Vorbericht
RWE vor dem letzten Schritt mit der Power von schwedischen Elchen! Im Duell gegen RW Ahlen will Rot-Weiss ganz Essen zum Erbeben bringen!
Fußball-Regionalligist Rot-Weiss Essen, so müssen wir zukünftig im Bestfall keinen Vorbericht mehr beginnen, ist vor dem letzten Spieltag der Weststaffel Tabellenführer und kann mit einem Sieg gegen RW Ahlen wahrscheinlich nach 14 Jahren zurück in den Profifußball. In diesem scheinbar so einfachen Satz stecken so viele Emotionen und Hoffnungen, dass die Sprache hier an die Grenzen ihrer Ausdrucksmöglichkeiten geraten ist, um diese Gefühle abzubilden.
Aus Skepsis und zum Teil bereits festzustellender Aufgabehaltung im Essener Fanlager ist nach dem letzten Wochenende grenzenlose Vorfreude geworden, aber natürlich begleiten auch Sorgen und Nervosität, dass doch noch etwas schiefgehen könnte, die Anhänger durch diese Woche bis zum Anpfiff und während der Partie gegen Ahlen am Samstag um 14 Uhr. Denn natürlich kann das punktgleiche und derzeit durch die Tordifferenz distanzierte Münster immer noch in seiner Partie gegen Kölns U21 irgendwie an Essen vorbeiziehen (siehe Lage in der Liga).
Im für die Heimbereiche restlos ausverkauften Stadion an der Hafenstraße will RWE gemeinsam mit uns Fans und mit voller rot-weisser Power sich dieser Herausforderung stellen und als ein WIR aufsteigen! Als Motivationsspritze schickte Siw Malmquist, Interpretin des legendären RWE-Vereinslieds Adiole, ein ganz festes Daumendrücken per Video aus Schweden! Das verleiht unserer Mannschaft die Kraft von Elchen aus Skandinavien! Auf gehts!
Die rot-weisse Personallage und die taktischen Optionen
Verletzte oder gesperrte Spieler: Eisfeld (?), Niemeyer, Holzweiler
RWE geht mit fast voller Kapelle in das letzte Saisonspiel der Regionalligasaison 2021/22, was das Spiel der Spiele werden könnte. Der potenzielle Ausfall von Thomas Eisfeld, der sich gegen Rödinghausen einen Faserriss zugezogen hatte, wiegt erst einmal dennoch schwer. Ein Eisfeld in Bestform, so erlebte man ihn gegen den SVR, zählt zu den Unterschiedsspielern der Liga. Aber es sollte nicht vergessen werden, dass RWE auch vor Thomas Eisfeld und auch zwischenzeitlich nach Dennis Grote vor Eisis Ankunft in Essen auf dem Feld abgeliefert hat. So gilt es einmal mehr und für ein letztes Mal in dieser Spielzeit, Widrigkeiten zu besiegen. Teamchef Jörn Nowak und Motivator Vince Wagner werden wohl folgende NoWag-Elf aus Feld schicken:
Essens Viererkette vor Jakob Golz ist felsenfest gesetzt und wird von Felix Bastians, ein bärenstarker Leader gegen Rödinghausen, Felix Herzenbruch, Daniel Heber und Sandro Plechaty gebildet werden. Niklas Tarnat spielt auf der 6, bei Ausfall von Eisfeld sollte Dürholtz in die erste Elf rücken, die Zentrale komplettiert wahrscheinlich Harenbrock. Auch die vorderste Reihe dürfte klar sein. Sowohl Isi Young als auch Oguzhan Kefkir zeigten sich in der Vorwoche in bestechender Form und dürfte auf den Flügeln Stoßspitze Simon Engelmann einrahmen. Engel hat mit derzeit 23 Saisontreffern seinen vierten Torschützenkönig-Award in Serie zu 99% sicher. Vor Saisonbeginn sagte Engelmann, er könne gut damit leben, wenn er nicht die Torjägerkanone hole, aber dafür endlich in die Dritte Liga aufsteige. Noch besser könnte Essens Nummer 11 aber mit Torjäger- und Meistertitel zusammen leben und will sich diesen Traum am Samstag erfüllen.
