Vorbericht
In Oberhausen nicht mehr vor der Fremde grausen!
Seit Mittwochabend ist bei Rot-Weiss Essen Katzenjammer angesagt. Es gibt nichts zu beschönigen, die 1:2 Niederlage beim Schlusslicht RW Ahlen war Essens schlechteste Saisonleistung und führte zu einem dicken Rückschlag im Kampf um den Aufstiegsplatz. Das wurde durch den 3:1 Erfolg des BVB II beim Bonner SC noch untermauert. Seit dem Jahreswechsel hat RWE eine miserabel zu nennende Auswärtsbilanz aufzuweisen. Einem torlosen Remis in Wiedenbrück zum Rückrundenauftakt folgten 3 Niederlagen in Serie in der Fremde. Nur ein Tor gelang Essen in diesen vier Partien und das per Elfmeter. Eine Bilanz, die durchaus Grausen erzeugen kann und deren tendenzielle Fortsetzung im kommenden Match wohl das Ende aller Aufstiegsträume bedeuten könnte. Den bislang sechs Auswärtssiegen den siebten oben drauf zu setzen wäre hingegen Balsam für die nach dem Ahlen-Match geschundene RWE-Seele und ließe zudem den Blick nach ganz oben wieder zu, denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Nun geht es ausgerechnet zu Rot-Weiß Oberhausen, das sicherlich nur allzu gern RWE einen weiteren Dämpfer verpassen möchte. Auch wenn RWO in dieser Saison selber nicht um den Aufstieg mitreden kann, weil vor allem der Saisonstart unter Dimitrios Pappas gehörig danebengegangen war.
Pappas holte mit RWO aus den ersten 7 Saisonspielen nur vier Zähler, da griff auch RWO, das in Sachen Trainern ein seit Jahren im Grunde relativ ruhiges Händchen hatte, zum Allheilmittel Trainerwechsel. Auch weil man befürchtete, Corona könne für einen frühen Saisonabbruch sorgen, sodass sportliche Fehlleistungen nur schwer zu korrigieren wären. Der neue hauptamtliche Übungsleiter war auch der alte. Mike Terranova, der eigentlich das Oberhausener NLZ leiten sollte, kehrte als Cheftrainer zurück. In den 23 Partien unter seiner Leitung sammelte RWO 42 Zähler. Das macht einen Punkteschnitt von 1,82 aus, der auf die gesamte Spielzeit hochgerechnet dem Revierrivalen sogar eine wenn auch nur zarte Aufstiegschance zum jetzigen Zeitpunkt und in etwa Augenhöhe mit Preußen Münster eingebracht hätte. Aber auch so ist die Truppe, die zunächst wie ein Abstiegskandidat aufgetreten war, jetzt Tabellensechster. Das ist die Tabellen-Region der goldenen Ananas. Was man ansonsten als enttäuschend eingestuft hätte, ist in dieser Saison des Übergangs mit großen personellen Umbrüchen auf dem Rasen für den Nachbarn aber sicherlich sehr akzeptabel. So kann Rot-Weiß im Grunde befreit gegen Rot-Weiss aufspielen. Aber gegen seinen östlichen Nachbarn hat die Terranova Truppe eigentlich standardmäßig das Messer zwischen den Zähnen und gönnt diesem nicht das Schwarze unter dem Fingernagel. Darauf ist RWE aber ohnehin nicht aus, sondern auf drei Punkte.
Regulär stehen in der Regionalliga West für RWE noch 12 Partien auf dem Programm, für den Hauptkonkurrenten BVB stehen 11 zu Buche. Ob diese alle ausgetragen werden können, wird wieder fraglich. Das jüngste Corona-Chaos um einen österlichen Shutdown zeigt, die Halbwertzeit von Entscheidungen wird immer geringer. Auch in der DFL ist man sensibilisiert und erwägt für die 36. Profiklubs der ersten und zweiten Liga ein „Quarantäne-Trainingslager“ zwischen dem 14. und 26. April, um den Spielbetrieb sichern zu können. Da solche Maßnahmen in der Regionalliga West nicht durchführbar sind, stellt sich unmittelbar die Frage nach der Fortsetzung des Spielbetriebes. RWE hätte exakt an diesem 14. April sein Nachholspiel gegen den SV Lippstadt auszutragen, nach dem Essen und Dortmund dann an Pflichtspielen gleichgezogen hätten. Ginge der Spielbetrieb doch noch baden, entscheidet der Punktequotient über den Aufstieg. Ein Saisonabbruch wäre vor allem sehr schade, weil RWE sich in der zweiten Hälfte der Hinrunde in überragender Manier zeigte und 28 von 30 möglichen Zählern sammelte. Diese Betrachtungen dienen nicht der schwarz-gelb Malerei, zeigen aber, dass der Druck sich weiterhin erhöhen könnte.
Vorab ist auch ohne Zuschauer Derby-Fieber angesagt und Essen muss in Oberhausen eine Trendwende einleiten, um nicht vorzeitig entscheidend an Boden zu verlieren. Dortmund gastiert bei der Zweitvertretung von Fortuna Düsseldorf, bekanntlich der Mannschaft, die Rot-Weiss Essen nach mehr als einem Jahr die erste Pflichtspielniederlage beibringen konnte. Von daher hofft RWE, dass die Fortuna sich auch gegen den BVB II als unangenehm erweisen wird. Unangenehm möchte RWO am Samstag gegen RWE sicherlich sein. Das Team zählt zu den formstärksten der Regionalliga West und punktete in der jüngeren Vergangenheit stark. In der Vorwoche unterlag man jedoch bei den Sportfreunden Lotte. Das wird Mike Terranova aber sicherlich nicht davon abhalten, im zehnten Anlauf als RWO-Cheftrainer endlich den ersten Dreier gegen RWE einfahren zu wollen. Seit dem 7. Mai 2016 gelang RWO kein Ligasieg über RWE. Geht es nach uns und RWE, soll das auch so bleiben.
