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Vorbericht
Es ist angerichtet an der Hafenstraße 97 A. Freitag, Flutlicht und eine wichtige Partie. RWE kann vorlegen und dem SC Verl bis auf drei Punkte auf den Pelz rücken. Eine verlockende Aussicht, drohte den Rot-Weissen doch vor ihrem spielfreien Wochenende ein satter 8-Punkterückstand auf die Ostwestfalen. Doch es bewahrheitete sich einmal mehr. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Trotz des hart erkämpften und eminent wichtigen Derbysieges gegen RWO erklärten diverse RWE-Anhänger die Saison schon für gelaufen. Zu souverän sei der SCV. Dieser wiederum stoppte am Rosenmontag den Online-Vorverkauf für sein Heimspiel gegen RWE am 21.03. Wohl vor allem, um einer Essener Faninvasion an der Poststraße noch irgendwie Herr werden zu können. Denn der rot-weisse Anhang ist mit einem male wieder heiß wie Frittenfett auf die laufende Saison.
Mitverantwortlich dafür die unmittelbare Konkurrenz. Alle Rivalen ließen Federn. RWO kam gegen die Sportfreunde Lotte, die in diesen Tagen ihren bisherigen Chefcoach Ismail Atalan zum Halleschen FC in die dritte Liga ziehen lassen müssen, nicht über ein 1:1 Unentschieden hinaus. Die Oberhausener, die im Falle eines Derbysieges an der Hafenstraße und einem anschließenden Erfolg gegen Tante Lotte RWE um 9 Punkte hätten enteilen können, erlebten somit triste Tage. Am Freitag droht ihnen nun stattdessen ein zwei Punkterückstand auf die Essener und der Verlust von Tabellenplatz 3 an den Erzrivalen. Selbst sind sie am Samstag beim Wuppertaler SV zu Gast. Die Verler trennten sich von der Reserve der Düsseldorfer Fortuna torlos 0:0. Der Gast, eher im Tabellenkeller angesiedelt, holte sich den Zähler an der Poststraße völlig verdient. Eine Warnung an alle, die „kleine Gegner“ auf die leichte Schulter nehmen wollen.
Verl liegt somit „nur“ 6 Punkte vor RWE und hat sogleich die nächste Zweitvertretung vor der Brust. Es geht zu Borussia Mönchengladbach 2. Da der SV Rödinghausen seine Aufstiegsambitionen jüngst ad acta gelegt hat, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt, dass die Truppe, die noch immer die Tabelle anführt, Zuhause eine zweimalige Zwei-Tore-Führung gegen Alemannia Aachen nicht über die Runden bringen konnte. Spektakulär 3:3 stand es am Ende. Wenn man sich den nahezu emotionslosen Torjubel der Rödinghausener ansah, der nur ein nettes Abklatschen war, darf man den Schluss ziehen, dass diese Mannschaft nun nicht mehr mit letzter Konsequenz unterwegs sein wird.
Das wiederum, konsequent seinen Weg gehen, möchte RWE unbedingt am Freitagabend gegen den SV Lippstadt. Die sensationelle Niederlage, welche die Essener kurz vor Weihnachten gegen Kellerkind Homberg einstecken mussten, dürfte dabei allen Roten noch in schlechter Erinnerung sein. Wer Mannschaften wie Lippstadt nicht ernst nimmt, könnte eine unliebsame Überraschung erleben. Chefcoach Christian Titz liegt es jedoch stets völlig fern, einen Gegner zu unterschätzen und wird den Kontrahenten akribisch beobachtet haben. Er wird seine Mannschaft entsprechend einstellen auf den Gast aus Ostwestfalen.
