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RWE auf neuen Wegen oder nur alter Wein in neuen Schläuchen? – Preview auf die Jahreshauptversammlung

Im Vorfeld der Jahreshauptversammlung von Rot-Weiss Essen präsentieren sich einige Baustellen für Vorstand und Aufsichtsrat von Rot-Weiss Essen. Wir wagen eine kritische Vorschau auf die drängenden Themen am Sonntag.

Im Sommer 2023 legte Rot-Weiss Essen, damals noch unter Leitung seines ehemaligen Vorstandschefs Marcus Uhlig, eine Jahreshauptversammlung hin, die in Erinnerung blieb, und zwar negativ. Schlechte Zahlen und eine ebenso schlechte Vorbereitung stießen den RWE-Fans sauer auf. Die schlechten Eindrücke und auch die Zahlen konnten zwar auf einer außerordentlichen JHV im darauffolgenden Herbst bereinigt werden. Die Wunden sind aber längst nicht alle verheilt und auch die etwas enttäuschende sportliche Performance des RWE-Teams lässt das Stimmungsbarometer nicht in sonnige Höhen steigen.

Über den 2:1-Erfolg über Viktoria Köln dürfte man sich daher doppelt gefreut haben. Zudem hat die jüngst bekannt gegebene Vertragsverlängerung der sportlichen Leitung aus Christian Flüthmann und Markus Steegmann, beide leisten einen sehr guten Job, Wind unter die Vereinsflügel gegeben. Dennoch tut Rot-Weiss Essen gut daran, am kommenden Sonntag gut vorbereitet in die JHV in der Messe Essen zu gehen. Es ist der erste große und wichtige Auftritt des neuen RWE-Boss Marc-Nicolai Pfeifer, der deswegen womöglich Lampenfieber verspürt. Dessen Kollege im Amt Alexander Rang dürfte aus aktuellen Anlässen währenddessen vielleicht schon schlecht schlafen. Ob das auch der Aufsichtsrat tun muss und was es mit der zuletzt viel öffentlich thematisierten Opposition auf sich hat, darauf wirft Jawattdenn.de einen kleinen Vorausblick.

Nicht nur Adel, auch Vorstand verpflichtet!

Marc-Nicolai Pfeifer heißt der neue RWE-Boss. Und es gibt Anzeichen dafür, dass Pfeifer Rot-Weiss Essen in die richtigen Bahnen lenken kann. Im Interview mit Jawattdenn.de konnte der gebürtige Stuttgarter jedenfalls schon Zweifel an seiner Person ausräumen, nicht in den Ruhrpott und nach Essen zu passen. Pfeifer, der im Dezember seinen 44. Geburtstag feiern wird, konnte von sich und seiner Person, aber auch von Visionen für den Verein überzeugen. Da sei die Lektüre des Interviews wärmstens empfohlen, um sich ein eigenes Bild zu machen. Überraschend offen legte Pfeifer auch Zahlen, die eine Einordnung der finanziellen Möglichkeiten der Essener Rot-Weissen im Haifischbecken Dritte Liga ermöglichen.

Zwar ist Pfeifer überzeugt davon, dass es falsch sei, dass Medien und auch Anhänger des Vereins häufig ein Bild eines klammen Klubs zeichnen, der sich bessere und teurere Spieler nicht leisten könne. Der Chef betont, dass man über eine solide Finanzbasis verfüge und die Anhänger bei der JHV keine schlechten finanziellen Zahlen vorgelegt bekämen. Durch Einsparungen und Umbudgetierungen seien z.B. bereits 300 K mehr für den Essener Personaletat gewonnen worden. Eine hübsche Summe.

RWE steht mit seinem Etat in der oberen Hälfte der Liga. Um aber ganz nach oben zu kommen und auch planmäßig um den Aufstieg in die Zweite Liga mitspielen zu können, fehlt allerdings noch einiges an weiteren Geldern. Dem ehemaligem Aufsichtsratschef Andre Helf gegenüber hat Pfeifer die stolze Summe von 1,5 Millionen € genannt. Das sei notwendig, um deutlich ambitioniertere Ziele anzusteuern als aktuell. Gleichzeitig ist man sich bei Rot-Weiss Essen aber einig, dass keine Risiken gefahren werden dürfen. Damit stimmt das Gros der Anhänger sicherlich vollkommen überein.

