Vorbericht
RWE greift nach einer relativ kurzen Winterpause von exakt 6 Wochen bereits am Freitagabend wieder in das Ligageschehen ein. Es wartet eine schwere Auswärtsaufgabe, Christian Titz und die Seinen reisen zur Zweitvertretung des 1. FC Köln in die Rheinmetropole. Ein Dreier im Franz-Kremer-Stadion würde sehr gut tun, denn die Rot-Weissen gehen schon mit Beginn der Rückrunde in die Wochen der Wahrheit.
Mit Köln 2 (Tabellenfünfter) sowie den zwei Heimspielen gegen Tabellenführer SV Rödinghausen und den derzeitigen Vierten RWO warten sogleich harte Konkurrenten und so dürfen die Titz-Schützlinge im Grunde keinen Fehlstart hinlegen. Von daher nimmt man an der Hafenstraße die Aufgabe sehr ernst. Knapp eine Woche schufteten die Essener zuletzt im spanischen Trainingslager. Ein solches gönnten sich die gastgebenden Kölner jedoch ebenfalls. Beim im Januar sicherlich bereits in närrischer Vorfreude befindlichem FC Kölle werden die Rot-Weissen kühlen Kopf bewahren müssen. Nicht wenige im RWE-Umfeld sprechen diese Tage wie eigentlich fast immer davon, dass ein Sieg Pflicht sei. Ob man nun jedem Spiel solch schicksalsträchtige Attribute verleihen muss, soll dahingestellt sein. Wer Christian Titz kennt, weiß jedoch, dass der Trainer fest auf Sieg setzen wird. Als Dritter reisen die Roten an den Rhein. Der sehr bittere Jahresausklang mit der 0:2 Heimschlappe gegen Abstiegskandidat Homberg schmälerte die Freude über ein eigentlich sehr erfreuliches zweites Halbjahr 2019 doch erheblich und die Essener setzten sich damit leider selbst unter Erfolgsdruck. Satte 6 Punkte liegt Rödinghausen vor den Rot-Weissen, hat allerdings auch ein Spiel mehr auf dem Konto. Auf einen Ausrutscher des Tabellenprimus am Samstag gegen Bergisch-Gladbach sollten die Roten jedenfalls nicht hoffen. Der Zweite SC Verl pausiert weiterhin, denn sie sind spielfrei. Seit dem 30.11.2019 haben die Ostwestfalen kein Ligaspiel mehr bestritten. Der Spielplan in Kombination mit Absagen schlägt hier weiterhin Kapriolen. Der Tabellenvierte Oberhausen empfängt Gladbach 2 und wird einen Dreier fest anvisieren. RWE muss jedoch den Blick auf die anderen Plätze vermeiden und sich voll auf die eigene Aufgabe fokussieren. Wegen der oben genannten Konstellation sollte man nicht mit leeren Händen von den Geißböcken zurückkehren.
Sehr gerne denken die Rot-Weissen an das Hinspiel zurück. Und das, obwohl es alles andere als verheißungsvoll begonnen hatte. Die Mannschaft von Kölns Trainer Mark Zimmermann galt vor Saisonbeginn als einer der Mitfavoriten der Liga und hatte genau wie RWE seine ersten beiden Ligaspiele gewonnen. Abstimmungsfehler in der Essener Defensive ermöglichten den Kölnern die frühe Führung und in der Folgezeit kamen die Gastgeber nicht wirklich ins Spiel. Da griff Christian Titz zu weitreichenden taktischen und personellen Veränderungen. Nach einer halben Stunde musste Marcel Platzek das Feld räumen, weil Titz einen ballsicheren Spieler in der Sturmzentrale bevorzugte. Ins Spiel kam Jan-Lucas Dorow, der als „falsche“ Neun in diesem und den künftigen Spielen zunächst den klassischen Mittelstürmer als Typus verdrängen sollte. Titz zeigte zudem keine Scheu, seinen Gelb verwarnten Kapitän Marco Kehl-Gomez noch in der ersten Hälfte vom Feld zu nehmen. Für ihn kam Florian Bichler, der auf die rechte defensive Bahn ging, während Daniel Heber von dort ins Abwehr-Zentrum wechselte. Eine Position, auf der Heber fortan für Furore sorgen sollte. Die Maßnahmen fruchteten. Kurz vor dem Pausenpfiff gelang Joshua Endres der Ausgleich. In der zweiten Hälfte stürmte RWE pausenlos. Bichler gelang ein Tor, diesem wurde zu Unrecht die Anerkennung wegen fälschlich gesehenem Abseits verweigert. Das Happyend kam dennoch. Die Nachspielzeit war gerade eingeläutet, da schoss der ebenfalls eingewechselte Adetula nach einer von den Geißböcken schwach geklärten Ecke vom rechten Strafraumeck die Kugel flach und scharf ins Zentrum, Dorow hielt den Fuß hinein und versetzte ganz Essen in Ekstase, denn der Ball fand den Weg ins Tor. Christian Titz begründete mit diesem Spiel seinen Ruf als gewiefter Taktiker und Wechselmagier, den er noch Wochen danach regelmäßig zu bestätigen wusste. Warum nicht auch jetzt wieder? Während man sich im Hinspiel im Stadion Essen im Sommer und optimalen Rasenbedingungen getroffen hatte, dürfte nun ähnlich wie in Dortmund ein Match auf Matsch anstehen. Vielleicht wird daher wieder der Wille über Sieg und Niederlage entscheiden, RWE zeigte in dieser Saison jedenfalls schon mehrfach eine Riesenmentalität.
