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2019/2020 - Regionalliga West

Rot-Weiss Essen – Sportfreunde Lotte (4:1)

Die nächsten drei Punkte sind im Sack und gleichzeitig hat man Tante Lotte ohne Punkte zurück zum Autobahnkreuz geschickt. Nach einem 0:1-Rückstand, welcher der Ex-Essener Kevin Freiberger erzielte, trafen Marco Kehl-Gomez (44.) Marcel Platzek (48.), Joshua Endres (90.) und Hamdi Dahmani (90. +3) für die Rot-Weissen.

Vorbericht

Von Tante Lotte drei Punkte erben: das möchte Rot-Weiss Essen am kommenden Samstag ab 14 Uhr im Stadion Essen. Gelänge dieses, so hätte RWE der Niederlagenserie von drei Partien eine Siegesserie in der Liga von dann ebensolcher Länge entgegengesetzt. Die Zufriedenheit im Essener Lager würde dann wieder wachsen. Die ganzen Konjunktive zeigen es, derzeit befinden sich unsere Roten gefühlt in einer Art Grauzone. Die große Euphorie des Saisonbeginns ist erst einmal einer gewissen Ernüchterung gewichen. Schunkelten die RWE-Fans bis einschließlich der Partie gegen den Bonner SC in den Schlussminuten bier- und feierselig dem Schlusspfiff entgegen, so benötigte der Anhang nach Ende der letzten Partien eher einen Schnaps zur Nervenberuhigung. Diese Worte legen nahe, dass es zuletzt schlecht lief bei RWE. Auch das ist nicht ganz richtig. Die Titz-Schützlinge errangen zwei Auswärtssiege in Folge und stoppten den Abwärtstrend. Aber nach dem famosen Saisonstart war die Fallhöhe des Essener Teams entsprechend hoch geworden. So ist eine der derzeitig großen Fragen, ist das Glas halb voll oder halb leer?

Prickelnden Champagner servierten die Rot-Weissen ihren Anhängern auch in Düsseldorf sicherlich nicht. Da diese ohnehin viel lieber Bier trinken, wäre das noch nicht das große Problem. Jedoch mehren sich bereits im Umfeld die kritischen Stimmen. Dabei geht es um das Spielsystem, die Aufstellungen sowie die Rotation. Christian Titz gibt seiner Mannschaft eine glasklare Marschroute mit auf den Weg. Der Coach fordert dominanten Ballbesitzfußball, der Gegner soll laufen, während RWE den Ball laufen lässt. In diversen Partien spielten die Essener ihren Gegner dabei erkennbar müde und übernahmen mit zunehmender Spieldauer das Kommando immer klarer. Lange Bälle aus der eigenen Abwehr sind dabei verpönt, auch in engen Situationen soll die Lederkugel hinten heraus gespielt und nicht geschlagen werden. Dieses kostet den Anhang einerseits Nerven, wenn der Ball mehrfach auch durch den eigenen 16er rotiert und der Torhüter bei Ballbesitz als elfter Feldspieler auch weit außerhalb des eigenen Torraumes fungieren soll. Andererseits werden bei erfolgreicher Überbrückung des ersten Drittels viele Räume für die Essener frei, wenn beim Gegner durch dessen erfolgloses Pressing Räume offen klaffen. Alle diese Dinge, die zunächst gut funktionierten, wurden in den letzten Partien weniger gut vorgetragen. Harte Kritiker stellen mittlerweile ein konzeptloses Ballgeschiebe fest. Dieses erscheint arg übertrieben, aber dass die Roten häufiger den Ball quer und hinten herum zirkulieren lassen als ihn schnell in die Spitze zu spielen ist nicht ganz abzustreiten. Beim Schlusslicht aus Bergisch Gladbach und der Zweitvertretung von Fortuna Düsseldorf reichte es dennoch jeweils zu glanzlosen aber wichtigen Auswärtssiegen. Das altbekannte Credo „über den Kampf zum Spiel finden“ wurde dabei von der Mannschaft berücksichtigt. Kritik wird aber auch an den Aufstellungen laut. Eine gewisse Affinität zu Jan-Lucas Dorow auf der „falschen Neun“ ist bei Christian Titz spürbar. Gelernte Stürmer wie Marcel Platzek, Hedon Selishta und Enzo Wirtz stehen offenbar weniger hoch im Kurs, zumindest bei Spielbeginn. Titz möchte den Gegner zunächst durch eine spielerisch starke Performance müde machen und dann mit klassischen Stürmern als Joker zuschlagen. Das klappte mehrfach gut, z.B. in Oberhausen, in Lippstadt und gegen Bonn. Wenn der Gegner aber sehr robust auftritt wie zuletzt Düsseldorf ist der Einsatz eines körperlich präsenten Mittelstürmers wie Marcel Platzek jedoch offenbar die bessere Variante. Nachdem Platzo in der zweiten Hälfte dabei war, lief es besser bei RWE. Leider blieb ihm der eigene Treffer missgönnt, jedoch zwang er seinen Gegenspieler förmlich dazu, den Essener Siegtreffer selber zu erzielen. Nicht wenige Anhänger der Roten wünschen sich daher die Dauerpräsenz einer „klassischen Neun“ auf dem Feld. Das viele Rotieren mit sehr stark wechselndem Personal ist auch eines der neuen Lieblingsthemen. So traf in der jüngeren Vergangenheit selbst einen als Führungsspieler verpflichteten Dennis Grote mehrfach das Schicksal der Ersatzbank, Marcel Lenz verlor seinen sicher scheinenden Stammplatz im Tor an Jakob Golz. Dieser hielt übrigens in Düsseldorf vortrefflich. Aber der Verlust der Sicherheit im RWE-Spiel wird in diesen Tagen auch gleichgesetzt mit zu häufigem Personalwechsel, der es verhindere, dass die gewünschten Abläufe klarer verinnerlicht werden.

