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2020/2021 - Regionalliga West

Rot-Weiss Essen – SC Wiedenbrück (1:1)

Das hatten sich alle Rot-Weissen wohl anders vorgestellt. RWE kommt im ersten Spiel gegen Aufsteiger Wiedenbrück nicht über ein 1:1 heraus. Der Ausgleichstreffer für die Gäste, nach 1:0-Führung durch Simon Engelmann, fiel dann noch in der Nachspielzeit durch einen Kunstschuss. Durch Pokal und Spielfrei können wir die nächsten beiden Spieltage nur zuschauen, was die Konkurrenz macht.

Vorbericht

Ab jetzt gilt es! RWE hat sich mit dem Sieg im Niederrheinpokal den ersten Titel der Saison geholt und die wichtige Teilnahme an der ersten DFB-Pokalhauptrunde gesichert. Ab Samstag geht es nun endlich um Meisterschaftspunkte. Der große Aufstiegsfavorit aus dem Revier empfängt den Aufsteiger aus dem beschaulichen Wiedenbrück in Ostwestfalen. Da stehen die rot-weissen Vorzeichen natürlich klar auf Sieg. Und gerade deshalb muss man besonders gewarnt sein, denn – Achtung, ein Fünfer für das Phrasenschwein – die einen (RWE) haben besonders viel zu verlieren, die anderen (SCW) können fast nur gewinnen.

Welch ein Kontrastprogramm zum Saisonauftakt des Vorjahres. Vor über 14.000 Besuchern rang RWE damals in der Schlussphase den BVB 2 nieder, mit dem Schlusspfiff verwandelte Alex Hahn einen Strafstoß zum Sieg, was Essens Anhang an einem brüllend heißen Juliabend in südländische Ekstase versetzte. Bekanntlich ist nun vieles anders. Corona bedingt werden die RWE-Fans am Samstag in der überwiegenden Mehrheit den Saisonauftakt am heimischen Smart-TV verfolgen. Mit dem Erwerb einer Dauerkarte sichert sich ein Fan den Zugang zum vom Verein in Zusammenarbeit mit Soccerwatch angebotenen Livestream. Stand 01.09 haben 3060 Dauerkartenbesitzer der Vorsaison vom sogenannten „RWE-DoppelPass“ Gebrauch gemacht. Eine stolze Zahl, wenn auch noch signifikant entfernt von den bis zu 5000 Tickets, die der Verein sich abzusetzen erhofft.

Die Botschaft ist klar, das direkte Stadionerlebnis wird von den Fans natürlich präferiert, zusätzlich haben die Fankurven ein Problem damit, dass bei Stadionöffnung Teile der Zuschauer auch ausgesperrt bleiben, solange die Infektionsschutzmaßnahmen zumindest in diesen Bereichen strenge Anwendung finden. Virtuelle Unterstützung wird es von der Westkurve geben, dort können zumindest Zaun- und Fanclubfahnen aufgehängt werden. Derweil hält Corona die Liga bereits wieder im Würgegriff. Das Auftaktspiel von Nachbar RWO gegen Aufsteiger Wegberg-Beeck musste bereits abgesagt werden, weil sich im Umfeld eines Oberhauseners Akteurs ein entsprechender Fall befindet. Da stehen wohl nicht nur den Spieltagsplanern schon wieder Schweißperlen auf der Stirn.

Noch nie startete die Liga so spät, noch nie gingen so viele Mannschaften an den Start und folglich noch nie gab es so viele Partien auszutragen. Nimmt man noch die zu erwartenden witterungsbedingten Spielausfälle hinzu, drohen dann im Frühjahr ultraenglische Wochen und ein Tabellenbild, gegen das der schiefe Turm von Pisa förmlich kerzengerade sein wird. Das alles trübt die Vorfreude auf eine Saison, die dennoch gerade in Essen mit heißem Herzen erwartet wird und ebenso großen Erwartungen verbunden ist. Von daher gilt es zunächst einmal, sich auf den Gegner aus Wiedenbrück zu fokussieren.

