Vorbericht
In Münster die Angriffs-Schwerter schärfen und dem Adler erneut die Flügel stutzen!
Die Regionalliga West nimmt für den Tabellenzweiten Rot-Weiss Essen rasante Fahrt auf. Binnen von nur 5 Tagen trifft RWE auf die beiden derzeit am besten in der Tabelle platzierten Konkurrenten und tritt danach im 3-Tages-Rhythmus zu vier weiteren Partien im Hammermonat März an. Den Anfang macht am Samstag die Auswärtspartie beim Tabellendritten Preußen Münster, die zumindest von der Papierform schwerste Partie in der Fremde. Der Preußenadler ist der erste Vorjahresabsteiger seit längerer Zeit, der in der Liga den Blick weiter nach oben richten darf.
Die Gastgeber sind insgesamt sehr gut in der Spur. Seit 8 Spielen ist Münster unbesiegt und gewann gleich 6 dieser Begegnungen. Der Lohn, ein Platz in Lauerstellung hinter dem Spitzenduo Borussia Dortmund II und Rot-Weiss Essen. Mit dem Punkteschnitt von 1,92 wären die Adlerträger wohl in den meisten der zurückliegenden Spielzeiten ganz dick in der Aufstiegsverlosung gewesen. Noch im Sommer 2019 stieg Viktoria Köln mit einem Punkteschnitt von knapp weniger als zwei Zählern in die Dritte Liga auf. Doch bereits im letzten Jahr hatten der SV Rödinghausen und der SC Verl bei Saisonabbruch einen Durchschnittswert von gut 2,4 Punkten zu verzeichnen. Übrigens ist es ziemlich genau ein Jahr her, dass die letzten Spiele der Vorsaison ausgetragen worden sind. Damals wie heute hatte RWE 24 Spiele ausgetragen, aktuell die wenigsten Partien aller Mannschaften der Regionalliga West, und kämpfte um den Anschluss an den SC Verl, konnte aber wegen des abrupten Saisonendes nicht mehr zum Halali auf die Ostwestfalen blasen.
Derzeit haben die Essener und der BVB II in fast genau denselben Sphären gepunktet wie das Spitzenduo im Jahr zuvor. Die Preußen haben ein Spiel mehr ausgetragen als der Spitzenreiter aus Dortmund und satte 10 Punkte Rückstand. Auf unsere Roten sind es zwar nur deren 7 Zähler, aber RWE hat noch zwei Spiele in der Hinterhand. Nachdem Fortuna Köln am vergangenen Sonntag mit dem 0:2 an der Hafenstraße wohl auch die letzte realistische Chance verspielt hat, nochmal weiter oben anzuklopfen, hilft nun auch Preußen Münster nur ein Sieg über RWE weiter, um den Funken Aufstiegshoffnung noch zum Feuer auszuweiten.
Damit erhält das traditionelle Westderby, das bislang 35 Mal um Punkte ausgetragen worden ist und eine positive Bilanz für RWE aufweist, noch ein wenig mehr Brisanz als üblich, auch wenn es leider wie aktuell gewohnt ohne Zuschauer stattfinden wird. In der Vorwoche verpassten die Preußen, weiter richtig Fahrt aufzunehmen und kamen am Lotter Kreuz bei den dortigen Sportfreunden nur zu einem 1:1 und ließen sich dabei in Überzahl den Sieg nehmen, was Chefcoach Sascha Hildmann nicht begeistert haben wird. Nach der 0:1 Hinspielniederlage an der Hafenstraße hatte Hildmann bereits kampfbereit zu Protokoll gegeben, sich auf das Rückspiel zu freuen. Münsters sportlicher Leiter Peter Niemeyer wiederum hatte schon vor Wochen Borussia Dortmund II zu seinem Aufstiegsfavoriten erklärt. Offenbar pflegt Münster ganz gezielt kleine Speerspitzen nach Essen auszusenden, um der Rivalität der beiden Vereine und Fangruppen auch offen Rechnung zu tragen.
