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Kommentar: Einspruch von Rot-Weiss Essen

Die Gerichte haben gesprochen, doch um Gerechtigkeit zu empfinden, muss man wohl völlig kritikfrei Fan der BVB AG sein. Über die Vorgänge um den Essener Einspruch dreht sich dieser Kommentar.

Duisburger Laienspielschar statt Royal Shakespeare Company! Aber ein rot-weisses Herz trotzt aller Bitterkeit!

Was uns Mike Terranova ungefragt und in selbst gewählter Funktion als Justizia bereits prophezeite, ist Fakt geworden. Der Verband hat gesprochen oder besser nicht gesprochen. Die Aufstiegsfrage ist dennoch (fast) beantwortet. Der Einspruch von Rot-Weiss Essen gegen die Wertung von Spielen des BVB 2 wurde als formal inkorrekt zurückgewiesen, da die Essener jeweils nicht die direkt betroffene Gegenpartei gewesen seien. RWE zog den Einspruch dann wegen offensichtlicher Chancenlosigkeit zurück. Anders liegt der Fall beim Einspruch der SV Bergisch Gladbach, denn hierbei handelte es sich um einen direkt betroffenen Konkurrenten des BVB 2. Doch auch dieser Einspruch wurde in erster Instanz zurückgewiesen, der Absteiger legte Berufung ein. Auch dieser werden wenig Chancen zugemessen. RWE erklärt auf seiner Homepage indes sehr ausführlich, welche Aspekte es in der Causa Spielberechtigungsliste der BVB U 23 für überprüfungswürdig gehalten hat, und zwar bereits seit einiger Zeit und nicht, wie schlecht informierte Kommentatoren behaupten wollten, erst kurz vor dem Saisonfinale, um gezielte Unruhe in Dortmund zu schüren.

Hier kann sich jeder ein ausführliches Bild machen. Marcus Uhlig gegenüber Jawattdenn.de: „Es mutet schon ein bisschen so an, als hätte Dortmund das ganze so aufgebaut, dass Tigges, Knauff und Co erst „oben“ mithelfen konnten, die Ziele, CL-Quali und Pokalsieg, zu erreichen und anschließend „unten“ der Zweitvertretung zum Aufstieg zu verhelfen.“ Genau diesen Umstand wollte Rot-Weiss Essen genauer unter die Lupe nehmen und auf seine formale Korrektheit im Sinne von Transparenz vom Sportgericht des WDFV überprüfen lassen. Den Anstoß hatten die Rot-Weissen dem Verband bereits vor Wochen gegeben, doch bleib dieser unbeweglich wie ein buddhistischer Mönch in Meditationshaltung. Daher zog man letztlich die Karte des formalen Widerspruchs. Dass dieser dann abgeschmettert worden ist und dieses RWE zum Rückzug bewegte heißt nicht, dass der BVB 2 vom Verdacht einer gezielten Manipulation reingewaschen worden ist und einen Freispruch erster Klasse erhalten hat. Als extrem bitterer Nachgeschmack bleibt, dass die Unterabteilung einer Aktiengesellschaft das vorhandene Regelwerk zumindest bis zur absoluten Grenze ausgereizt und im Sinne von sportlicher Fairness gegenüber der Konkurrenz schlichtweg missbraucht hat.

Das ist schlimm genug. Noch schlimmer und im Sinne einer freiheitlich demokratischen Grundordnung sogar gefährlich ist die Haltung einiger Medien und weiteren Teilen der Öffentlichkeit gegenüber Essens Einspruch. Am Pranger steht nicht derjenige, der auf sportliche Fairness und Anstand gepfiffen hat, sondern derjenige, der darauf hingewiesen hat. Ein Organ der Funke-Mediengruppe stellte die offensichtlich polemisch gegen RWE gerichtete Frage, was das ganze Theater eigentlich sollte? Ich bin zwar nicht persönlich der Angesprochene, aber mir fiele dazu ein, dass es auch darum geht, Missstände offen und ehrlich anzusprechen, sich für seine Rechte einzusetzen und gegen den Missbrauch von fragwürdigen Privilegien anzukämpfen. Und um bei der Theatermetapher zu bleiben, um das Ausmaß des hier vorliegenden offensichtlichen Schwindels und Intrigantentums ansprechend auf eine Bühne zu bringen, hätte es schon der Royal Shakespeare Company bedurft.