Für den Aufstieg muss aber noch deutlich mehr getan werden, als für die Verteidigung der Spitzenposition in der Torschützentabelle, die Engelmann mit sieben Treffern Vorsprung vor Cagatay Kader (SV Straelen) und Sascha Marquet (Fortuna Köln) anführt. Was ihn und seine Mannschaftskameraden gegen RW Ahlen dabei erwartet und was besser werden muss als im Hinspiel kommt nun in der Gegneranalyse.
Der Gegner: Rot-Weiss Ahlen (9. Platz/ 47 Punkte/ 11 Siege/ 14 Remis/ 12 Niederlagen/ 50:65 Tore/Differenz – 15)
Trainer: Andreas Zimmermann
Beste Torschützen: 1. Andreas Ivan 10 Tore (8 Vorlagen)
2. Jan Holldack 9 Tore (7 Vorlagen)
3. David Mammutovic 7 Tore (7 Vorlagen)
4. Sebastian Mai/ 6 Tore (4 Vorlagen)
Gianluca Marzullo 6 Tore (3 Vorlagen)
Gesperrte Spieler: Keine
Der Name Rot Weiss Ahlen löst bei Rot-Weiss Essen Unbehagen aus. Den Münsterländern gelangen in den letzten drei Aufeinandertreffen mit RWE zwei Siege und damit darf mit Fug und Recht behauptet werden, dass in den letzten drei Spielzeiten es keine andere Mannschaft so oft wagte, unseren RWE zu schlagen.
So war es auch im Hinspiel, das aufgrund von gleich drei notwendigen Spielabsagen kurioserweise erst Ende März stattfinden konnte. So haben wir Rot-Weissen die 0:2 Schlappe an der Werse noch in frischer und unguter Erinnerung. Daniel Davari patzte nach Eckstößen gleich zweimal und sah bei beiden Einschlägen in sein Gehäuse nicht gut aus. Das kostete Davari, obwohl er drei Tage später in Wiedenbrück noch ein letztes Mal das RWE-Tor hütete, in letzter Konsequenz den Platz als Nummer 1 und da er sich damit nicht wirklich abfinden konnte, sogar die Anstellung bei Rot-Weiss Essen, denn Diva ist bekanntlich suspendiert und ein Verbleib beim Verein kein Thema mehr.
Ebenso ist Cheftrainer Christian Neidhart nicht mehr an Bord und die Niederlage gegen RWA einer der Bausteine zum späteren Ende der Zusammenarbeit von Neidhart und RWE. Unter dem Interimsgespann NoWag triumphierte Rot-Weiss zuletzt in Rödinghausen und will nun natürlich allen Statistiken und Kampfansagen der Ahlener, Party-Crasher an der Hafenstraße sein zu wollen, zum Trotz das RWE-Schiff in den Aufstiegshafen einlaufen lassen. Dazu wird eine konzentrierte und körperlich robuste Leistung notwendig sein, denn RWA ist kampfstark und gallig, das bekam Essen schon zu spüren.
Dabei ist die Offensive der Münsterländer nicht von schlechten Eltern und weist in der Statistik der besten Torschützen und Vorlagengeber mit Ivan, Holldack, Mammutovic, Mai und Marzullo gleich fünf gefährliche Spieler auf, die Essens Defensive unabhängig von den zu erwartenden sommerlichen Außentemperaturen ins Schwitzen bringen könnten. Ahlen hat zwar nur Platz 10 der besten Angriffsreihen der Liga inne, aber eben durchaus gleich mehrere Akteure in seinen Reihen, die wissen, wo das Tor steht. Ivan und Holldack fehlten sogar beim Hinspiel, trotzdem konnte RWE sein Tor bekanntlich nicht sauber halten, weil es die Standards der knorrigen Ahlener ganz schlecht verteidigte.
Die 65 Gegentreffer, die die Gäste schlucken mussten, werden hingegen nur vom KFC Uerdingen negativ übertroffen. Das ist bemerkenswert, deutet diese Torstatistik doch eher auf ein grundsätzlich offensiv ausgerichtetes Team mit aber sehr wackeligem Umschalt- und Defensivverhalten hin. Tritt RWE gegen RWA an, so kennen wir eher sehr kompakt, wenn auch durchaus Pressing spielende und hoch und sehr robust verteidigende Ahlener, die unserer Mannschaft das Spiel überlassen, um sie mittels Härte und eines Lucky Punchs zu erlegen. Darauf wird RWE vorbereitet sein müssen.