In der Vergangenheit hatte die Partie passend dazu oftmals eine gewisse Schärfe. Besonders im Sommer 2002 und im Grunde sogar nicht nur sprichwörtlich. RWE war angetreten, um in Münster analog zum Jahr 1993 den Zweitligaaufstieg feiern zu können. Essen erledigte seine Hausaufgaben vor Ort gründlich und gewann die Partie trotz frühem Rückstandes mit 3:1. Dieses jedoch nutzte nichts, denn im Fernduell mit Eintracht Braunschweig zog Rot-Weiss unter insgesamt ärgerlichen Begleitumständen den Kürzeren. Der Eintracht reichte an diesem Tag ein später, sehr später Sieg gegen Wattenscheid 09. Dem Match mutet bis zum heutigen Tage an, nicht regulär abgelaufen zu sein. Konkret soll es den 09ern schmackhaft gemacht worden sein, das Spiel zu verlieren.
Diese These erhielt Nahrung durch gleich mehrere in kaum noch zu überbietender Fahrlässigkeit liegen gelassene Konter-Chancen, bei denen sich die Wattenscheider Angreifer offenbar große Mühe gaben, den Ball nicht im Tor unterzubringen. Einige Zeit später wurde es konkreter. Und zwar bezüglich eines Arrangements, das Wattenscheid und Braunschweig über den Transfer von Sven Lintjens noch im Vorfeld des wichtigen Spiels getroffen hatten. Ein Artikel der FAZ aus dem Jahre 2003 rollte die Geschehnisse noch einmal auf. Was noch hinzu kam war, dass Braunschweig zwei zusätzliche Punkte am grünen Tisch zugesprochen bekommen hatte, weil in der Partie gegen Bremens Amateure deren Coach Frank Neubarth einen dilettantischen Wechselfehler unternommen hatte und das eigentlich 1:1 geendete Spiel mit 2:0 für Braunschweig gewertet worden ist. RWE hingegen bekam schon vor Saisonbeginn einen Zähler abgezogen. Eine Sanktion wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten. Unter dem Strich hatte Essen eigentlich sportlich 2 Zähler mehr geholt als die Eintracht und stieg trotzdem nicht auf.
Was hat das überhaupt mit Münster gegen Essen zu tun? Den Essener Nichtaufstieg feierten die Preußen-Fans mit lauter Häme, was dann zu viel war für einen Teil des Essener Anhangs, der den Platz stürmte und aus Frust Verwüstungen anrichtete und auch Münsteraner Spieler jagte, die durch Polizeischutz in die Kabinen entkommen konnten. Ein sehr unrühmliches Kapitel für RWE, das trotz allen berechtigten Ärgers in keiner Weise zu rechtfertigen war und das Verhältnis beider Vereine sehr belasten sollte. Eher amüsant war jedoch die Episode, dass einige RWE-Fans auf diesem Ausflug nach Münster das historische Richtschwert entführt haben sollen. Das wurde niemals verifiziert und ist höchstwahrscheinlich auch nie so gewesen. Bereits vor 15 Jahren hatte Jawattdenn.de sich dieser Story angenommen.
Essen wird in Münster aber auch ohne Richtschwert durchaus auf scharfe Angriffswaffen setzen. Für gemeinhin gilt Simon Engelmann als eine solche. Zuletzt gegen Fortuna Köln glänzte Engel als mannschaftsdienlicher Vorbereiter und arbeitete in Klassemanier vor dem Führungstreffer durch Kefkir gegen Kölns Abwehrrecken. Dass das vorentscheidende 2:0 auf das Konto von Backszat ging, dürfte die Mehrheit des Essener Anhangs ebenfalls gefreut haben, einmal für Backa und zudem, weil jeder RWE-Treffer, der nicht durch Engelmann erzielt wird, das Gefühl gibt, nicht gänzlich von der treffsicheren Nummer 11 abhängig zu sein. Essen hat nun 30 Tore erzielt, für die sich andere Akteure verantwortlich zeigten als Engel. Ein guter Wert, aber ausbaufähig.
Noch immer hat der Betrachter das Gefühl, RWE brauche schlichtweg zu viele Chancen für einen Treffer, weswegen auch die Tordifferenz im Duell mit dem BVB II deutlich zu Ungunsten der Essener ausfällt. Da tut es nach wie vor gut, die beste Abwehr der Liga zu haben, die in 24 Partien erst 15 Gegentore zuließ. Einer der Hauptverantwortlichen dafür ist der seit Monaten überragend auftretende Daniel Heber, der seinen Gegenspielern kaum einen Ball lässt. Heber geht mit der Hypothek von vier Gelben Karten in die Partie, ebenso wie Kapitän Marco Kehl-Gomez, sodass beide Schlüsselspieler von einer Sperre für den anschließenden Spitzentango gegen Dortmunds Zweite bedroht sind. Dennoch dürfen sie beim sicherlich hart umkämpften Prestigeduell am Samstag freiwillig keinen Millimeter Boden Preis geben. Es bleibt zu hoffen, dass Heber und Kehl-Gomez, aber auch die gesamte restliche RWE-Mannschaft die notwendige aggressive Zweikampfhärte an den Tag legen können werden, ohne das Regelwerk sanktionswürdig zu verletzen.