Zu Saisonbeginn und bis weit in den Herbst hinein klingelte es häufig und regelmäßig im Lippstädter Gehäuse. Im Schnitt zweimal trafen die Gegner bislang in den Spielen gegen den SVL. Dem gelang seit der Rückkehr aus der Winterpause allerdings eine defensive Stabilisierung. In den vier Partien seitdem gab es auch nur noch vier Gegentore. Gut möglich, dass es ein anderes Spiel geben wird als beim Aufeinandertreffen im Hinspiel. Im September 2019 siegte RWE in einem hochgradig unterhaltsamen Spiel mit 4:2 in Lippstadt. Dabei gingen die Gastgeber früh in Führung sowie egalisierten im zweiten Spielabschnitt die zwischenzeitliche 2:1 Führung der Gäste. Damit sorgten sie für zwei Saisonpremieren. Denn der SVL war die erste Mannschaft, die RWE eine Führung wieder streitig machen und mehr als ein Tor gegen Essen erzielen konnte. Ob das ein wirkliches Trostpflaster für Lippstadt war, sei dahingestellt. Denn dadurch, dass der SVL den mutigen Versuch unternahm, an diesem sehr unterhaltsamen Regionalligaspiel mit offenem Visier teilzunehmen, brannten die mit Räumen beschenkten Essener ein wahres Offensivfeuerwerk ab. Es ist kaum zu glauben, aber als Joker Hedon Selishta nach 78 Minuten das Endresultat von 4:2 für RWE besorgte, war das sage und schreibe die 17. gute bis große Chance, die die Gäste an diesem Abend herausspielten. Im Schnitt alle 4,5 Minuten bot sich Rot-Weiss eine Einschussgelegenheit. Sagenhaft.
Insgesamt machte Lippstadt jedoch relativ gesehen deutlich mehr aus seinen Chancen als die Gäste, die allein im ersten Abschnitt 10 Gelegenheiten für einen Treffer benötigten. So blieb es längere Zeit spannend als nötig. Dieses Manko hat RWE leider noch immer nicht behoben. Die Effizienz vor dem gegnerischen Tor bleibt ausbaufähig. Die aktuelle Personalsituation im Sturm ist daher nicht erbaulich. Hedon Selishta, im Hinspiel der Matchwinner, laboriert bereits seit dem spanischen Trainingslager an einer Verletzung. Maximilian Pronichev, Last-Minute-Transfer aus Berlin, deutete gegen RWO an, dass er die lang ersehnte Verstärkung im Angriff sein könnte. Leider ist sein Einsatz am Freitag wegen einer Entzündung am Sprunggelenk fraglich. Sollte er ausfallen, müssen es andere richten. Vielleicht Marcel Platzek, im Revierderby überraschend in der Startelf. Oder Oguzhan Kefkir. Mit dem Siegtor gegen Oberhausen beendete der offensive Flügelspieler eine 4,5-monatige Durststrecke ohne eigenes Tor. Ötzi hat nun vermutlich Lust auf mehr. Enzo Wirtz ist nach einem Zwischenhoch leider wieder auf dem Boden angelangt. In der defensiven Zentrale hat Christian Titz hingegen ein Luxusproblem. Alex Hahn, bislang unumstritten, saß gegen RWO eine Gelbsperre ab und wurde dabei Augenzeuge einer starken Vorstellung seines Ersatzmannes José Matuwila. Der von Lautern ausgeliehene linke Innenverteidiger hat Hahn offenbar eine höhere Antrittsschnelligkeit voraus, während sie im Tackling ähnlich gut sind.
Andererseits ist „Ali“ bislang eine Bank, nahezu unbesiegbar in der Luft und daher bei Standards auch offensiv sehr gefährlich. Titz wird seine Personalentscheidung auch von den Lippstädter Angreifern und ihren jeweiligen Qualitäten abhängig machen. Gesetzt erscheint Daniel Heber, vor allem, weil Titz Wert darauflegt, dass seine Innenverteidiger als Paar über einen starken rechten bzw. linken Fuß verfügen. In der Mittelfeldzentrale deutet fast alles auf eine Startelfrückkehr von Jonas Hildebrandt an der Seite von Marco Kehl-Gomez hin. Dennis Grote überzeugte zwar gegen Oberhausen auf dieser Position, zog sich aber auch einen Innenbandabriss im Knie zu. Die nächsten Wochen finden auf dem Platz ohne den Routinier statt. Bedauerlich. Weitere Rotation erscheint bei RWE zudem nie ausgeschlossen. Der Trainer übertreibe es damit, sagen kritische Stimmen. Der Trainer hält den Konkurrenzkampf hoch und jeden im Kader wach, meinen hingegen die anderen.
