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Die Jawattdenn.de Saisonprognose Teil III: Kaderanalyse 2

Im 3. Teil unserer Saisonprognose erwartet euch eine ausführliche Besprechung aller Positionen. Viel Spaß beim Lesen.

Die Mannschaftsteile

Torhüter

Zu jedem Kader gehören standardmäßig drei Torhüter. In der Regel eine klare Nummer 1, ein Stellvertreter sowie ein Mann für alle Fälle. So ist es auch bei RWE. Diese Rollen gebühren Jakob Golz, Felix Wienand und Ole Springer.

Jakob Golz ist Essens Nummer 1. Auf der Linie und im eins gegen eins ist Golz einer der besten Keeper der Liga. In Sachen Strafraumhoheit hat er sich gemausert, eine Baustelle bleibt das Kapitel des spielenden Torwarts, seinen weiten Schlägen fehlt häufig noch immer die Präzision und es gibt Ballverluste.

Felix Wienand hat sich als Nummer 2 entwickelt, seine Einsätze in der Vorbereitung, insbesondere gegen Eintracht Braunschweig, zeigten, dass RWE im Falle eines Golz-Ausfalls keine schlaflosen Nächte haben müsste.

Ole Springer ist die klare Nummer 3, dennoch ein erfahrener Schlussmann und lautstarker Dirigent der Abwehr, wie sein Einsatz beim FC Gütersloh offenbarte. Hier wurde Raphael Koczor fast deckungsgleich ersetzt. Zwischen den Pfosten erscheint Rot-Weiss Essen somit sehr gut aufgestellt.

Abwehr

In der Innenverteidigung kristallisieren sich Kapitän Felix Bastians und Enrique Rios Alonso als Startspieler heraus. Neuzugang Aaron Manu konnte die Vorbereitung leider nicht komplett absolvieren und leidet an Problemen der Achillessehne. Manu ist ein Spieler, der extreme Robustheit mitbringt und in der Vorbereitung durch ein starkes Zweikampfverhalten glänzte. Manu hat sehr gutes Potenzial, er wird sich in Sachen Spielaufbau und Pressingresistenz aber noch hinter Bastians und Alonso einordnen müssen. Selbiges gilt auch weiterhin für RWE-Youngster Musti Kourouma.

Für die Außenbahnen hat RWE zwei Transfers getätigt. Ekin Celebi (23) kommt von Hannover 96, ist Linksverteidiger und dürfte die klar favorisierte Stammlösung auf dieser Position sein. Eric Voufack (21), gekommen von Lokomotive Leipzig, hingegen fühlt sich auf der Rechtsverteidigerposition heimisch und ist ein Backup für den dort etatmäßig vorgesehenen Andreas Wiegel.

Ekin Celebi zeigt sich im Zweikampf routiniert, marschiert immer wieder nach vorne und kann gute Flanken bringen, im Zusammenspiel mit Marvin Obuz kann er eine starke linke Seite bilden. Das können Andreas Wiegel und Isi Young auf rechts ebenso. Auf den defensiven Außenbahnen ist RWE aber auch verwundbar. Ekin Celebi links und Andreas Wiegel auf rechts sind die Wunschspieler dort, fallen wie zuletzt beide aus, sind die Vertreter Sascha Voelcke und Eric Voufack auf konsequente Unterstützung ihrer offensiven Vorderleute dringender angewiesen, als Wiegel und Celebi. Sowohl Voelcke als auch Voufack mangelt es noch an cleverem Zweikampfverhalten und Stellungsspiel.

Für die Außenbahn hat RWE auch noch Sandro Plechaty, der sich im Schlussspurt der Liga wieder herankämpfte und seinen Vertrag erfüllen wird. Aus oben genannten Gründen will Rot-Weiss aber auf dem Transfermarkt noch etwas tun. Gesucht wird ein flexibler Linksfuß, der sowohl Innen als auch Außen verteidigen kann. Somit verbleibt eine kleine Baustelle.