Essen steht beim Gang ins Stadion Niederrhein Daniel Heber wieder zur Verfügung, jedoch nicht Alex Hahn, der sich mit einem frustmäßig erscheinenden Foul bei der Schlappe in Ahlen den fünften gelben Karton einhandelte und beim Derby gesperrt sein wird. Erster Kandidat für seine Vertretung ist Felix Weber, der bei RWA für Heber aufgelaufen war. Beim 0:1 sah der Ex-Sechziger nicht gut aus, was bei Webers fehlender Wettkampfpraxis auch nicht wirklich verwundert. Zusammen mit Heber wird er nun aber weitere Treffer des Ex-Rot-Weissen Sven Kreyer verhindern wollen, der mit 13 Toren erfolgreichster Oberhausener Schütze ist. Augenmerk sollte Rot-Weiss zudem auf Rechtsaußen Shaibou Oubeyapwa richten, der mit seiner Schnelligkeit und immerhin 7 Saisontoren ein Unruheherd werden kann. Oubeyapwa hatte RWO vor Saisonbeginn wie viele andere Spieler auch den Rücken gekehrt, war aber wegen erfolgloser Vereinssuche schon vor dem Ende der Wechselfrist zurück an die Landwehr gekommen. Bereits im Hinspiel stand er RWO gemeinsam mit Terranova wieder zur Verfügung. Dieses gewann RWE relativ ungefährdet mit 3:0. Nun könnte die Auseinandersetzung härter werden.
Man darf es klar und deutlich formulieren, wiederholt sich der Auftritt von Ahlen in Oberhausen wird Essen zwar rechnerisch im Aufstiegsrennen verbleiben, doch seine Aktien weiter in den Keller drücken. Am Mittwoch fehlte es an Allem, was nötig gewesen wäre, um einen wie erwartet leidenschaftlich kämpfenden Gastgeber niederzuringen. RWE ließ mal wieder dickste Chancen liegen. Die Seuche vor dem Tor hat mittlerweile auch Goalgetter Simon Engelmann ein wenig befangen, denn auch Engel besaß Chancen, um RWE eine ruhigere Heimfahrt hätte bescheren zu können. Bei den restlichen RWE-Akteuren vermisste man nicht zum ersten Mal den notwendigen Zug zum Tor. Exemplarisch sei eine Situation genannt, in der Felix Backszat ziemlich frei dem Ahlener Tor hätte entgegenstreben können, die Verantwortung aber an den von drei Gegenspielern umringten Engelmann herüberschob. In der Rückwärtsbewegung und dem Spiel gegen den Ball weisen die Rot-Weissen nicht mehr die beeindruckende Stabilität der Hinrunde auf. Essen wirkt durchaus anfällig, besonders wenn der Gegner dann umgekehrt viel aus weniger Chancen macht. Selbst einen Zähler konnten die Essener so nicht mehr retten, als sie sich kurz vor dem Ende einen Konter fingen.
Mangelnde offensive Durchschlagskraft gepaart mit fehlender defensiver Stabilität und noch garniert mit fehlender letzter Konsequenz in den Zweikämpfen, das war ein Cocktail, der bitter schmeckte. Insgesamt erinnerte der RWE-Auftritt an den gegen TuS Haltern vor Jahresfrist. Im Vorbericht hatte Jawattdenn.de davor gewarnt, in Ahlen zu wenig Arbeit für den Auswärtssieg zu investieren. Leider wirkten die Gastgeber motiviert bis in die Haarspitzen, während unsere Roten auch mittels einer stark verbesserungswürdigen Körpersprache dem Gegner signalisierten, da geht heute was. So sorgten die Essener für viel Frustration. Es ist jammerschade, dass nach der brillanten Hinrunde und den leidenschaftlichen Pokalauftritten zuletzt der Eindruck entstanden ist, dass RWE im Aufstiegsrennen nervlich angeschlagen zu sein scheint. Von daher fährt man nicht mehr als Topfavorit über die Stadtgrenze nach Oberhausen.
Gegnerische Fans feixen bereits genüsslich, der eigene Anhang verliert zumindest zum Teil das Vertrauen, einige schießen dabei wie üblich weit über das Ziel hinaus und stellen Trainer Christian Neidhart in Frage. Was daher her darf und auch muss, ist eine Essener Trotzreaktion im Revierderby. In der Hand bzw. in den Füßen haben es einzig und allein die Spieler. Mit der gegenüber den unter der Woche spielfreien Gastgebern sehr viel kürzeren Regenerationszeit muss RWE ebenso klar kommen wie mit dem Kopf Kino. Mit einem Derbysieg wollen die Bergeborbecker nicht nur Wiedergutmachung bei den eigenen Zuschauern betreiben, sondern generell für die Aufrechterhaltung der Zuversicht im Essener Norden und der ganzen Stadt werben. Auf geht’s! Wir glauben weiter an die einzig wahren Roten und echten Rot-Weissen! Tun sie es selber auch, ist noch nichts verloren.
NUR DER RWE!
Sven Meyering