Hellwach wird Rot-Weiss auch am Freitagabend sein müssen. Im Hinspiel überraschte Felix Bechthold, mit 28 Lenzen der jüngste Coach der Liga, die Essener mit einer mutigen Performance seiner Mannschaft. Ob diese erneut frech mitspielen oder sich eher verschanzen möchte, wird sich zeigen. RWE spielt im Jahr 2020 jedenfalls mit erkennbar stärkerer defensiver Absicherung. Die Topteams aus Köln und insbesondere Oberhausen erarbeiteten sich nahezu keine Gelegenheiten gegen das im Vorjahr häufig hinten anfällige Rot-Weiss. Der zwischenzeitliche Rückfall gegen Rödinghausen war eher eine Konzentrationsschwäche denn systemischer Verwundbarkeit geschuldet. Die Chance, unter dem eigentlich heiß geliebten Flutlicht seinen Platz in der Spitzengruppe nicht nur zu festigen, sondern wieder energisch in diese hineinzustoßen, sollten sich die Essener nicht nehmen lassen. Die letzten beiden Partien an einem Freitagabend an der Hafenstraße gingen gegen Fortuna Köln und wie schon erwähnt gegen einen Duisburger Stadtteilverein verloren. Seit dem 20.09.2019 warten die Rot-Weissen damit freitags Zuhause auf einen Erfolg. Zeit, den Bock umzustoßen.
Die zweifelsohne vorhandene spielerische Qualität Lippstadts darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Truppe mitten im Abstiegskampf steckt und aus 20 Partien erst 16 Zähler gesammelt hat. RWE muss von Anfang an klarmachen, dass der Gegner diese für ihn ungewohnte Atmosphäre nicht zu sehr genießen darf und Homberg ein einmaliger Ausrutscher bleiben wird. Die Kulisse wird top sein. Allein die Möglichkeiten der tabellarischen Verbesserung und des Schließens von Lücken werden noch ein paar Extra-Zuschauer in das Stadion Essen strömen lassen. Bündeln allesamt, Mannschaft und Fans, ihre rot-weissen Kräfte, bleiben die Punkte an der Hafenstraße 97 A und der Druck auf die Kontrahenten würde aufgebaut.
NUR DER RWE!
Sven Meyering
Spielbericht
Im Stile eines Eishockeytorwarts warf sich der Keeper im Spagat vor Lippstadts Janik Steringer und riss den Arm gerade noch so hoch, dass Steringers Abschluss aus wenigen Metern frei vor dem Essener Tor noch an die Latte und von dort zur Ecke gelenkt wurde. Die RWE-Fans hatten die Situation zuvor mit stillem Entsetzen verfolgt und konnten ihr Glück kaum fassen, dass die 2:1-Führung im Anschluss danach noch Bestand hatte. Mit einer Mischung aus sichtlichem Stolz und schüchterner Verlegenheit reagierte Golz auf die Anerkennung der Fans. Teamkollege Amara Condé musste ihn förmlich ausgelassen vor die Kurve schubsen. Eine von drei sehr bemerkenswerten Situationen an diesem Abend im Stadion Essen.
Zu Beginn erlebten die gut 8.600 Zuschauer, die trotz prasselndem Dauerregen den Weg an die Hafenstraße gefunden hatten, eine klare Aktion des Vereins RWE gegen Hass und Gewalt. Während die Mannschaften sich gegenüberstehend im Mittelkreis Arm in Arm Aufstellung genommen hatten, verlas Essens Stadionsprecher Walter Ruege sehr treffende Worte bezüglich der unfassbaren Gewalttaten in Hanau und Volkmarsen, die mit der Aussage endeten, uns vereine immer mehr als uns trenne. Diese Worte kamen gut an und neben warmen Applaus reagierten Teile der Westtribüne mit deutlich vernehmbaren „Nazis raus!“-Rufen. Starkes Zeichen der Essener Fanszene, die übrigens eine Mannschaft unterstützt, in der 8 der insgesamt 15 aufgebotenen Kicker einen Migrationshintergrund besitzen und die eindrucksvoll beweisen sollte, dass das RWE-Team eine Einheit bildet. Auch mit seinen Anhängern.
