Vorbericht
Der Spielplan hat einen schweißtreibenden Oktober für Rot-Weiss Essen vorgesehen, denn RWE trifft in nur elf Tagen auf drei Mitfavoriten um den Aufstieg in die 3. Liga. Während das Spiel bei der Kölner Fortuna 1:1 endete, hofft RWE am kommenden Samstag auf einen weiteren Heimsieg, um den forteilenden Dortmundern auf den Fersen zu bleiben. Das Spiel gegen den Absteiger aus der Dritten Liga wäre wohl ein großer Zuschauermagnet geworden. Das letzte Zusammentreffen der Rivalen liegt nun mehr als zehn Jahre zurück, sodass Fans aus Münster wie aus Essen an die Hafenstraße gepilgert wären.
Diese werden die Partie nun an den heimischen Geräten verfolgen müssen oder – so es die Hygienemaßnahmen erlauben – in den Kneipen, die das Spiel zeigen, denn das Corona-Virus nimmt die ganze Welt immer fester in seinen Griff, sodass die Behörden vor einem Spiel vor erneut 5.000 Zuschauern zurückschreckten. Nichtsdestotrotz steigt die Nervosität allein aus der Tatsache, dass der Druck, gewinnen zu müssen, auf der Mannschaft lastet.
Diesen Druck verspüren die Essener nicht exklusiv, denn auch in Münster ist man bestrebt, den Betriebsunfall Abstieg schnellstmöglich auszumerzen und zurück in die Dritte Liga zu kommen. Dass dies möglich sein könnte, hätte man Anfang August noch nicht für möglich gehalten. Erst Anfang Juli endete die Drittligasaison 2019/20 und die Hoffnungen der Münsteraner auf das Fußballwunder vom Berg Fidel verpuffte durch eine 0:3 Niederlage gegen den SV Meppen, die den endgültigen Abstieg der Preußen besiegelte.
Trainer des SV Meppen war bekanntlich Christian Neidhart, allerdings wird ihm die Erfahrung aus dem vergangenen Spiel nicht mehr viel nützen, da es in Münster im Sommer einen völligen Neuaufbau gab. Da Malte Metzelder, der mit großen Visionen im Münsterland gestartet ist, seinen Platz räumte, mussten die Preußen sich erst einmal in verantwortlicher Position neu aufstellen. Das Trainerteam um Sascha Hildmann bekam das Vertrauen auch in Liga 4 und die sportliche Leitung übernahm Peter Niemeyer.
Da dies allerdings Zeit in Anspruch nahm, standen den Preußen kurz vor Trainingsbeginn Anfang August gerade einmal sechs Spieler zur Verfügung. Niemeyer arbeitete aber fortan ruhig und seriös und stellte in kurzer Zeit einen mehr als schlagkräftigen Kader zusammen. Nachdem das Führungschaos beseitigt war, konnten Stützen der Drittligamannschaft wie der extrem starke Torwart Maximilian Schulze Niehaus oder Kapitän Julian Schauerte zum Bleiben bewegt werden. Hinzu kamen namhafte Neuzugänge, die hauptsächlich aus höheren Ligen an den Berg Fidel wechselten. Während der in Essen bestens bekannte Alexander Langlitz aus Lotte kam, konnten Jules Schwadorf (SV Wehen Wiesbaden), Justin Möbius (Karlsruher SC) oder Dennis Daube (KFC Uerdingen) verpflichtet werden.
Da weitere Spieler von hochkarätigen Vereinen verpflichtet wurden und in der vergangenen Woche mit William Möller einen Mittelstürmer geholt hat, der Joel Grodowski (2 Tore) unterstützen soll, würde man sich in Münster lächerlich machen, wenn man tiefstapeln würde. Preußen will hoch, Preußen hat einen Kader, mit dem es aufsteigen kann, und Preußen hat bislang seine Hausaufgaben erledigt. Bislang spielten die Münsterländer gegen Vereine aus dem Mittelfeld bzw. unteren Drittel und konnte dabei 14 Punkte in sieben Spielen sammeln, hat also einen beachtlichen Schnitt von 2,00 Punkten pro Spiel. Zuletzt stolperten die Preußen am Kölner Geißbockheim (0:1), dies war allerdings nicht der Beginn einer Negativserie, denn die Münsteraner meldeten sich mit einem 4:1 Kantersieg gegen die Sportfreunde Lotte zurück. Das ist allemal beachtlich und zeigt, wie viel Qualität vorhanden ist.