Personell wird es im Vergleich zur Hinrunde Veränderungen auf beiden Seiten geben. Salih Özcan, im Hinspiel als millionenschwere Profileihgabe Schütze der zwischenzeitlichen Gästeführung, schnürt seine Schuhe mittlerweile für den Zweitligisten Holstein Kiel. Vorerst nur als Leihgabe. Darko Curlinov erzielte in nur 9 Auftritten für die Geißbockreserve stolze 6 Treffer, eine Bilanz, die ihn für Zweitligist VFB Stuttgart interessant machte. Wer aus dem Kölner Profikader am Freitagabend gegen RWE auflaufen wird ist wie fast immer bei Reservemannschaften eine Wundertüte. Überhaupt ist in Köln nach der Amtsübernahme von Markus Gisdol als Cheftrainer der „Ersten“ das Personalkarussel mächtig in Fahrt gekommen. Gisdol, genau wie Christian Titz auch schon hauptverantwortlicher Cheftrainer beim HSV, schätzt ebenso wie der RWE-Trainer besonders die jungen Spieler. Mit einer verjüngten Truppe hat der FZÄH in der Bundesliga zuletzt für Furore gesorgt und eine Siegesserie hingelegt. Wohl ein weiterer Ansporn für die Reservekicker der Kölner, ein Empfehlungsschreiben nach oben abzugeben. Und gegen wen ginge dieses besser als gegen RWE? Unsere Roten sollten daher gewarnt sein und sich auf einen hochmotivierten Gastgeber einstellen. Essen hat ebenfalls personell etwas umstrukturiert. Gänzlich neu ist der defensive zentrale Mittelfeldspieler Jonas Hildebrandt, in Köln kein Unbekannter, von 2016 -2018 spielte Hildebrandt auch für die Kölner Reserve und empfahl sich dort für höhere Aufgaben. Essens sportlicher Leiter Jörn Nowak lotste den 23-Jährigen aus Rostock an die Hafenstraße. Dort soll er helfen, das in der Hinrunde nicht immer stabile Defensivverhalten in der Mittelfeldzentrale zu stärken. Nicht unbedingt ein Liebesbeweis für Routinier Dennis Grote. Bis zum 31.01 könnten die Essener weitere Spieler verpflichten oder auch abgeben. Heißester Wechselkandidat ist derzeit Benjamin Wallquist. Der Österreicher flirtet heftig mit einem Verein aus der ersten Liga seines Heimatlandes. In der Meisterschaft kam Wallquist keine Sekunde für RWE zum Einsatz. Von seiner sportlichen Vita, u.a. der TSG Hoffenheim und österreichischen U-Auswahlmannschaften, hätte man den 19-Jährigen höher einschätzen dürfen. Da RWE offiziell aber noch einen Innenverteidiger und damit einen Spieler auf Wallquists Position sucht, stehen dessen Aktien bei Chefcoach Titz wohl überschaubar hoch.