Die sportlichen Vorzeichen waren klar. Alles andere als drei Punkte gegen den Abstiegskandidaten aus Ostwestfalen wären eine herbe Enttäuschung gewesen. Und so begann RWE wie gewünscht dominant. Zweimal näherte sich Oguzhan Kefkir dem Tor der Gäste an, aber sowohl sein spektakulärer Fallrückzieher als auch kurze Zeit später ein abgefälschter Schuss verfehlten den von Christopher Balkenhoff gehüteten Kasten. Mehr bewerkstelligte Essen jedoch erst mal nicht. Im Gegenteil erhielten alle Rot-Weissen nach knapp einer Viertelstunde einen ordentlichen Dämpfer verpasst. RWE verteidigte einen Lippstädter Angriff alles andere als konsequent. Erst bekam man im Mittelfeld keinen Zugriff auf den Ball, dann attackierte David Sauerland recht inkonsequent Henning Matriciani auf der rechten Abwehrseite. Der Lippstädter hatte sich den Ball eigentlich viel zu weit vorgelegt, konnte ihn aber dennoch nach Innen bringen. Zur Krönung zeigte sich RWE dort sehr schlecht gestaffelt und trotz Essener Überzahl konnte Gerrit Kaiser die Hereingabe unbedrängt verwerten. 0:1 nach 14 Minuten und eine ganz kalte Dusche. Lippstadt jubelte im Anschluss provokativ Richtung Rahn-Tribüne. Mittlerweile eine gegnerische Unsitte, die sich eingebürgert zu haben scheint und die einfach respektlos ist. Ärgerlicher als das aber der Rückstand. Durch den kurzfristigen Ausfall von Daniel Heber, der vor dem Spiel über Schwindelgefühle geklagt hatte, baute Titz zwangsläufig die Deckung um, vielleicht mit ein Grund für das wenig sattelfeste Agieren nicht nur in dieser Situation. In der Zentrale spielte neben Rückkehrer Alex Hahn Jonas Hildebrandt, der somit zugleich im Mittelfeld fehlte, wo ihn Dorow als offensive Variante vertrat. José Matuwila fand sich ganz links wieder, da Kevin Grund ebenfalls angeschlagen passen musste. Doch die gesamte Mannschaft arbeitete in dieser Situation nicht so nach hinten wie es hätte sein müssen. Der Essener Anhang hatte sich einen ruhigen Abend gewünscht und hatte plötzlich die Homberg-Schlappe als Deja Vu vor Augen. Lippstadt, das sich bei Essener Ballbesitz sofort kompakt zurückzog, witterte Morgenluft und zeigte nach Balleroberungen zumindest einige Torannäherungen.
Bis zur Halbzeit gelang es RWE nicht, das Spiel zu beruhigen, auch weil man wieder beste Gelegenheiten ungenutzt ließ. Die größte Chance vergab Jan-Lucas Dorow, der nach einer Maßflanke von Sauerland den Ball freistehend am gegnerischen Tor vorbei köpfte. Ein Torjäger wird der Mann wohl nicht mehr. Zum Pausenstauder gab es deutliche Pfiffe. Ein Novum in dieser Saison, jedoch nachvollziehbar, da das RWE-Team vorne wie hinten fahrlässig agiert hatte. Titz wäre nicht Titz, wenn er darauf nicht unmittelbar reagieren würde. Matuwila wich Jan Neuwirt, Kefkir wurde durch Ayo Adetula ersetzt und Joshua Endres kam deutlich klarer über die Außen als es in der ersten Hälfte der Fall gewesen war. Jan Neuwirt sollte dem Essener Spiel gut tun. Obwohl seit Wochen nicht mehr auf dem Felde spulte er sein Programm als Linksverteidiger souverän ab und gab zudem den Standards deutlich mehr Qualität als zuvor. Einer davon, ein Eckstoß, landete präzise auf dem Kopf von Alex Hahn, der seinen Gegenspieler übersprang und von dort die Kugel zu Marcel Platzek weiterleitete. Platzo, von Beginn an aufgeboten, hatte bislang noch nicht viel gerissen, tat jedoch jetzt genau das, was Mittelstürmer tun. Essens Nummer 9 hielt den Fuß einfach hin und der Ball war nach 69 Minuten endlich im Netz.