Vergleiche aus der Vorsaison fehlen, die Emsstädter hatten am Ende der Spielzeit 2018/19 den Gang die Oberliga Westfalen antreten müssen, standen jedoch zum Zeitpunkt des Saisonabbruchs im Frühjahr auf dem Tabellenplatz an der Sonne, sodass der Abschied nur ein einjähriges Intermezzo gewesen ist. Die Regionalliga West ist für unseren RWE leider längst kein Zwischenspiel mehr, sondern langjährige Realität. Das möchte man nun mit vereinten Kräften ändern.

Wiedenbrück zum Saisonauftakt, da war doch was? Gleich zweimal kreuzten RWE und die Ostwestfalen in der jüngeren Vergangenheit im ersten Saisonspiel die Klingen, was sehr gemischte Gefühle hinterließ. Einen Vorgeschmack auf eine Katastrophensaison bekam Rot-Weiss im August 2015. Unter dem jungen Neutrainer Jan Siewert startete RWE wie gewohnt ambitioniert in die Spielzeit 2015/16. In der Vorbereitung hatte man den Lokalrivalen ETB gleich mit 7:0 abgeschossen und dem spanischen Zweitligisten Real Mallorca ein 2:2 abgerungen. Da sollte ein Auftaktsieg gegen den SC Wiedenbrück vor heimischer Kulisse doch im Rahmen des Möglichen liegen. Am Ende hatten sich die Roten eine deftige 0:3 Klatsche auf der Zielgeraden des Spiels eingefangen, die Kamil Bednarski mit seinem Führungstreffer eingeleitet hatte. Auch nach dem Rückspiel in OWL leckte RWE seine Wunden, weil man eine 2:0 Führung in den Schlussminuten noch verspielte, zum Ausgleich traf wiederum Bednarski für Wiedenbrück.

Die gesamte Spielzeit über kam Rot-Weiss nicht richtig in die Spur, geriet sogar in akut zu nennende Abstiegsgefahr, weswegen der restlos überfordert wirkende Jan Siewert Sven Demandt weichen musste, der das angeleckte Schiff dann ans sichere Ufer brachte. Um die Gefahr Bednarski für RWE zu bannen, wurde dieser zur kommenden Spielzeit dann von den Essenern verpflichtet. Wieder lautete der Auftaktgegner Wiedenbrück, diesmal allerdings musste die Roten Auswärts ran. Und erinnern sich daran wesentlich lieber als an die Vorsaison. Mit einem 2:0 Auswärtssieg, einen Treffer steuerte der damalige Rückkehrer Timo Brauer bei, nahm RWE Revanche. Überhaupt kamen beide Mannschaften in den letzten Jahren bei ihrem jeweiligen Gegner besser zurecht als in heimischen Gefilden. Fast regelmäßig siegte RWE in Wiedenbrück, ebenso regelmäßig überraschte der SCW hingegen in Essen. Unter anderem gewann er im Spätsommer 2017 mit 4:2 an der Hafenstraße, kurz darauf erklärte der von einigen Fans schwer angegangene Michael Welling seinen Rücktritt als RWE-Boss. Wir hoffen, das sind keine schlechten Omen für den kommenden RWE-Heimauftritt gegen Wiedenbrück. Die gesamte Fangemeinde glaubt daran, dass RWE ebenso wie im Dezember 2014 zuhause die Oberhand behalten wird, tatsächlich der einzige Essener Heimsieg gegen den SCW.

Alles andere als den zweiten Sieg gegen die Emsstädter aus dem einen Teil der zugleich Doppelstadt Rheda-Wiedenbrück zu feiern, wäre eine herbe Enttäuschung. Die Vorbereitung der Rot-Weissen lief gut, ausnahmslos siegreich und mit insgesamt nur drei Gegentoren aus 8 Spielen in der Vorbereitung inklusive zwei Partien im Niederrheinpokal gestaltete die Neidhart-Elf den saisonalen Vorlauf. Mit Wiedenbrück kommt jedoch nun die neben RWE einzige Mannschaft der Liga zu Besuch, die ebenfalls im DFB-Pokal antreten darf. Im Ausscheidungsspiel des Fußballverbandes Westfalen, das jeweils zwischen dem bestplatzierten westfälischen Regionalligisten sowie dem Meister der Oberliga Westfalen ausgetragen wird, gaben die Emsstädter dem amtierenden Regio-Meister Rödinghausen mit 4:0 ordentlich eins auf den Amigo-Sombrero.