Bei aller Kritik stehen jedoch unter dem Strich 25 Punkte aus 12 gewerteten Partien, der Punkteschnitt beträgt somit 2,08 und ist der mit Abstand beste, den RWE seit 2011 und seiner Wiederzugehörigkeit zur Regionalliga vorzuweisen hat. Ebenso ist die körperliche Verfassung der Essener beeindruckend gut, die Roten zeigen stets einen langen Atem über die gesamte Spielzeit. Schwierigkeiten erzeugt jedoch der Umgang mit besten Torchancen. Fast in jedem Vorbericht der letzten Wochen mussten wir das leider ansprechen. Umgekehrt erspielen und erarbeiten sich die Essener diese Gelegenheiten. In den Vorjahren nahm man häufiger Spiele zur Kenntnis, in denen es manchmal tatsächlich keine einzige oder nur ein bis zwei nennenswerte Gelegenheit gab. Zudem zeigte sich RWE unter der Woche beim haushohen Niederrheinpokalerfolg gegen die Spielvereinigung Schonnebeck, immerhin der Dritte der Oberliga Niederrhein, torhungrig, bissig und griffig. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass dieselbe Paarung im Jahre 2016 noch in die Verlängerung gegangen war. RWE siegte nur unter größeren Mühen letztlich 2:0. Nun war der sprichwörtliche Käse nach einer halben Stunde bereits gegessen und unsere Mannschaft ließ trotzdem nicht nach und schoss sich den Frust von der Seele. Als der zuletzt viel gescholtene Hamdi Dahmani einen Elfmeter zum 6:0 Zwischenstand verwandelte, ballte die Essener Nummer 30 emotional die Faust und wurde herzlich beglückwünscht von seinen Mitspielern. Am Ende hieß es 9:0. Eine klare Ansage. Die sehr Unzufriedenen sollten sich das vielleicht einmal zu Gemüte führen. Das Motto „Niemals aufgeben“, welches der Mannschaft zu Saisonbeginn von ihren Anhängern mitgegeben worden ist, sollte auch von diesen selbst beherzigt werden.