Die Rasenqualität im Stadion an der Hafenstraße ist jedoch um ein Vielfaches besser als das Geläuf im Wersestadion, sodass reines Verhindern von Fußball den Ahlenern schwerer fallen dürfte. Ruft RWE das ab, was auch schon in Rödinghausen zu sehen war, nämlich unbedingten Kampf für und miteinander sowie coole Effizienz im Abschluss und starke Standards bleiben die Punkte an der Hafenstraße 97 A. Dann gelangen damit nicht unwahrscheinlich auch die Meistermedaillen, die DFB-Funktionär Peter Frymuth im Erfolgsfall überreichen wird, in die Hände unserer Spieler.
Die Lage in der Liga vor dem letzten Spieltag
Am letzten Spieltag kommt es zu einem Fernduell zwischen unseren Rot-Weissen und Preußen Münster, dem Klub, den vor Saisonbeginn auch die Jawattdenn-Prognose als härtesten Konkurrenten ausgemacht hatte. Blicken wir ein Jahr zurück, auch dort gab es am letzten Spieltag der Saison 2020/21 ein Finale zwischen Essen und dem BVB II, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Während Essen bei Wegberg-Beeck zum Siegen verdammt war und sein Soll auch erfüllte, hätten die Dortmunder beim Wuppertaler SV verlieren müssen, was sie trotz 0:1 Pausenrückstands nicht taten und die Partie noch drehten. Jetzt hat RWE aber die weitaus besseren Karten.
Das sah in den Vorwochen anders aus, doch der letzte Spieltag drehte die Vorzeichen. Nachdem die Preußen beim Westfalenduell in Wiedenbrück den Zahn gezogen bekamen und nicht über ein 0:0 hinausgekommen waren, feierten unsere Rot-Weissen getragen auf einer Welle der Euphorie der mitgereisten gut 2.000 Anhänger einen 3:0 Erfolg über den SV Rödinghausen in dessen Ausweichquartier in Lotte. So zog Essen nicht nur nach Punkten gleich, sondern auch in der Tordifferenz vorbei, die nun bei insgesamt auch mehr geschossenen Toren (82 RWE gegenüber 71 von Preußen) um zwei Tore besser ist. Das führt zu vielen Rechenspielen und dass sind die Aufstiegsoptionen:
Rot-Weiss Essen steigt auf, wenn
RWE sein Heimspiel gegen Ahlen gewinnen und Preußen Münster zeitgleich keinen um drei Tore höheren Sieg gegen Kölns U 21 einfahren sollte.
RWE sein Heimspiel gegen RW Ahlen gewinnen und Preußen Münster gegen Köln höchsten ein Remis holen sollte.
RWE gegen Ahlen Remis spielt und Münster gegen Köln ebenfalls oder sogar verlieren sollte.
RWE gegen Ahlen und Münster gegen Köln verlieren, aber Essen dabei nicht um drei Tore höher verlieren sollte.
Alles klar? Am besten gar nicht groß rechnen, Vollgas geben und eindeutig gewinnen, dann dürfte in der Tat nichts mehr anbrennen. Aber da ist dieses Gefühl, das sich langsam und unaufhörlich die Magengrube hoch schleicht und die Nervosität in neue Rekordhöhen gipfeln lässt. Denn natürlich wissen wir, für RWE ist scheinbar nie etwas einfach und immer und immer wieder gilt es neue Hürden zu überwinden. So rechnen wir mit spannenden, sehr spanenden 90 Minuten + X. Aber, Nervosität und Angespanntheit dürfen nie über die Vorfreude und die Gewissheit, dass wir mittels unserer eigenen Stärken das große Ziel erreichen und uns unseren großen Traum endlich erfüllen können, die Oberhand gewinnen.
Zumal die Angespanntheit in Münster wohl kaum geringer ist und manchmal kanalisiert diese sich auch auf seltsamen Wegen. Kaum war das RWE-Spiel in Rödinghausen abgepfiffen, da startete so manch eine virale Kampagne aus dem Umfeld der Adlerträger in Richtung Essen. Das spricht nicht unbedingt für ein ausgeglichenes Nervenkostüm.
