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Wenn zweite Mannschaften wirken, …

… sind erste Mannschaften nur noch zweite Wahl. Es sind wieder seltsame Dinge, die sich im Zusammenhang mit Zweitvertretungen in der Regionalliga West in diesen Tagen ereignen und die vorsichtig gesprochen einen sehr bitteren Beigeschmack hinterlassen.
Ein Kommentar.

Da dies hier ein RWE-Fanzine ist, wird es aus sattsam bekannten Ecken wieder heißen, RWE sei in Form seiner Fans nur beleidigt und habe Angst, den Aufstieg zu verfehlen. Allerdings sollten sich Fans und Verantwortliche aller Klubs, die eben in den Regionalligen mit ihren ersten Mannschaften spielen, fragen, was sie sich von den Zweitvertretungen der großen Bundesligaklubs noch alles gefallen lassen müssen wollen.

Das Strukturproblem ist seit gut zwei Jahrzehnten bekannt. Der Ruf danach, dass die sogenannten U23-Teams in einer eigenen Liga spielen, in denen sie sich nur untereinander die Punkte klauen, aber nicht anderen Klubs im Extremfall noch die Aufstiegsplätze, ist ein Thema, das der Dachverband DFB nicht diskutieren möchte. In der Regionalliga Südwest mischt der SC Freiburg II ordentlich um den Aufstieg mit. Auch dieser in der öffentlichen Wahrnehmung häufig als besonders sympathisch empfundene Verein weiß also die Ellenbogen auszufahren. Zweitvertretungen und ihren Auftritten in der Liga haftet zudem stets der Ruf der Wettbewerbsverzerrung an. Mal tritt eine solche Truppe nur mit ihrem originären Kader aus im Schwerpunkt Nachwuchskickern ergänzt mit einigen Altstars an, mal kommt sie mit massiver Profiunterstützung um die Ecke. Die Regionalligen bundesweit, gespickt mit großen Traditionsvereinen für die der sportliche Erfolg existenziell wichtig ist, werden somit zum Spielball der großen Branchenführer, die keinerlei Solidarität an den Tag legen und offenbar vergessen haben, wo sie selbst einmal herkamen.

Das hat vor allem Borussia Dortmund, ein Verein, mit dem sich RWE und seine Fans lange Jahre verbunden fühlten. In dieser Saison sind die Dortmunder einziger noch verbliebene ernsthafter Konkurrent von Rot-Weiss Essen um den Aufstieg in die Dritte Liga. Obwohl die Schwarz-Gelben bislang noch nicht ins Profiregal gegriffen haben, stehen sie sehr gut da, weil diese Mannschaft von vorneherein so aufgestellt worden ist, dass sie Regionalligaspitze darstellt. Das ist legitim. Weil die Regeln der Verbände es zulassen und interne Ligen für solche Mannschaften nicht ins Auge fassen. Das ist für einige Beobachter schon Grund genug, jegliche Kritik im Keime ersticken zu wollen.

Legitim, aber unschön ist auch, was die Schwarz-Gelben in den letzten Tagen für Kreativität im Regelwerk zeigten. Zunächst einmal machte man die Konkurrenz glauben, man schwäche sich selber, weil man Top-Torjäger Stefan Tigges mit einem Profivertrag ausstattete und die Zweite Mannschaft ohne ihren besten Stürmer dastand. Theoretisch. Denn Tigges spielte am vergangenen Wochenende sowohl Freitagabend in der Ersten des BVB als auch einen Tag später in der Zweitvertretung. Dort war er der überragende Spieler beim 3:0-Erfolg der Schwarz-Gelben bei einer anderen U23, der des 1. FC Köln. Warum so was geht? Weil Tigges zum Profi befördert worden und zudem erst 22 ist, darf er quasi zwischen den Mannschaften wechseln. Selbst in Corona-Zeiten.

Ebenso ruft die muntere Spielverlegungsorgie gegen Mönchengladbach II, die nun auch um eine Spielortverlegungsvariante erweitert worden ist, Stirnrunzeln hervor. Wie oft die Partie insgesamt schon nach hinten verschoben worden ist, bis der Termin 27.01. feststand, kann man kaum noch feststellen. Heimlich still und leise haben beide Vereine nun auch noch das Heimrecht getauscht. Es wird nicht wie ursprünglich geplant in Mönchengladbach gekickt, sondern in Dortmund. Ist ja nicht schlimm, werden einige wieder meinen, schließlich findet ja das Rückspiel dann in Gladbach statt. Dem darf man zweierlei entgegenhalten, erstens, dass solche munteren Verschiebebahnhöfe nur und exklusiv für zweite Mannschaften veranstaltet werden. Man bekommt fast zwangsläufig den Eindruck, für diese Truppen sind die Rahmenterminkalender ein Buffet, an dem sie sich frei bedienen dürfen. Zweitens darf ins Feld geführt werden, dass bei einem immer noch möglichen Saisonabbruch sich der BVB mal eben ein zusätzliches Heimspiel in die Wertung transferiert hat. Mithilfe eines intransparenten und schlecht erdachten Regelwerks zieht die Aktiengesellschaft derzeit alle Register und zeigt dem Rest der Liga eine lange Nase.

Solche Extrawurstbratbetriebe für zweite Mannschaften stempeln die Vereine mit Erstvertretungen zu Vereinen zweiter Klasse innerhalb ihrer Liga ab. Zwar können das viele Konkurrenten offenbar so lange gut ertragen, wie es das von ihnen ungeliebte RWE trifft. Nur sei an dieser Stelle klar gesagt, dass es in der Natur das Artensterben und im Fußball das Vereinssterben gibt bzw. die Vielfalt an Klubs in den oberen Ligen immer weiter abnimmt. Es sind nicht nur die Retortenklubs, die durch RBL eine Eskalation der Perversion darstellen. Nein, es sind auch die großen Traditionsklubs, die sich immer mehr als Kartellvereine aufspielen und ein Monopol auf sportlichen Erfolg für sich beanspruchen. Im Jahre 2017 begrüßte ein Teil der BVB-Anhänger noch Sympathisanten von RBL mit Steinwürfen in Dortmund. Denn der BVB, das ist echte (Fußball)-Liebe. Fraglich, wie das eigene Selbstverständnis mittlerweile aussieht. In Dortmund benimmt man sich längst so rücksichtlos anderen gegenüber wie in München. Im Grunde könnten diese beiden Klubs als Bavaria Borsigplatz auch fusionieren. Aber auch das würde in einer Zeit, in der Fußballfans durch Fußballkonsumenten substituiert werden keinen mehr schocken und keinen Verband zum Handeln bewegen.

Sven Meyering