex Thamm drei Qualitätsspieler hinzubekommen. Vorher hatten wir in der Rückrunde der NRW-Liga schon fast alles gewonnen. Natürlich lief es perfekt. Hätte Thammi das Ding gegen Homberg nicht so schön reingemacht, wäre von Beginn an ein anderer Druck auf dem Kessel gewesen. Dadurch dass es sogar zwei Aufsteiger in die Regionalliga gab, war ich mir sicher, dass wir es packen. Leider hat mir Dr. Sören Storcks wegen rohen Spiels gegen Homberg die rote Karte gegeben, deswegen stand ich in Siegen leider nicht auf dem Platz. Aber wir sind trotzdem souverän aufgestiegen.

Jawattdenn.de: War das das schönste Jahr für Dich in Essen?

Vincent Wagner: Ich fand die ersten beiden Jahre und die letzte Saison nicht schön. Die vier Jahre dazwischen waren alle super. Auch wenn ich eine Schulterverletzung nach dem Aufstieg hatte, die ich bis heute spüre. Ich habe mir die Verletzung wenige Tage vor dem DFB-Pokalspiel zugezogen und war danach im Grönemeyer-Institut zum MRT. Ich wollte wissen, ob ich spielen könnte. Der Experte sagte, es wäre alles kaputt, was kaputt gehen könnte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ich mit den Schmerzen spielen kann. Wir haben meinen Arm dann festgetapet und ich war auf Ibu. Es hat dann geklappt und wir sind gegen Union auch weitergekommen. Ich habe dann sogar noch ein paar Ligaspiele gemacht, habe mich dann aber vor dem Spiel gegen Gladbach II wieder zerlegt.

Jawattdenn.de: Von außen betrachtet, wirkte die Verpflichtung von Dr. Harttgen als Bruch im Verein. Hat sich auch innerhalb des Vereins die Atmosphäre geändert?

Vincent Wagner: Was glaubst Du, warum RWE heute erfolgreich ist, und es damals nicht war?

Jawattdenn.de: Ich habe das Gefühl, dass die Mannschaft nicht mit so vielen Überlegungen zusammengestellt wurde, wie sie Jörn Nowak heute äußert. Außerdem hatte ich als Laie den Eindruck, dass Marc Fascher zu unflexibel war. Als die anderen Teams herausbekommen hatten, wie sie erfolgreich gegen Rot-Weiss spielen konnte, war er nicht in der Lage, darauf zu reagieren.

Vincent Wagner: Damian Jamro ist aus der NRW-Liga aufgestiegen und hat auch in der Regionalliga einen guten Job gemacht, weil er Experte für die Liga war und wusste, worauf es ankommt. Man unterschätzt ihn oft, weil er nicht der Lautsprecher ist. Er ist zielbewusst und sehr kollegial und die Mannschaftszusammenstellung hat er sehr gut gemacht. Jörn ist ein absoluter Experte für die Regionalliga, deswegen wundert mich das überhaupt nicht, wie es sich gerade entwickelt. Wenn es so weit kommen sollte, wird er auch in der Dritten Liga mit seinen Aufgaben wachsen.

In den Regionalligasaisons nach dem Aufstieg war der Teamgedanke im Vordergrund. Im ersten Jahr brauchten wir ein wenig Eingewöhnung. Im zweiten Jahr waren wir aber oben dabei. Da haben Cebio Soukou, der Anlaufzeit benötigt hat, und Kerim Avci dafür gesorgt, dass wir viele Spiele gewonnen haben. Hinten kam Michael Laletin dazu. Markus Heppke und ich waren mit 26 Jahren die ältesten Spieler. Im April haben wir gegen den Tabellenführer Fortuna Köln gespielt und hätten bei einem Sieg rankommen können. Fortuna Köln hatte eine erfahrene und abgewichste Truppe und wir haben es nicht geschafft, sie zu schlagen. Fortuna war den Ticken besser als wir und hat nicht umsonst in den nächsten Jahren eine gute Rolle in der Dritten Liga gespielt. Wir wussten, dass wir nicht mehr aufsteigen konnten und haben anschließend gegen Kray 0:0 gespielt. Kurz darauf haben Maik Rodenberg und ich uns verletzt und am Ende sind wir Vierter geworden. Allerdings gab es durch die Niederlagenserie am Ende schon erste dunkle Wolken am Horizont.

