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Von misogynem Mist und anderen Aufregern

Nach einem Sportschau-Artikel nimmt nun der DFB Ermittlungen wegen sexistischer Gesänge auf. In diesem Kommentar soll dieser Vorfall eingeordnet werden.

Teile der Anhängerschaft von RWE sorgten einmal mehr für Schlagzeilen in der überregionalen Presse. Nach dem sinnlosen Vandalismus in den gekachelten Räumlichkeiten des Erzrivalen aus Oberhausen kommen jetzt frauenfeindliche Gesänge gegenüber der Schiedsrichterin Fabienne Michel im Auswärtsspiel beim Dorfklub Verl mit auf die Rechnung. Anlass für die Debatte war ein Artikel im Onlineauftritt der Sportschau, der bezeichnend den Titel „Der Aufschrei bleibt aus“ trägt. Denn erst sechs Tage nach dem Spiel wird das Thema aufgegriffen, was jede erdenkliche Gazette des Landes mittlerweile reproduziert. Etwas verwunderlich bleibt dieser Umstand, da nach dem Spiel die Gesänge kaum eine Rolle spielten und selbst von der Haus- und Hofberichterstattung, die dem Verein und der Anhängerschaft gerade bei solchen Themen kritisch gegenübersteht, nicht erwähnt wurde. Auch gab es während des Spiels nicht die vom DFB geforderten Durchsagen, die in solchen Fällen zu Respekt und Toleranz auffordern und bei Fortsetzungen ein Spielabbruch zur Folge haben können. Im Spielbericht wurden die Vorfälle aber wohl aufgenommen. Bislang hat sich auch der Verein selbst nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Bei der Kritik an dem Verhalten des Vereins werden vor allem drei Gesänge als problematisch eingestuft. Zum Ersten sollen einige Anhänger die branchenüblichen „Schieber, Schieber“-Rufe durch das H-Wort ersetzt haben, was eine eindeutige frauenfeindliche Beleidigung ist und so nicht zu tolerieren ist. Allerdings haben wiederum andere Anhänger diese Rufe nicht vernommen. Weiter wurde bei einem zweiten Gesang von einem (erzwungenen) Geschlechtsverkehr mit der Schiedsrichterin fabuliert, dies gehört mit Sicherheit in das oberste Regal an Geschmacklosigkeit. Zu guter Letzt wurde noch ein fragwürdiges Kurvengut intoniert, welcher als Grundlage möglicherweise ein Auszug aus einem Gespräch in einem Essener Freudenhaus hat und in diesem Zusammenhang natürlich misogyn gedeutet werden kann. Kurzum, es hat schon seine Berechtigung, sich über das Verhalten einiger Fans zu beklagen.

Es ist auch recht billig, die Leistung von Fabienne Michel zu kritisieren, indem sie auf ihr Geschlecht reduziert wird. Auch wenn ihr Stellungsspiel im Geschehen die Frage erlauben sollte, wieviel sie von manchen Aktionen wirklich gesehen hat, sind ihr keine spielentscheidenden Fehler unterlaufen. Der Zusammenprall mit Klaus Gjasula war unglücklich und dabei sollte man es auch belassen. Unter dem Strich war die Darbietung der rot-weissen Mannschaft nicht gut genug und die Verler an diesem Tag einfach auch richtig stark. So haben dies die überwiegende Zahl der Anhängerschaft gesehen und sich mehr mit der Leistung der eigenen Mannschaft beschäftigt, die den Klub wieder tief in den Abstiegssumpf zieht und die Sorgenfalten wieder größer werden lässt. Im Kampf um den Klassenerhalt, der unerbittlich weitergeht, wird der Blick auf die nächsten Wochen gerichtet und es bleibt kaum Zeit für eine kritische Rückschau des Supports.

Dabei ist es wichtig, dass Themen wie Frauenfeindlichkeit im Stadion thematisiert wird. Schließlicherweise ist dies keine Sache des Schutzes von Minderheitenrechte. Die Hälfte der Bevölkerung sind Frauen, auch im Stadion wird die Anhängerschaft in den letzten dreißig Jahren erfreulicherweise immer weiblicher. Frauen sollen sich an der Hafenstraße wohl fühlen, sowohl auf den Rängen als auf dem Platz. So eine breite Debatte wäre wünschenswert gewesen, als in den achtziger und neunziger Jahren der Rechtsextremismus in den Stadien und häufig normale Fans von einem Besuch beim Fußball abhielt. Aber damals hatte der Sport nicht die gesellschaftspolitische Relevanz und wurde in die Proletenecke geschoben, wo Kritiker diesen immer noch sein. Aber dabei machen wir es uns in den Diskussionen auch zu einfach.