Ein weiteres Indiz dafür, dass es in der kommenden Saison zu einer Wachablösung an der Tabellenspitze der Regio West kommen wird. In diesem Match zeigte der SCW wohl auch bereits die Taktik, mit der er in Essen bestehen möchte. Aus einer starken Defensive heraus zog der Oberligameister seinem Pendant die Zähne, Rödinghausen rannte ohne Effektivität an und fing sich einen Konter über den pfeilschnellen Linksaußen Phil Beckhoff. Fortan fand der Favorit nicht mehr richtig ins Spiel, während Wiedenbrück sich sehr effektiv vor des Gegners Tor zeigte. Diese Medizin möchte der SCW auch den Essenern verabreichen, die gewarnt sein sollten.

Trainer Daniel Brinkmann stapelt naturgemäß aber erstmal tief, was den Auftritt seiner Jungs an der Hafenstraße angeht. Essens Kader habe so viel Qualität, dass RWE eigentlich mit gleich zwei Mannschaften um den Aufstieg spielen könnte, so Brinkmann. Hierin liegt natürlich nicht reine Ehrfurcht vor den Gastgebern, sondern zeigt sich taktisches Kalkül. Wenn man den Druck auf den großen Favoriten noch einmal erhöht, spielt man selber umso leichter auf. Wiedenbrück wird die Punkte nicht kampflos abliefern. Das wird auch Essens Boss Marcus Uhlig wissen, der mit Brinkmann gemeinsam große Erfolge in Bielefeld gefeiert hatte, Uhlig als Geschäftsführer, Brinkmann als Spieler. In der Spielzeit 2014/15 stieg die Arminia von der Dritten in die Zweite Liga auf und erfüllte dabei die Favoritenrolle. Im DFB-Pokal jedoch zeigten sich die Arminen als bissiger Underdog, der vier klassenhöhere Gegner ausschaltete, bis er im Halbfinale der Millionario-Truppe aus Wolfsburg unterlegen war. Im Viertelfinale gegen Gladbach war Daniel Brinkmann zudem unter den erfolgreichen Bielefelder Schützen, die das Elfmeterschießen gegen die Borussia siegreich gestalteten. Mit Sensationen kennt sich der 34-Jährige somit aus und will diese auch als Coach in Essen schaffen.

Genau das will sein Gegenüber Christian Neidhart selbstredend verhindern und einen Favoritensieg feiern. In den letzten zwei Wochen kristallisierte sich dabei auch immer mehr die Anfangsformation heraus, mit der zum Saisonstart zu rechnen sein wird. Im Tor hat sich Routinier Daniel Davari gegen seinen jungen Herausforderer Jakob Golz durchgesetzt. Sowohl im Pokalfinale gegen Kleve als auch im finalen Test gegen den niederländischen Ehrendivisionär FC Emmen hütete Davari das rot-weisse Gehäuse. Gegen Emmen parierte er überdies einen Strafstoß. Christian Neidhart bestätigte am Dienstag, dass RWE mit Davari als Nummer 1 in die Saison starten wird. In der Abwehrformation von RWE wird wohl lediglich Sandro Plechaty ein neues Gesicht auf der rechten Seite darstellen. Das Pendant links dürfte nach wie vor Kevin Grund sein, im Zentrum verteidigen wie gewohnt Daniel Heber und Alex Hahn. In der Mittelfeldzentrale scheint kein Weg am Tripple-Regio-Champ Felix Backszat vorbeizuführen. Kapitän Marco Kehl-Gomez wird ebenso wie Amara Condé den etwas offensiveren Mittelfeldpart spielen.