Jawattdenn.de: Es war bis heute die zahlenmäßig erfolgreichste Saison nach dem Wiederaufstieg.

Vincent Wagner: Das ist wohl richtig. Danach wollte Doc Welling, mit dem ich mich ausgezeichnet verstanden habe und der aus wirtschaftlicher Sicht ein absoluter Glücksgriff für den Verein war, gemeinsam mit der sportlichen Leitung Christian Knappmann verpflichten. Der Verein wollte bzw. konnte so kurz nach der überstandenen Insolvenz das Budget nicht erhöhen und es sollte weiter erstmal Geld gespart werden, um später anzugreifen. Trotzdem wollte man versuchen, indem das Spiel auf Knappi zugeschnitten wird, wieder oben mitzuspielen. Ich bin damals zu Doc Welling gegangen und habe ihn gebeten, das nicht zu tun. Für mich war es damals schon unheimlich wichtig, den Weg mit dem Team als homogene Einheit nicht zu verlassen. Wie die Geschichte ausging, weiß man nun.

Man muss ehrlich sagen, dass Knappi versucht hat, sich bei uns als Teamplayer einzubringen. Leider war er trotzdem nach einem halben Jahr wieder weg, Waldi und Damian waren nach einem dreiviertel Jahr Geschichte, ich war nach einem Jahr weg und der Doc war dann nicht mehr lange bei RWE. So ging das schöne Kapitel RWE damals zu Ende.

Jawattdenn.de: Die Saison lief dann von Beginn an auch alles andere als erfolgreich.

Vincent Wagner: Wir hatten auch ein Problem in der Innenverteidigung. Maik Rodenberg war verletzt. Ich hatte am Ende der vorherigen Saison das Kreuzband angerissen und Michael Laletin hat sich zu Saisonbeginn die Schulter verletzt. Eigentlich sollten wir alle drei pünktlich zur Vorbereitung wieder fit zurück sein. Das war aber leider eine Fehleinschätzung. Deshalb wollten die sportlich Verantwortlichen damals schon im Sommer Jerome Propheter als zusätzlichen Innenverteidiger verpflichten. Witzig ist, dass es mich damals als Spieler sicher ein bisschen gestört hätte. Mit Abstand betrachtet wäre es bei unserer Verletzungshistorie die einzig richtige Entscheidung gewesen.

Zusätzlich hatte Waldi für den Sturm den heutigen Bundesligafußballer Steven Skrzybski auf dem Zettel. Er hatte schon immer einen Blick für Talente. Leider wollte der Verein zu der Zeit nicht das Budget erhöhen und lieber Geld sparen, so konnten Damian und Waldi nicht diese beiden jungen Spieler verpflichten. Leider hat so erst am 5. (Laletin/Wagner) bzw. am 9. Spieltag (Rodenberg/Wagner) eine Innenverteidigung auf dem Platz gestanden, die den Namen verdient. Naja, im Nachhinein ist man wohl immer schlauer.

Wir haben zu Saisonbeginn vier Punkte aus fünf Spielen geholt und viele Punkte ärgerlich abgegeben. Mein „Highlight“ war der zweite Spieltag gegen Viktoria Köln. Wir haben einen Elfer in der 86. Minute verschossen und dann durch einen Elfmeter in der 91. verloren. Aus einem „Traumstart“ wurde eine „Alptraumstart“ und es gab dann viel Theater mit zum Teil unmöglichen Aussagen, Stichwort: eine Kartoffel hat mehr Likes…