Mit den Sportfreunden Lotte, nur halb liebevoll gerne die Tante genannt, erwartet RWE nun am Samstag einen Gegner, der sich mittlerweile gut in die Saison hinein gearbeitet hat und eine echte Herausforderung darstellt. Nach dem Abstieg aus der Dritten Liga schien man zunächst kaum einen konkurrenzfähigen Kader aufstellen zu können. Nachdem dieses gelungen war, machten Schlagzeilen von nicht gezahlten Gehältern und gar einer drohenden Insolvenz die Runde. Lotte scheint das insgesamt mit guter Moral verkraftet zu haben. Ismail Atalans Truppe steht bei 19 Zählern aus 13 Partien, und hat somit ein Spiel mehr ausgetragen als RWE, oder besser in der Wertung. Auswärts in Verl punktete die Elf. Die Mannschaft vom Autobahnkreuz zeigte sich dabei defensiv diszipliniert, zweikampf- und lauffreudig und offenbarte ebenso Qualitäten im schnellen Umschaltspiel. Dennoch hätten die Gastgeber die Tante bei konsequenterer Chancenverwertung eigentlich besiegen müssen. Bei dieser Erkenntnis zieht der geneigte RWE-Fan die Augenbrauen kritisch nach oben, denn genau das stellt sich derzeit als eine der größten Baustellen bei den Essenern dar.

Zum Lotter Personal. Einer digitalen Publikation der Funke-Mediengruppe wird es diese Woche sehr wahrscheinlich gleich mehrere Home-Storys wert sein. RWE feiert ein Wiedersehen mit gleich drei ehemaligen Hafenstraßenkickern. Am unspektakulärsten dürfte dieses mit Alexander Langlitz ausfallen. Der Rechtsverteidiger spielte nur eine Saison für RWE, und zwar von 2013 bis 2014. Die hohen Erwartungen konnte er nicht erfüllen. Seitdem kickt er in Lotte, wo seine Leistungen höhere Zufriedenheitswerte erreichten. Die RWE-Vita des gebürtigen Esseners Kevin Freiberger liest sich ebenfalls ohne größere Wiedererkennungswerte. In der Rückrunde 2014/15 von Osnabrück an RWE ausgeliehen wurde die Leihe nach einem halben Jahr wieder beendet. Als Freiberger in der Spielzeit 2018/19 ausgerechnet aus Lotte an die Hafenstraße zurückgeholt und mit einem Zweijahresvertrag versehen wurde, titulierten ihn die Medien als „Königstransfer“. Im ersten Saisonspiel in Rödinghausen waren Freiberger ganze 19 Sekunden vergönnt, ehe er in einem stürmisch geführten Zweikampf einen Kreuzbandriss erlitt. Wirklich erholt hat er sich davon nicht mehr. Zudem sahen ihn die Essener Verantwortlichen nicht unbedingt als spielsystemkonform an. In der Vorbereitung auf die laufende Saison teilte ihm Christian Titz daher mit, dass die weiteren Planungen ohne ihn laufen würden. Das bekam „Bürgermeister“ Timo Brauer schon lange vorher mitgeteilt. Die Dienste des defensiven Mittelfeldspielers hielt RWE für entbehrlich. Eine pikante Personalie, da Brauer den Ruf des „Essener Jung“ hatte. Seine Unzufriedenheit über die Entscheidung der Verantwortlichen äußerte er auch öffentlich. Das Ende wirkte daher unschön, das wurde vor allem durch Berater Kai Michalke weiter befeuert. Die Konkurrenz stand jedoch nicht Schlange bei Brauer. Bevor er dann in Lotte einen Vertrag unterschrieb, zuvor hielt er sich schon im Training dort fit, sprachen die Verantwortlichen zunächst davon, sich einen solchen Spieler nicht leisten zu können. Die Trendwende folgte. Weiter diskutieren muss man das an dieser Stelle nicht. Die drei Ex-Essener werden jedoch sicherlich besonders motiviert sein. Daran mangelt es aber den rot-weissen Gegnern ohnehin sehr selten. Im Kader der Sportfreunde sind noch Mittelfeldspieler Erhan Yilmaz, Dreh- und Angelpunkt des Offensivspiels, sowie der profierfahrene niederländische Angreifer Jules Reimerink erwähnenswerte Personalien. Zuletzt fehlte Reimerink jedoch wegen einer Knieverletzung.

