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Die Jawattdenn.de-Saisonprognose Teil II

Im zweiten Teil der Saisonprognose nehmen wir das Mittelfeld und den Sturm in den Fokus. Welche Auswirkungen die aktuell vakanten Stellen auf die Taktik von Christoph Dabrowski haben, könnt ihr hier nachlesen. Viel Vergnügen!

Angespannte Personalsituation im Maschinenraum: Mittelfeld zentral

Die Nachricht traf die rot-weisse Anhängerschaft ziemlich unvorbereitet erst nach Abschluss der vergangenen Saison. Trotz eines gültigen Vertrages entschied der Defensivmotor sich für einen Wechsel zum Liga-Konkurrenten Dynamo Dresden. Sapina erhielt dort eine Drei-Jahres-Vertrag und RWE eine stattliche Ablösesumme, zudem war Kaderplaner Marcus Steegmann sich sehr sicher, dass der Verlust durch bereits bestehende Kräfte aufgefangen werden kann. Sapina war der erste Transfer der letzten Saison und wurde nach der Suspendierung von Felix Bastians nach der Heimpleite gegen Verl sogar Kapitän der rot-weissen Mannschaft. Dies sagt viel aus über einen Spieler, der sich sowohl sportlich als auch persönlich schnell innerhalb des rot-weissen Kosmos nach oben gearbeitet hatte.

Sapina ist eine echte Erscheinung auf dem Feld, welcher kaum vom Ball getrennt werden kann, das Spielfeld bis zum Torschuss aus der Distanz durchpflügt und seine Mitspieler zudem gut in Szene setzen kann. Allerdings gelten diese Attribute eher für die Hinrunde, danach wirkte er vor allem nach Verletzungspausen eher schwerfällig und brauchte immer zwei bis drei Spiele, bis wieder sein „altes“ Können zu sehen war. Zudem häuften sich seine Fehler wie z. B. die ungewollte Torvorlage im letzten Spiel gegen Lübeck zum 1:0 für die Hausherren. Was die Anhängerschaft aber am Ehesten ins Mark trifft, ist der wieder einmal vorzeitige Wechsel des Kapitänsamt, was bei einem Traditionsverein eine größere Rolle spielen mag als anderswo. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass Dabrowski nicht viel Zeit blieb, einen neuen Kapitän im laufenden Saisonbetrieb zu bestimmen und es im weiteren Verlauf auch keinen Grund gab, Sapina des Amtes zu entheben.

In seinem Statement zum Wechsel von Sapina gab Steegmann an, dass Neuzugang Jimmy Kaparos (22) seine Rolle in Zukunft übernehmen wird. Kaparos spielte mit der Reserve aus der verbotenen Stadt eine gute Saison und gilt als spielstarker Sechser, der vor allem im Spiel gegen den Ball überzeugt. Allerdings galt er zunächst als Ersatzmann für den nicht mehr weiterverpflichteten Björn Rother, der unter dem Strich zwei enttäuschende Jahre in Essen erlebte. Mit seinem Foul an der Mittellinie in der bereits erwähnten Heimklatsche gegen Verl verlor er endgültig das Vertrauen von Trainer Dabrowski und wurde nicht mehr eingesetzt. Allerdings murrte er auch nicht öffentlich rum und ertrug sein Schicksal bis zum Ende. Einen neuen Vertrag bei einem anderen Verein hat er aber bislang nicht. Ob Kaparos wirklich das Zeug zum Stammspieler hat, kann natürlich noch niemand mit genauer Gewissheit sagen.

Unterstützung könnte er von Torben Müsel (24) bekommen, der sich im Gegensatz zu Sapina immer weiter steigern konnte und auch häufiger ihn bei seinen Ausfällen vertreten musste. Der eigentlich offensiv ausgerichtete Müsel hat sich mittlerweile mit seiner neuen Rolle abgefunden und sieht nach seinen eigenen Aussagen es als positiv an, mehr Raum vor sich zu haben, um aus der defensiven Zentrale das Spiel zu leiten. Müsels Entwicklung ist zur Freude des rot-weissen Umfelds noch nicht abgeschlossen und könnte einer der Schlüsselfiguren in der kommenden Saison werden.