Da hätte man klar Stellung beziehen müssen, dass wir unsere Ziele in den drei Jahren davor immer übererfüllt haben. Selbst wenn wir im Jahr davor zum Schluss hin mehrmals verloren haben, haben wir das Ziel erfüllt. Vier Tage vor dem ersten Ligaspiel hat sich Cebio Soukou das Kreuzband gerissen und die Neuverpflichtungen Knappmann, Langlitz und Wingerter haben nicht so eingeschlagen, wie wir uns das gewünscht haben. Deswegen haben wir das Ziel erstmals nicht erfüllt. Wie schon angesprochen, war die Innenverteidigung zu Beginn der Saison verletzt, sodass Markus Heppke Innenverteidiger spielen musste. Markus konnte alles spielen, vor allem eine sehr gute 6 bzw. 8, aber nicht Innenverteidiger. Diese Probleme hätte man den Zuschauern damals transparent darlegen sollen. Zumindest hatte ich damals nicht das Gefühl, dass es damals geschehen ist. Dann wäre es darauf angekommen, die Nerven zu behalten und den eingeschlagenen geduldigen Weg fortzusetzen. Das wurde vom Verein damals leider nicht geschafft (auf allen Ebenen Vereinsführung, Team, Fans). Das hat mit Abstand betrachtet viel Geld und noch einige Jahre Regionalliga gekostet.

Jawattdenn.de: Die Frage ist, ob die Zuschauer das mitgemacht hätten?

Vincent Wagner: Eine gute Frage. Fakt ist, es war zumindest so viel Geld da, um sich immer weiter solide zu steigern. Wir haben mehrmals im DFB-Pokal gespielt. Außerdem weiß ich, dass wir nicht so hohe Gehaltskosten hatten. Ich hatte ein Angebot von Viktoria Köln, was deutlich über dem Gehalt von RWE lag. Der Verein hat sich nochmal gestreckt, damit ich bleibe, es war aber nicht einmal ansatzweise das, was Viktoria bezahlt hätte. Leider ging dann etwas Geduld verloren und große Namen mussten her.

Der Verein hätte das Geld nicht in einen sportlichen Leiter stecken sollen, der kein Experte für die Regionalliga war, sondern das Geld in wenige, aber qualitativ hochwertige Spieler investieren müssen. Von diesen sportlichen Entscheidungen musste der Verein sich erstmal ein paar Jahre erholen. Nun sind Marcus Uhlig und Jörn Nowak da und es scheint zumindest so, als ob sie serös arbeiten und keine Luftschlösser bauen. Deswegen macht RWE einen guten Eindruck.

Jawattdenn.de: Auch ich bin absolut überzeugt davon, dass beide gute Arbeit machen, ich habe aber auch den Eindruck, dass sie auch deutlich mehr Geld zur Verfügung haben, als Waldemar Wrobel und Damian Jamro es damals hatten.

Vincent Wagner: In der NRW-Liga waren wir vom Budget aus gesehen plus/minus Fünfter. Die Jahre danach sind wir ungefähr so ins Ziel gekommen, wie wir finanziell im Vergleich aufgestellt haben. Zu Zeiten von Uwe Harttgen und Marc Fascher hatten wir mit Lotte, Viktoria und Dortmund II zusammen das beste Budget. Heute gibt es außer Dortmund II keinen Verein, der in der Region mitbieten kann. Oberhausen spart dieses Jahr eine halbe Million Etat ein, während Essen den Etat um eine halbe Million erhöht hat.

Diesen Luxus haben Nowak und Uhlig. Sie reden das aber auch nicht klein, sondern haben von Anfang an den Anspruch formuliert, dass sie hochwollen. Diese Möglichkeiten hatten z.B. Herr Harttgen und Herr Fascher allerdings auch. Fairerweise muss man sagen, dass sie es bis zu diesem Zeitpunkt ja ähnlich erfolgreich gemacht haben. Herbstmeister waren sie ja auch. (lacht) Ob es Uhlig und Nowak nun besser machen, wird die Zeit zeigen.

Jawattdenn.de: Du hast dich einerseits viel bei den Fans eingebracht, Du hast Dich aber auch nie gescheut jedem die Meinung zu sagen. War die Fanarbeit für Dich Spaß oder war es anstrengend?

Vincent Wagner: Um Gottes Willen, ich habe die Fans schon damals als Privileg wahrgenommen. Es macht einfach Spaß, wie sehr die Menschen an einem interessiert sind. Sie interessieren sich, wie wir/ich gespielt habe, sie waren aber auch an mir/uns als Menschen interessiert. Manche sind sogar überrascht, wenn da einfach ein normaler Mensch vor ihnen steht.

