Vorbericht
Diese beiden Ziele verfolgt Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen beim traditionsreichen Westschlager gegen den Wuppertaler SV am Mittwochabend im Stadion Essen. RWE geht derzeit völlig unbeirrt seinen Weg. Der ungeschlagene Tabellenführer blickt auf vier gewonnene Spiele ohne Gegentor in Serie zurück.
Vor dem Spiel in Mönchengladbach äußerte Jawattdenn.de die Hoffnung, dass die Essener die superenglische Woche mit vier Partien in 11 Tagen erfolgreich einläuten werden. Zur Halbzeit dieses Zwischen-Projektes haben die Roten 6 Punkte und 6:0 Tore vorzuweisen, denn dem 2:0 bei Gladbachs U23 folgte ein nie gefährdeter 4:0 Erfolg beim VFB Homberg. Klar, dass die Neidhart-Elf bei solchen Bilanzen, die insgesamt 34 Punkte aus 14 Partien und einen Schnitt von 2,43 Zählern aufweisen, mit großem Selbstbewusstsein den alten Rivalen von der Wupper erwartet.
Viel war vor dem Auftritt der Rot-Weissen beim Duisburger Stadtteilverein VFB Homberg geschrieben worden. In erster Linie ging es dabei um den Sensationssieg, den der Underdog kurz vor Weihnachten 2019 an der Essener Hafenstraße feiern konnte. RWE wurde nicht nur das Weihnachtsfest verdorben, sondern die unüberhörbaren Schmähgesänge der siegreichen Homberger Akteure gegen die besiegten Gastgeber nach Spielende hatten ein wütendes Grummeln in Essener Mägen hinterlassen. Hombergs damaliger Coach Stefan Janßen maßregelte das auch aus seiner Sicht unsportliche Verhalten seiner Mannschaft und konnte die Wogen dadurch ein wenig glätten. Janßens Nachfolger Sunay Acar sah seine Truppe vor dem Anpfiff am Homberger Rheindamm durchaus in der Lage, RWE erneut zu besiegen. Doch ganz entgegen des medialen Vorgeplänkels legte RWE einen von der ersten bis zur letzten Sekunde seriösen und überzeugenden Auftritt hin und beseitigte die Hoffnungen der Gastgeber auf einen erneuten Coup im Handumdrehen. Essens Coach Christian Neidhart hatte seine Truppe auf drei Positionen im Vergleich zum Gladbach-Auftritt verändert und schickte mit Marcel Platzek eine zweite Spitze an der Seite von Simon Engelmann ins Rennen, hinten wurde auf Dreierkette umgestellt, sodass sich Felix Weber erstmals zu Spielbeginn Daniel Heber und Alex Hahn in der Verteidigung zugesellen durfte. Im Zentrum verzichtete Neidhart zunächst auf Harenbrock und schickte Felix Backszat ins Rennen. Platzek, Weber, Backszat – der RWE-Coach erwartete offenbar hohe Körperlichkeit beim Gegner und wollte Spieler auf dem Platz wissen, die dem entgegen treten können. Das gelang vorzüglich.
