Es war auf einem Fest im Sommer des Jahres 2019 in Bielefeld. Ich lernte damals Marcus Uhlig auch einmal persönlich kennen, der seit etwa 1,5 Jahren die Geschicke des Vereins Rot-Weiss Essen lenkte. Etwa drei Monate zuvor war Uhlig ein großer Wurf gelungen, als er den langjährigen RWE-Fan und Gründer des erfolgreichen Modelabels Naketano Sascha Peljhan als strategischen Partner für Rot-Weiss Essen hatte gewinnen können. Ich merkte schnell, dieser Mann sprühte nur so vor Tatendrang und Visionen. RWE sollte aus seinem jahrelangen Dornröschenschlaf in der Regionalliga West erweckt werden. Heute, knapp 5 Jahre später, wissen wir, dass Marcus Uhlig das gelungen ist und ebenso, dass ohne die Gelder eines Sascha Peljhan das nicht gelungen wäre. Marcus Uhlig hat viel bei und für Rot-Weiss Essen erreicht. Nun trennen sich die Wege des Mannes, der 6,5 Jahre lang Vorstandsvorsitzender von Rot-Weiss Essen gewesen ist, und die des Vereins. Alles hat seine Zeit, möchte man da sagen. Jawattdenn.de blickt zurück auf eine turbulente, erfolgreiche und manchmal steinige Zeit von Marcus Uhlig bei Rot-Weiss Essen.
Beginn des Engagements in Essen – ein fader Beginn und eine wesentliche Weichenstellung
Alles begann am 01. September 2017 im damals noch so genannten Stadion Essen. RWE hatte einmal mehr den Start in eine Saison der Regionalliga West verpatzt. Mit 2:4 unterlagen die Essener dem SC Wiedenbrück. Das war wieder einmal zu viel für die geplagte Fanseele. Der Zorn der wutentbrannten RWE-Anhänger richtete sich vor allem gegen ihren Vorstandschef Doc Michael Welling, dem Hoch 3, ein auf den Aufstieg ausgerichtetes Dreijahresprojekt, aufgrund der Ergebnisse immer mehr auf die Füße fiel.
Unerkannt im Stadion weilte an diesem Abend auch Marcus Uhlig und bekam ein Bild von der Wucht, die die Hafenstraße auch im negativen Sinne entfachen kann. Das muss Uhlig jedoch nicht völlig fremd gewesen sein. Denn tatsächlich war der am 22.02.1971 in Kamp-Lintfort geborene MU schon in seiner Jugend Fan von RWE. Das ist Tatsache und keinesfalls eine später gestrickte Legende. Ein bei der Europameisterschaft in England 1996 aufgenommenes Foto zeigt Uhlig bei einem Spiel der deutschen Nationalelf im Old Trafford Stadion von Manchester im RWE-Dress.
Ein Anhänger als Vorstandsvorsitzender. Eine im Fußball ungewöhnliche Konstruktion, doch eine, die Michael Welling für mehr als nur denkbar hielt, als er seine Fühler nach Ostwestfalen ausstreckte. Welling trug sich seit Längerem mit Rücktrittsgedanken und hatte den früheren Geschäftsführer von Arminia Bielefeld zu seinem Nachfolger auserkoren, mit dem er zunächst in einer Phase der Einarbeitung die Geschicke des Vereins Rot-Weiss Essen noch zusammen leiten sollte, bis er sich im Frühjahr 2018 aus Essen zurückzog. Das sollte sich im Nachhinein als richtungsweisend für die Zukunft und als wichtigste Personalie einer ansonsten völlig verkorksten Spielzeit erweisen. Denn trotz der großen Verdienste, die Doc Welling vor allem für die finanzielle Gesundung des Vereins Rot-Weiss Essen haben sollte, war sportlicher Stillstand ebenfalls ein Markenzeichen seiner Ära.
Uhlig trat an, um dieses zu ändern. Doch weder die unrühmlich angebrochene Spielzeit 2017/18 noch die Nachfolgesaison 2018/19 befreite Rot-Weiss Essen aus der Regio-Betrübnis. Tatsächlich hatte man in beiden Spielzeiten und Marcus Uhligs ersten 1,5 Jahren an der Hafenstraße nichts mit dem Aufstieg zu tun. Essens jeweiliges Abschneiden lässt sich darstellen, wenn man die unter Uhlig für RWE tätigen Cheftrainer und ihre Erfolge Revue passieren lässt. Nicht gänzlich unwichtig ist dabei auch das lange Zeit von Eintracht geprägte Verhältnis zu dem von 2019 – 2023 für RWE tätigen Sportlichen Leiter Jörn Nowak.