Nachdem der Schachzug, KG gegen die Fortuna als Rechtsverteidiger aufzubieten, insgesamt gut aufgegangen ist, ist eine Wiederholung dieser Variante nicht unwahrscheinlich. Überhaupt machte die Neidhart-Truppe beim Sieg über den Tabellenvierten einen coolen und abgeklärten Eindruck. Zu keiner Phase des Spiels war eine Verunsicherung aufgrund der zwei vorangegangenen Pflichtspielniederlagen zu spüren. Während der Hauptkonkurrent vom Borsigplatz beim Tabellenletzten in Ahlen einem vermeintlichen Spaziergang entgegen sieht, hängen die Punktetrauben für RWE im Preußenstadion deutlich höher. Münster wird mit aller Macht einen Heimsieg anstreben, RWE hat im Jahre 2021 auswärts noch nicht gewonnen und auch noch kein Tor erzielt. Um es vor dem Gipfeltreffen mit dem BVB nach wie vor sportlich in den eigenen Händen zu haben, werden die einzig wahren Roten aber ebenso mit voller Kraft anstreben, nicht mit leeren Händen ins Revier zurückzukehren. Münster darf sich daher darauf einstellen, nicht nur selber zu attackieren, sondern seinen Strafraum und sein Richtschwert gut verteidigen zu müssen.
NUR DER RWE!
Sven Meyering
Spielbericht
Ein Rückschlag, aber nicht das Ende der Welt…
…war der Auftritt von Rot-Weiss Essen in Münster, wo man sich mit 1:0 geschlagen geben musste. Am Ende war diese Niederlage besonders unbefriedigend, da mehr als ausreichend Möglichkeiten vorhanden waren, um am Ende als Sieger vom Platz zu gehen. Es war einmal mehr die fehlende Konsequenz in der Chancenauswertung, wenn Simon Engelmann nicht trifft, die RWE zum Verhängnis wurde. Hier waren die Preußen dann eben das eine Tor besser.
Christian Neidhart vertraute wenig überraschend eben der Elf, die gegen Fortuna Köln ein blitzsauberes Spiel abgeliefert und souverän gewonnen hat. Lediglich Amara Condé verlor seinen Bankplatz an Felix Herzenbruch, von dessen Kampfstärke Neidhart noch profitieren wollte. Insgesamt orientierte sich diese Entscheidung am Wetter. Die Kamera im Preußenstadion wackelte ordentlich, denn starker Wind fegte über den Berg Fidel. Hinzu kam strömender Regen bei Temperaturen unter 10 Grad. Vergnügungssteuerpflichtig waren die Bedingungen für die Kontrahenten sicher nicht.
Die Hausherren kamen zunächst besser mit dem Wetter zurecht. Der Beginn gehörte Preußen Münster. Die Westfalen kamen hochmotiviert aus der Kabine und rannten die Essener förmlich zu Boden. Hier zahlte sich die sichere Defensive von Rot-Weiss aus, die Richtung Tor immer die Überhand behielt. Die beste Möglichkeit hatten in den Anfangsminuten dann auch die Gäste, denn Felix Backszat zog von der Strafraumgrenze ab (14.), Münsters erfahrener Torhüter Maximilian Schulze-Niehues hatte den Ball allerdings sicher.
Mit der Torchance wechselten aber die Kräfte und RWE sorgte mehr und mehr dafür, die gewohnte Feldüberlegenheit aufzubauen. Die äußerte sich dann auch in mehreren hervorragenden Torchancen. Steven Lewerenz erkämpfte sich den Ball (29.) und erblickte eine Lücke in der Verteidigung. Er spielte den Ball auf die linke Seite, sodass Cedric Harenbrock frei vor dem Tor stand. Aus elf Metern gab Harenbrock allerdings eher einen Rückpass als einen gefährlichen Abschluss auf das Münsteraner Tor ab.