Ebenso wie die taktische Spielvariation, auf dem schweren Boden das Kurzpassspiel und Ballbesitzfußball um jeden Preis hinten anzustellen. RWE wollte „einfach“ spielen, so Neidhart und das war einfach nur erfolgreich. Bereits nach drei Minuten befand sich die Kugel zum ersten Mal dort, wo sie hingehörte, nämlich im Homberger Kasten. Eine Hereingabe von Kefkir landete am langen Pfosten bei Sandro Plechaty, der die Kugel am heraus eilenden Schlussmann Gutkowski vorbei spitzelte. Der Ball wäre nicht ins Tor gegangen, aber für solche Fälle gibt es eben Simon Engelmann. Am anderen Pfosten lauernd grätschte Engel die Kugel aus durchaus spitzem Winkel über die Linie. Das ist Torjägerinstinkt, schlichtweg zu wissen, wo man stehen muss. So etwas kann man nicht lernen. Die frühe Führung sorgte natürlich für Sicherheit und schon nach 20 Zeigerumdrehungen gelang RWE so etwas wie eine Vorentscheidung. Alex Hahn schlug einen Freistoß weit nach vorne, an der Strafraumgrenze gelang die Kopfballverlängerung und der gut eingelaufene Marcel Platzek wuchtete den Ball aus der Drehung und kurzer Entfernung in die Maschen. Platzos zweiter Saisontreffer und der verdiente Lohn für seine stete Mannschaftsdienlichkeit, sich auch bei Nichtberücksichtigungen immer ruhig zu verhalten und auf dem Platz stehend dann alles zu geben. Zehn Minuten vor der Pause machten die Essener den Deckel bereits endgültig drauf. Bei einem Freistoß schaltete Dennis Grote am schnellsten und schlenzte den Ball in Beckenbauer-Manier in den Lauf des rechts durchstartenden Sandro Plechaty. Der hielt drauf auf den kurzen Pfosten und tunnelte den unglücklich wirkenden Gutkowski zum 0:3. Die Messe war gelesen. Nach dem Seitenwechsel erhöhte Simon Engelmann noch auf 4:0, 55 Minuten waren da absolviert. Engel war mit einem langen Ball von Grote in Szene gesetzt worden und hatte anschließend so viel Zeit, die Kugel in aller Ruhe zu versenken, wie es in der Regionalliga selten ist.
Apropos Engelmann. Der stellte sein Saisontorkonto auf 10 Hütten aus 14 Partien. Das macht einen Schnitt von 0,71 Treffern pro Spiel. Nimmt man die 5 Treffer aus den drei Pokalpartien dazu, liegt Engel gar bei 0,88 Torerfolgen pro Match. RWE hatte seit Sascha Mölders keinen so gnadenlosen Torjäger mehr. Der Mann liefert und ist nach Außen hin die ruhige Bescheidenheit in Person. Dennoch gibt es in Essener Fankreisen Nörgler, die Engel dafür kritisieren, dass er derzeit seine Rödinghausener Vorjahresquote von 1,0 noch nicht erreicht habe. Manchmal bräuchte man zwei Köpfe um diese angesichts solcher Luxuskritik zu schütteln. Neidhart setzte danach auf Schonung von Stammkräften. Es kamen Condé, Harenbrock, Endres und Young für Engelmann, Kehl-Gomez, Plechaty und Platzek. Ein Beleg dafür, wie stark Essens Bank ist. Young und Harenbrock hatten noch jeweils eine gute Gelegenheit den höchsten Saisonsieg noch höher zu schrauben, am Ende hatte aber das 4:0 Bestand. Damit ist ein weiteres Hindernis übersprungen worden. Im Fernduell mit dem BVB II konnte RWE jedoch keinen Boden gutmachen. Im Revierderby der Reserven fielen die Schwarz-Gelben über Gelsenkirchen her und verpassten den Blau-Weißen eine 1:5 Abreibung auf deren eigenen Geläuf. Unabhängig von der starken Vorstellung des BVB ist es allerdings stark anrüchig, dass Gelsenkirchen anders als gegen RWE auf die Profikicker Kutucu und Boujellab verzichtete. Somit ist einmal mehr klar geworden, dass RWE sich nur auf sich selbst verlassen kann und weiter punkten muss.