Zunächst einmal geht es um den fehlenden Respekt im Allgemeinen. Nicht nur Fabienne Michel erlebt Beleidigungen unter aller Gürtellinie, sondern auch ihre männlichen Kollegen. Während der DFB vor allem auf die Ränge schaut und mit Kollektivstrafen droht, die absolut nichts bewirken, verschließen die Herren (vornehmlich sind sie das nämlich) die Augen vor dem, was auf dem Platz geschieht, solange die Spieler erfolgreich sind und vor allem Geld in die Kassen spülen. Herr Taz üble Provokation mit einem Maschinengewehrjubel vor der Auswärtskurve nach dem 1:0 wird nirgendwo erwähnt, schließlich hat er ja drei Scorerpunkte erzielt. Hier könnte man sich wirklich einmal die NFL zum Vorbild nehmen, und diesmal nicht beim schwachsinnigen Videobeweis, sondern bei Geldstrafen gegenüber den Akteuren beim Herabwürdigen der gegnerischen Spieler und der Zuschauer.

Jahrelang wurde es versäumt, den geforderten „Aufstand der Anständigen“ zu unterstützen. Und die sind auch an der Hafenstraße in der Mehrheit, was die „Nazi raus“-Rufe im Spiel gegen Stuttgart 2 bewiesen haben sollten. Doch Faninitiativen werden in ihrer Arbeit immer wieder behindert und ihre Vertreter können sogar vor Gericht landen, nur weil sie ihren Job erledigt haben, nämlich das Verhindern von noch mehr Schaden durch schwierige Anhänger. Pauschale Verurteilungen ganzer Fanszenen sind Alltag, der Wunsch, nur noch in Sinne des DFBs familientaugliche Vereine zu unterstützen, ist bei der Zusammensetzung der Bundesliga offensichtlich. Dabei braucht es wieder eine Revolution von unten, um Probleme wie Misogynie und Rassismus aus den Stadien zu bekommen. Vertreterinnen, welche die friedliche Masse repräsentieren, gibt es genug, sie werden nur nicht als gleichberechtigte Partner angesehen, sondern sollen die Vorgaben des DFBs erfüllen. Diese Konfrontation fördert nur diejenigen, die das Stadion als rechtsfreien Raum für sich nutzen.

Auch der DFB als Institution sollte sich hinterfragen, ob in dem Altherrenklub die Gralshüter der Frauenrechte sitzen. Im Bundestag ist der Anteil der Frauen mit der vorgezogenen Wahl zurückgegangen und ein knappes Fünftel der Abgeordneten sorgt dafür, dass Frauenfeindlichkeit und Rassismus wieder salonfähig werden. Es fehlt an gesellschaftlichen und politischen Vorbildern, an denen sich auch der durchschnittliche Fußballfan orientieren kann. Das Fußballstadion ist doch nur ein Abbild dieser Entwicklung, einem kleinen Pöbel sitzt oder steht einer schweigenden Mehrheit gegenüber. Wenn der DFB wirklich ein Interesse hat, dieses zu ändern, sollte er vielleicht nicht über Kollektivstrafen die eigenen Taschen voll machen und diese Mehrheit bestrafen, sondern seine eigene Vorbildfunktion ernst nehmen und wieder die breite Fanbasis stärken.

Ich bin es im Übrigen müde, mich als Anhänger meines Vereins für andere, die sich nicht benehmen, zu entschuldigen. Das kann ich auch gar nicht. Aber es tut mir leid für Frau Michel, diese Erfahrung in Verl gemacht zu haben. Ich hoffe sehr, dass sie einmal an der Hafenstraße ein Spiel leiten kann und dort sieht, dass sie mit den RWE-Fans auch positivere Erlebnisse verbinden kann. Leider fürchte ich aber auch, dass sie in dem allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs noch häufiger schlechte Erfahrungen machen wird. Dies ist aber dann kein exklusives Problem eines Teils der rot-weissen Anhängerschaft.

In diesem Sinne NUR DER RWE!

Pascal Druschke