Marcus Uhlig und die RWE-Trainer, von Giannikis bis Dabrowski und lange Nibelungentreue zu Jörn Nowak
Unter Marcus Uhlig waren und sind insgesamt fünf Trainer an der Hafenstraße 97 A tätig gewesen. Es begann mit Argirios Giannikis, der im Herbst 2017 den noch von Doc Welling eingestellten Sven Demandt ersetzte. Nach 11 Spieltagen und einer Platzierung im Niemandsland hatte Sven Demandt fertig, zwei Spieltage mit zwei Niederlagen half Co-Trainer Erle Wolters als Übergangschef aus, dann präsentierte RWE mit eben jenem Argirios Giannikis einen neuen Trainer, der nach eigenen Angaben noch mit Doc Welling seinen Vertrag ausgehandelt hatte. Mit dem ersten griechischen Cheftrainer seiner Vereinsgeschichte stürmte RWE sofort den Aachener Tivoli und siegte nach Toren von Timo Becker und Kai Pröger mit 2:1. In den sechs Partien bis zur Winterpause stabilisierte Giannikis RWE und holte gute 13 Punkte.
Das beginnende Kalenderjahr 2018 hielt dann einen Paukenschlag parat. Essen hatte seinen Trainer zunächst nur bis zum Saisonende an sich gebunden, wollte aber nun verlängern. Giannikis verhandelte jedoch hinter dem Rücken der RWE-Verantwortlichen mit Drittligist VFR Aalen und unterschrieb einen Kontrakt für die kommende Spielzeit. In Essen war man perplex und auch die Mannschaft lieferte nicht mehr wirklich aufgrund des angeknacksten Vertrauensverhältnisses. So waren die Tage von Argirios Giannikis, bei den RWE-Fans nach seiner Entscheidung für Aalen verbrannt, bald gezählt. Anfang April unterlag RWE an der Hafenstraße dem SV Rödinghausen mit 1:2 und Marcus Uhlig sah sich zu seiner ersten Trainerentlassung als RWE-Boss veranlasst. Der von Essen beurlaubte Giannikis ging wie geplant zur neuen Saison nach Aalen und stieg mit dem VFR postwendend ab.
RWE hingegen präsentierte schon zum nächsten Spiel beim Wuppertaler SV mit Karsten Neitzel einen neuen Mann – ein Zeichen dafür, dass man schon länger zweigleisig geplant hatte. Neitzel war von seiner Vita her, unter anderem als langjähriger Assistent von Volker Finke beim SC Freiburg, eine durchaus nennenswerte Hausnummer für die Regionalliga. Seine Premiere ging jedoch in die Hose. RWE unterlag beim Wuppertaler SV mit 1:3, alle WSV-Tore gelangen Enzo Wirtz, der in der Folgesaison die Schuhe für RWE schnüren sollte. Danach blieb Rot-Weiss in den letzten 7 Saisonspielen aber unbesiegt und holte 15 Punkte. Dennoch war Tabellenplatz 10 am Ende der Saison mager.
Ein Jahr später wurde RWE unter Karsten Neitzel ebenfalls nur 8. der Regionalliga West. Obwohl seine Truppe mit wenigen Ausnahmen einen unmotivierten Auftritt nach dem anderen hinlegte, nahm der Coach seine Mannschaft meistens öffentlich in Schutz, was ihm diese aber nicht dankte. RWE spielte das Stadion leer. Zwischenzeitlich verloren sich gefühlt nur noch knapp 2000 Zuschauer an der Hafenstraße, was durch die Zahlen der verkauften Dauerkarten offiziell gemildert wurde. Aber die Warnzeichen waren deutlich. Der RWE-Anhang hatte die Nase voll. Bereits im Herbst 2018 zeigten Anhänger auf der Rahn-Tribüne eine aufgeblasene Ananas, Symbol der Frustration.
Es musste etwas passieren und es passierte etwas. Dem Vorstandschef wurde klar, dass die alte Weisheit ohne Moos nix los ihre Berechtigung hatte. Es war der Moment, in dem Marcus Uhlig das operative Kapital des Vereins Rot-Weiss Essen signifikant erhöhen sollte, weil er Sascha Peljhan gewann. Dieser wollte nach viel später getätigten eigenen Aussagen einfach besseren Fußball sehen an der Essener Hafenstraße. Und den gab es in den folgenden Jahren, auch wenn der ersehnte Aufstieg in die Dritte Liga noch ganze 3 Spielzeiten auf sich warten lassen sollte.