Schauen wir auch über den Tellerrand, was erwartet die härteste Konkurrenz an diesem Wochenende, zumindest planmäßig? Tabellenführer SC Verl dürfte eigentlich zum dritten Mal in Folge Zuhause ran. Mit dem BVB 2 wartete ein im Grunde guter Gegner. Der steckt aber im akuten Formtief. Aus den Partien gegen Aachen und Gelsenkirchen 2 gab es 0 Punkte bei 1:8 Toren. Da hoffte der RWE-Fan auf eine Trotzreaktion an der Poststraße. Verl dürfte aber ziemlich unter Adrenalin stehen. Die Ostwestfalen besiegten in der 2. Hauptrunde des DFB-Pokals Zweitligist Holstein Kiel nach Elfmeterschießen. Direkt nach dem Spiel stellte sich die Frage, ob dieses Glücksgefühl den sicherlich hohen Kräfteverschleiß wett mache? Verl beantwortete die Frage selber. Am Donnerstag traf die wundersame Meldung einer Platzsperre der Verl-Arena ein. Das Spiel könne nicht stattfinden, weil der Rasen ramponiert sei und die Aufräumarbeiten nach dem Kiel-Spiel noch andauern würden. Das habe die Stadt verl entschieden. Die Regularien sehen an dieser Stelle jedoch zunächst einmal den Einsatz einer unabhängigen Platzkommission vor. So stellt sich hier die große Frage, ob es eine solche Kommission gegeben hat. War es so und das Geläuf wurde für unbespielbar erklärt, so hätte man das eben hinzunehmen. Mit einer solchen Informationspolitik wird der Verdacht auf Unregelmäßigkeiten jedoch erhärtet. Wo ist die Stellungnahme des Verbandes dazu? So muss jeder glauben, Verl nehme sich das Recht alleine zu entscheiden und Regularien zu missachten. Unter Billigung des Verbandes.

Weitere Fragen die aufkommen…
Der Termin für das Pokalspiel gegen Kiel stand seit Wochen fest. Warum wurde nicht von vorne herein eine Verlegung auf den Sonntag getätigt? Ein Tag länger für die Regeneration von Mannschaft und Rasen des SC Verl. Man hätte das damals in keiner Weise für anrüchig gehalten. Jetzt allerdings schon. Warum wird zudem nicht in Erwägung gezogen, im nahen Wiedenbrück zu spielen? Am Samstag wäre das Jahnstadion des SCW verfügbar. Und besonders interessant, in der Tönnies-Arena in Rheda ist Verl wegen Problemen mit dem Rasen schonmal ausgewichen und spielte dort 2016 gegen Düsseldorf 2. Den Verlust des eigentlichen Heimvorteils hielt man damals für verkraftbar. Das alles nährt den Verdacht, dass es in erster Linie darum geht, dass nicht gespielt werden soll. Hier zitieren wir jetzt einmal einen Oberhausener, und zwar Präsident HaJo Sommers. „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!“

Rödinghausen geht im OWL-Duell bei Lippstadt 08 favorisiert an den Start, RWO hat im Heimspiel gegen Düsseldorf 2 auf dem Papier auch die besseren Aktien. Auf Patzer der Konkurrenz sollten unsere Roten daher nicht hoffen. Tante Lottes Punkte-Sparstrumpf sollte auf der Rückfahrt daher leer bleiben.