Dazu gibt es wie eingangs angesprochen am Mittwoch bereits die nächste Gelegenheit. Mit dem Wuppertaler SV präsentiert sich die nächste Mannschaft, die als Underdog versuchen wird, Essens Superserie von nunmehr saisonübergreifenden 19 Matches ohne Niederlage zu knacken. Im Zweifelsfall wird der Gast aber auch zufrieden sein, wenn es ihm gelänge, RWE nicht den sechsten Heimerfolg nacheinander feiern zu lassen und einen Zähler mitzunehmen. Wuppertal rangiert in der unteren Hälfte der Tabelle und will möglichst von Abstiegssorgen befreit seine Saison gestalten. Am vergangenen Wochenende gelang ein wichtiger 2:0 Erfolg gegen die Sportfreunde Lotte. Beim WSV sind mit Jonas Erwig-Drüppel, Tolga Cokkosan, Marwin Studtrucker und Daniel Grebe gleich vier Ex-Essener unter Vertrag, die entsprechende Motivation gegen ihren ehemaligen Verein mitbringen werden. Mit Kevin Rodrigues Pires ist sogar ein weiterer Kicker mit Essener Vergangenheit im WSV-Kader, der steht aber unter Corona-Quarantäne und wird seiner Mannschaft an der Hafenstraße nicht helfen können. Dafür kehrt der zuvor gesperrte Marco Königs zurück in den Wuppertaler Kader. Der höherklassig erfahrene Stürmer hat viermal in dieser Saison getroffen, so oft wie auch Sturmpartner Beyhan Ametov. Torgefährlichster WSV-Akteur ist jedoch der offensive Mittelfeldspieler Gianluca Marzullo, für den fünf Torerfolge zu Buche stehen. Marzullo traf auch in der Vorsaison zur zwischenzeitlichen Wuppertaler Führung beim rot-weissen Derbyerfolg am Zoo. Dieses torgefährliche Trio zeichnet sich somit allein für 13 der insgesamt 16 Torerfolge der Bergischen verantwortlich. Zweimal konnte sich zudem Marwin Studtrucker als Torschütze feiern lassen. Damit verfügen die Gäste über einige Spieler, die wissen, wo das Tor steht. Defensiv stellen 20 Gegentreffer aus 13 Partien sicherlich keinen Beweis für einen Hochsicherheitstrakt dar.
Diese Zahlen lassen das in den letzten Wochen so typische Spiel erwarten. Der Gegner, trainiert von Ex-Profi Alexander Voigt, wird aller Voraussicht nach sein Heil mal wieder in der kompakten Defensive und dem Umschaltspiel suchen. Und zudem sicherlich ordentlich zur Sache gehen wollen. Aber darauf, das ist ein weiterer Pluspunkt des RWE-Spiels, sind die Roten vorbereitet. Den Schneid lässt man sich in Zweikämpfen jedenfalls nicht mehr abkaufen. Die Hoffnungen auf einen rot-weissen Dreier nähren im Vorfeld die auch am Samstag wieder deutlich gewordenen Stärken der Neidhart-Elf. Eine starke kollektive Defensivleistung, die Schlussmann Davari meistens nahezu jegliche Arbeit im Kerngeschäft auf der Torlinie abnimmt, ein cooles und abgeklärtes Auftreten und die Tatsache, dass RWE bislang in jedem Spiel mindestens einen Treffer machen konnte, zeigt die Schwere der Wuppertaler Aufgabe an der Hafenstraße. Für Rot-Weiss geht es einmal mehr darum, alle diese Stärken auf den Platz zu bringen. Wie konstant das bis zum jetzigen Zeitpunkt gelungen ist, beeindruckt sicherlich auch die Konkurrenz, die aber erneut darauf lauern wird, dass auch im Essener Spiel einmal Knackpunkte zu finden sein werden. RWE wird das auch weiterhin so lange wie möglich hinauszögern und am Mittwoch Wuppertal weghauen wollen! Zu diesem Unterfangen drücken alle, die es mit den einzig wahren Roten halten, weiterhin kräftig die Daumen.
Spielbericht
Die Schlagzeile klingt martialisch und zeugt von der guten Stimmung rund um die Hafenstraße 97 A, die derzeit aufgrund der sportlich überzeugenden Performance der Neidhart-Jungs existiert und den Corona-Blues ein wenig zu mildern versteht. Und das, obwohl im Westschlager gegen den WSV mit dem positiv auf Corona getesteten Stammkeeper Daniel Davari und dem ebenfalls in Quarantäne befindlichen Felix Backszat RWE erstmals direkte Corona-Auswirkungen auf das eigene Personal zu verkraften hatte.
Der 6:1 Kantersieg über Wuppertal war ein weiterer Mosaikstein für die derzeitige Rekordjagd der Jungs von der Hafenstraße. Der Nimbus der Unbesiegbarkeit soll auch am kommenden Sonntag beim nächsten Westderby bei Alemannia Aachen aufrechterhalten werden. Dass die Alemannia etwas dagegen haben und alles reinwerfen wird, um Essen in die Suppe zu spucken, versteht sich dabei von selbst.