Jawattdenn.de kümmert sich wie aber gewohnt vor allem um das Sportliche. Preußen Münster steht vor einem Match gegen Kölns U21, eine Mannschaft aus der Kategorie Wundertüte. Fast 50 Spieler hat Trainer Mark Zimmermann in dieser Spielzeit bereits eingesetzt, an den letzten beiden Spieltagen darf jedoch Profiunterstützung nur noch unter kompliziert zu nennenden Regelungen betreffend der jeweiligen Einsatz- und Kaderzeiten in der ersten Mannschaft abgestellt werden.
Aber beim Auswärtsauftritt in Essen zeigte sich der junge Effzeh auch ohne Profis in guter Verfassung und hätte RWE um ein Haar sehr wichtige Zähler geraubt. Erst kurz vor dem Ende brach Simon Engelmann den Bann und brachte Essen in Führung, Marius Kleinsorge machte mit einem Konter synchron zum Abpfiff alles klar. So hofft RWE natürlich auch beim Auftritt der Geißböcke an der Hammer Straße auf einen wehrhaften und spielstarken Gast, der auch ein gutes Ergebnis aus Sicht der Domstädter und damit auch aus der der Essener erzielen sollte.
Das verspricht sich Preußen Münster umgekehrt auch vom Auftritt von RW Ahlen in Essen. Der münsterländische Konkurrent ist den manchmal nicht so edlen Adlerträgern eigentlich in tiefer Abneigung verbunden, genießt aber sichtlich die mediale Aufmerksamkeit vor seinem Auftritt an der ausverkauften Hafenstraße. Bis zum Anstoß am Samstag um 14.00 Uhr wird wohl jeder Ahlener Spieler sowie das gesamte Trainer und Betreuerteam sowie auch noch der erste Bürgermeister von Ahlen und Onkel und Tanten der Genannten gegenüber einem Organ der Funke Medien Gruppe erklärt haben, in Essen nichts verschenken zu wollen. In jeweils gesonderten Artikeln selbstverständlich.
Also, ein Nervenkrieg steht uns am Samstag nicht nur bevor, ein Nervenkrieg ist bereits jetzt angezettelt, was beide Lager emotional noch mehr antreibt, als es ohnehin geschehen wäre. Die Aufforderung „Cool bleiben“ passt da wohl nicht, denn viele RWE-Anhänger sind so heiß auf das Spiel gegen Ahlen und den so lange ersehnten Aufstieg, dass man ihnen von nun an aus Sicherheitsgründen den Zugang zu allen Tankstellengeländen untersagen sollte. Ansonsten könnten die Ruhrpott-Tifosi wohl allein durch die Kraft ihrer Spiritualität die dortigen Kraftstofflager anzünden und in die Luft jagen. Die gute Nachricht für die Energieversorgung lautet wiederum, Essen steht unter Strom. Von daher werden wir unsere Gemüter mit kühlem leckerem Stauder etwas herunterfahren und dann in einer Explosion von positiven Emotionen unsere rot-weissen Jungs zum Aufstieg peitschen! Danach wird die Stadt Essen erbeben.
Also lautet unser Motto:
WIR HABEN UNS DAS GEMEINSAM VERDIENT! WIR WERDEN DAS GEMEINSAM PACKEN! WIR WERDEN GEMEINSAM AUFSTEIGEN!
NUR DER RWE!
Sven Meyering
Spielbericht
Drei, Zwei, Eins – oder Dritter, Zweiter, Aufsteiger!
So titelte die Jawattdenn-Saisonprognose vom 10. August 2021. Nach zwei vergeblichen Anläufen sollte das große Aufstiegsziel realisiert werden. Nun ist es also wahr geworden. Unser Herzensverein kehrt nach 14 Jahren Abstinenz zurück in den Profifußball. Der Spielbericht kommt nach gut 48 Stunden Abstand zum Geschehen in Form einer erlebten Tageschronik, die eher den Emotionen als knallharten Analysen geschuldet ist. Hier ein kleines Kaleidoskop unseres Aufstiegssamstags.
11:45 Uhr – Rüttenscheider Stern
Auf einer der angesehensten Essener Flaniermeilen sammeln sich immer mehr Menschen in roten und weissen Trikots, um die Straßenbahnen Richtung Helenenstraße und Bahnhof Bergeborbeck zu besteigen. Das sind noch die einzigen Indizien für einen großen Essener Sportsamstag. Denn es herrscht zwar Trubel, aber alles ist ruhig und äußerlich gelassen. Viele Stunden später sollte das anders, ganz anders aussehen.