Das galt vor dem Aufbruch ins spanische Trainingslager offiziell auch für drei weitere RWE-Kicker. Robin Heller, in den Vorjahren längere Zeit die Essener Nummer 1, ist hinter Jakob Golz und Marcel Lenz nur die Nummer Drei in der Torhüter-Hierarchie. Für einen reinen Tribünenhocker ist Heller aber zu teuer. Der rechte Flügelspieler Jonas Erwig-Drüppel wurde vor genau einem Jahr von der halben Regio West gejagt. Sein damaliger Arbeitgeber, der Wuppertaler SV, hatte sich in seiner Saisonplanung derart finanziell übernommen, dass im Grunde der ganze Kader für andere Arbeitgeber freigestellt wurde. RWE machte das Rennen. Auch vor dem Hintergrund, dass Toppspieler Kai Pröger kurz darauf zum damaligen Zweitligisten Paderborn wechselte, war auf dieser Position Bedarf. JED, wie man ihn gerne abkürzt, konnte in Essen jedoch leider nie die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen. Dafür verantwortlich waren auch langwierige Verletzungen. Auch in dieser Saison kam der blonde Flügelflitzer kaum zum Zuge. Gerade auf den Flügeln verfügt Essen über eine Vielzahl starker Alternativen. Offiziell kann auch er sich daher einen neuen Arbeitgeber suchen. Das Essener Arbeitspapier für JED ist aber wohl gut dotiert. Nicht jeder Regionalligist wird da beherzt zugreifen wollen und bislang tat es auch keiner.
Vielleicht gelingt Erwig-Drüppel aber eine ähnliche Trendwende wie Angreifer Enzo Wirtz. Auch dieser sollte sich eigentlich nach einem neuen Klub umschauen. Sehr zum Ärger nicht gerade weniger Essener Anhänger. Zur Erinnerung, in der Vorsaison traf Wirtz häufig aus der Jokerrolle heraus neunmal ins gegnerische Netz, so häufig wie kein anderer RWE-Kicker. Enzo haftet der Ruf eines echten Knipsers an, und zwar trotz nicht hoher Einsatzzeiten. In dieser Saison traf der Ex-Wuppertaler in seinen ersten 9 Saisonminuten gleich zweimal, und das beim Derby in Oberhausen. Danach kam er dennoch nur noch zu zwei Kurzeinsätzen in der Liga, traf aber regelmäßig bei seinen Einsätzen im Niederrheinpokal. Dass Wirtz gehen sollte, rief daher vermehrtes Stirnrunzeln hervor. Vor allem auch deswegen, weil die Chancenverwertung des Tabellendritten sich als arg verbesserungswürdig zeigte. Warum daher einen neuen treffsicheren Stürmer suchen, wenn man den im Grunde schon hat? Sehr zur Freude des RWE-Anhangs stieg Enzo Wirtz trotz der für ihn desillusionierenden Ansage wie Phönix aus der Asche empor. Beim Hallenturnier in Gummersbach holte er sich die Torjägerkanone und trat im spanischen Trainingslager derart überzeugend auf, dass ihm nun plötzlich sogar ein Startplatz beim Match in Köln winkt. Hier ist die Hoffnung da, dass Enzo nicht nur über das Ende des Transferzeitraumes RWE erhalten bleiben wird, sondern womöglich sogar als „Neuzugang“ in der Sturmzentrale aufblüht. Es spricht jedenfalls auch für Christian Titz, dass dieser nicht stur an seinen Vorgaben festhält, sondern das Leistungsprinzip hochhält. In dieser Woche gab es zudem bereits eine sehr erfreuliche Nachricht von der Hafenstraße 97 A. Mit Daniel Heber bleibt RWE einer der derzeitigen Leistungsträger schlechthin über das Saisonende hinaus erhalten. Heber unterzeichnete einen neuen Kontrakt. Die Befürchtungen, das Essener Eigengewächs könnte den Verlockungen höherklassiger Klubs erliegen und im Sommer seine Zelte woanders aufschlagen, können somit ad acta gelegt werden. Der RWE-Tross reist also am Freitag optimistisch nach Köln und will den Gastgebern dort ordentlich einen auf die Narrenkappe geben. Packen wir es an!
NUR DER RWE!
Sven Meyering
Spielbericht
Am Ende eines kalten Kölner Abends stand RWE als verdienter Sieger fest. Mit drei weiteren Punkten bleiben die Essener auf den Fersen der Rödinghauser und doch blieb das Spiel am Geißbockheim sehr lang spannend, bis endlich Amara Condé den Essener Anhang mit dem Tor des Tages erlöste. Während die Abwehr sich sehr stabil präsentierte, drückt der Schuh weiterhin in der Chancenverwertung.