Zuvor hatten die Essener die gesamte zweite Hälfte über die Gäste an deren 16-Meterraum festgenagelt und einige torgefährliche Situationen herauf beschworen. Auffällig dabei aber, dass sich RWE gut über die Außen in den Strafraum kombinierte, um dann beim entscheidenden Pass in die Mitte grundsätzlich die falsche Entscheidung zu treffen. Auch dem Umstand geschuldet, dass die Essener Akteure zuvor selten bis gar nicht den Kopf hochnahmen, woraus von der Abwehr leicht zu klärende No-Look-Pässe resultierten. Nun aber war der Bann gebrochen. Der Treffer zum 1:1 war Platzeks letzter Ballkontakt. Noch bevor das Spiel wieder angestoßen wurde, verließ er für Hamdi Dahmani das Spielfeld. Ein weiterer folgenreicher Wechsel des Coachs, der zuvor nach knapp einer Stunde sein am heutigen Tage leider indisponiertes Mittelfeldjuwel Amara Condé durch Maximilian Pronichev ersetzt hatte. Titz zeigte dabei einmal mehr seine Konsequenz. Das Wechselkontingent war somit erschöpft. Das sollte später eine Rolle spielen. Zunächst aber kam ein weiterer Höhepunkt des Abends. Der eigentlich dem VFL Bochum angehörige You-Tuber „That Richie Guy“, mittlerweile mit deutlichen RWE-Sympathien ausgestattet, brachte es mit seinem Stadionblog auf den Punkt. Sagte er nach dem 1:1 noch, das sei der Herr Ach gewesen und nun müsse der Herr Krach mit dem Siegtor folgen, so ahnte er wohl noch nicht das Prophetische an dieser Bemerkung. Denn Herr Krach schritt in Person von Hamdi Dahmani zur Tat, der das Stadion Essen 5 Minuten nach seiner Einwechslung in Ekstase versetzen sollte. Die rot-weisse Nummer 30 schoss sich mit einem Treffer Marke Tor des Monats seinen wahrscheinlichen Frust von zuletzt wenigen Einsatzzeiten von der Seele und RWE 2:1 in Front. Eine zu kurze Kopfballabwehr der Gäste nahm Dahmani mit der Brust herunter und schoss die herunterfallende Kugel sofort per technisch perfektem Volleyschuss mit Links aufs Tor. Diese Bogenlampe aus 18 Metern landete präzise im vom Schützen aus gesehenen rechten Toreck. Balkenhoff flog ebenso schön wie vergeblich. Da war nichts zu machen. Ein wahrhafter Kracherschuss.