Stattdessen kam der demotivierte Auftritt einer Duisburger Laienspielschar, besser bekannt als WDFV. Demotiviert auch und vor allem, weil es dem Verband und seiner Gerichtsbarkeit gar nicht daran gelegen ist, wirklich für Fairness und Transparenz zu sorgen. Allein die Verlegung des ominösen Stichtages, nach dem in die erste Mannschaft hochgezogene Spieler nicht mehr in das zweite Glied zurückkehren dürfen, vom 01.05 auf den 01.06 des Kalenderjahres spricht da Bände. Bereits vor der Saison wurde eine Regelung geschaffen, von der einzig allein Vereine mit Zweitvertretungen profitieren können. Und das ausgerechnet von einem Regionalverband, sodass ohne Wenn und Aber festgestellt werden darf, auch diejenigen, die für die Interessen der Amateure einzutreten hätten wie kein zweiter, lecken begierig den Speichel der großen Profiklubs. So wurde denn dann am Mittwochabend Heinrich von Kleists Komödie „Der zerbrochene Krug“ neu aufgeführt. Wer in der Literatur nicht ganz so bewandert ist, in diesem Stück muss der Dorfrichter Adam gerichtliche Ermittlungen aus einem Anlass führen, dessen Urheber in Wahrheit er selber ist. Somit ist Adams größtes Bestreben, der Wahrheitsfindung entschieden entgegen zu treten und dieses natürlich zeitgleich verschleiern zu müssen.

Und um auf die lieben Zeitgenossen zurückzukommen, die RWE dafür diskreditieren möchten, dass es sich legaler Rechtsmittel bedienen wollte. Wer ein Problem mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in diesem Land hat, dem sei empfohlen, vielleicht Einwohner eines Wüstenkalifats zu werden, wo er durch solche Dinge wie Bürgerrechte und Rechtstaatlichkeit nicht belästigt wird. Gerade als unreflektierter Anhänger einer pervertierten neuen Fußball-Unkultur kann man dort auch einen wichtigen Beitrag leisten, falls der Scheich, der auch nichts von Gerichten und Rechtsordnungen hält, den Neubürger noch zum Bau einer WM-Arena zwangsrekrutieren möchte.

Am Ende des Tages steht natürlich fest, dass RWE trotz einer starken Saisonleistung nicht aufgestiegen ist. Nach einer Mammutsaison von 40 Ligaspieltagen und 3.600 Saisonminuten. Das hat bei allen, auch bei uns von Jawattdenn.de Spuren hinterlassen. Die nun anstehende Sommer- und somit auch Schreib-und Fotopause dient quasi auch der Regeneration unserer Nerven. Dennoch gilt noch immer, was wir bereits vor dem Saisonfinale geschrieben haben, die Bewertung einer ganzen Spielzeit kann nicht allein davon abhängen, ob man aufgestiegen ist oder nicht. Die goldene Ananas anstatt der goldenen Aufstiegsmedaille zu gewinnen, ist dennoch sehr enttäuschend. Einfacher wird es auch in Zukunft nicht werden. Indizien dafür sind die feststehenden Abgänge von Mittelfeldjuwel Amara Condé und Mentalitätsmonster Ali Hahn, die nicht allen im Essener Umfeld gefallen. RWE arbeitet bereits mit Volldampf an der Mannschaft für die Spielzeit 2021/22, der wir uns dann zu gegebener Zeit genauer widmen werden.

In der Saisonprognose für die Spielzeit 2020/21 hatten wir gar nicht so verkehrt gelegen und das Gros der Klubs dort eingeordnet, wo sie dann auch tatsächlich gelandet sind, inklusive der Wachablösung des Titelverteidigers SV Rödinghausen. Satte 12 Punkte hat Rot-Weiss Essen z.B. den Drittplatzierten Preußen Münster distanziert. Und tatsächlich glaubte Jawattdenn.de nicht, dass die Adlerträger ganz oben rankommen könnten. Um das Doppelte, nach Adam Riese sagenhafte 24 Punkte, enteilte RWE dem Vierten Fortuna Köln, obwohl beide genannten Vereine im Vorfeld der Saison Ambitionen angemeldet hatten. Das sind Welten. Den Kontrahenten aus dem Revier und seine Zweitvertretung hatten wir als Titelanwärter eingeordnet, jedoch die Frage gestellt, ob die Konstanz groß genug sei, um aufzusteigen. Sie war es und der Wunsch nach oben zu kommen, fand auch Ausdruck auf eine Art und Weise, die ich nicht mehr weiter thematisieren möchte. Für mich ist dieser Verein nach dieser Saison gestorben. Ebenso Teile seiner Fanszene, die Menschen auf der Südtribüne in einem Fadenkreuz abbilden, welche ihrer Meinung nach die Werte des Fußballs mit Füßen treten, während man sich selbst alle Freiheiten gegenüber anderen nimmt und jubelperserisch dafür feiert. Eine drastischere Aussage verbietet mir meine gute Erziehung, und dieser Klub verdient keine weitere Zeile mehr bei Jawattdenn.de.