Sapinas Nachfolger als erster externen Neuzugang war allerdings Tom Moustier (22), der ihm auch frisurentechnisch etwas nähersteht. Moustier ist Teil der Aufstiegsmannschaft der U23 von Hannover 96 und gilt als spielstarker Achter mit einem feinen Fuß für Standardsituationen. Auch wenn Moustier bei den Aufstiegsspielen gegen Würzburg teilweise keine gute Figur machte, sind alle an der Hafenstraße von seinen Qualitäten überzeugt. Leider wird Moustier wegen eines Mittelfußbruchs die nächsten Wochen pausieren müssen, was angesichts der angespannten Personallage in der Essener Zentrale für Sorgen bereitet.

Als Ersatz für Cedric Harenbrock wurde Tom Moustier allerdings ausdrücklich nicht verpflichtet. Den bis dahin dienstälteste RWE-Spieler verschlug es trotz eines vorliegenden Angebots zur Vertragsverlängerung nach Rostock. Harenbrock gelang in der vergangenen Saison der endgültige Durchbruch und erzielte als „Raumdeuter“ sogar acht eigene Tore. Als es allerdings auf die Zielgerade ging, zeigte sich Harenbrock plötzlich sehr fehleranfällig, als ob der Druck eines möglichen Aufstiegs zu viel für ihn gewesen wäre.

Aus Sicht der RWE-Fans war allerdings enttäuschender, dass die Identifikationsfigur der letzten Jahre anscheinend lange mit dem Verein gepokert hat und insgeheim auf einem Platz in einem Zweitligakader gehofft hat. Hier wird einmal auf einen Artikel von ran.de verwiesen, bei dem die Treueschwüre von Waldemar Anton gegenüber dem VFB Stuttgart kritisch betrachtet werden, weil er dann doch sich in diesem Sommer schnell mit dem BVB einig war. Der Grundtenor des Textes ist auch eine klare Botschaft an Spieler wie Harenbrock und Sapina: Mehr Ehrlichkeit in diesem Geschäft sind den meisten Fans durchaus zuzumuten. Diese falschen Bekenntnisse wie im Interview von Harenbrock bei uns oder die Abschiedsworte von Sapina nach Baukastenprinzip nerven nur noch.

Außer völlig weltfremden Dauernörgler und enthemmten Choleriker wissen doch alle, wie dieses Geschäft am Ende läuft. Sportlich gesehen fehlen allerdings Harenbrocks Scorerwerte der Mannschaft und ein Nachfolger ist bislang nicht gefunden. Lange blieb die Möglichkeit offen, Ahmet Arslan zu verpflichten. Allerdings ist der Torschützenkönig der Drittligasaison 22/23 an den FC Magdeburg gebunden, beiden Parteien konnten sich nicht auf eine Vertragsauflösung einigen. Arslan will aus Sicht des FCM zu viel Geld als Abfindung, sein Berater stritt dies vehement ab. RWE schrieb die Verpflichtung dann ab, weil sie außerhalb der Möglichkeiten des Vereins liegt.

Jetzt muss die Suche weiter gehen, denn es gibt nur noch einen Spieler im offensiven Mittelfeld, der allerdings nur noch als Backup zur Verfügung steht. Auch in der letzten Saison blieb Thomas Eisfeld (31) das Verletzungspech treu. Seine Qualitäten sind allerdings unbestritten, denn wenn er das Feld betritt, ist er sofort in der Rolle des Leaders. Er gibt dem Spiel Struktur und kann durch sein gutes Verständnis die Nebenleute perfekt bedienen. Sein Körper schafft aber die volle Spieldauer nicht mehr, wobei seine Erfahrung auch in der Kabine für die jungen Mannschaftskameraden wichtig sein wird. Dafür war Eisfeld sogar bereit, seine Gehaltsforderungen für einen neuen Vertrag herunterzuschrauben.

Dennoch müssen die Verantwortlichen darauf hoffen, einen neuen Kreativspieler für das Mittelfeld zu verpflichten. Denn eigentlich betreiben sie Augenwischerei, fehlen doch insgesamt bei drei Positionen in der Zentrale für eine Doppelbesetzung mindestens noch ein weiterer Spieler. Das Vorgehen der Verantwortlichen spricht für eine Umstellung des Systems. Auf diesen Umstand werden wir noch an späterer Stelle zurückkommen. 