Zunächst einmal wurde die Aufstellung leicht verändert zum gewohnten Bild 2019. Nachdem man Enzo Wirtz bereits auf dem Abstellgleis wähnte, bewies der junge Stürmer richtig Charakter und zeigte Christian Titz, warum es ein Fehler wäre, ihn abzugeben. Das gelang ihm so gut, dass er von Beginn an spielen durfte. Aber auch der Neuzugang aus Rostock, Jonas Hildebrandt, spielte sofort, was nicht überraschend war, da Christian Titz bereits im Vorfeld sagte, dass er ein kompaktes Mittelfeld mit Marco Kehl-Gomez und eben Hildebrandt als bestmögliche Variante im Moment sieht.
Die Essener hatten sich offensichtlich viel vorgenommen und starteten stark in das Spiel. Während die Möglichkeit von Enzo Wirtz von der Seite noch eher wenig aussichtsreich war, passte Kefkir auf Dorow, der völlig frei vor FC-Keeper Brady Scott auftauchte. Dieser schoss Scott aber direkt an, sodass die beste Chance nichts einbrachte. Danach kam auch Köln II besser ins Spiel und Nottbeck und Caliskaner prüften beide Jakob Golz, der allerdings beide Male die Oberhand behielt.
Danach neutralisierten sich die Teams weitestgehend. Da auch in Köln sehr viel Qualität vorhanden ist, nicht ohne Grund steht der FC auf Platz 5, geriet das Spiel zu einem Abnutzungskampf. Zum psychologisch angeblich wichtigen Zeitpunkt hätte Enzo Wirtz die Rot-Weissen beinahe in Führung gebracht, doch der gut platzierte Kopfball nach einer Ecke wurde im letzten Moment von einem Kölner Abwehrspieler auf der Linie geklärt.
An Leistung und Einsatz seiner Mannschaft konnte Christian Titz zur Halbzeit nichts kritisieren, allerdings an der Chancenverwertung. Einer, der nicht viele Chancen liegen lässt, ist Joshua Endres und der durfte zur zweiten Halbzeit für Kefkir, der am Freitag unter dem Radar spielte, auf den Platz. Nachdem sich die Teams eine weitere Viertelstunde keinen Zentimeter schenkten, war es ebenjener Endres, der zur Grundlinie durchstartete und über Kehl-Gomez und eine sehenswerte Aktion von Amara Condé frei vor dem Torwart stand. Der Volleyschuss ging dann aber deutlich über das Tor.
Nach zwei wenig aussichtsreichen Schüssen auf beiden Seiten gab es einen Aufschrei unter den Essener Fans, als der Schiedsrichter ein vermeintliches Handspiel nicht ahndete (68.). Nach Sichtung der bewegten Bilder fällt eine eindeutige Entscheidung schwer. Am Ende muss der Schiedsrichter eine Entscheidung fällen, die einem der Teams nicht gefällt, in dem Fall ist es Rot-Weiss Essen. Eine klare Fehlentscheidung ist indes nicht zu erkennen.
Viel Spielraum gab es für den Schiedsrichter nach einer Rudelbildung, die von Vincent Koziello und Mario Kehl-Gomez ausging nicht. Beide bekamen regelkonform gelb. Ärgerlich für Koziello war, dass er schon vorher die gelbe Karte sah und durch seine Unbeherrschtheit sein Team schwächte.
Dies war die Initialzündung von RWE. Nachdem Dorow schon vor dem Platzverweis mit einem Kopfball ein zweites Mal frei vor Keeper Scott scheiterte, servierte David Sauerland in der 84. Minute perfekt auf Amara Condé im Fünfmeterraum. Da Condé den Ball in den Rücken bekam, war dieser schwierig zu verwerten. Technisch perfekt schob der Mittelfeldmann den Ball am Torwart vorbei in die Maschen. Als man sich beinahe mit dem Unentschieden angefreundet hatte, schlug RWE zu. Danach passierte nicht mehr viel. Endres hatte die beste Chance, auf 2:0 zu erhöhen, allerdings hatte Brady Scott einen Sahnetag erwischt.
Am Ende muss man zufrieden sein. Einzig die Torausbeute steht in keinem Verhältnis zum enormen Aufwand, den RWE betreibt. Hier sollten die Essener am kommenden Wochenende nicht zu leichtfertig mit guten Möglichkeiten umgehen. Denn es kommt niemand geringeres als der Tabellenführer an die Hafenstraße. Es ist die Möglichkeit vor der großen heimischen Kulisse den Rückstand nahezu komplett schmelzen zu lassen. Gehen wir es an!
Hendrik Stürznickel