An dieser Stelle kommt dann Pfeifers Vorstandskollege Alexander Rang ins Spiel. Der ist seit dem 01. September 2023 neuer RWE-Vertriebsvorstand. Rang wurde zunächst Marcus Uhlig zur Seite gestellt und das wirkte so, als wolle der Aufsichtsrat damit den am 31.05.2024 geschiedenen ehemaligen RWE-Chef nicht nur in seiner Arbeit zu unterstützen, sondern auch besser kontrollieren zu können. Alex Rang wehte als ehemaligen Koordinator der Fanverbände eines Gelsenkirchener Vorortklubs sogleich ein scharfer Wind um die Nase. Der wurde nicht schwächer, als die erhoffte wesentliche Verbesserung der Sponsorenbasis sich nicht einstellte, auch wenn es sicherlich kleinere Erfolge zu verzeichnen gibt.

Doch wer mit den Worten antritt, jedes Unternehmen der Region anzusteuern und an jede Tür in Essen zu klopfen, weckt eine hohe und bislang nicht erfüllte Erwartungshaltung. In der jüngeren Vergangenheit hat AR, ein Kürzel das generell aktuell nicht Begeisterung auslöst, vor allem Probleme, weil der Rückzug des großen RWE-Unterstützers Sascha Peljhan aus dem Vorstand des Klubs nicht unwesentlich auf Differenzen mit Alexander Rang resultieren. SP zog auch sein Sponsoring zurück. Dafür gibt es natürlich das Gegenteil von Applaus aus der Essener Fangemeinde für den Vorstand Vertrieb. Rang muss sich auf beißende Kritik einstellen und sollte darauf vorbereitet sein.

Ganz aktuell ging der RWE-Vorstand im Verbund mit dem neuen Aufsichtsratschef Lothar Oelert medial in die Offensive. In einem gemeinsamen Interview mit der WAZ gab es eine Art Gegendarstellung der aktuellen Verantwortlichen, wobei vor allem Alexander Rang betont, Sascha Peljhan diverse Gesprächsangebote unterbreitet zu haben. Ob das reicht, um Druck vom Kessel zu nehmen? In Sachen Vorstand ist daher im Vorfeld der JHV festzustellen, dass nicht nur Adel verpflichtet.

Auf direkten Gegenwind muss sich Essens neuer Chef Marc-Nicolai Pfeifer sicherlich nicht einstellen. Für die Probleme des Vereins in der jüngeren Vergangenheit kann Pfeifer nichts. Aber natürlich verbinden viele Rot-Weisse neue Impulse von seiner Person. Diesem ersten offiziellen Auftritt Pfeifers auf großer RWE-Bühne vor einer sicherlich kritischen Menge kommt somit hohe Bedeutung zu. Dessen wird der Marketing-Profi sich bewusst sein. Ihm gelten gute Wünsche, eine Aufbruchstimmung erzeugen zu können.

Der Essener Aufsichtsrat – nur alter Wein in neuen Schläuchen?

AR, das steht nicht nur für Alex Rang, sondern auch für das Kontrollorgan. Und das sorgt Land auf, Land ab nicht für Heureka-Rufe. Jüngst hat sich der langjährige Aufsichtsratschef Dr. André Helf von diesem Amt zurückgezogen und Lothar Oelert hat diese Position im Gremium übernommen. André Helf selbst bleibt diesem aber ebenfalls erhalten. Das erweckt den Eindruck, als rücke man dort nur ein paar Stühle. Der AR hat jedenfalls bei den RWE-Anhängern nicht die volle Überzeugung geweckt, den Verein mit der notwendigen Konsequenz weiter entwickeln zu können. Vielmehr wirkt die personelle Permanenz gepaart mit leichten Positionsverschiebungen wie alter, aber keineswegs gut gereifter Wein in lediglich halbwegs neuen Schläuchen.