Umso mehr verdienen es aber Mannschaft, Trainer, Verantwortliche und wir Fans von Rot-Weiss Essen, hier noch einmal Erwähnung zu finden. Samstag, der 05. Juni 2021 wird trotz des nicht stattgefundenen Happyends immer einen Platz in meinen Erinnerungen haben. Bereits am Morgen gegen 11 Uhr am Stadion Essen war mein rot-weisses Herz kurz davor, vor Stolz zu platzen. Über 2000 Menschen haben unsere Truppe auf dem Weg nach Wegberg verabschiedet. Gänsehautmomente. Besonders wichtig, die Ansprache der aktiven Fanszene an die Mannschaft und das Trainerteam, die sinngemäß lautete, auch wenn wir nicht aufsteigen sollten, stehen wir immer hinter euch und folgen euch überall hin. So ist es! Das taten dann am Ende des Tages auch noch wiederum ein paar Hundert Anhänger, die den aus Wegberg heimkehrenden Mannschaftsbus und die dann zu den Absperrungen kommende RWE-Truppe feierten. Jetzt-erst-recht-Stimmung herrschte an der Hafenstraße 97 A und das war nicht juristisch gemeint.

Dazwischen lag das Spiel in Wegberg. Nach 10 Minuten hatten Daniel Heber, der beste Innenverteidiger der Liga, und Simon Engelmann, der beste Stürmer der Liga, das Resultat auf 2:0 für unsere Farben gestellt, das Ergebnis, das nötig gewesen ist, um seinen eigenen RWE-Part an diesem Spieltag zu leisten. Unsere Roten spielten so klar, so dominant, so entschlossen, dass das Spiel bereits entschieden schien. Dann die emotionale Achterbahn. Ötzis Aussetzer und eine korrekte Rote Karte. Fast 75 Minuten in Unterzahl. Wuppertals 1:0 Führung. RWE zur Pause auf dem Aufstiegsplatz. Trotz Unterzahl spielen unsere Jungs das Ding abgeklärt runter, aber leider tut das der WSV nicht mehr, der kurz nach der Pause den Ausgleich und kurz vor dem Ende den K.O.-Schlag, auch für Rot-Weiss, hinnehmen muss. Nach dem ganz pünktlichen Ende in Wegberg und Sondierung der Nachrichtenlage sinkt Kapitän Marco Kehl-Gomez zu Boden und vergießt Tränen.

Dann das Video unseres Fotografen Markus Endberg aus Wegberg: Coach Neidhart greift zum Megafon der Ultras, die ihren Worten Taten folgen lassen hatten und unsere Mannschaft trotz aller Verbote und Barrieren nicht allein gelassen hatten und macht ein Statement, das sich bereits kurz darauf wie ein Lauffeuer durch die sozialen Medien verbreitete und nicht nur in Essener Fankreisen viel Aufmerksamkeit fand. Die Worte unseres Trainers waren wie ein erfrischender Sommerregen, der alle Enttäuschung und aufkommende Tristesse wegspülte. Neidhart dankte den Fans, die man vermisst, aber immer gespürt habe. Auf der Grundlage eines starken Fundamentes, das man aufgebaut habe, werde man gemeinsam den Weg weitergehen.

Wenn Neidhart von WIR spricht, dann meint er WIR. Mannschaft, Trainerteam, Verantwortliche und uns Fans. Nur eine Woche zuvor fürchteten wir, also wir Fans, noch, Christian Neidhart würde den Verlockungen der Braunschweiger Eintracht erliegen und den bei RWE eingeschlagenen Weg verlassen wollen. Ich schäme mich fast dafür, das überhaupt gedacht zu haben. Mit seinem klaren Bekenntnis für unseren Herzensverein bereits im Vorfeld des Aufstiegsfinales räumte der Coach mit allen Befürchtungen auf, er werde uns wie zuletzt Agirios Giannikis – in welcher sportlichen Versenkung befindet der sich nun eigentlich? – für das erstbessere Angebot verlassen. Das käme dem gebürtigen Braunschweiger jedoch wirklich nicht in den Sinn. Christian Neidhart ist der Volltreffer, den wir uns alle auf unserer Trainerbank gewünscht haben. Nicht nur wegen der sportlichen, sondern auch wegen der menschlichen Performance. Vor allem in den letzten Tagen hat uns der 51-Jährige nachhaltig bewiesen, warum er in Meppen zu einer Art lebenden Legende geworden war, der beim Abschied gefeiert und nicht geschmäht worden ist. Dass wir mit ihm, einer nun zu modifizierenden Mannschaft sowie den stark und unermüdlich arbeitenden Verantwortlichen um Markus Uhlig und Jörn Nowak unseren Weg tatsächlich, und zwar bis zu einem erfolgreichen Ende weitergehen werden, daran glaube ich mehr denn je. 

Ein rot-weisses Herz trotzt aller Bitterkeit! Es überwiegen der Stolz und die Zuversicht.

NUR DER RWE!

Sven Meyering