Danach machte es Harenbrock besser. Ein schlechter Kopfball der Münsteraner Abwehr fiel ca. 17 Meter vor dem Tor direkt auf den Fuß des Essener Mittelfeldasses. Er zog volley ab und der Ball schepperte an den Pfosten. Hier hatte Schulze-Niehues keine Chance. Beim Abpraller stand dafür Felix Backszat goldrichtig. Der Ball sprang zu ihm und er hatte die ganzen 7,32 Tor vor sich. Er entschied sich für die lange Ecke und der Ball rollte knapp am linken Pfosten dabei. Dies war die mit Abstand beste Möglichkeit und hier musste Rot-Weiss in Führung gehen.
Kurz vor der Halbzeitpause wurde Münsters Schlussmann einmal mehr überwunden. Daniel Heber setzte einen Kopfball perfekt in die rechte Ecke. Leider stand dieses Mal ein Münsteraner Abwehrbein zwischen der Führung und RWE. Zur Halbzeit hätte Rot-Weiss mindestens mit 2:0 führen müssen. Insgesamt hatten die Jungs von der Hafenstraße das Spiel mehr als im Griff. Hinten sorgten Daniel Heber und Alexander Hahn für ein ruhiges Spiel für Daniel Davari. Dennoch versuchte Christian Neidhart das Führungstor durch Wechsel zu erzwingen. Für Kevin Grund, der ungewöhnlich blass blieb, kam Felix Herzenbruch herein, für Cedric Harenbrock spielte in Hälfte Zwei Marcel Platzek als zweite Sturmspitze.
Aber zunächst sorgte Münster für ein Ausrufezeichen nach Wiederanpfiff. Hier führte Joel Grodowski den ersten Angriff über die linke Seite aus. Hier vernaschte er Daniel Heber und ging bis zur Grundlinie durch. Er hatte den Blick für Gerrit Wegkamp, der sich im Rücken der Abwehr freilief, und den perfekten Pass zum 1:0 für die Hausherren abschloss. Dies stellte den Spielverlauf auf den Kopf, Münster nutzte die sich bietende Gelegenheit aber sofort im Gegensatz zu den Gästen aus Essen.
Die Preußen zogen sich sofort in die eigene Hälfte zurück und versuchten fortan vor allen Dingen Zeit zu schinden. Dies konnte RWE aber kaum für die eigenen Angriffe nutzen. Die beste Möglichkeit hatte dieses Mal Alexander Hahn nach einer Ecke. Zum dritten Mal überwanden die Rot-Weissen den Preußen-Torwart, aber auch dieses Mal war ein Abwehrbein zwischen Ball und Tor. Im Anschluss daran versuchten die Rot-Weissen weiterhin, das Unentschieden zu erzwingen, aber bei immer schlechter werdenden Platzbedingungen mussten sie immer wieder auf hohe Bälle setzen, die von der Münsteraner Abwehr locker verteidigt werden konnten.
Am Ende war Preußen Münster dieses eine Tor besser und RWE zeigte in der zweiten Halbzeit nicht genug Gegenwehr, sodass man nicht von einem völlig unverdienten Erfolg der Münsteraner sprechen konnte, das muss man als sportlicher Verlierer anerkennen. Sportlich Siegen ist dagegen eine Kunst, die man in Münster wohl nicht beherrscht. Peinlich dann, wenn die Häme auf einen selbst zurückfällt. So freute sich der Stadionsprecher darüber, RWE auch in der kommenden Saison begrüßen zu dürfen. Das bedeutet wohl, dass er sich wünscht, dass seine Preußen das Aufstiegsrennen nicht gewinnen.
Durch das gleichzeitige Unentschieden der Dortmunder in Ahlen wird die bittere Niederlage etwas abgefedert, da sie zeigt, dass die Borussen ebenfalls nicht unbesiegbar sind. Am kommenden Mittwoch steigt dann der Showdown gegen den Tabellenführer. Das beste am Spiel gegen die Preußen ist die Tatsache, dass weder Daniel Heber noch Marco Kehl-Gomez die fünfte gelbe Karte gesehen haben und somit einsatzberechtigt sind, möglicherweise hat Heber auch deswegen nicht das taktische Foul bei dem Gegentreffer eingesetzt. Es braucht aber dringend wieder Konsequenz vor dem Tor, damit das Aufstiegsrennen wieder offener gestaltet und der Druck wieder auf den BVB verlagert werden kann.
Hendrik Stürznickel