Kategorien
Erzähl ma

„Ich mag die Menschen hier!“ – Interview mit Marc-Nicolai Pfeifer

Seit Juli steht Marc-Nicolai Pfeifer dem Verein Rot-Weiss Essen vor. Gut gelaunt und sehr interessiert an Fanbelangen erleben wir ihn beim Interview, bei dem wir über seinen Werdegang, seine ersten Tage bei RWE und seine Pläne gesprochen haben. Viel Spaß beim Lesen.

Jawattdenn.de: Wie war bei dir die Stimmung nach dem 3:1-Erfolg gegen BVB II?

Marc-Nicolai Pfeifer: Bei den Fans und bei den Menschen im Stadion war die Stimmung sicherlich gut. Wir haben uns sehr gefreut, dass das ganze Umfeld nach dem Spiel positiver gestimmt ist. Wir in der Verantwortung haben uns natürlich ebenfalls gefreut, sind aber immer gut beraten, wenn wir uns bei den Erfolgen, aber auch bei den Niederlagen nicht von unseren Emotionen im Positiven wie im Negativen lenken lassen. Wir können auch auf unser Bauchgefühl hören, sollten aber mit dem Kopf Entscheidungen treffen.

Jawattdenn.de: Nach dem ersten Heimsieg gegen einen Gegner mit hoher individueller Qualität war es nicht nur ausgelassene Freude, sondern auch ein Stück weit Erleichterung. Hattet ihr dieses Gefühl auch?

Marc-Nicolai Pfeifer: Ich spreche hier stellvertretend für das Trainerteam, die Spieler und die Angestellten in der Verwaltung, für die die Arbeit hier kein Job wie jeder andere, sondern eine Passion ist. Sie stellen ihre Kraft in den Dienst des Vereins, um Erfolge zu erzielen. Bei jedem Punkt freue ich mich für alle diese Mitarbeiter genauso wie für die Mitglieder und Fans, denn sie alle empfinden positive Emotionen, wenn der Erfolg da ist. Ich persönlich freue mich auch über Erfolge.

Wir waren allerdings auch ruhig, als die Ergebnisse zu Beginn nicht wie gewünscht waren. Oder wie jetzt nach der Niederlage in Mannheim. Wir wissen, dass wir einen Riesenumbruch hinter uns haben. Im letzten Jahr war der eine oder andere vor dem Spiel in Sandhausen gefühlt vielleicht schon fast Zweitligist. Wir sind auch ambitioniert – können das aber auch alles ganz gut einschätzen. Unser Etat liegt im Mittelfeld der Liga. Gerade weil wir Ballbesitzspiel und Positionsspiel proklamieren, merkt man durch den Umbruch, dass wir Zeit brauchen, damit sich die Mechanismen einpendeln.

Auch wenn wir geglaubt haben, zu Beginn der Saison mehr Punkte auf der Habenseite zu verbuchen, wussten wir, dass es zu Saisonbeginn unter Umständen auch noch ruckeln kann. Diese Vorstellungen wurden von Marcus Steegmann und Christian Flüthmann eng und kritisch, aber auch mit der nötigen Ruhe begleitet. Am Ende wussten wir, was für eine Qualität in der Truppe ist und haben uns gefreut, dass sie es beim Heimsieg auch bewiesen hat. Aber das ist noch kein Grund, um in Euphorie zu verfallen – das hat man ja auch jetzt in Mannheim wieder gesehen. Wir sind in einem Prozess, da gehören naturgemäß auch Rückschläge dazu.

Jawattdenn.de: Kommen wir zu deinem Werdegang: Du bist in Ludwigsburg geboren…

Marc-Nicolai Pfeifer: Genau, meine Eltern haben noch studiert bzw. promoviert. Die ersten Säuglingswochen habe ich in Tübingen gelebt. Wir sind dann rasch nach Stuttgart gezogen, wo meine Eltern in den Betrieb der Großeltern eingestiegen sind. Meine Jugendjahre habe ich in Stuttgart verbracht.

Jawattdenn.de: Warst du schon als Kind Fußballfan?

Marc-Nicolai Pfeifer: Fußballfan war ich durch meinen Vater. In Stuttgart gibt es gleich zwei größere Fußballvereine. So habe ich viel Fußball geguckt und nebenbei auch ein wenig selbst gespielt.

