Kategorien
Ich sach ma

Außerordentliche Jahreshauptversammlung

Drei große E! (Rot-Weiss) Essen, Entlastung und Erleichterung nach der außerordentlichen JHV!

Die gestrige außerordentliche Jahreshauptversammlung in der Messe Essen, nötig geworden durch die unrühmlichen Ereignisse bei der ersten Auflage im Juni diesen Jahres, brachte nicht nur die von Vorstand und Aufsichtsrat sehnlichst erwartete Entlastung durch das Gros der vor Ort oder online abstimmenden Mitglieder, sondern war auch Ausdruck der momentanen guten Atmosphäre an der Hafenstraße 97 A.

Neben Erleichterung herrschte auch Aufbruchsstimmung, wo knapp 5 Monate zuvor Chaos und Katerstimmung regiert hatten. Die fast sensationelle sportliche Entwicklung war dabei der Rückenwind, mit dem die Protagonisten durch die Veranstaltung getragen wurden. Und ganz grundsätzlich hatte Rot-Weiss Essen seine Hausaufgaben im Vorfeld diesmal sehr gründlich gemacht. Wir werfen einen Blick auf die wichtigsten Botschaften des Tages.

Oberbürgermeister Thomas Kufen mit klarer Pro-Haltung zum Stadionausbau

Das Grußwort von Oberbürgermeister Thomas Kufen zu Beginn der Veranstaltung stellte die Stimmungsweichen sofort auf Grün. Kufen bekannte sich persönlich sehr deutlich zum Verein Rot-Weiss Essen, dessen Mitglied er auch ist, und in seiner Funktion als Oberhaupt der Stadt Essen zum Ausbau des Stadions an der Hafenstraße, sprich der Schließung der noch offenen Ecken zwischen den Tribünenblöcken.

Neben sehr wertschätzenden und empathischen Worten für die RWE-Anhänger, die von Kufen sowohl dafür gelobt wurden, so zahlreich auf Auswärtstouren mit ihrem Verein zu gehen, als auch daran erinnert wurden, dass sie dabei auch stets Botschafter*innen der Stadt Essen seien, platzierte der OB noch eine weitere Botschaft. Sehr wichtig für eine positive Ratsentscheidung für das nicht gänzlich unumstrittene Projekt Stadionausbau seien Ruhe und Kontinuität im Verein und Kufen bat die versammelten Mitglieder abschließend um die Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrates. Dabei wirkte er keineswegs in irgendeiner Form fordernd oder bevormundend, sondern es gelang ihm mit wohl gewählten Worten die Menschen im Saal mitzunehmen und donnernden Applaus zu ernten. Marcus Uhlig, seine Mitstreiter Sascha Peljhan und Alexander Rang sowie der um sie herum versammelte Aufsichtsrat durften somit erstmals tief durchatmen.

Blauweiße Kugelschreiber als einzige Panne

Im krassen Gegensatz zur Pleiten-Pech-und Pannenshow bei der „un“ordentlichen Jahreshauptversammlung zuvor machte der Verein bei der Neuauflage einen sehr gut organisierten Eindruck. Bereits bei der kleinen JHV im September, bei der es AR-Mitglied Hans-Henning Schäfer gelungen war, die Panik der Mitglieder vor einer neuerlichen Insolvenzgefahr zu zerstreuen und das Zahlenwerk plausibel zu machen, konnte der im Juni entstandene Schaden zum Teil gekittet werden. Schäfer lieferte nun einen deutlich kompakteren Vortrag, erneuerte aber die Botschaft, dass Rot-Weiss Essen finanziell nicht in Schieflage und absolut handlungsfähig sei. Das war eine wichtige Grundlage für das Nachfolgende.