Zum Thema klare Kante: Es gab mal ein kritisches Interview von mir, als bei einem 1:5 gegen Hüls „Scheiß Millionäre“ von den Rängen kam, was mir damals auf den Sack ging. Wenn wir beschimpft wurden, habe ich reagiert, wenn ein für mich gesundes Maß überschritten wurde. Ich war damals jung und heute sieht man viele Dinge reflektierter. Nichtsdestotrotz stehe ich zu den Dingen, die ich damals gesagt habe. Insgesamt hat das Schöne überwogen und es hat immer Freude gemacht, sich mit den Leuten auszutauschen.

Jawattdenn.de: Der ehemalige Aacherner Trainer Fuat Kilic hat in der Reviersport gesagt, dass es für RWE sogar ein Vorteil war, dass niemand am Saisonbeginn im Stadion war. Das würde bedeuten, dass die Zuschauer sogar schädlich für den Erfolg sind. Wie siehst Du diese Aussage?

Vincent Wagner: Hier ist es wichtig zu sagen: Ohne die Fans gäbe es den Verein Rot-Weiss Essen nicht. Es sind alles Menschen und Geduld bzw. Kredit muss man sich erarbeiten. Viele sagen, dass sie schon genug Geduld bewiesen haben und es nie was gebracht hat. Das mag für diejenigen stimmen, aber wenn sie die Geduld nicht mehr aufbringen können, dann braucht man eigentlich auch nicht mehr weiterzumachen. Es steht und fällt mit der Geduld. Es steht und fällt mit der Einstellung der Leute. So schwer das auch ist. Wenn man es hinbekommen würde, dass während der 90 Minuten alle bis zum Abpfiff hinter der Mannschaft stehen und nach dem Spiel dann auch mal richtig loszulegen, dann wäre viel gewonnen.

Allerdings machen das 98% im Stadion auch. Es sind nur wenige, die sehr früh anfangen, zu moppern. Manche kommen sogar nur deshalb ins Stadion. Das hört man als Spieler jedoch sofort. Bei einer neuen Truppe, die sich noch finden muss, kann es sein, dass Kilic da recht hat. Allerdings ist zu Saisonbeginn meistens mehr Geduld da, sodass die Zuschauer nach einem schlechten ersten Spiel noch nicht meckern. Deswegen hätte es auch am Anfang eine Hilfe sein können, wenn die Zuschauer auch bei einem schlechten Spiel erstmal supporten.

Bei unserem Spiel gegen Homberg 2010 waren andere Voraussetzungen. Die Zuschauer waren damals froh, dass es den Verein überhaupt noch gab. Wir waren eine unbekannte Truppe und es gab keinerlei Erwartungen. In dem Spiel gab es keinen Pfiff und kein Meckern. Da hat nicht alles geklappt, aber mit jedem Angriff und jeder Ecke kam da Stimmung auf, das war super. Diese Haltung, dieses Gefühl von 2010, daran sollte man sich erinnern, wenn man den Verein bestmöglich unterstützen möchte. Wenn die Mannschaft dann sang- und klanglos 0:3 verliert, kann man das nach Abpfiff immer noch zeigen.

Jawattdenn.de: Wie kamst du darauf, dass Du nach Deiner Karriere Trainer werden willst?

Vincent Wagner: Es war ein Praktikum. Ich musste im Zuge meines Lehramtsstudiums ein Praktikum machen und habe angefragt, ob ich es beim Trainer der A-Jugend vom FC Kray machen kann. Nach zwei Wochen hat er mich gefragt, ob ich bleiben will. Dann habe ich in der ersten Mannschaft gespielt und Co-Trainer bei der A-Jugend gemacht. Nach einer Woche war klar, dass ich das weitermache. Auch in Uerdingen habe ich weiter in Kray die A-Jugend trainiert.