Die puren Zahlen belegen, bei Rot-Weiss Essen läuft es nicht nur momentan, sondern bereits seit geraumer Zeit sehr gut. Wie schon einmal von uns erwähnt, war eine RWE-Mannschaft seit der Saison 1991/92 nicht mehr so lange nach Saisonstart noch ohne Niederlage. Gestern reihte man außerdem den sechsten Heimsieg in Folge aneinander. Das ist RWE-Rekord seit der Spielzeit 2005/06. Von den 15 Heimerfolgen in Serie, die Rot-Weiss im Aufstiegsjahr in die Zweite Liga unter Uwe Neuhaus feiern konnte, ist man allerdings noch ein Stück weit entfernt. Der Punkteschnitt von 2,466 ist überragend. Er ist hier auf drei Stellen nach dem Komma erfasst um zu verdeutlichen, auch im Quotienten hätte Rot-Weiss derzeit hauchdünn die Nase vorn vor dem BVB II, der sich mit 2,461 begnügen muss. Mit nur 7 Gegentreffern stellen die Essener auch die beste Abwehr der Liga, in der Offensive regelte Simon Engelmann in dieser Spielzeit bislang 14 Mal, ebenfalls Ligabestwert. In der Summe ist es somit nicht verwunderlich, dass Rot-Weiss Essen von ganz oben in der Tabelle grüßt.
Auch war der gestrige Spieltag wie gemalt für RWE. Nicht nur, dass die einzig wahren Roten auch im 15. Saisonspiel nicht zu schlagen waren, nun ist Rot-Weiss auch die einzige Mannschaft der Regionalliga West, die dieses Etikett tragen darf. Die U23 des BVB unterlag dem SV Rödinghausen nicht unverdient mit 1:2, sodass RWE nun 5 Punkte Vorsprung vor der Maaßen-Elf besitzt, die freilich noch immer zwei Spiele gegenüber Essen in der Hinterhand hat, nun aber selber Tabellendruck spürt. Auch Preußen Münster unterlag im Verfolgerduell bei Fortuna Köln mit 0:2. Satte 8 Punkte trennen die Münsteraner nun von RWE, ganze 11 Zähler hat Fortuna Köln trotz des Erfolges Rückstand auf den Spitzenreiter. Die Saison ist hoffentlich noch lang. Der Liga-Trend weist aber darauf hin, dass außer RWE nur zweite Mannschaften ein Wort um den Aufstieg mitsprechen könnten. Neben Dortmund ist auch noch Düsseldorfs U23 in Lauerstellung. Vor allem dann, wenn sie ihre Nachholbegegnung gegen die Borussen kurz vor Weihnachten siegreich gestalten würde.
Ein Spiel wie gegen den WSV gestern kann ein RWE-Anhänger eigentlich nur genießen. Es war der höchste Erfolg seit gut 2 Jahren. Damals wurde ebenfalls Wuppertal hoch aus dem Stadion Essen geschossen, und zwar mit 1:5 in der Saison 2018/19. Die Bergischen haben aus ihren letzten beiden Auftritten an der Hafenstraße eine Schreckensbilanz von 2:11 Toren aufzuweisen. Als Nächstes erfreute sich der Anhang der Simon-Engelmann-Show. Die in Fankreisen aufgekommene Kritik, Engel würde noch nicht an seine Torquote aus Rödinghausen heranreichen, konterte der Torjäger auf unnachahmliche Weise. Nach dem frühen Rückstand glich Engelmann zunächst für seine Farben zum 1:1 aus. Nur wenige Minuten erfreute sich der Gast an der Führung. Dann legte Cedric Harenbrock, der zuvor von Grote mustergültig in Szene gesetzt worden war, den Ball zurück auf den linken Schlappen des Torjägers, der die Kugel humorlos im WSV-Kasten versenkte.