Spiel gedreht, also alles gut? Mitnichten. Zunächst machte RWE da weiter, wo es aufgehört hatte. Der Lohn, die Großchance zum vorentscheidenden 3:1. Aber Maximilian Pronichev, übrigens nicht im Sturmzentrum, sondern eher auf der 10 positioniert, verpasste ein Zuspiel auf den völlig freistehenden Dahmani und vertändelte die Kugel leichtfertig. Das sollte sich rächen. Christian Titz bemängelte auf der Pressekonferenz völlig zurecht, dass seine Mannschaft plötzlich das Fußballspielen eingestellt und sich zurückgezogen habe. Der SV Lippstadt war gut eine halbe Stunde nur hinter den Essenern hergelaufen, nun aber übernahmen die Gäste die Spielkontrolle. RWE lief dabei in vorderster Front schlecht und nur halbherzig an und beging zudem im letzten Drittel dumme Foulspiele, welche gefährliche Standards produzierten. Bei einer dieser Aktionen verletzte sich David Sauerland selber folgenreich. Ein Muskelfaser- oder Bündelriss ist wahrscheinlich. Jedenfalls wurde Sauerland nun einfach auf Höhe der Mittellinie an der Seitenauslinie postiert, um wenigstens irgendwie noch einen Gegenspieler zu binden. Wechseln konnte Rot-Weiss schließlich nicht mehr. Laufen konnte Essens 31 so gut wie nicht mehr, RWE war quasi in Unterzahl und konnte sich kaum noch befreien. So verdankten es die einzig wahren Roten der eingangs erwähnten Großtat von Jakob Golz, dass der wichtige Sieg über die Zeit gebracht werden konnte. Unmittelbar danach machten die RWE-Angreifer wenigstens noch einmal positiv auf sich aufmerksam. Als Lippstadts Abwehrchef Jonas Acquistapace als letzter Mann gegen einen Doppelpack aus Hamdi Dahmani und Maximilian Pronichev den Ball vertändelte, liefen Essens Stürmer einträchtig und unbedrängt auf den Kasten von Balkenhoff zu, Pronichev war dabei der Ballführende. Die nervlich arg gebeutelten Fans waren sicher, dass muss die Entscheidung sein. War sie auch. Als auch der Torwart mit einem Querpass auf Dahmani rechnete, schlug Pronichev gekonnt einen kurzen Haken und schoss dann den Ball zum 3:1 ins Tor. Dahmani nahm es dem Teamkollegen nicht übel, dass er ihm zum zweiten mal einen sicheren Doppelpack verweigert hatte und war erster Gratulant. Schiedsrichter Dardenne pfiff die aus RWE-Sicht unnötig spannende Partie nicht mehr an. Neben den bereits erwähnten Herren Ach und Krach waren auch die Gebrüder Hängen und Würgen am Start gewesen. Trotz der vielen Kritikpunkte standen die Essener Fans die gesamte zweite Halbzeit geschlossen hinter ihrer Mannschaft und waren auch wegen der anfangs erwähnten Aktion die Gewinner des Abends.
Die Mannschaft schien nach Schlusspfiff etwas zerknirscht zu sein. Offenbar wollte keine echte Freude aufkommen, angesichts dessen, dass man sich beinahe selber um den verdienten Lohn gebracht hatte. Kürzer als sonst fielen die Feierlichkeiten mit den Tribünen aus. Zudem steht bereits am kommenden Mittwoch das nächste Spiel gegen Haltern in Wattenscheid an, auf das sich die RWE-Mannschaft nun fokussieren muss. Da sich Verl unbeeindruckt von der Essener Vorlage zeigte und seine Aufgabe in Mönchengladbach ebenfalls mit 3:1 löste, können die Essener in diesem Nachholspiel aus der Hinrunde erneut daran arbeiten, Druck auf die Konkurrenz aufzubauen.
Bis dahin wie immer
NUR DER RWE!
Sven Meyering
Ergebnis
Rot-Weiss Essen – SV Lippstadt 3:1 (0:1)
Aufstellung Rot-Weiss Essen
Golz, Sauerland, Hildebrandt, Hahn, Matuwila (Neuwirt 46.), Kehl-Gomez, Dorow, Condé (59. Pronichev), Kefkir (46. Adetula), Platzek (70. Dahmani)
Aufstellung SV Lippstadt
Balkenhoff, Kröner, Acquistapace, Steringer, Matriciani, Liehr, Henneke (71. Heiserholt), Arenz, N. Köhler, G. Kaiser (78. Karimani), Gucciardo (59. Brosowski)
Tore
0:1 Kaiser (14.)
1:1 Platzek (70.)
2:1 Dahmani (74.)
3:1 Pronichev (90. +3)
Zuschauer
8.695
Schiedsrichter
Niklas Dardenne (Nettersheim)
Gelbe Karten
A. Hahn (6. Gelbe Karte)
Kehl-Gomez (7. Gelbe Karte)
Dorow (3. Gelbe Karte)
Kröner (4. Gelbe Karte)