Danach habe ich mit dem Doc lose besprochen, ob ich vielleicht die U19 bei RWE mache. Dann kam aber Bochum um die Ecke und hat mich konkret gefragt. Die suchten einen Co-Trainer von der A-Jugend. Ich wollte eigentlich noch ein Jahr mit Uerdingen Regionalliga spielen. Kurz darauf rief mich der Geschäftsführer von Uerdingen an und bat mich, den Vertrag aufzulösen. Ich habe eingewilligt, wenn er eine ordentliche Abfindung zahlt. Ich hatte Glück, denn ich brauchte nicht wie heute Gerichtsverhandlungen, sondern sie haben sich in Uerdingen darauf eingelassen.

Dann habe ich in Bochum unterschrieben. Das Niveau für den Einstieg als Trainer war top und das Gehalt war gut. So konnte ich in Ruhe zu Ende studieren und meine Familie finanzieren.

Jawattdenn.de: Dort hast Du auch eine steile Karriere hingelegt.

Vincent Wagner: Ich habe gehofft, vielleicht irgendwann in die Zweite Liga aufzusteigen, dass es aber nur vier Monate dauern würde, hätte ich nicht gedacht und im Nachgang betrachtet sicherlich auch etwas zu schnell, allerdings war das keine Entscheidung die ich selber getroffen habe. Das sind Dinge die unheimlich schnell passieren und dann klappt es oder es klappt nicht. Wissen und Erfahrungen helfen einem da, aber Erfahrung kann man nicht kaufen, die kommt erst mit der Zeit. (lacht) Ich habe sehr eng mit dem NLZ-Leiter Jens Rasiejewski zusammengearbeitet, der aus der Hoffenheimschule kam. Dort habe ich mein Wissen massiv erweitert. Vier Monate später saß ich in meinem ersten Seminar und Jens hat angerufen, dass ich sofort nach Bochum kommen soll. Ich komme ins Büro, da stehen da Hochstätter, Butscher und Rasiejewski. Da war klar, dass Isi Atalan gehen musste. Rasiejewski sagte, dass er es ohne mich nicht macht, obwohl wir uns noch nicht so lang kannten. Als Hochstätter dann gehen musste, mussten auch Rasiejewski und ich gehen, das war genauso wie mit Harttgen und Fascher. So schnell wie die Zeit kam, so schnell ging sie auch wieder zu Ende. Nichtsdestotrotz habe ich schon jetzt mehr Bundesligaspiele als Trainer als als Spieler. (lacht)

Jawattdenn.de: Wie kam es dann zum Engagement in Duisburg?

Vincent Wagner: Im März war es zu Ende. Die Zweite Liga ist eine andere Welt, das kann man auch mit der Zeit bei Rot-Weiss Essen nicht vergleichen. Ich habe dann mein Studium und Referendariat beendet und parallel fiel mir der Job in Duisburg vor die Füße. In Essen waren die Stellen belegt, die Jungs, die da sind, machen einen guten Job. So habe ich zum ersten Mal im Leben den Schwerpunkt auf das Studium gelegt und damals nebenbei die U14 in Duisburg übernommen. Mit der U15 bin ich mittlerweile als Trainer auch Meister der Regionalliga West geworden. Das habe ich als Spieler leider auch nicht geschafft. (lacht)

Jawattdenn.de: Du arbeitest nun auch als Lehrer. Ist es vor dem Hintergrund der beruflichen Belastung überhaupt denkbar, dass Du nochmal im Seniorenbereich trainierst?

Vincent Wagner: Ich hatte ein konkretes Angebot für die Oberliga in diesem Jahr, habe mich aber erstmal bewusst dagegen entschieden. Der Schritt von dem Engagement in Duisburg zu professionellen Herrenmannschaften ist nicht mehr weit, da die Belastung in einem Nachwuchsleistungszentrum auch hoch ist. Da leidet die Familie auch ein wenig drunter. Aber im Jugendbereich ist das Training immer abends. Ich mag Oberligakicker, habe ja auch selbst dort gespielt. Ich will aber Vollgas trainieren und in der Oberliga musst du Rücksicht auf die Jungs nehmen, weil sie den ganzen Tag arbeiten, teilweise auch körperlich hart. Da kannst du abends nicht mehr immer Vollgas erwarten.