Wie auch gegen Fortuna Köln können die Beobachter von einem richtungsweisenden Spiel für Rot-Weiss Essen sprechen. Einmal mehr muss sich RWE einem Belastungstest unterziehen. In Köln hat RWE diesen besonders in der ersten Halbzeit mehr als erfüllt. Hier spielte das Team von der Hafenstraße nach einer Kölner Druckphase in den ersten zehn Minuten die Fortuna förmlich an die Wand. Das 1:0 für Rot-Weiss erzielte einmal mehr Simon Engelmann, nach einer tollen Vorlage von Sandro Plechaty. Danach erlebten die RWE-Fans den bekannten Chancenwucher. Beispielhaft sei die verunglückte Flanke von Oguzhan Kefkir genannt, die nur auf die Querlatte fiel.
Nach der Pause konnte die Fortuna durch einen 30 Meter-Hammer ausgleichen und dann bekamen die Zuschauer ein qualitativ hochwertiges Spiel zweier ebenbürtiger Gegner zu sehen. Am Ende ist der Punkt beinahe zu wenig angesichts der vielen Einschussmöglichkeiten, mit ein wenig Abstand kann man das Ergebnis als ordentlich zu den Akten legen.
Ob Christian Neidhart das Unentschieden nun als Ausgangspunkt für Änderungen nutzt, ist kaum vorherzusagen. Der kompakte zentrale Mittelfeldblock hat durchaus gehalten, ob dieser nun erneut gegen Münster auflaufen wird, ist fraglich. Neuzugang Isaiah Young hat derweil einen guten ersten Eindruck gemacht. Er zeigte sich schnell, agil und mutig. Leider waren die Abschlüsse manchmal noch überhastet, allerdings deutete er an, dass er mit ein wenig mehr Eingewöhnung die Qualität des Kaders noch einmal heben könnte. Ob es für ihn allerdings für einen Startelfeinsatz reicht, ob Joshua Endres nach seinem Ausfall direkt wieder eingreifen darf oder ob Felix Backszat wieder beginnen darf, werden wir nicht vorhersagen können.
Am Ende wird RWE wieder ohne den Großteil des Publikums auskommen müssen und die 100 glücklichen Losgewinner werden versuchen, dies auszugleichen. Es wird eine konzentrierte Leistung nötig sein, um starke Münsteraner zu schlagen. Da der BVB II gegen Ahlen wohl ein leichtes Spiel hat, braucht RWE die drei Punkte, um dran zu bleiben. Dabei sollten wir vor allen Dingen auf uns selbst schauen. Die Qualität hinten wie vorne ist da. Wenn die Stürmer etwas konsequenter die Torchancen verarbeiten, wird es auch was mit dem Erfolg gegen Preußen Münster.
Hendrik Stürznickel
Spielbericht
Gute Laune an der Hafenstraße 97A. Zwar durften nur 300 Leute live vor Ort dabei sein, die jedoch sahen ein gutes und erfolgreiches Regionalligaspiel aus Essener Sicht. Ebenso wie zuvor die U23 von Fortuna Düsseldorf schickte Rot-Weiss Essen auch den alten Westrivalen Preußen Münster mit einer Niederlage im Gepäck nach Hause. Simon Engelmann stellte in der 51. Spielminute die rot-weissen Weichen auf Sieg. Der Erfolg war vollauf verdient. RWE setzt sich somit weiter in der Spitzengruppe der Regionalliga West fest. Der Gast aus dem Münsterland schluckte hingegen die zweite Auswärts-Niederlage in Folge und hat mit weiterhin 14 Punkten auf das Spitzenduo BVB U23 (20 Punkte) und RWE (18 Punkte) erst einmal ein wenig Rückstand zu verzeichnen.