NUR DER RWE!

Sven Meyering

Spielbericht

Manche Szenen sagen mehr als Tausend Worte. Um 15:46 bildete sich eine rot-weisse Spielertraube um Joshua Endres, der nur Sekunden zuvor in der ersten Minute der Nachspielzeit das Tor zum 3:1 für RWE gegen die Sportfreunde aus Lotte erzielt hatte. Auch Keeper Jakob Golz eilte über das gesamte Spielfeld, um sich den Gratulanten anzuschließen. Der Druck fiel endgültig ab von den Essenern, denn ein lange Zeit sehr enges Spiel war nun entschieden. Die noch folgenden drei Minuten optimierten das Happy End noch, denn auch Hamdi Dahmani, bislang ohne Saisontor, beförderte die Kugel nach schöner Vorarbeit von Oguzhan Kefkir sehenswert in die Lotter Maschen.

Der Jubel zum 4:1 war auch eine sichtbare persönliche Befreiung für Dahmani, der ebenfalls auf das Herzlichste von seinen Teamkollegen beglückwünscht wurde. Der letztlich klare Erfolg war keine Selbstverständlichkeit, RWE musste ihn sich hart erarbeiten und belohnte sich am Ende für den Einsatz.

Dabei begann es wenig verheißungsvoll. Nach 10 Minuten netzte zunächst einmal Kevin Freiberger zum 1:0 für die Gäste. Ausgerechnet Kevin Freiberger, der in der Saisonvorbereitung von RWE ausgemustert worden war und nach seiner Rückkehr nach Lotte bereits sein 6. Saisontor machte. Es war die erste Torannäherung der Tante überhaupt, bis dato spielte nur RWE. Die Gastgeber, die wieder mit Dennis Grote aufliefen und zudem Erolind Krasniqi für Jan-Lucas Dorow und Marcel Platzek als echte Spitze aufgeboten hatten, waren danach sichtlich angeschlagen. Es ging wenig nach vorne und die Hafenstraße begann zu murren. Lotte hatte noch eine weitere Chance, erneut durch Freiberger, die aber nicht zum Treffer führte und bis zum Pausentee die letzte Gelegenheit der Gäste darstellen sollte. Diese verteidigten weitestgehend kompakt. Zudem handelten sich sowohl Grote, der damit nächste Woche in Wuppertal gesperrt ist, als auch Amara Condé jeweils die Gelbe Karte ein. RWE wirkte in dieser Phase fast paralysiert und brauchte bis zur 32. Spielminute, um vielversprechend vor das Gästetor zu kommen.

Dafür verantwortlich war eine starke Kombination der Rot-Weissen, die sich bis vor den 16 Meter Raum durchspielten, wo Erolind Krasniqi rüde von den Beinen geholt wurde. Gelb für Lottes Yilmaz und Freistoß für RWE aus bester Position. Den jagte Kefkir zwar über das Tor, doch war dieses eine Art Weckruf. Bis zum Pausentee, den gab es diesmal ungewohnt sogar auf den Tribünen, gingen die Essener deutlich zielstrebiger zu Werke und setzten Lotte an deren Strafraum fest. Die Belohnung, der Ausgleich in der letzten Minute der regulären Spielzeit von Hälfte 1. Marco Kehl-Gomez war auf dem rechten Flügel schön freigespielt worden und passte scharf nach Innen. Der eigentliche Adressat war wohl Marcel Platzek, der erreichte die Kugel zwar nicht, irritierte seinen Gegenspieler Christian Rahn aber so sehr, dass dieser persönlich die Kugel ins eigene Netz verlängerte. Eine Duplizität der Ereignisse aus der Vorwoche in Düsseldorf. Große Erleichterung und nun ging es rund an der Hafenstraße.