Ich bin ein Oldschool, Laptop und Entwicklungstrainer (lacht), der Spaß daran hat das Beste aus den Jungs individuell und als Mannschaft herauszuholen Deswegen kommt für mich im Moment nur der Jugendbereich oder die Regionalliga aufwärts in Betracht, weil ich mit dem Anspruch zum Training gehen möchte, dass wir als Mannschaft uns jeden Tag verbessern. Das kann sich auch mal ändern, wenn ich es vielleicht mal wieder etwas gemütlicher haben möchte, im Moment sieht es aber erstmal nicht danach aus. (lacht) Beruf und Schule unter einem Hut zu bekommen ist sicherlich eine Herausforderung, aber wenn man Dinge tut, die einem Freude bereiten, dann hilft das meist auch ein etwas größeres Pensum zu meistern. Ich hatte letzte Woche Termin beim Gesundheitsamt in Essen, das ist als Ex-Leistungssportler ja so eine Sache und bin dann demnächst hoffentlich verbeamtet. Im Moment arbeite am Leibniz-Gymnasium in Essen, einer tollen Schule, und habe dort einen coolen Schulleiter, Herrn Tenhaven, ein Rot-Weisser durch und durch. Aber ich möchte beides unter einen Hut bekommen. Bei einem großen NLZ wie Dortmund oder Leverkusen werde ich in naher Zukunft sicher nicht aufschlagen, aber so wie jetzt, z.B. beim MSV kann man bei mittleren und kleinen NLZ bis zur U19 alles trainieren und das werde ich die nächsten Jahre auch weiterhin definitiv tun. Es macht einfach mega Bock, die Jungs nach vorne zu bringen.

Jawattdenn.de: Was gefällt Dir an der Arbeit mit jungen Fußballern?

Vincent Wagner: Es macht Spaß, weil sie sich alle verbessern wollen und bereit sind an sich zu arbeiten. Wenn die Spieler unbedingt wollen und man selbst halbwegs weiß, was man macht, dann können sich so tolle Sachen entwickeln. Es ist krass zu sehen, wie stark sich die Jungen entwickeln, wenn sie selbst wollen und fleißig sind.

Ich habe den Jahrgang übernommen, als sie Vorletzter waren. Sie waren erstmal Jäger. Am Anfang jagen Mannschaften den Ball und wenn sie gute Jäger sind, kommt der Ballbesitz. Wenn Mannschaften gute Jäger sind, bekommen sie den Ball häufiger. Im Ballbesitz können sich die Spieler nochmal weiterentwickeln. Das macht richtig Spaß. Allerdings brauchen die jungen Spieler Zeit, da rede ich von einem halben Jahr, einem Jahr oder noch mehr. Das nervt mich im Jugendbereich auch ein bisschen, weil man die Spieler, die man aufbaut, nach kurzer Zeit abgeben muss.

Jawattdenn.de: Die Lockdown-Maßnahmen ärgern Dich aus Sicht eines Trainers sicherlich?

Vincent Wagner: Ja, denn für die Jungs ist das brutal. Die Jungen müssen die Alten schützen, daran glaube ich auch. Die Politik macht viele Dinge auch richtig. Die Jugendlichen zahlen auch einen hohen Preis. Wir werden in den nächsten Wochen wieder im Lockdown sein. Wir müssen lernen die gefährdeten Gruppen besser zu schützen, denn nur durch einen Lockdown schaffen wir das nicht. Es wäre schön, wenn das ganze noch praktischer durchgeführt würde. Im Bereich Schule hätte man sich z.B. schon im Sommer um Lüftungsanlagen und Plexiglasscheiben kümmern können. Warum nutzt man nicht beispielsweise die Sportlehrer, um die Impfkampagne aufzubauen? Da würde ich mir noch schnelleres lösungsorientierteres Arbeiten wünschen, immer im Wissen, dass die Dinge meistens nicht so „leicht“ sind, wie sie scheinen.

Jawattdenn.de: Wenn wir die Interviewintervalle beibehalten, sprechen wir 2031 wieder miteinander. Wo siehst Du RWE in dem Jahr?

Vincent Wagner: Ich hoffe, dass die Ecken im Stadion dann zu sind. Dann wird es Rot-Weiss Essen nicht schlecht gehen.

Jawattdenn.de: Vielen Dank für das ausführliche Interview.