Mittelfeld

Nirgendwo sind die rot-weissen Optionen so reichhaltig wie in der Mittelfeldzentrale. Da sind zum einen Björn Rother, Cedric Harenbrock, Thomas Eisfeld und Felix Götze, die aus dem Vorjahr bekannt sind. Götzes Weiterverpflichtung ließ sich RWE eine ordentliche Summe kosten. Götze ist extrem flexibel einsetzbar und sieht sich selber auch in der Rolle eines viel rochierenden Achters. Bei dem zuletzt häufig verletzten Götze wird es nicht unerheblich darauf ankommen, dass er sich in der Vorbereitung die notwendige Fitness geholt hat und dann auch gesund bleibt. Ein Felix Götze in Topform kann ein Unterschiedsspieler in der Liga sein. Götze wird dafür aber hart arbeiten müssen. Ein Stammplatz wird ihm nicht zufliegen.

Auch bei Björn Rother wartet man noch auf seinen endgültigen Durchbruch in Essen. Rother ist immer dann besonders wertvoll, wenn er auf seiner angestammten 6 spielen kann, zwingt man ihn in offensivere und kreativere Rollen, baut Rother ab. In jedem Fall ist der Ex-Rostocker ein Mann mit Leader-Qualitäten und sich für nichts zu schade.

Ein Füßchen wie Thomas Eisfeld muss man erst einmal haben. Kaum ein RWE-Spieler kann weite Bälle so präzise an ihr Ziel bringen. Eisi ist aber nicht der schnellste und temporeichste Spieler, auch er musste nach längerer Zwangspause an seiner körperlichen Fitness arbeiten.

Cedric Harenbrock ist Rot-Weiss Essens dienstältester Spieler und geht in seine siebte Spielzeit an der Hafenstraße. Cedi kam nur schwer in seine erste Profispielzeit, hatte zu Saisonbeginn Anpassungsschwierigkeiten und war dann länger verletzt. Im Saisonschlussspurt war er aber gesetzt im Team von Christoph Dabrowski. Was Harenbrock auszeichnet ist sein unbedingter Hang zum Direktspiel, mit dem er Tempo in den Aufbau und die Stürmer in gute Positionen bringen kann. Zudem weiß Essens Nummer 8 durchaus, wo das Tor steht. Es hat jedenfalls seine Gründe, dass Cedi trotz der großen Konkurrenzsituation nach seiner Vertragsverlängerung per Option kein Streichkandidat gewesen ist.

Neu im Bunde ist Vinko Sapina. Der kroatische Riese war der erste RWE-Transfer dieser Saison, Sapina kommt von Ligakonkurrenten SC Verl und war den Essenern eine moderate Ablöse wert. Die ist wohl gut investiertes Geld. Sapina zeigt nicht nur aufgrund seiner Körpergröße enorme Präsenz auf dem Feld und spielt einen unaufgeregten und souveränen Part. Sein Wechsel aus Verl zeigt, er hat Bock auf seine Aufgabe vor vielen Zuschauern in Essen und dürfte in der defensiven Mittelfeldzentrale Stammspieleransprüche stellen können.

Youngster und Rückkehrer Nils Kaiser wird sich bei dieser Konkurrenz sehr strecken müssen, um an Spielzeiten zu kommen. Zudem hat er sich in der Vorbereitung bei Adler Frintrop verletzt. Eine Diagnose steht noch aus.

Insgesamt scheint im Mittelfeld eine gute Mischung gefunden worden zu sein. Unbedingt aber wünscht man der rot-weissen Mittelfeldzentrale mehr direkte Torgefährlichkeit.