Die Abstimmungen waren mit verschiedenfarbigen Karten vorbereitet und diese gingen folgerichtig garantiert nur an die stimmberechtigten Mitglieder im Saal. Bekanntlich gibt es auch immer einige nicht stimmberechtigte Mitglieder, die das Mindestalter von 18 Jahren oder eine Dauer der Mitgliedschaft von 6 Monaten noch nicht erreicht hatten. Auch das hatte RWE im Juni nicht sichergestellt und bei der Abstimmung per Handzeichen hätten sich irreguläre Ergebnisse zeigen können.

Beim Eingang in die Messe Essen konnten sich die stimmberechtigten Mitglieder nun an alphabetisch sortierten Schaltern registrieren lassen, auch der ehemalige RWE-Kapitän Timo Brauer half dabei mit. Nach erfolgreicher Prüfung erhielt man dann das Paket mit den Stimmkarten, für Verwirrung sorgte jedoch der blauweiße Kugelschreiber eines RWE-Sponsors, der nur im Falle einer geheimen Abstimmung für das Ausfüllen von Stimmkarten zum Einsatz gekommen wäre.

Auch RWE-Boss Marcus Uhlig spielte bei seinem Eingangs-Statement süffisant mit dieser Causa und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, das möge die einzige „Panne“ bleiben. Sie blieb es tatsächlich, in den folgenden ca. 3,5 Stunden führte der RWE-Ehrenratsvorsitzende Walther Müggenburg gewohnt souverän wie ein Fels in der Brandung durch die Veranstaltung. Müggenburg schlugen dabei aber nicht wie im Juni Tsunami-Wellen, sondern höchstens einmal eine leichte Gischt entgegen.

Empathie und Pathos Die Redner trafen den Ton

Ganz offensichtlich hatte man sich hinter den Kulissen nicht nur Gedanken darübergemacht, wie diese eminent wichtige Veranstaltung gut zu organisieren ist, sondern auch wie man anders als zuvor seinen Fans und Mitgliedern gegenüber den richtigen Ton trifft. Musste man bei der vorherigen Auflage noch befürchten, dass in einer unkontrolliert aufgeheizten Atmosphäre gleich irgendwann sogar die Fäuste fliegen werden, lief es nun harmonisch und emotional positiv ab. Dafür trug wahrscheinlich nicht unwesentlich der starke sportliche Auftritt der Mannschaft von Trainer Christoph Dabrowski in den letzten Wochen bei, der die Anhänger nicht nur befriedete, sondern aktuell gar verzückt.

Diese Karte spielte Rot-Weiss Essen klugerweise auch in der JHV. Nachdem der schon erwähnte Auftritt von OB Thomas Kufen bereits für eine positive Grundstimmung gesorgt hatte, wurden alle bisherigen 19 Saisontore der Essener, die zu satten 27 Punkten und Tabellenplatz 3 geführt hatten, über Großbildleinwand eingespielt. Dann sorgte der Einlauf der Matadoren, Christoph Dabrowski und sein Trainerteam gingen der Mannschaft voran, für Standing Ovations der Menschen im Saal, die sich beim Abmarsch der Mannschaft zum Training gegen 13:15 wiederholten, gepaart mit lauten „Auswärtssieg“-Rufen für das anstehende Match in Ingolstadt. Hier darf man von einem sehr klugen Schachzug der Verantwortlichen sprechen. Diesen gelang dann bei ihren Reden, egal ob es Marcus Uhlig, Dr. Andre Helf oder Alexander Rang war, nicht nur das Sportliche geschickt einfließen und somit die Herzen der Anhänger höher schlagen zu lassen.

Auch sehr wertschätzende Äußerungen für die viel reisenden Rot-Weissen und die fantastische Stimmung im Stadion an der Hafenstraße immer gepaart mit der Betonung des „WIR“, wo zuvor große Barrieren zwischen Verein und Teilen der Anhängerschaft waren, sorgten für sehr positive Vibes. Andre Helf gelang es, seinen Konfrontationskurs vom Juni gerade zu rücken, auch mit einer Prise Selbstironie, als er auf den „Gargamel“-Vergleich mit seiner Person eines Users des RWE-Forums einging. Taktisch klug war auch ein Treffen Helfs mit führenden Köpfen der aktiven Fanszene im Vorfeld der Veranstaltung, bei dem es offenbar zu einer Aussprache gekommen war.