Neues auf den Flügeln und eine offene Planstelle – Außenbahn offensiv

Schon in der vergangenen Saison waren die offensiven Flügel dünn besetzt, so dass es bei jedem Ausfall auf diesen Positionen Schweißausbrüche gab. Qualitativ hatte aber RWE dort mit Marvin Obuz einen herausragenden Spieler, der vornehmlich auf der rechten Seite sein Gegenüber in Grund und Boden spielte. Nach anfänglicher Zurückhaltung sorgte Obuz bald für eine ungeahnte Belebung der Offensive. Seine Flanken schlug er präzise auf die Mitspieler, sein Zug zum Tor war oft nur mit einem Foul zu stoppen und sein Abschluss hatte eine Kaltschnäuzigkeit, die in dem restlichen Kader seinesgleichen suchte. Leider war der Kampf um seine Verpflichtung schon bei der Leihe vom 1. FC Köln verloren, da dort bekanntlich eine Transfersperre verhängt wurde und diese noch bis zum Winter gilt. Besonders schade, da Obuz in Köln nicht konkurrenzlos ist und durch die Rückkehr sämtlicher FC-Leihspieler der Platz in der Kabine sehr eng geworden ist.

Damit fehlt noch ein weiterer Spieler auch auf den Außenbahnen. Bislang sieht es nicht so aus, als ob jemand dabei wäre, der Obuz völlig ersetzen könnte. Auch Young mit seiner Erfahrung muss erstmal von den Neuzugängen, die alle noch voll in ihrer Entwicklung stecken, überholt werden. Zudem müssen sie in einem möglichen neuen System bei gegnerischen Ballbesitz das Zentrum verdichten, welches zurzeit dünn besetzt ist. Es ist also mal wieder die Flexibilität gefragt, die Dabrowski von seinen Spielern einfordert.

Die große Baustelle – Sturmzentrum 

Wenn ein Verein nicht in der Lage ist, viel Geld auszugeben, ist die Suche nach einem Stoßstürmer besonders schwierig. Zurzeit setzt RWE nur noch auf einen Spieler im Kader. Leonardo Vonic (21) ist mit Sicherheit der Talentierteste aus dem letztjährigem Sturmtrio. Auch wenn Leo Vonic einen gewissen Riecher hat, ist seine Torschussquote ausbaufähig und sein Durchsetzungsvermögen im Direktduell mit den Verteidigern gelinde gesagt schwach. Ein klassischer Strafraumstürmer ist er nicht, aber auch niemand, der sich Torchancen hart erarbeitet. Seine Spielweise könnte man schlicht als unorthodox bezeichnen. Zudem wird ihm nachgesagt, dass er ein enormes Selbstbewusstsein hat, aber nicht immer die Leistung im Training zeigt, die Dabrowski von ihm sehen möchte. Auch zu seiner Ehrenrettung sei gesagt, dass er wie viele im Kader sehr jung ist und auch noch viel dazu lernen kann.

Auf der gegenüberliegenden Seite hat Isaiah Young keine Chance auf einen neuen Vertrag bekommen. An seiner Personalie schieden sich schon immer die (Fan-)Geister. In der Regionalliga noch Leistungsträger und ein wichtiger Baustein, schaffte Isy den Durchbruch in der Dritten Liga bislang noch nicht. Häufig traf er die falsche Entscheidung, indem er zum Dribbling ansetze, obwohl es einen besser platzierten Mitspieler in seiner Nähe gab. Hatte er die Möglichkeit, selbst zum Tor zu gehen, landete der Ball häufig nach einem missglückten Zuspiel beim Gegner oder im Nirvana. Nicht nur einmal wurde Isy zu einem Sündenbock von einem Teil der Zuschauer erklärt, manchmal wurde er auch Doumbouya ersetzt. Im Gedächtnis wird er aber hoffentlich wegen seiner starken Aufstiegssaison bleiben und wir hoffen, dass der talentierte Mr. Young noch sein Glück finden wird. Danke Isy!

Dennoch hatte Isy im Gegensatz zu den bisherigen Neuzugängen einen entscheidenden Vorteil. Erfahrung in den höheren, heimischen Ligen bringen alle nicht mit. Zunächst wurde Ramien Safi (24) vom einstigen Regionalligakonkurrenten SV Rödinghausen verpflichtet. Safi stand gleich bei mehreren Drittligisten auf dem Zettel, am Ende entschied sich der Flügelflitzer auf Rat seines Mannschaftskameraden und Ex-RWE Torjäger Simon Engelmann für einen Wechsel nach Essen. Aufgrund seiner Beidfüßigkeit kann er sowohl links als auch rechts Flanken schlagen, zudem soll er durch sein schnelles Umschaltspiel auch selbst für Torgefahr sorgen.