Als Kind bin nach der Schule und den Hausaufgaben kicken gegangen. Allerdings wollte ich schon im Grundschulalter nicht Fußballer werden, sondern ins Management beim Fußball gehen. Darauf habe ich mein Leben ausgelegt. Während die anderen Kinder auf dem Spielplatz waren, habe ich lieber den Fußball Manager gespielt. Während später die anderen ihr Passspiel und ihre Schusstechnik verbessert haben, habe ich mich mit Themen aus dem Management befasst.

Jawattdenn.de: Für ein Kind ist das ein außergewöhnlicher Wunsch und der Profifußball gilt durchaus als Haifischbecken. Was macht für dich die Faszination aus, genau im Bereich Fußball im Management tätig zu sein?

Marc-Nicolai Pfeifer: Es verbindet viele Themen: die Emotionen, den Menschen, Wirtschaftlichkeit, Strategie, Kreativität, Fleiß, Bereitschaft und eine Offenheit, dass sich Dinge in dem Bereich ein Stück schneller verändern. Für mich war die Faszination schon insoweit geboren, weil der Sport mich schon immer beschäftigt hat. Mich begeistern die Emotionen, die der Sport mitbringt und das in Kombination mit Wirtschaftlichkeit finde ich spannend.

Dementsprechend war ich von niemandem mehr von diesem Weg abzubringen. Meine Eltern kommen aus dem Bereich Pharmazie. Meine vier jüngeren Brüder haben auch den Weg als Apotheker oder Ärzte eingeschlagen. Ich habe mich entgegen den Ratschlägen meiner Eltern für den Fußball entschieden. Nichtsdestotrotz bringe ich Werte mit, die in meiner Familie vermittelt wurden: Fleiß, Ehrgeiz, Familie, Teamplay und auch das Unternehmertum habe ich sehr früh gelernt.

Mich haben aber auch Personen geprägt, die damals in Stuttgart in meinem engen Umfeld waren wie Frieder Schrof, Ralf Rangnick und Peter Zeidler.

Jawattdenn.de: Schon im Studium hast du bei Fußballvereinen gearbeitet.

Marc-Nicolai Pfeifer: Nach dem Abitur habe ich ein Duales Studium gemacht. Dort hatte ich Praxisphasen im Ausbildungsbetrieb. Das funktioniert so: Wenn du beispielsweise bei DaimlerChrysler warst, durchläufst du verschiedene Abteilungen wie Vertrieb, Finanzbuchhaltung und Marketing. Ich hatte bei meinem Ausbildungsbetrieb, dem Reha-Zentrum Böblingen, mit Ralf Rangnick und Thomas Fröhlich das Agreement, dass ich meine Praxisphasen im Fußball durchlaufen kann. Ich war zweimal beim VfB Stuttgart und bei Hertha BSC. Dort wurde mir schon einiges an Verantwortung übertragen. Gerade im Bereich Merchandising und Lizenzgeschäfte habe ich viel und autark gearbeitet. Acht Jahre später, nach den Stationen bei NIKE und hummel bin ich hauptverantwortlich bei den Stuttgarter Kickers eingestiegen.

Jawattdenn.de: Wie bewirbt man sich denn als kaufmännischer Leiter eines Fußballvereins? Gibt es da eine ganz normale Stellenausschreibung?

Marc-Nicolai Pfeifer: Das Netzwerk war durch meine Arbeit bei den Vereinen und weiteren Unternehmen, die dem Fußball nahestanden, angewachsen. Meine Brüder haben auch alle beim VfB gespielt und so habe ich viele Trainer und Spieler in der Zeit mehr oder weniger gut gekannt, sodass auch im Bereich Sport ein Netzwerk gewachsen ist. Ich habe bei NIKE gearbeitet und bin von dort zu Hummel gewechselt, wo ich den Teamsport und Fußball verantwortet habe.

In dieser Tätigkeit habe ich einige Vereine, Spieler und Trainer als Ausrüster betreut. Anders als Nike und Adidas haben wir bei Hummel nicht nur das Produkt geliefert, sondern wir haben auch viel mehr die persönliche Betreuung der Sportler im Auge gehabt, sodass schnell eine große Vertrauensbasis gewachsen ist.