Christian Neidhart baute seine Mannschaft vor dem Start im Vergleich zum Auftritt bei Fortuna Köln auf zwei Positionen um. In der Mittelfeldzentrale musste Amara Condé mit muskulären Problemen passen. Der hohe Belastungspegel mit vielen Partien binnen weniger Tage fordert wohl Tribut. Zum Glück kann RWE aufgrund seiner Kaderbreite und Qualität da problemlos reagieren. So kam der in der Vergangenheit mit so großen Verletzungsproblemen geschlagene Cedric Harenbrock zu seinem ersten Regionalliga-Startelfeinsatz seit einer gefühlten Ewigkeit. Zudem durfte Neuzugang Isaiah Young auf dem rechten Flügel von Beginn an flitzen. Für ihn rotierte Felix Backszat auf die Bank. Sowohl Harenbrock als auch Young sollten ihre Nominierungen vollauf rechtfertigen. In der Anfangsphase zeigte sich die Gäste zunächst sehr aktiv und erzielten sogleich eine Serie von Eckbällen, die jedoch allesamt verpufften. Dann nahm RWE das Heft in die Hand. Young, der Münsters Dennis Daube nach noch nicht einmal zwei Zeigerumdrehungen den ersten gelben Karton bescherte, weil dieser sich gegen den Antritt der Essener Nummer 30 nur mit einem rustikalen Bodycheck zu wehren wusste, stellte auch seinen etatmäßigen Gegenspieler Niklas Heidemann vor vermehrte Probleme.
Gleich zweimal blockte die Preußen-Abwehr gefährliche Hereingaben Youngs erst im letzten Moment. Dann begann die aufsehenerregendste Phase des Spiels und es stand 2:1 für RWE. Nach Aluminiumtreffern. Als Erster war RWE-Kapitän Marco Kehl-Gomez an der Reihe. Harenbrock hatte wunderbar aufgelegt, Kehl-Gomez von kurz vor der Strafraumgrenze direkt abgeschlossen. Latte. Dorthin schoss Oguzhan Kefkir kurze später erneut. Preußen Keeper Schulze Niehues wäre beide Male chancenlos gewesen. Ebenso wie sein Gegenüber Daniel Davari, als Grodowski aus der Drehung nur den Innenpfosten des Essener Tores traf. Eine weitere Torannäherung der Gäste gab es zunächst nicht. Das war einmal mehr einer im Kollektiv stark gegen den Ball arbeitenden Essener Mannschaft zu verdanken, aus der Dennis Grote als extrem zweikampfstarker Lenker und Denker sowie die beiden Innenverteidiger Daniel Heber und Alex Hahn mit blitzsauberen Zweikampfbilanzen dennoch herausragten. Bis zum Pausenpfiff von Schiedsrichter Florian Visse blieb RWE dominant, ohne weitere klare Chancen generieren zu können. Simon Engelmann traf zunächst nicht ins Tor, dafür unabsichtlich seinen Gegenspieler Simon Scherder am Kopf. Der konnte fortan wegen einer Platzwunde nur mit grünem Turban weiterkicken und Engel sah den gelben Karton.
Eine knifflige Szene leitete die zweite Spielhälfte ein. Münsters Kapitän Jan Schauerte hatte nach einer Hereingabe des Ex-Esseners Alexander Langlitz auf einmal die große Chance am kurzen Pfosten, doch Daniel Heber hatte etwas dagegen und den Fuß dazwischen. Die nachfolgende Ecke brachte nichts ein und RWE setzte zum spielentscheidenden Zug an. Die Essener lockten die Gäste mit einer Ballpassage am eigenen Strafraum etwas weiter heraus und brachten so Unordnung ins Preußen-Korsett. Dennis Grote hatte auf einmal viel Grün vor sich, nachdem er durch zwei schlecht gestaffelte Münsteraner einfach mal mit der Kugel durchgelaufen war und diese zu Cedric Harenbrock weiterleitete. Cedi hatte bereits im Spiel gegen Düsseldorf einen Treffer erzielen können, nun wollte er das einfach mal wiederholen und nahm Tempo Richtung Gästetor auf. Die Preußen bekamen keinen Zugriff und Harenbrock durfte zentral abschließen. Zwar verhinderte Preußen-Keeper Schulze den direkten Einschlag, aber einen Ball in Anwesenheit von Simon Engelmann abprallen zu lassen ist grundsätzlich keine gute Idee für einen Torhüter. So stand Essens Goalgetter eben genau dort, wo ihn sein Näschen hinführt und vollendete leicht links vom Tor versetzt ins lange Eck. Das viel umjubelte goldene Tor. RWE spielte im Anschluss eine sehr starke Partie, ließ Ball und Gegner laufen, die Preußen hatten weit über eine halbe Stunde lang keine Mittel, um ein souverän auftretendes Rot-Weiss zu gefährden.