In der letzten Zone dürfte Oguzhan Kefkir die Flügelzange auf links sowie Joshua Endres den Gegenpart auf rechts darstellen. Hinter Endres steht dabei noch das größte Fragezeichen. Wer im Sturmzentrum auf Simon Engelmann wettet, wird damit keinen zählbaren Gewinn machen können, sowohl Neidhart als auch die Buchmacher dürften sich hier sicher sein. Käme es so, wären vier Neuzugänge im Vergleich zur Vorsaison dabei, die die Qualität der Essener auf dem grünen Rasenrechteck entscheidend steigern können sollten. Daniel Brinkmann hat natürlich nicht ganz Unrecht damit, dass die meisten RWE-Akteure, die nicht das Vertrauen von Anfang an geschenkt bekommen werden, in der Startformation vieler anderer Mannschaften dabei wären. Dennoch, die nächste Fußballphrase, spielen Elf gegen Elf.

Taktisch gesehen wird es für Essen darum gehen, einen dicht gestaffelten Gegner in der letzten Zone auszumanövrieren und die so kreierten Torchancen zu verwerten. Hört sich ebenso einfach wie selbstverständlich an. Doch zumindest in einigen Partien der Vorbereitung zeigte sich bei RWE das alte Problem des Chancenwuchers, weswegen man auch im Niederrheinpokalfinale ein Déj? -Vu erleben musste. Hätte RWE zur Pause mit 3 oder 4:0 geführt, wäre das verdient gewesen, doch man ging mit nur einem Tor Vorsprung in die Pause, den der unterklassige Gegner aus Kleve dann durch einen zweifelhaften Elfer egalisieren konnte. Die Klasse Simon Engelmanns rückte das wieder gerade, doch nach wie vor wünschen sich alle, die es mit RWE halten, mehr Effizienz vor dem Tor bei Engelmanns Nebenleuten. Viel Wert hat Coach Neidhart auf das Defensivverhalten seiner Mannschaft gelegt, die auch wenig an gegnerischen Chancen zuließ. Auch gegen den Aufsteiger muss die richtige Balance aus Angriffsdruck und defensiver Absicherung vorhanden sein. Und wie oben schon erwähnt, kann der SCW durchaus mit Räumen umgehen, die man ihm offeriert, so wie es Rödinghausen tat und dies bitter bezahlen musste.

Von daher wartet auf RWE womöglich der Prototyp eines Regionalliga West Spiels 2020/21. Essen wird machen müssen, der Gegner RWE machen lassen und auf seine Chance warten. Rot-Weiss zeigte sich bislang besonders gefährlich, wenn man das schnelle Spiel in die Spitze gepflegt hat, das Neidhart sich auch wünscht. Immer wieder waren während der Tests die Anweisungen des Trainers zu hören, den Ball vorne herein und nicht hinten herum zu spielen, wenn es die Gelegenheit dazu gibt. Ein erfolgreiches Beispiel lieferte am Samstag im Test gegen Emmen Amara Condé, an dem auch gerne Kritik laut wird, er verschleppe das Spiel zu sehr. Nach einer Balleroberung schaltete Condé blitzschnell und spielte einen Sahnepass über das halbe Feld genau in den Lauf von Endres, der in der folgenden Eins gegen Eins Situation mit dem Torhüter die Nerven behielt. Essen kann also auch schnelles Umschaltspiel. Mithilfe dieser sicherlich auch notwendigen Flexibilität möchten die einzig wahren Roten dann am Samstag mit einem Erfolg über die Mannschaft von der Ems über die erste Brücke zum Aufstiegsufer gehen.

NUR DER RWE!