Damals ist bei den Stuttgarter Kickers der Ausrüstervertrag von Uhlsport ausgelaufen und die Kickers haben sich am Markt umgeschaut. Da die Kickers in dem Jahr 4. in der Dritten Liga wurden, habe ich mich um die Kickers bemüht. Da ich dort Trainer und einige Spieler kannte, haben die sich bei den Gremien gezeigt und gesagt, dass ich ein vertrauensvoller Mann sei.

Die Gremien fanden die Gespräche zwar sehr professionell und gut, haben sich am Ende aber trotzdem für die Fortsetzung des bestehenden Ausrüstervertrags entschieden. Allerdings haben aber sie die Stelle des kaufmännischen Leiters geschaffen und mir diese Stelle angeboten. Die Kombination aus noch mehr Verantwortung und die Nähe zur Heimat hat mich so begeistert, dass ich meine damals sehr gute Stelle in der Industrie aufgegeben habe.

Es kam jedoch anders als geplant. Ich habe die Gespräche geführt, als die Kickers in der Dritten Liga gespielt haben. Tatsächlich sind sie vor meinem Einstieg in der darauffolgenden Saison wegen eines Tores weniger abgestiegen. Mein erster Arbeitstag war dann sehr kaltes Wasser, in das ich reingesprungen bin. Es war aber eine sehr lehrreiche Zeit, die ich keinesfalls missen möchte. Hier habe ich viele Erfahrungen gesammelt, die mich geprägt haben.

Jawattdenn.de: Wie hast du das Arbeiten in Stuttgart erlebt?

Marc-Nicolai Pfeifer: Ich bin mit den Strukturen eines e.V. groß geworden. Dort habe ich eng mit der Fanabteilung zusammengearbeitet. Ich habe außerdem vertrauensvoll mit dem Vorstand gemeinsam den Verein vorangebracht. In dieser Vereinskultur funktioniert die Arbeit nur unter Einbezug aller. Die Fans sind auch bei den Stuttgarter Kickers elementar.

Vorstand und Fans haben normalerweise nicht immer die gleichen Interessen, ich nenne nur die Themen Pyro oder Stadionverbot. Diese Themen haben wir gemeinsam total gut bearbeitet. Es ging so weit, dass wir gemeinsam Marketingmaßnahmen abgestimmt und umgesetzt haben. Diese sind noch erfolgreicher, weil sie authentischer und somit besser werden.

Später bin ich dann ja als Geschäftsführer zu 1860 München, dort war ich dann in anderer Funktion als in Stuttgart bei einer KGaA. Das war dann in der Konstellation dort so gar nicht mehrmöglich – was ich wirklich schade fand. Weil ich zu 100 Prozent davon überzeugt bin , dass der Austausch mit den Fans ganz wichtig ist.

Jawattdenn.de: Von Stuttgart ging es für dich zu 1860 München und dann zu Rot-Weiss Essen. Wie kam der Kontakt zum Verein zustande?

Marc-Nicolai Pfeifer: Es war schon Ende des letzten Jahres klar, dass die Zeit in München im Sommer zu Ende gehen würde und das hat dazu geführt, dass ich in der Branche konkrete Angebote aus der 3. Liga und 2. Bundesliga bekam. Für mich war es wichtig eine richtige und keine schnelle Entscheidung zu treffen.

Aufgrund meiner Erfahrungen bei den Kickers und bei 1860 wusste ich genau, welche Ziele ich hatte und da waren Kultur und Menschen wichtige Entscheidungskriterien. Mir waren die Organisationsstrukturen wichtig und dass ich in ein gesundes Umfeld komme, in dem ich etwas erreichen kann. Ich habe mich voller Vorfreude und voller Überzeugung für Rot-Weiss Essen entschieden. Ich hatte wirklich von Anfang das Gefühl, dass es hier sehr gut passt.

Bei RWE hat sich André Helf bei mir gemeldet und ist extra zu mir nach München gekommen. Wir haben uns auf der persönlichen Ebene sehr angenehm, und auch auf der inhaltlichen Ebene sehr gut unterhalten. Ich habe gefragt, welche Ziele der Aufsichtsrat verfolgt, wie hoch die Budgets der nächsten drei Jahre sind, was meine Rolle sein soll und habe meine Arbeitsweise erläutert. Am Ende hatte ich auf der persönlichen Ebene, auf der inhaltlichen Ebene und auf der werteorientierten Ebene ein sehr gutes Gefühl.