Zwischenzeitlich war Jan-Lucas Dorow für den absolut überzeugenden Cedric Harenbrock gekommen, dem noch die Kraft für 90 Minuten fehlen. In dieser Verfassung wird Essens Nummer 8 nicht so leicht aus der Startformation zu verdrängen sein. Jedenfalls wird Christian Neidhart die Qual der Wahl haben, wenn Amara Condé genesen sein wird.
In der Schlussviertelstunde wurden dann der ebenfalls starke Young und Kefkir durch Felix Backszat und Jonas Hildebrandt ersetzt, Neidhart wollte so wohl die ohnehin hohe Kompaktheit der Rot-Weissen noch erhöhen. Andererseits nahm Essen sich so auch ein wenig die Chance mit schnellen Spielern den entscheidenden Konter zu setzen. Kurz vor Ende der regulären Spielzeit kam noch Endres für Engelmann, der mit seinem Treffer einen Höhenflug des Preußen-Adlers unterband und den Gästen die Flügel stutzte.
Die Uhr war bereits drei Minuten über die 90 gelaufen, da sorgten Daniel Davari und der Stream von Soccerwatch noch einmal für Herzinfarkt -Momente. Der während der gesamten Spielzeit fast nur als spielender und hinten ballverteilender Torwart beschäftigte Davari eilte bei einem hohen Ball der Münsteraner Richtung Essener Strafraum energisch aus seinem Kasten und schnappte sich die Kugel sicher. Alles gut, möchte man meinen, doch Diva landete mit dem Spielgerät in den Händen knapp außerhalb seines Strafraums. Es gab Gelb und einen Freistoß für Preußen aus bester Position. So standen allen, die es mit den Essenern hielten, die Schweißperlen auf der Stirn, sollte der sicher geglaubte Sieg doch noch abhanden kommen? Einen besonderen Sinn für Dramaturgie zeigte auch der ansonsten tadellos laufende Stream von Soccerwatch, denn genau im Moment der Ausführung bleib dieser stehen und als Nächstes war ein Standbild mit nach der Seite laufenden Münsteraner Spielern zu sehen, das durchaus einen Torjubel hätte darstellen können. Jedoch versagte die Tontechnik nicht und die für die Live-Gäste im Stadion zu bestaunende Parade Davaris, der seinen Schnitzer somit gut machte, wurde von den Kommentatoren gefeiert wie Engelmanns Siegtreffer. Da RWE auch den folgende Anlauf von Münster klärte, blieb es beim 1:0 für Essen und der Puls der rot-weissen Anhängerschaft durfte herunterfahren.
In den sozialen Medien wurde unmittelbar nach dem Schlusspfiff sowohl der wichtige und verdiente Sieg gefeiert als auch Davaris Schlussaktion diskutiert. An dieser Stelle sei einmal gesagt, dass Rot-Weiss Essen zwei sehr gute Torhüter hat. Daniel Davari hat sich im Kampf um die Nummer 1 allerdings durchgesetzt, hat in 9 Spielen inklusive DFB-Pokal nur 5 Treffer kassiert und fünfmal zu Null gespielt. Die Abwehr vor ihm wirkt alles andere als durch ihren Schlussmann verunsichert, der einen coolen und abgeklärten spielenden Torwart gibt. Wer jetzt eine Torwartdiskussion führen möchte, hat deshalb offenbar ein Luxus-Problem. Aber auch das gehört zur Essener Hafenstraße, die zumindest digital weiter brodelt, wenn schon der Stadionbesuch nicht möglich ist.
Bereits am Mittwoch gastieren die Rot-Weissen bei der Zweitvertretung von Borussia Mönchengladbach, die sich bei den Sportfreunden Lotte die zweite Niederlage in Folge eingefangen hat. Das freut die Essener ebenso wie das Remis von Fortuna Köln beim spektakulären 4:4 in Wiedenbrück. Echte Konstanz außer RWE zeigt nur die U23 der Dortmunder. Mit 6:0 fielen die Schwarz-Gelben über RW Ahlen her. Allerdings bleibt abzuwarten, wie der BVB sich gegen die Schwergewichte der Liga schlagen wird, von denen unsere Roten die meisten Vereine bereits relativ erfolgreich bespielt haben. Coach Neidhart und seine weiterhin unbesiegten Jungs scheinen derzeit jedenfalls auf einem sehr guten Weg, der unter der Woche im Grenzlandstadion fortgesetzt werden soll.
NUR DER RWE!
Sven Meyering