Sven Meyering

Spielbericht

Schon vor dem Spiel verwunderte die Heimstatistik gegen den SC Wiedenbrück. Während RWE andere vermeintliche Angstgegner auch in den letzten Jahren immer wieder zu Hause bezwingen konnte, nahmen die Wiedenbrücker immer wieder Punkte in die Heimat mit. Hofften wir RWE-Fans am Ende des heutigen Spiels noch, dass RWE einen alles andere als spektakulären Arbeitssieg einfahren könnte, zerstörte Daniel Latkowski die Hoffnung auf einen Start nach Maß in buchstäblich letzter Minute mit einem Traumtor.

Christian Neidhart vertraute in seiner Aufstellung der Elf, die den Niederrheinpokal gewann. Neben den angeschlagenen Maximilian Pronichev und Cedric Harenbrock fanden sich auch Hamdi Dahmani und Felix Herzenbruch auf der Tribüne wieder. Gerade letztere Personalie überraschte, da Herzenbruch mit starken Leistungen in Tests und in den Pokaleinsätzen auf sich aufmerksam machte. Er zeigte sich dann aber sehr redegewandt und unterhaltsam als Co-Kommentator des Streams.

Eröffnungsspiele in Essen machen normalerweise mindestens bis zum Anpfiff großen Spaß. Am Ende sind doch wieder alle aus ihren Löchern gekrochen, egal ob sie auf den positiven Start hoffen oder mal wieder richtig meckern wollen – man habe es doch gewusst, dass es wieder nichts wird. Man trifft diejenigen, die sich mit einem freuen und leiden über die ganze Saison und die man durch die Sommerpause viel zu wenig gesehen hat und dann kommt der elektrisierende Moment, wenn Adiole durch die Lautsprecher klingt. Die Corona-Saison verdarb den RWE-Fans diese Momente und so liefen die Mannschaften nüchtern auf und es ging los.

Es lag nicht nur an den fehlenden Anfeuerungsrufen, dass vor dem Fernseher keine rechte Euphorie ausbrechen wollte. Wiedenbrücks Taktik war – wie vorher vermutet – Beton der Marke extrafest anzurühren. Die Essener Spieler liefen beinahe vor eine Wand und fanden keine Mittel, diese auch nur ansatzweise zu erschüttern. Es dauerte beinahe eine halbe Stunde, bis es zum ersten Mal sehr eng für Wiedenbrücks Schlussmann Marcel Hölscher wurde. Alexander Hahn führte einen Freistoß nach Foul an Engelmann direkt aus und traf das Aluminium. Der äußere Pfosten lenkte den Ball ins Aus.

Auch diese Möglichkeit führte nicht zum Sturmlauf. Erst kurz vor dem Pausenpfiff spielte RWE mal schnell durch seine Reihen und gleich zweimal (41., 44.) vergab Joshua Endres gute Einschussmöglichkeiten. Hier sei ein Wort zu den beiden Außen gesagt. Endres wie auch Oguzhan Kefkir konnten kaum Gefahr über die Flügel bringen. Gerade vom erfahrenen Kefkir kennen wir ein anderes Gesicht, das sollte er unbedingt wieder zeigen, um den Druck auf den Gegner zu erhöhen. Wenn es von Außen gefährlich wurde, dann war Sandro Plechaty dafür verantwortlich. Plechaty war einer der wenigen, die über das ganze Spiel eine konstant starke Leistung abgerufen haben.

In der Pause hat Christian Neidhart offensichtlich klare Worte gefunden, denn RWE hatte ein ganz anderes Auftreten in der zweiten Hälfte. Nachdem Engelmann einen super Pass vor den leeren Wiedenbrücker Kasten spielte, der keinen Abnehmer fand, und wenige Sekunden später noch am Keeper scheiterte, krönte der Neuzugang seine Leistung mit dem ersten Regionalligator für Rot-Weiss Essen. Sandro Plechaty nahm sich in der 55. Minute ein Herz und hielt kräftig auf den Kasten von Marcel Hölscher. Dieser konnte nur abklatschen lassen. Engelmann hatte den nötigen Instinkt und verwandelte zum 1:0.