Jawattdenn.de: Hast du dich auch persönlich von Rot-Weiss überzeugen können?

Marc-Nicolai Pfeifer: Ich war mal inkognito hier und habe mir ein Spiel angeschaut. Ich habe mir das Spiel im Gästefanblock angeschaut, weil ich sonst aufgefallen wäre. (Lacht.) Dort war ich der Einzige, der bei den RWE-Toren gejubelt hat. Es waren kaum Gästefans da, sodass ich dennoch entspannt war. Die Gäste haben mich am Ende sogar wegen der guten Leistung von Rot-Weiss Essen beglückwünscht. Das war ganz nett. Ein Spieler vom Gegner hat mich dann sogar im Block erkannt.

André Helf hat sich dann zurückgemeldet und sagte, dass die Referenzen, die er eingeholt habe, gut gewesen seien und ihm das Gespräch gefallen habe. Ich war dann bei dem bereits erwähnten Spiel und habe die weiteren Aufsichtsräte kennengelernt und mich vorgestellt. Außerdem wurde mir die Umgebung und die Stadt gezeigt, damit ich ein Gespür bekomme. Auch das war authentisch und geradeheraus, das fand ich super.

Jawattdenn.de: Wenn es gepasst hat, warum bist du erst am 01.07. nach Essen gekommen?

Marc-Nicolai Pfeifer: Irgendwo habe ich mal gelesen, ich hätte meinen Vertrag in München aussitzen wollen. Das ist natürlich Quatsch. Im Gegenteil: Ich bin auf einen Vertreter von 1860 München zugegangen und habe versucht, eine schnellere Lösung zu finden. Das hat aber leider nicht funktioniert. Viel mehr kann ich zu den Vorgängen aktuell nicht sagen, weil diese noch Teil eines laufenden Verfahrens sind. Außerdem bin ich keiner, der im Nachhinein schmutzige Wäsche wäscht. Ich freue mich, dass ich jetzt bei RWE bin.

Jawattdenn.de: Du hast den Blick von Außen auf unseren Verein. Was ist aus deiner Sicht spannend an diesem Verein?

Marc-Nicolai Pfeifer: Ich mag die Menschen hier. Wenn du mit guten Menschen zusammenkommst, mit denen du gut arbeiten kannst, erhöhst du immer die Wahrscheinlichkeiten auf Erfolg. Die Menschen hier sind geradeheraus, mir liegt aber auch die Mentalität und der Fleiß hier.

Die Organisationsstruktur ist ebenfalls spannend. Der Verein ist ein e.V. und wird basisdemokratisch geführt. Wesentliche Positionen wie das Sponsoring oder Merchandising liegen hier beim e.V.. Es gefällt mir, dass der Verein die Nummer Eins in der Stadt ist und wir mit der Politik und der Stadt eng verbunden sind. Ich finde die ortsansässigen Unternehmen spannend. Auch die Tradition und die Erfolge des Vereins sind besonders. Wie bei den Kickers und bei 1860 gibt es hier ein emotionales Umfeld. Das mag ich, weil es zeigt, dass es den Menschen hier wichtig ist, wie wie es dem Verein geht – und sich extrem über Erfolge freuen. Für diese Emotionen machen wir alle diesen Job doch.

Jawattdenn.de: Die Einladung zur Jahreshauptversammlung wurde uns Mitgliedern vor einigen Tagen zugesandt. Wie in jedem Jahr gab es diese ohne die aktuellen Geschäftszahlen, allerdings ertönten aufgrund dieser eigentlich bekannten Tatsache die ersten Unkenrufe, dass wir RWE-Fans bei den Zahlen im Oktober unser blaues Wunder erleben werden. Kannst du uns diese Angst nehmen?

Marc-Nicolai Pfeifer: Da wir Rot-Weiss Essen sind, gibt es hoffentlich niemals ein blaues Wunder. (lacht)

Im Ernst: Die Gremien wollen für seriöse Arbeit stehen, bei der wir nur das ausgeben, was wir einnehmen. Wir haben eine klare Sicht. Es finden gerade die Abschlussbuchungen statt, die das Ergebnis noch leicht bewegen können, allerdings nur in einem kleinen Bereich. Ich kann jetzt schon sagen, dass bei der Versammlung ein seriöses Ergebnis erwartet werden kann, was innerhalb dessen liegt, was man sich im Verein zum Ziel gesetzt hat.