Als sportlichen Chefplaner holte Marcus Uhlig Jörn Nowak an die Hafenstraße, der Jürgen Lucas nachfolgte. Nowak war gerade einmal 32 Jahre alt und kam ausgerechnet von Rot-Weiß Oberhausen. Ein zumindest gewagter Schritt. Eine weitere Weichenstellung war die Demissionierung des ersten wirklich von Marcus Uhlig nach Essen geholten Trainers. Karsten Neitzel hatte fertig.
Für die Spielzeit 2019/20 kam Christian Titz als neuer Cheftrainer an die Hafenstraße. Da staunten die Fans nicht schlecht, war Titz zuvor doch immerhin Coach beim ruhmreichen Hamburger SV gewesen. Zunächst lief es glänzend für RWE, doch dann mehrten sich die Niederlagen und Punktverluste. Zudem musste die Saison wegen der Corona-Pandemie abgebrochen werden. RWE stand dabei auf Platz 3 und erhielt keine Aufstiegsberechtigung. Gravierender waren die Verwerfungen hinter den Kulissen. Christian Titz hatte sich mit Teilen der Mannschaft und insbesondere Jörn Nowak tiefgreifend verkracht. Offiziell entlassen wurde er erst im Juni 2020, doch schon drei Monate zuvor im März war die Trennung von Titz und RWE beschlossene Sache. Essen gewann das letzte Saisonspiel vor dem Abbruch zwar mit 3:1 in Bonn, doch die Würfel waren gefallen.
Die Personalie brachte RWE und natürlich vor allem Marcus Uhlig sehr viel Kritik ein, waren die Fans doch im Wesentlichen überzeugt von Christian Titz gewesen, der endlich Aufstiegshoffnungen hatte erblühen lassen. Doch Ereignisse hinter den Kulissen und auch der letztlich nicht vollends zufriedenstellende Auftritt der Rot-Weissen veranlassten Uhlig zum Handeln. Auch wurde deutlich, dass er und Jörn Nowak, Hauptgegner von Christian Titz, bereits zu einer echten Einheit geworden waren. Uhlig und Nowak hielten im Folgenden zusammen wie Pech und Schwefel. Diese Nibelungentreue sollte nicht nur positive Folgen für Rot-Weiss Essen haben. Dazu später mehr.
Danach engagierte RWE Christian Neidhart, der bis dato beim SV Meppen gearbeitet hatte. Dieser brach mit RWE nahezu alle Vereinsrekorde. In der ersten Saison unter ihm war Rot-Weiss in 28 Pflichtspielen in Serie nicht zu besiegen und zog im DFB-Pokal nach Siegen über Bielefeld (1. Liga), Düsseldorf (2.Liga) und Bayer Leverkusen (Europapokalteilnehmer) ins Viertelfinale ein. Dort scheiterte der damalige Viertligist Rot-Weiss an Holstein Kiel. In 75 Ligaspielen stand Christian Neidhart für RWE an der Seitenlinie. Seine Gesamt-Bilanz:
75 Spiele – 171 Punkte – 51 Siege – 18 Unentschieden – 6 Niederlagen – 169:60 Tore – Differenz + 109 – Punkteschnitt 2,28
Das reichte dennoch nicht, um in der Spielzeit 2020/21 den BVB II zu distanzieren. Erst nach dem letzten Spieltag stand fest, dass RWE nur Vizemeister war. Auch weil der große Kontrahent sich fragwürdiger Mittel bediente. Als knapp ein Jahr später die Aufstiegssektkorken knallten, war Neidhart nicht mehr Kapitän an Bord des RWE-Dampfers. Mit einer harten, spektakulären und letztendlich aufgegangenen Maßnahme rettete RWE den bereits an Preußen Münster verloren geglaubten Aufstieg auf den letzten Metern. Zwei Spieltage vor Schluss beurlaubte RWE als Tabellenzweiter Christian Neidhart. Unmittelbar vorausgegangen war eine 1:3-Schlappe im Halbfinale des Niederrheinpokals beim damaligen Ligagefährten Wuppertaler SV. Nach der leblosen und uninspirierten Vorstellung der Essener glaubten die RWE-Verantwortlichen nicht mehr an die Wende. Die letzten beiden Partien beim eigentlichen Angstgegner SV Rödinghausen und Zuhause gegen RW Ahlen coachte Jörn Nowak im Verbund mit Vincent Wagner. Der große Wurf, er gelang doch noch. Viel gewagt und viel gewonnen?