RWE kam nun besser ins Spiel und drängte auf die Vorentscheidung. Die wohl beste Chance hatte einmal mehr Joshua Endres, der von Engelmann bestens in Szene gesetzt wurde und den Ball eher in Richtung Torwart passte, als dass man es einen Torschuss hätte nennen können (61.). Am Ende konnte RWE trotz guter Chancen nicht das erlösende 2:0 machen, hatte das Spiel aber im Griff.

Dies wechselte etwa eine Viertelstunde vor Schluss, denn Wiedenbrück sah es gar nicht ein, die Punkte ohne Widerstand an der Hafenstraße abzuliefern und störte RWE nun schon früher. Hier wurde es mehrmals unnötig gefährlich, weil RWE immer wieder leichte Bälle im Spielaufbau in der eigenen Hälfte verlor und es schnelle Konter gab. Kurz vor Schluss spielte der kurz vorher eingewechselte Dennis Grote einen katastrophalen Fehlpass zum Gegenspieler, der schnell in die andere Richtung weiterleitete und von Daniel Heber nur durch ein Foul gestoppt werden konnte. Der Freistoß wurde noch von der Essener Abwehr geklärt, der hinausgeköpfte Ball kam jedoch zu Daniel Latkowski und der feuerte einfach mal aus der zweiten Reihe. Der Ball schlug im rechten Winkel ein und es stand 1:1. Am Ende muss man sagen, dass das Tor durch die chaotische und schlechte Phase ab der 75. Minute nicht unverdient war.

Dennoch fühlt sich dieses Unentschieden wie eine herbe Niederlage an. Trotz Corona wurde in Essen eine enorme Euphorie erzeugt. In wenigen Tagen wurden 3.800 Dauerkarten abgesetzt und das, obwohl es sein kann, dass keiner von uns in dieser Saison das Stadion von innen sehen wird. Dieses Ausrufezeichen hätte als Motivationsspritze herhalten können, doch dieser Gegentreffer verursacht einfach nur tiefe Enttäuschung. Fairerweise muss man sagen, dass Wiedenbrück deutlich stärker auftrat, als man es von anderen Aufsteigern gewohnt ist. Das ist allerdings keine Entschuldigung, denn RWE wird, wenn es aufsteigen will, nicht viele Punkte liegenlassen dürfen. Dass dieser Luxus nun in einem Heimspiel gegen einen Aufsteiger in Anspruch genommen wird, ist angesichts der kommenden Aufgaben beinahe fahrlässig. Hinzu kommt der rot-weisse Spielplan, der uns Fans für viele Wochen die Tabelle sehr unangenehm aussehen lässt, da RWE durch das Pokalspiel in der kommenden Woche und die anschließende spielfreie englische Woche mitunter acht Punkte hinter der direkten Konkurrenz stehen kann.

Fortuna Köln und die zweite Mannschaft vom BVB gaben sich dagegen keine Blöße und meisterten ihre Aufgaben. Das DFB-Pokalspiel kommt dementsprechend zur Unzeit. Einerseits wünscht man sich nach dem Unentschieden umso mehr die volle Konzentration auf die Liga und keine Ablenkung durch die Pokalpartien, andererseits ist der Wettbewerb eine Möglichkeit, um die finanziellen Nachteile aufgrund der Corona-Situation auszugleichen und aus der Warte wäre eine Pokalüberraschung wünschenswert.

Umgekehrt darf nach dem ersten Spieltag niemand den Kopf in den Sand stecken. Das war heute, man muss es so deutlich sagen, zu wenig. Es gibt aber auch positive Eindrücke. Engelmann ist der Torjäger, der hier so lange gewünscht wurde. Sandro Plechatys Transfer wurde lange nicht so euphorisch begleitet wie die von Backszat oder Engelmann und der junge Außenbahnspieler zeigte heute eine furiose Leistung. Wenn er das regelmäßig abrufen kann, werden wir noch viel Spaß mit ihm haben.

Am Ende muss die Parole lauten: Das kann doch einen Essener nicht erschüttern, keine Angst, keine Angst, RWE!

Hendrik Stürznickel

Fotos by M.R.

Fotos by M.E.