Nach nur 23 Minuten hatte Rot-Weiss das Spiel bereits ganz gedreht. Nach einer Ecke kam es zu einem ordentlichen Gewusel im Wuppertaler Strafraum, bei dem letztlich Isaiah Young die Übersicht behielt und den Ball zu Engelmann weiterleitete, der von links in der Box den Ball direkt ins lange Eck schlenzte. Das Tor hatte gewisse Ähnlichkeit mit dem, was der Italiener Fabio Grosso gegen die deutsche Mannschaft im Halbfinale der WM 2006 erzielte und das deutsche Sommermärchen beendete. Zu einem WSV-Wintermärchen kam es erst gar nicht. Eher zu einem Gruselmärchen. Nach dem zwischenzeitlichen 3:1 für RWE durch Dennis Grote bewies Engelmann, dass ein Torjäger eben das gewisse Etwas hat und den Ball einfach nur irgendwie treffen muss, damit dieser dennoch unhaltbar einschlägt.
So geschehen beim 4:1 nach 70. Minuten, das die Gäste endgültig erledigte. Nach diesen drei gekonnten Einschlägen folgte ein klassischer Abstauber in Gerd-Müller-Manier, als Engel ein Pfostenschuss von Harenbrock als Abpraller vor die Füße rollte. Es scheint, als habe Essens Nummer 11 für solche Situationen einen eingebauten Peilsender, der ihn immer an die richtige Stelle führt. Die Ligabilanz lautet nun 14 Tore aus 15 Partien, ein Toreschnitt von 0,93. Vier Tore in einem Spiel gelangen für RWE davor zuletzt Sascha Mölders, der im Spiel gegen die Zweitvertretung von Mainz 05 im November 2008 seinen Torepack dabei sogar in einer einzigen Halbzeit schnürte. Zur Essener Glückseligkeit durfte auch Marcel Platzek noch einnetzen, bzw. einen Wuppertaler zu einem Eigentor zwingen, das Platzo aber dennoch gutgeschrieben wurde. Ein halbes Dutzend Tore gegen einen alten Rivalen, was will man mehr?
Es war aber so, dass Rot-Weiss noch nicht einmal sein bestes Spiel machte. Das frühe 0:1 nach 6 Minuten war eine Kopie des ebenso frühen Rückstandes gegen RW Ahlen. Die Essener schienen noch gar nicht richtig auf dem Platz gewesen oder mit ihren Köpfen noch beim gerade zu Ende gegangenen Spiel zwischen Dortmund und Rödinghausen zu sein. Die Gäste spielten sich gekonnt durch die weit aufgerückte, aber nicht zupackende Abwehr hindurch und Marwin Studtrucker bediente Ametov im genau richtigen Moment, der frei vor Golz keine Nerven zeigte. Ärgerlich für den Davari-Vertreter, der nach gut 8 Monaten Pause in der Liga sofort hinter sich greifen musste, jedoch auch absolut chancenlos war. Ansonsten rettete der Youngster den Roten unmittelbar nach Wiederanpfiff die Führung, als er einen Freistoß von Torschütze Ametov aus bester Position aus dem Torwart-Eck fischte.
Der Freistoß war brandgefährlich und unnötig, da Young sich zuvor sorglos die Kugel stibitzen ließ und der Schiedsrichter den folgenden Zweikampf an der Strafraumkante zwischen Daniel Heber und seinem Gegenspieler als Foul des Esseners wertete, das obendrein mit Gelb sanktioniert wurde. Im Gefühl des sicheren Sieges ließ RWE später zudem noch zwei WSV-Konter zu, von denen einer im Grunde zum Tor hätte führen müssen, Marzullo ließ die Großchance aber liegen. Insbesondere in der ersten Halbzeit wirkten die Roten nicht immer völlig konzentriert, der WSV hielt vorerst mit Aggressivität und Leidenschaft dagegen. Das sah auch Chefcoach Neidhart so und goss in seiner Spielnachbetrachtung etwas Wasser in das Siegesstauder. Das erscheint zwar insgesamt als Luxuskritik. Es zeigt aber auch, dass auch RWE nicht gefeit davor ist, dem Gegner Gelegenheiten zu eröffnen, die unter Umständen auch mal schwerwiegendere Folgen haben könnten.