Wo zuvor Giftpfeile von der Bühne und auf diese zurückgeflogen waren, herrschte nun Ruhe und darüber hinaus sogar ein lange vermisstes Gefühl des Miteinanders. So wurde ein Versprechen des Vereins, zukünftig deutlich besser mit seinen Anhängern und Mitgliedern zu kommunizieren, zum Glück eingelöst. Es bleibt hoffentlich keine Eintagsfliege. Zudem sorgte am Ende die Verabschiedung der jahrzehntelangen für den Verein und in der Mitgliederbetreuung tätigen Silvia Zimmert für eine kleine Gänsehaut. Seit 1981 hatte Frau Zimmert sich in den Dienst von RWE gestellt. Walther Müggenburg betonte, dass damals Frank Mill Torschützenkönig der Zweiten Liga Nord sowie Willi Lippens noch für RWE am Ball gewesen sei. Für ihren wohlverdienten Eintritt in den Ruhestand wurde Silvia Zimmert zurecht mit Standing Ovations der anwesenden Mitglieder gefeiert. Eine Ehre, die sonst nur der Mannschaft zuteil wurde.

Das Vertrauen wurde zurückgewonnen – Die Entlastung sorgt für Erleichterung

Innerhalb des Vereins RWE soll es zwischen Personen und Gremien in der Vergangenheit nicht immer reibungslos abgelaufen und der Teamgeist unterlaufen worden sein. Eine Stellschraube, an der gedreht werden muss. Das neue „WIR“-Gefühl transportierte die Sitzordnung und ständige Präsenz des RWE-Vorstands und Aufsichtsrates auf der Bühne, die somit mit den Mitgliedern fortwährend Blick-Kontakt hielten und den jeweiligen Vortragenden am Rednerpodest auch bildlich den Rücken stärkten. Im Juni saßen die Mitglieder des AR noch in der ersten Reihe mit dem Rücken zur Versammlung. Nun wurde von vorneherein eine ganz andere optische Botschaft gesendet.

Dennoch schaute man den Tagesordnungspunkten Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat mit gewisser Anspannung entgegen. Bereits als der von einem Mitglied eingebrachte Antrag auf eine geheime Abstimmung über die Entlastung mit großer Mehrheit abgelehnt und für ein offenes Verfahren mit dem Zeigen von Stimmkarten votiert wurde, deutete sich ein positiver Ausgang für Marcus Uhlig sowie den Aufsichtsrat an. Die Entlastung erfolgte dann mit jeweils sehr großer Mehrheit, was auch sehr große Erleichterung bei den Betreffenden auslöste. Den RWE-Verantwortlichen war es also in den letzten Wochen und Monaten gelungen, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Hierbei darf man sich wie schon betont auch bei den sportlich Verantwortlichen um Christoph Dabrowski und seinem funktionierenden Trainerteam sowie der sportlichen Leitung um Christian Flüthmann und Marcus Steegmann bedanken, der es gelungen ist, den Kader deutlich zu verjüngen und zu verbessern. Denn hier beißt die Maus keinen Faden ab, die aktuell positive Stimmung um das RWE-Team herum entspannte die gesamte Gemütslage der Anhängerschaft immens. Die hat vor allem dank Hans-Henning Schäfer zudem den Eindruck zurückgewinnen können, dass die RWE-Verantwortlichen wissen, was sie tun. Das bewies dann Marcus Uhlig in Form einer perfekt organisierten und durchgeführten Veranstaltung. 