Sturm

Neben dem verbliebenen Ron Berlinski hat RWE zwei neue Stoßstürmer in seinen Reihen, Moussa Doumbouya und Leonardo Vonic. Doumbouya (25) zeigte sich in der Vorbereitung sehr lauf- und zweikampfstark und hat das Zeug, einen Gegenspieler mürbe zu machen. Zudem zeichnen Doumbouya, einst als Flüchtling aus Guinea nach Deutschland gekommen, gute Laufwege hinter die gegnerischen Ketten aus. Im Fußballneudeutschen spricht man bei einem solchen Spielertyp vom „Wandspieler“, der Bälle festmachen und Räume schaffen kann. Aufgrund seiner Biographie, die Moussa Doumbouya keine klassische Ausbildung in einem NLZ zukommen lassen konnte, ist auch er ein immer noch entwicklungsfähiger Spieler, der RWE Freude machen könnte.

Der Spieler für den Abschluss ist eher Leonardo Vonic, der in Nürnberg bereits eine beeindruckende Torquote aufzuweisen hat, er ist sowohl ein Abschlussspieler als auch jemand, der das eins gegen eins suchen und gewinnen kann. Vonic kam in Nürnberg verstärkt über die linke Bahn, kann sich auch auf die 10 fallen lassen und ist kein rein originärer Mittelstürmer. Dass Essen Vonic drei Jahre binden konnte, ist erfreulich. Allerdings muss Essens Nummer 20 für Liga 3 noch ordentlich an sich arbeiten. So begründete Nürnbergs sportlicher Leiter Dieter Hecking die Entscheidung, Vonic keinen Profivertrag für die Zweite Bundesliga anzubieten, schlichtweg damit, dass man ihn noch nicht so weit sehe. Zudem wird dem Hochveranlagten nachgesagt, an seiner Mannschaftsdienlichkeit, auch im läuferischen Bereich, feilen zu müssen.

Mit Vonic hat man einen Rohdiamanten geschürft, der bei entsprechender Entwicklung ein echtes Pfund darstellen könnte. Was absolut für Vonic spricht ist, als Nürnberg im Vertragspoker die Äblöseforderungen erhöhte, verzichtete der Spieler auf einen Teil seines Gehaltes, um dennoch in Essen anheuern zu können. Garantien gibt es ohnehin nicht, wir erinnern uns da an den erfahrenen Goalgetter Zlatko Janjic, der in die Jahre gekommen in Essen das Tor nicht mehr fand. Vonic wird zeigen wollen, dass er in den Profifußball gehört.

Das gilt sicherlich auch für Kampfschwein Ron Berlinski, der schon bewiesen hat, in Liga 3 nicht gänzlich fehl am Platze zu sein. Als brachialer Anläufer hat Berlinski mit weiteren schnellen offensiven Leuten um sich herum zudem vielleicht mehr Effektivität als im Pressingspiel des Vorjahres.

Insgesamt wird es spannend sein, wie Dabro seine Stürmer einsetzt. In der Vorbereitung spielten bislang entweder Doumbouya, der fit gesetzt erscheint, oder Berlinski als einzelner Stoßstürmer, nun ist mit Vonic ein anderer Spielertyp hinzugekommen, der die Option der Doppelspitze beinhaltet. Als echte Wühler könnten auch Doumbouya und Berlinski gemeinsam gegnerischen Abwehrreihen unangenehme Momente bereiten. RWE ist auf der Stürmerposition jedoch noch nicht am Ende aller Transferbemühungen. Für die Spitze wird noch ein weiterer Akteur gesucht, wohlwissend, dass Vonic sich erst einmal in Liga 3 akklimatisieren muss.

Zudem gibt es noch Torben Müsel, der ein Wanderer zwischen Mittelfeld und Sturm ist. Er zeigte in der Vorbereitung eine klar verbesserte Formkurve und wird daher vielleicht eine Art Neuzugang, der erst jetzt zeigt, was er draufhat. Der sehr ballsichere Müsel kann auf der 10 spielen und die Kugel verteilen, zu wünschen ist ihm deutlich mehr Konsequenz im Torabschluss. Die Vorbereitung mit einigen Müsel-Treffern macht hier Hoffnung.