Grundsätzlich scheint frischer Wind zu fehlen und einige AR-Mitglieder seit einigen Jahren wie ein Kaugummi an ihrem Sitz dort zu kleben. Sieht man von Co-adaptierten Mitgliedern des Aufsichtsrats ab, die jedoch der Fanbase gegenüber nicht transparent öffentlich gemacht werden.

Kritik handelte sich das Gremium in der Vergangenheit stets dadurch ein, Verantwortung nicht übernehmen und auf andere delegieren zu wollen, ohne dass man sich selbst hinterfrage. So fehlten den RWE-Anhängern die Kontrollmechanismen des Kontrollorgans, als der Klub im Geschäftsjahr 2022 in finanzielle Schieflage geraten zu drohte. Helf tat danach so, als sei die Situation quasi vom Himmel gefallen, Finanzbuchhalter Schäfer stützte das an anderer Stelle inhaltlich aber nicht. Die damals zu Tage getretenen Widersprüche konnten bis heute nicht zweifelsfrei aufgelöst werden.

Klar war jedenfalls, dass der AR die Gesamtverantwortung beim Vorstand sah und daraus auch öffentlich keinen Hehl machte, was auch Stilfragen aufkommen ließ. Im Interview mit der WAZ betont Oelert nun noch einmal, dass der Eindruck, dass Rot-Weiss Essen kein gesunder Verein wäre, eine weiterhin schwelende Fehlinterpretation der desaströsen JHV im Sommer 2023 sei. Wie so oft hat der Verein jedoch versäumt, dass auch immer wieder nachhaltig kommunikativ zu verdeutlichen.

Ohnehin ist Kommunikation nicht die Kernkompetenz im Klub. Gerade diese gelobte André Helf im Frühjahr öffentlich deutlich zu verbessern, im Verein und vom Verein mit allen an ihm Beteiligten. Ein Versprechen, das man nicht unbedingt als eingelöst betrachten darf. Auch Essens ehemaliger Chef Marcus Uhlig sparte gegenüber Jawattdenn.de nicht an Kritik dem Aufsichtsrat gegenüber, den er als nicht gerade engagiert und innovationsfähig ansah.

Eine Kritik, die offenbar auch im Umfeld des Vereins geteilt wird. In den letzten beiden Heimspielen gegen Borussia Dortmund 2 und Viktoria Köln wurden auf unterschiedlichen Tribünen des Stadions an der Hafenstraße diverse kritische Transparente präsentiert. Zielscheibe der Aufsichtsrat. Das Volk ruft nach Erneuerung. Denn mittlerweile ploppen in Social Media einige Namen auf, die sich für den Wahlausschuss aufstellen lassen und bei einer darauffolgenden Neubesetzung des Aufsichtsrats mitmischen wollen. Es handelt sich um Stefan Lantermann (51), den Regionalen Vertriebsleiter & Verkaufsleiter Lagertechnik bei Linde Material Handling Rhein-Ruhr, und Nicole Neugebauer (46), die als Verwaltungsfachwirtin bei der Stadt Essen angestellt ist. Die beiden Kandidaten sind langjährige Anhänger und haben bereits klargestellt, dass sie aus freien Stücken und nicht als Teil der Opposition antreten, die sich bislang nicht zu erkennen gibt und Plätze im Aufsichtsrat anstrebt.

Die Kernbotschaft ist klar. Es gibt Menschen in und um Rot-Weiss Essen herum, die ein Immer-Weiter-So im Inneren des Vereins nicht mehr mitmachen wollen und von der zarten Umstrukturierung des Gremiums Aufsichtsrat überschaubar viel erwarten. Frischer Wind ist wünschenswert. Fehl am Platze wäre jedoch ein Wechsel um des Wechsels willen. Klar muss sein, Rot-Weiss Essen spielt Profifußball und ist ein millionenschweres Wirtschaftsunternehmen. Es geht somit auch darum, inwiefern aktuell oder zukünftig handelnde Personen einen Mehrwert für den Klub und dessen Zukunft darstellen. Hier ist Transparenz gefragt. Auch in dieser Hinsicht darf man die kommende Jahreshauptversammlung mit Spannung erwarten.

NUR DER RWE!

Sven Meyering