Jawattdenn.de: Was sind für dich aktuell die Projekte, die für Rot-Weiss Essen von Bedeutung sind?

Marc-Nicolai Pfeifer: Hier unterscheide ich den kaufmännischen und sportlichen Teil. Im sportlichen Bereich wollen wir uns nach dem Umbruch stabilisieren. Es geht um die Art und Weise, wie wir Fußball spielen. Wir wollen die Mannschaft, aber auch den einzelnen Spieler individuell entwickeln. Hier haben wir mit Marcus Steegmann und Christian Flüthmann zwei Personen, die das mit unserem Trainerteam in die richtigen Bahnen lenken.

Im kaufmännischen Bereich haben wir Strukturen, Prozesse und interne Kommunikation adjustiert. Aber bevor das jemand falsch versteht: Wenn ich das sage, ist das keine Kritik an der Vergangenheit, denn ich habe hier gute Verhältnisse vorgefunden. Ich möchte aber zusammen mit den Mitarbeitern eine eigene Note hineinbringen. Ich habe mit jedem Mitarbeiter persönlich gesprochen. Das sollte zunächst Wertschätzung sein, aber auch eine Art Tätigkeitsanalyse. Wofür ist jeder Einzelne zuständig? Tun wir die Dinge richtig? Gibt es Synergien, die wir schaffen können? Da ging es auch sehr viel darum, zuzuhören. Schließlich haben wir viele Mitarbeiter, die schon ewig hier arbeiten und den Club sehr gut kennen und fühlen.

Mein wirtschaftlicher Schwerpunkt liegt darauf, dass wir zwar einen sehr ordentlichen Gesamtumsatz für die Dritte Liga haben, unser Etat aber nur im Mittelfeld der Liga liegt. Damit wir unsere Wahrscheinlichkeit auf Erfolg erhöhen wollen, müssen wir mehr Mittel in die Mannschaft bekommen und diese Mittel weiterhin gut einsetzen – ohne, dass wir eine Weiterentwicklung der Strukturen aus den Augen verlieren.

Für die Steigerung des Umsatzes gibt es einen konkreten Plan. Der größte Hebel in der Liga ist das Sponsoring, womit Alex Rang mit seinem Vertriebsteam befasst ist. Der Erfolg ist auch schon sichtbar, denn wir haben bereits jetzt zu Beginn der Saison genau das Sponsoringniveau erreicht, dass wir in der vergangenen Saison am Ende erreicht hatten.

Hier aber auch die klare Botschaft, dass es uns nicht nur um die Gewinnung von DAX-Konzernen geht. Wir dürfen uns nicht abhängig machen, deswegen suchen wir Unterstützer in der Spitze und in der Breite. Wir müssen gute Partnerschaften denken, wir müssen den Bestand pflegen und wir wollen Partner binden.

Jawattdenn.de: Wie kann ich mir das vorstellen, kann man die Kosten bei Rot-Weiss Essen senken?

Marc-Nicolai Pfeifer: Wir haben mit Thomas Wulf einen guten kaufmännischen Leiter hinzugewonnen, der kurzfristig mit dem Jahresabschluss befasst ist. Er professionalisiert weiter die Buchhaltung. Wir sind sehr dankbar, dass dies bereits im Ehrenamt bearbeitet wurde, es sind aber noch Potenziale vorhanden, wenn es eine Vollzeitkraft bearbeiten kann, die aus dem Fußball kommt. Hier werden Themen nicht linear, sondern an Ereignissen geplant. Es werden Prozesse und Reportings entwickelt, die uns zukünftig Überraschungen ersparen.

Wir haben bei meinen beiden vorherigen Stationen erfolgreich ein Kostensenkungsprogramm umgesetzt, bei dem wir nicht an Qualität gespart haben. Wir wollen eine Professionalisierung und Entwicklung des Vereins, deswegen gehen wir nicht an den Personalaufwand ran. Aber wir wollen die Gelder besser einsetzen. Ich vergleiche das mit der Buchungsklasse im Flugzeug. Zwei Menschen sitzen nebeneinander. Einer von beiden hat früher gebucht, hat Portale verglichen und zahlt am Ende nur die Hälfte von seinem Nebenmann und kommt aber genauso gut und sicher ans Ziel.