Auf den offensiven Außenbahnen verfügt RWE weiterhin über US-Boy Isi Young. Isi, ein Schlüsselspieler des Aufstiegs, kann an guten Tagen seine Gegenspieler schwindelig spielen, an anderen sich selbst. Er darf diese Saison gerne eine Schüppe drauflegen.

Ein neuer Mann ist Marvin Obuz, Leihspieler vom 1. FC Köln. Der dortige Cheftrainer Steffen Baumgart traut Obuz zu, einmal ein sehr guter Bundesligaspieler zu werden, der aber noch einiges dazulernen muss. Nachdem die Vorjahresleihe zum Zweitligisten Holstein Kiel wenig erbaulich verlief, dürfte der 21 Jahre alte Obuz mit besonderer Motivation in Essen auflaufen, denn diesmal sollte er nicht nur den rot-weissen, sondern auch den Verantwortlichen seines Stammvereins seine Profitauglichkeit unmissverständlich unter Beweis stellen. Obuz kommt vorzugsweise über den linken Flügel, hat hohes Tempo und ist technisch ausgesprochen beschlagen.

Bereits seit einigen Wochen war als Testspieler Lucas Brumme (23) dabei, zuletzt bei Wehen Wiesbaden unter Vertrag. RWE will hier einen zweiten Fall Michel Niemeyer vermeiden und unterzog Brumme weiterhin Härtetests, denn er kommt mit einer Verletzungshistorie. Bislang zeigt er sich stabil. Brumme ist ebenfalls ein Spieler für die linke offensive Bahn, zeigt sich technisch gut ausgebildet, bringt mit 1,87 Meter Körpergröße aber auch Kopfballstärke mit sich und zieht bei hohen Bällen in die Box als Anspielpart nach Innen. Nun wurde Brumme auch offiziell verpflichtet und erhält einen Jahreskontrakt.

RWE wird mit diesen Spielern die Chance haben, die lang vermisste Tiefe in sein Spiel zu bringen und hinter die gegnerischen Ketten zu kommen. 

Kader-Fazit

Die erklärten Ziele sind, die Kaderqualität zu heben und sich in Sachen Robustheit und Angriffskreativität zu verbessern. Die getätigten Transfers machen Hoffnung, dass das gelingen können wird. Rot-Weiss Essen wird potenziell eine gute erste Elf stellen können und vernünftige Wechseloptionen haben. In dieser Hinsicht wirkt die neue Truppe vielversprechender als das Team zuvor. Baustellen wurden angegangen und die individuelle Qualität der Mannschaft erscheint signifikant größer zu sein.

Schlägt das Verletzungspech zu und fallen Säulen aus, wird es dennoch eng werden können, vor allem in der extrem ausgeglichenen Dritten Liga, in der Kleinigkeiten und die Tagesform über Sieg und Niederlage entscheiden können. Um das Potenzial der Mannschaft zu verbessern und auszuschöpfen, soll Schluss sein mit der „Wohlfühloase Hafenstraße“. Von seinen kickenden Angestellten erwartet Rot-Weiss Essen den unbedingten Biss und Willen, sich weiter zu entwickeln, härter und intensiver auch individuell zu trainieren. Holen die Spieler einige Prozentpunkte mehr aus sich heraus, als wenn sie nur Dienst nach Vorschrift tun, sind einige Siege und Punkte mehr durchaus drin. In dieser Hinsicht ist RWE-Cheftrainer Christoph Dabrowski übrigens ein absolutes Vorbild. Dabro kommt als Erster und geht als Letzter, sein Team sollte sich ein Beispiel nehmen.

Sven Meyering

Christoph Dabrowski ist dabei ein gutes Stichwort, denn im 4. Teil folgt die Analyse des Trainers und des Spielsystems.

Bildquelle: Frontalvision