Da Lotte bis dato das Zeitspiel arg übertrieben hatte, gab Schiedsrichter Philipp Hüwe 4 Minuten oben drauf und die Tante konnte sehr froh sein, mit einem Remis den Gang in die Kabine antreten zu dürfen. Die Körpersprache eines jeden RWE-Akteurs war sofort eine gänzlich andere und die Führung lag in der Luft. Eine Szene wirkte dabei recht unspektakulär, illustrierte aber sehr gut die veränderten Kräfteverhältnisse. Erolind Krasniqi bedrängte den Ex-Essener und Lotter Kapitän Alexander Langlitz vehement um ihn vom Ball zu trennen, Langlitz flüchtete mit der Kugel von Krasniqi gejagt bis zur Seitenlinie, dort wurde er dann gefoult und bekam einen Freistoß. Interessant die Reaktion der Rahn-Tribüne vor der Langlitz letztlich zu Boden gegangen war. Krasniqi wurde für seine Hartnäckigkeit und den Einsatz mit Standing Ovations gefeiert. So begleitete RWE tosender Applaus auf dem Weg zur Halbzeitansprache des Trainers, knapp 15 Minuten zuvor waren dieselben Fans noch nicht zu Unrecht unzufrieden gewesen. Die Zuschauer sendeten damit ein klares Signal, wenn ihr rennt und kämpft, dann stehen wir immer hinter euch!

In der Pause waren auch alle Spieler der Essener Ersatzbank in das Stadioninnere beordert worden. Ein Zeichen, dass alle den Anweisungen des Trainers lauschen sollten. Die zweite Hälfte sollte spektakulär werden. Nach nur drei Zeigerumdrehungen bebte die Hafenstraße. Nach einer kurz ausgeführten Ecke war Lotte völlig unsortiert und Marcel Platzek erfreute sich großer Freiräume. Platzo köpfte die präzise servierte Kugel gekonnt ins lange Eck, der erste Saisontreffer für Essens Nummer 9, der wahre Jubelstürme auf dem Rasen und den Rängen auslösen sollte. Auch ein Treffer für das rot-weisse Herz, wohl jeder gönnte Platzek dieses Tor auch persönlich. In den folgenden gut 15 Minuten spielte RWE befreit von einigen Lasten nun zielstrebig und aggressiv nach vorne, auch das Pressing ließ kaum etwas zu wünschen übrig und auch spielerisch überzeugten die Titz-Schützlinge nun derart, dass das 3:1 nur als eine Frage der Zeit erschien. Die größte und schönste Möglichkeit bot sich Oguzhan Kefkir, der nach tollem Zuspiel von Krasniqi akrobatisch quer in der Luft lag und beinahe seinen Treffer von Homberg wiederholt hätte, die Kugel ging jedoch leider übers Tor. Toll gemacht von Ötzi.

Da die Vorentscheidung vertagt war, kämpfte sich Tante Lotte ins Spiel zurück. Zunächst begann jedoch die Wechselzeit. Lotte brachte Jules Reimerink für Yilmaz. Etwa zur selben Zeit hatte auch RWE zweimal gewechselt. Joshua Endres ersetzte Erolind Krasniqi, der diverse gute Szenen hatte, und Hamdi Dahmani kam für Dennis Grote. Auch Grote hatte im Grunde überzeugt, Titz sah aber hier wohl eine Gelb-Rot-Gefahr. Leider sollte Essens Führung in der Folgezeit wackeln. Nach 64 Minuten sah Daniel Heber für ein Foul an dem auf Rechts durchgebrochenen Sobotta kurz vor der Strafraumgrenze Gelb. Hebers Einsteigen war taktisch richtig, denn ansonsten hätte es eine gute Chance zum Ausgleich gegeben. Immerhin zwei davon bekam Lotte auch so. Kurz darauf überspielte Reimerink die Essener Abwehr mit einer gefühlvollen Flanke von links und der aufgerückte Abwehrchef Rahn hätte beinahe sein zweites Tor an diesem Tag erzielt, aber nun zum Leidwesen der Roten. Sein Kopfball strich nur wenige Zentimeter am Toreck vorbei, Golz war jedoch auch prächtig abgetaucht und hätte Schlimmeres womöglich verhindern können. Noch größer die Ausgleichschance nach 75 Minuten, diesmal kam die Flanke von der anderen Seite und als gleich zwei Lotter Spieler am langen Eck mutterseelenallein die Kugel hätten verwerten können, hatten wohl die meisten Fans im weiten Rund bereits mit der Führung abgeschlossen. Doch der Ball landete nicht im Tor, sondern an der Querlatte, den Abpraller klärte Alex Hahn artistisch. Das war knapp!