Ich möchte das in konkreten Zahlen ausdrücken. Als ich angefangen habe, gab es natürlich schon einen Finanzplan für die Spielzeit 2024/2025. Wir haben im Team den Verein schon jetzt um fast 300.000€ positiv abweichend vom Plan entwickelt mit einer Kombination aus Erlössteigerungen und Kostensenkungen.

Das geht mit größeren, aber auch mit vielen kleineren Posten. Ein Beispiel: Anstelle, dass wir Trainingsgeräte für die Jugend bestellen, haben wir nun einen Fitnesspartner mit FitX. Mit diesem Partner konnten wir die Geräte über ein Gegengeschäft über ein Sponsoring bezahlen und schon haben wir einen fünfstelligen gespart.

Wir müssen Rot-Weiss Essen also nicht neu erfinden, denn hier ist Vieles schon auf gutem Niveau vorhanden.

Jawattdenn.de: Wie schwierig ist die Gewinnung von Sponsoren im Ruhrgebiet im Vergleich zu einer prosperierenden Stadt wie München?

Marc-Nicolai Pfeifer: In der aktuellen wirtschaftlichen Situation in Deutschland ist es überall herausfordernd Mittel zu akquirieren, zumal wir mit der digitalen Welt im Wettbewerb stehen. Ich glaube aber, wenn wir ehrlich und fleißig sind und wenn das Geld in der Verwaltung und auf dem Platz gut eingesetzt wird, dass eine Offenheit bei den Unternehmen in dieser Region vorhanden ist. Wir sind nicht ohne Grund auf einem ordentlichen Niveau angekommen, weil die Menschen den Sport und Rot-Weiss Essen lieben.

Jawattdenn.de: Wir brauchen ein Stück Kommerzialisierung, wollen aber die Traditionen des Vereins leben. Wie schafft man die Balance zwischen diesen beiden Polen, damit der Verein erfolgreich ist, aber seine Werte nicht verloren gehen?

Marc-Nicolai Pfeifer: Ich denke, dass es über eine gute und transparente Kommunikation geht. Die extremen Formen der Kommerzialisierung schließt unsere Kultur und Struktur von vorneherein aus. Ich glaube aber auch nicht, dass sich diese beiden Begriffe ausschließen.

In meinem ersten Gespräch mit André Helf habe ich erwähnt, dass es notwendig ist, um den Wunsch eines Aufstiegs zu erfüllen, dass über mehrere Jahre ungefähr jeweils 1,5 Millionen Euro mehr als Substanz zur Verfügung stehen müssen. André sagte, dass er das wisse, sie aber nichts Verrücktes tun, sondern nur das ausgeben, was sie einnehmen. Und da sind wir im Vorstand zu 100 Prozent beim Aufsichtsrat.

An dem Beispiel will ich zeigen, wie wir das gemeinsam schaffen müssen. Wir sind auf die Fans, auf die Mitglieder, auf die Politik und auf die Unternehmen angewiesen.

Gerade die Aufgabe finde ich spannend, dass wir auf den Traditionen und Werten aufbauend gemeinsam versuchen die Bereitschaften und Commitments zu erhöhen, weil wir alle Bock haben, an Rot-Weiss Essen mitzuwirken, um den Verein perspektivisch sportlich erfolgreicher zu sehen.

Wie wir das erreichen können? In kleinen Schritten. Wenn bei den Unternehmen ankommt, das ist gar nicht alles schlecht, was wir bei RWE machen, sondern wir leisten eine gute Arbeit, da bewegt sich was – dann sind wir schon einen großen Schritt weiter.

Das dauert dann zwar länger, als wenn man überkommerzialisiert. Mein Auftrag vom Aufsichtsrat war aber genau, dass wir den Verein solide und nachhaltig entwickeln und das mit Geduld zusammen hinbekommen wollen. Und das finde ich auch den absolut richtigen Weg.

Jawattdenn.de: Vielen Dank für das ausführliche Gespräch!

Das Interview führte Hendrik Stürznickel