Auch Alexander Rang schaffte es, die zuvor noch immer gegen seine Person vorhandenen Vorbehalte zu zerstreuen. Der „Vorstand Vertrieb“ versprach zudem, bis zum Jahresende bei allen namhaften Essener Unternehmen anzuklopfen und um Unterstützung zu bitten. Hier hat der Verein bekanntlich eine weitere Baustelle aufzuweisen. 

Die Fans geben entscheidenden Rückenwind

Einen Aspekt muss man sehr deutlich hervorheben. So mies die Stimmung auch nach der vollkommen verkorksten JHV im Juni sowie der ausgesprochen mäßigen sportlichen Darbietung in der Vorsaison gewesen war, die RWE-Anhänger waren, sind und bleiben schlichtweg sensationell. Rekorde beim Dauerkartenverkauf, Gänsehaut-Support bei Heim- und Auswärtsspielen und im Anschluss an die 0:5 Heimschlappe gegen den SC Verl fahren 12.000 Rot-Weisse nach Dortmund und peitschen ihre Mannschaft zum Auswärtssieg. Auch die aktive Fanszene trägt mit rein positiver Unterstützung sehr viel dazu bei, dass noch vor einigen Monaten sehr tief scheinende Gräben zwischen ihr und dem Verein offenbar langsam zugeschüttet werden.

Dass die rot-weissen Bosse hierzu anerkennende Worte fanden, war sehr wichtig und sehr verdient für die treuen Anhänger. Auch OB Kufen lobte diese bedingungslose Unterstützung. Im zweiten Teil unserer Nachlese vom Juni hatten wir noch klar angesprochen, dass hier Nachholbedarf beim Verein bestehe. Eine weitere wichtige Lektion, mehr mit und nicht nur über die Fans zu sprechen, wurde somit auch besser verinnerlicht. Denn eines steht fest, für die Einlösung des alten Gassenhauers „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber Rot-Weiss Essen nicht!“ steht seit Jahrzehnten keine andere Gruppierung im Verein mehr als die Fans von Rot-Weiss Essen.

Fazit: Friede, Freude, Eierkuchen? Verpflichtung für die Gegenwart und Zukunft!

Warum nicht gleich so? Neben einer tadellosen Organisation gab es viele positive und ermutigende Botschaften. Über die Unterstützung des Stadionausbaus durch den OB Thomas Kufen über die deutliche Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat als Zeichen für Kontinuität und Ruhe bis hin zum für die Fans vermittelten Gefühl, dass man sie ab jetzt besser im Blick habe. Der Verein spielte dabei sehr deutlich immer wieder die Karte der positiven Emotionalität und des WIR-Gefühls, das kaum verwunderlich bei einem so emotionalen Verein wie Rot-Weiss Essen häufiger pathetische Züge annahm. Zumindest an diesem Sonntag war in der Messe Essen fast alles Friede, Freude und Eierkuchen. Das sollte kein Grund sein, sich zufrieden zurückzulehnen.

Für die nun mit positivem Rückenwind ausgestatteten Vereinsoberen darf es als klarer Auftrag gelten, die versprochene verbesserte Kommunikation, Transparenz und Wertschätzung seiner Anhänger auch von nun an ebenso bedingungslos umzusetzen, wie wir rot-weissen Fans trotz aller Rückschläge bedingungslos hinter unserem Verein stehen. Das WIR-Gefühl sollte nicht nur genährt werden, wenn die Mitglieder ihre Stimmen für eine Entlastung der Verantwortlichen geben sollen, sondern immer und grundsätzlich. Hatte Jawattdenn.de vor Saisonbeginn noch der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass der großartige Verein Rot-Weiss Essen, der für seine Fans Herzensliebe und Teil der Identität zugleich ist, endlich wieder für positive Schlagzeilen sorgen könne, so wurde dieser Wunsch bislang von allen Seiten erfüllt. Das darf aber keine Momentaufnahme sein. Es ist nicht mehr und nicht weniger als eine Verpflichtung für Gegenwart und Zukunft von Rot-Weiss Essen!

NUR DER RWE!

Sven Meyering