Das war es dann auch mit der Lotter Herrlichkeit. Die vorentscheidende Szene kam in der 81. Minute. Hahn schirmte die Kugel an der Seitenlinie ab und ließ diese ins Aus rollen, der übermotiviert erscheinende Langlitz grätschte ihn bereits Gelb verwarnt danach von hinten um. Ein tausendfacher gellender Schrei der Empörung von den Rängen und die korrekte Gelb-Rote Karte von Hüwel folgten augenblicklich. Hier muss man Alexander Langlitz fast schon Danke dafür sagen, dass er auch im eigentlich gereiftem Fußballeralter noch immer genauso undiszipliniert erscheint, wie man ihn einst an der Hafenstraße im RWE-Trikot kannte. Denn mit dieser Aktion beraubte er seine Farben um jegliche Chancen, die Wende noch herbeizuführen. Der dritte Ex-Essener im Bunde, „Bürgermeister“ Timo Brauer, war nur wenige Augenblicke zuvor ausgewechselt worden. Er spielte im Gegensatz zu Freiberger und Langlitz ohne auffällige Szenen. In Überzahl drängte RWE nun vehement auf die Entscheidung. Gleich zweimal hatte diese Hamdi Dahmani auf dem Fuß, vorerst bliebt ihm aber der Treffer versagt. Christian Titz erschöpfte in der Zwischenzeit sein Wechselkontingent. Bereits nach 77 Minuten war Jan Neuwirt für Condé gekommen. Der ehemalige Wolfsburger spielte seinen Part sachlich und ruhig. In der 86. Minute kam Florian Bichler für Marcel Platzek aufs Feld. Da es noch immer nur 2:1 stand, hatten die RWE-Fans, die ihre Mannschaft in vorbildlicher Art und Weise unterstützten, noch immer ein flaues Gefühl in der Magengrube, doch dann folgte das eingangs beschriebene Happy End mit einem Doppelschlag in der Nachspielzeit. Dieser bedeutete zudem die Rückkehr des Jokerglücks, denn Dahmani und Endres kamen beide von der Bank. Damit war das dritte Meisterschaftsspiel in Folge gewonnen, eine starke Reaktion auf die vorangegangene Pleitenserie. Auch spielerisch war ein Aufwärtstrend im Anschluss an die zähe Anfangsphase unübersehbar. Die Präsenz einer echten Neun auf dem Felde tat RWE offenbar gut. Ebenfalls auffällig, dass Jakob Golz zwischenzeitlich auch Flachabschläge lang herausspielte, wenn Lotte klar zustellte. Mit einem kopfballstarken Spieler vom Schlage Platzeks gehen diese Bälle jedenfalls dann nicht zwangsläufig verloren. Gut, dass hier mehr Flexibilität ins Spiel kam. So durfte am Ende gejubelt werden. Es folgte die Fete von Mannschaft und Tribünen und natürlich war auch die Kapitänstochter wieder mit von der Partie und feierte ausgelassen mit der Westtribüne. Schöne Bilder, die Mut für die nächsten Wochen mit noch 6 ausstehenden Partien bis zur Winterpause machen.


NUR DER RWE!

Sven Meyering

Fotos by M.R.

Fotos by M.E.

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