Der nächste Transfer auf diesen Positionen sorgte für sehr viel Verwunderung an der Hafenstraße. Die Verantwortlichen wurden in Belgien fündig und fanden in der zweiten belgischen Liga bei Oostende den ehemaligen Juniorennationalspieler Robbie D’Haese (25). D’Haese kommt über die rechte Seite und gilt als schneller und spielstarker Flügelstürmer. Der wichtigste Faktor, den er mitbringt, ist allerdings seine Erfahrung. Immerhin hat er fünf Spielzeiten in der ersten belgischen Liga verbracht. Zuletzt fiel er aber wegen den Nachwirkungen eines Armbruches aus.

Als bislang letzter Transfer konnte Dion Berisha (21) von der U23 des FC Bayern präsentiert werden. Berishas Flexibilität in der Offensive und seine Stärken im 1 gegen 1 haben die Verantwortlichen davon überzeugt, ihn an die Hafenstraße zu holen. Allerdings hat der ehemalige U-Nationalspieler für den Kosovo bislang nur in der Regionalliga gespielt.

Auf seinen Sturmkollegen Moussa Doumbouya (26) wird hingegen nicht mehr gesetzt, er dürfte bei passendem Angebot wie Wiegel und Manu den Verein verlassen. Zunächst setzte Dabrowski auf Doumbouya, den er aus seiner Zeit als Nachwuchstrainer bei Hannover 96 kannte und schon ein Jahr vorher nach Essen lotsen wollte. Schließlich sollte er nach einer durchwachsenen Saison beim FC Ingolstadt neu aufblühen. Doch daraus wurde unter dem Strich nichts. Doumbouya erhielt viele Bewährungschancen, ackerte auch viel auf dem Platz, in dem er die Bälle vor dem Strafraum für seine Kollegen festmachte, aber all dies nützt nichts, wenn ein Stürmer seine Hauptaufgabe nicht erledigt: Das Toreschießen. Zudem bleibt es nach wie vor ein Rätsel, wie ein Stürmer von fast 1,90 m ausgerechnet Probleme bei Kopfbällen hat.

Nach einer Äußerung von Trainer Dabrowski ist er wieder auf der Suche nach einem „Wandstürmer“, also nach einem Doumbouya mit besser Abschlussquote. Allerdings wird dieser schwerer zu finden sein, so dass Doumbouya von dem aussortierten Trio noch die besten Chancen hat, in den Kader zu rutschen. Auf jeden Fall nicht mehr dabei ist Ron Berlinski, der sich mit Vonic und Doumbouya die Position teilte. Der Mentalitätsspieler ist sicherlich neben dem Platz ein guter Typ, aber seine technischen Unzulänglichkeiten, welche schon im ersten Jahr offensichtlich waren, konnte er in der Folgesaison gar nicht mehr verdecken. Teilweise wirkte Berlinski wie ein Fremdkörper und übertrieb es mit seinem Einsatz so sehr, dass er sich im Spiel gegen Unterhaching im eigenen Strafraum für eine völlige Unachtsamkeit die rote Karte abholte. Dies war der Anfang vom Ende für Berlinski, welcher aber noch im Pokalfinale gegen RW Oberhausen sich mit einem Treffer verabschieden durfte.

Ron Berlinski hat mittlerweile einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Er wechselt zu Kickers Offenbach und damit zu unserem Ex-Coach Christian Neidhart, der in sicherlich für das Unternehmen Aufstieg gut gebrauchen kann. Alles Gute dafür an Ron Berlinski und Danke für Deinen Einsatz!

Auch für die Besetzung dieser Position gab der Verein nur das Minimalziel aus, es soll nur noch ein weiterer Stürmer kommen. Eigentlich wäre die Mannschaft mit zwei weiteren Stürmern gut beraten, aber dafür fehlt das Geld und der Markt gibt für die gesuchten Anforderungen wenig her.

Betrachtet man das bisherige Transfergeschehen, so sucht RWE schon ganz genau nach „Mr. Right“, wenn man bedenkt, welche Möglichkeiten man schon ausgeschlagen hat. Hier wollen die Verantwortlichen definitiv ein Upgrade zu Doumbouya und keinen einfachen Ersatz, der viel Geld kostet und die Mannschaft nicht weiterbringt.

Pascal Druschke