Der Aufstieg verdeckte manche Meinungsverschiedenheit. Schon damals knirschte es hinter den Kulissen nicht unwesentlich. Jörn Nowak war beim Aufsichtsrat nicht unumstritten. Der Aufstieg hatte viel Geld gekostet, beinahe wäre er fast ein drittes Mal versäumt worden. Schon die vorherigen Spielzeiten waren sehr teure Angelegenheiten, besonders, weil man in der Liga nur die goldene Ananas geholt hatte. Einnahmen von ca. 2 Millionen € aus dem DFB-Pokal kamen den auch durch Corona gebeutelten Rot-Weissen gerade recht. Doch Nowaks Kaderplanungen waren teuer.
Nicht alle Spieler waren ihr Geld wert, zudem leistete man sich in der Saison 20/21 einen riesig aufgeblähten Kader von 27 Akteuren. Damit hatte sich Jörn Nowak nicht nur Freunde gemacht. Marcus Uhlig knüpfte damals sein eigenes sportliches Schicksal bei Rot-Weiss Essen an das des sportlichen Leiters und sicherte ihm so den Job. Das sollte noch knapp ein Jahr so sein. Dann ereilte es Nowak doch noch.
Der neue Trainer hieß und heißt bis heute Christoph Dabrowski. Die erste Spielzeit im Profifußball seit 14 Jahren war 2022/23 kein reines Vergnügen. Dabro stand bei Teilen der Fanszene auf der Abschussliste, die sportliche Performance war mäßig und RWE bis zum vorletzten Spieltag im Abstiegskampf gelistet. Das wurde jedoch bei den Essener Verantwortlichen weniger dem Trainer, als der sportlichen Leitung angekreidet. Die sportliche Wirkungsmacht der Mannschaft hatte Nowak überschätzt, es musste mehrfach und teuer nachjustiert werden.
Im April 2023 war Schluss und Jörn Nowak wurde von seinen Aufgaben entbunden. Das Verhältnis zu Marcus Uhlig hatte sich abgekühlt. Wenn man unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft habe, müsse man sich trennen, hieß es floskelhaft. Die hatten damals auch immer mehr Jörn Nowak und Trainer Christoph Dabrowski. Anders als in den Jahren zuvor musste aber nicht der Coach, sondern nun der Sportliche Leiter seinen Hut nehmen. Dabro wurde im Weiteren sportlich und von den Fans schwer angezählt, hielt aber die Klasse und gewann mit RWE den Niederrhein-Pokal. Vier Trainer hatte Marcus Uhlig zuvor entlassen, von Dabro blieb er aber vollends überzeugt und setzte dessen Weiterbeschäftigung durch. Und der sollte im Folgenden liefern. So sehr, dass Dabro in diesem Frühjahr ein neues Arbeitspapier für weitere zwei Jahre unterzeichnet hat.
So war der erste Trainer, mit dem Marcus Uhlig wirklich nachhaltig seinen Frieden fand, ausgerechnet Christoph Dabrowski, der zwischenzeitlich so umstritten gewesen war wie keiner seiner unmittelbaren Vorgänger in der Ära Uhlig. Eines muss sehr deutlich gesagt werden, ohne die Unterstützung von Marcus Uhlig, die dieser gegen zum Teil große Widerstände im Verein durchhielt, wäre Dabros Verbleib und damit die zuletzt so erfreuliche Entwicklung des Essener Teams nicht möglich gewesen. Bekanntlich spielte RWE im zweiten Profijahr sogar lange um den Aufstieg mit, holte am Ende Tabellenlatz 7 und verteidigte jüngst den Niederrhein-Pokal. Nach sehr unruhigen und wechselhaften Jahren setzte sich auch beim Vorstandschef der Wunsch nach Kontinuität durch. In Christoph Dabrowski fand Marcus Uhlig auch einen Teil seiner eigenen Persönlichkeit widergespiegelt. Den akribischen Arbeiter und Macher. Morgens als Erster kommen, abends als Letzter beim Verein gehen, totales Engagement. Diese Charaktereigenschaften trieben Marcus Uhlig stetig an, manchmal wurden sie jedoch auch zu einem Problem.
Marcus Uhlig, der Macher, oder Marcus Uhlig, der Alleingänger?