Am Sonntag geht es zum Westschlager nach Aachen. Ein Kuriosum stellt dar, dass die Alemannen am Sonntag erst ihr zwölftes Spiel insgesamt und dabei aber schon ihr zehntes Heimspiel auszutragen haben. Zahlreiche Auswärtsspiele fielen Corona zum Opfer. Die Alemannia hatte einen guten Saisonstart hingelegt und war perspektivisch aussichtsreich positioniert. Dann sorgten die Spielausfälle offenbar für Langeweile und Lagerkoller am Tivoli. Es war von einem Spieleraufstand gegen Chefcoach Vollmerhausen die Rede, zudem zog sich der Hauptsponsor öffentlichkeitswirksam bereits jetzt für die kommende Saison zurück und sägte ebenfalls laut am Trainerstuhl. Pikant. Derart harmoniegestärkt lief es zuletzt fast gar nicht mehr. 0:1 gegen Fortuna Köln, 0:0 gegen den 1. FC Köln II und 0:1 in Lotte lauten die drei letzten Resultate. So haben sich die Aachener wohl etwas selber aus dem Spiel genommen.
Bei der Pleite in Lotte sah zudem Kapitän und Abwehrchef Alexander Heinze den roten Karton und fehlt gegen Essen ebenso wie der etatmäßige Rechtsverteidiger Robin Garnier, der eine Gelbsperre absitzen muss. So erscheint die Abwehr der Gastgeber ziemlich auseinandergerissen und RWE dürfte die Chance auf einen wichtigen und prestigeträchtigen Auswärtsdreier wittern. Aber Vorsicht! Am Tivoli hängen die Trauben für Rot-Weiss in der Regel hoch und unterschätzen darf das Neidhart-Team seinen Kontrahenten auf keine Fälle. Anderenfalls könnte es tatsächlich erneut Alemannia Aachen sein, das eine beeindruckende RWE-Serie stoppen könnte. In der eingangs bereits erwähnten Spielzeit 1991/92 war es nämlich die Alemannia, die Essens Niederlagenlosserie stoppte und RWE nach zuvor 19 ungeschlagenen Ligapartien mit 0:2 nach Hause schickte. Die Zahl 19 hat RWE saisonübergreifend gerade ebenfalls stehen, was wir bereits vor dem Wuppertal-Spiel etwas vorschnell vermeldeten. Ist das ein schlechtes Omen? Ob abergläubisch oder nicht, wird allen voran wohl Hamdi Dahmani nur zu gern für eine RWE-Pleite sorgen wollen, kam der vor der letzten Saison als einer der Toppneuzugänge bei Rot-Weiss angesehene Deutsch-Tunesier doch an der Hafenstraße leider nie richtig an. Der Wechsel zum Tivoli hat Hamdi offenbar gutgetan, dort hat er schon 5 Treffer erzielt.
RWE wird diese Vorzeichen zu deuten wissen und erneut seine Qualität unter Beweis stellen wollen. Im Fernduell mit dem BVB II, der zeitgleich bei Bergisch Gladbach eine vermeintlich niedrigere Hürde zu überspringen hat, haben die Roten gerade richtig Fahrt aufgenommen und werden ihre Bremsbeläge in dem Traditionsduell nicht strapazieren wollen. Die Tatsache, dass Fußball aktuell und noch auf unbestimmte Zeit vor leeren Rängen gespielt wird, dürften die Essener ausnahmsweise am Sonntag nicht bedauern. In Aachen stünde ansonsten eines der wenigen echten Auswärtsspiele für RWE an, denn die Alemannia weiß ein lautstarkes und treues Publikum hinter sich.
Für beide Fangruppen gibt es das Spiel live ins heimische Wohnzimmer zu streamen. Beim Anbieter Airtango, etatmäßiger Streampartner der Gastgeber, ist das Einzelticket für 7,90 € buchbar. Dadurch wird der Alemannia sicherlich eine nette Einnahme aus Essen beschert werden. Sportlich soll es aber keine Gastgeschenke an die Aachener geben, RWE wird reinhauen und Aachen verhauen wollen. Zumindest mit Toren. Denn wie wir wissen, ist Essen ansonsten eine Mannschaft mit himmlischen Spielern und einem wahren Engelmann. Ob der auch gerne Printen verspeist, wird sich zeigen.
NUR DER RWE!