Mit dem Aufstieg in Liga 3 war ein Meilenstein erreicht, doch nun begann die noch viel größere Arbeit. Nicht nur sportlich, auch in der gesamten Organisation des Vereins merkten die Essener, was es bedeutete fast anderthalb Jahrzehnte fern gewesen zu sein aus dem großen Profigeschäft. Trotz des schmucken Stadions an der Hafenstraße mussten die Rot-Weissen vieles erst wieder lernen. Marcus Uhlig hatte ohnehin bereits spätestens 2019 damit begonnen, „jeden Stein bei Rot-Weiss Essen umzudrehen.“ Der Boss wurde dabei zum pragmatischen Macher, er stieß diverse Projekte an und manchmal auch Leute vor den Kopf. Nicht immer schienen und fühlten sich wichtige Kreise im und um den Verein herum vollends mitgenommen. Das kann gefährlich werden in einem Klub, wo eigentlich jeder sich besonders in guten Zeiten vom Bärenfell des Erfolgs ein großes Stück abschneiden möchte.
Dennoch gewann der Essener Chef häufiger den Eindruck, die Dinge selbst regeln und anpacken zu müssen. So gab er Rot-Weiss Essen öffentlich ein Gesicht und war im Grunde omnipräsent. Marcus Uhlig fiel es jedenfalls schwer, Dinge abzugeben und zu delegieren. So war er bei RWE auch an manchen Stellen verschrien, ein Alleingänger zu sein. Doch was führte zu diesem Prozess eines ambivalent wahrgenommenen Handelns? Marcus Uhligs Ader, voranzugehen und manchmal auch voranzupreschen, war nicht unwesentlich auch darin begründet, dass er sich im Verein an der ein oder anderen Stelle mehr Power gewünscht hätte.
Der Vorstandvorsitzende fühlte im Klub hin und wieder die Mentalität der „Wohlfühloase“. Zum einen auf dem Feld bei der RWE-Mannschaft, von der er im Vorfeld der Saison 23/24 forderte, mehr aus sich herauszuholen, mehr individuell zu trainieren, alles für den Erfolg zu geben. Diese Mentalität wurde unter der sportlichen Führung von Christoph Dabrowski umgesetzt. Auch von außen klar messbar durch eine neue und bessere Art der fußballerischen Performance. Was für den Fan weniger messbar ist, sind die Strukturen im Inneren. Und die gefielen Marcus Uhlig mit zunehmender Dauer seiner Zeit bei RWE immer weniger.
Nicht alle sprangen gemäß der von Marcus Uhlig gelegten Messlatte des Engagements für den Verein hoch genug. In Bezug auf die Essener Vereinsgremien hätte der Vorstandsvorsitzende eine Vision der dienenden Führung gehabt, die des Servant Leadership. Als positives Beispiel nennt er dabei einen Verein, den man in Essen nicht sonderlich gerne mag, der es für ihn aber auf vielen Ebenen positiv vormachte, nämlich Preußen Münster. Dort hätten alle Personen in den entsprechenden Vereinsgremien den Anspruch, inhaltlich voll mitzuarbeiten und unter dem Strich somit einen Mehrwert für den Klub darzustellen. Wenn man sich andere Vereine da zum Vorbild nimmt, heißt das im Umkehrschluss, dass hierin ein Seitenhieb auf Gremien des eigenen Vereins liegt.
Über das nicht nur gegen Ende nicht unproblematische Verhältnis zwischen Marcus Uhlig sowie seinem Mitstreiter Sascha Peljhan mit dem rot-weissen Aufsichtsrat wird an späterer Stelle noch mehr zu sagen sein. Es war auch eine weitere Antriebsfeder für Marcus Uhlig nicht häufig nach links oder rechts zu schauen, sondern den eigenen Weg zu gehen. Wer sich viel zumutet, kommt irgendwann an seine Grenzen und macht Fehler. Das merkte Uhlig selber, als er Sascha Peljhan, die Person, der er voll und uneingeschränkt vertraut, auch mit in den Vorstand holte.
Extern und auf Betreiben des Aufsichtsrates dazu geholt wurde dann später noch Alexander Rang als Vorstand Vertrieb. Alex Rang sollte Uhlig entlasten. Nach dem wahrgenommenen Finanzchaos des Jahres 2022 wollte RWE auch öffentlich dokumentieren, dass zu viel Verantwortung auf den Schultern einer Person gelegen hatte. Dieser Verantwortung hat sich Marcus Uhlig immer gestellt. In guten wie in schlechten Zeiten. Somit waren auch Würfel gefallen und spätestens ab Mitte des Jahres 2023 eine Entwicklung zu Marcus Uhligs Abschied von Rot-Weiss Essen eingeleitet.
Alles Weitere in Teil 2
Sven Meyering