Intermezzo Fahrt zur Helenenstraße und dann zum Bahnhof Bergeborbeck
Die äußere Gelassenheit verhält sich diametral entgegen gesetzt zu einer enormen inneren Angespanntheit. Die Gespräche in der Straßenbahn drehen sich auch um den rot-weissen Fluch. Wird es ein zweites Lübeck geben? Eine Wiederholung dieses schicksalhaften Spiels von 2008, als RWE trotz guter Ausgangslage gegen den bereits abgestiegenen VFB die Qualifikation für die eingleisige dritte Liga verfehlte? Das negativ sagenumwobene 0:1 läutete Essens 14 Jahre der Sehnsucht nach größerem Fußball überhaupt erst ein. Der Ruhrgebietler und insbesondere der Essener wissen ganz genau, dass es sowieso wieder schiefgehen wird. Doch auch die Zuversicht ist da, dass wir auch mal wieder dran sind. Während des kurzen Fußmarsches vom Bahnhof Bergeborbeck zur Hafenstraße fährt dann auch der Mannschaftsbus als gutes Omen an den Fans vorbei und wird entsprechend gefeiert.
12:15 Uhr – Ankunft Stadion an der Hafenstraße
Der Stadionvorplatz an der Helmut-Rahn-Straße ist bereits prall gefüllt. Es ist zu bemerken, das ist kein normales Ligaspiel. Die Fachgespräche beginnen wieder, mit dem Stauderpegel steigt bei vielen Menschen auch der Pegelstand der Zuversicht. Weniger Zuversicht haben die Leute, die mit „Suche Karte“-Schildern durch die Menge gehen. Die Heimbereiche der Hafenstraße sind mit 16.600 Zuschauern ausverkauft, die restlichen 50 Zuschauer steuern die Ahlener bei. Bereits nach Münsters Stolperer in Wiedenbrück brach der Essener Online-Ticketshop unter den Anfragen fast zusammen, einen Tag später war das Spiel in Rödinghausen kaum abgepfiffen worden, da waren restlos alle Karten für das Finale Furioso ausverkauft. Marcus Uhlig schätzt auf Nachfrage von Jawattdenn.de, dass RWE mehr als das Doppelte an Karten hätte verkaufen können. Das weckte auch das Interesse des Schwarzmarktes und bei Ebay und anderswo wurden Karten, auch Dauerkarten für astronomisch zu nennende Preise offeriert. RWE tat sein Möglichstes, um diesen unschönen Wucher zu unterbinden, und sperrte so angebotene Eintrittsberechtigungen, was sicherlich nicht in allen Fällen gelungen ist. Für diejenigen, die am Ende leer ausgegangen waren, gab es aber immer noch den Livestream. Dieser wurde satte 8.000 Mal gebucht, Saisonrekord, wen wundert es. Während der Partie verfolgten aber auch noch Hunderte Anhänger das Spiel mehr oder weniger nur akustisch in unmittelbarer Stadionnähe und drückten die Daumen mit.
13.00 Uhr – Im Stadioninneren
Weitaus früher als gewohnt füllten sich auch die Zuschauerplätze im Innenraum. Das Gros der Leute wollte die Atmosphäre der letzten 60 Minuten vor dem Anpfiff des Spiels der Spiele aufsaugen. Und die war großartig. Besonders als RWE-Keeper Jakob Golz gegen 13:15 als erster RWE-Akteur das Feld zum Warm Up betrat und als knapp 15 Minuten später der Rest der Essener Mannschaft nachzog. Fünf Minuten vor dem Anpfiff präsentiert Christian Ruthenbeck die Mannschaftsaufstellung. Dann kommen unfassbar geile Choreos, mit zwei über die die gesamte Alte West und Rahntribüne gezogenen Bannern, nachdem diese eingezogen worden sind, wehen zigtausende rote und weisse Fähnchen im Bierseidelregen. Wie geil die Choreos wirklich waren, sieht man bekanntlich immer erst später bei den Videobildern, denn vorerst steht man ja mitten drin.
Als die RWE-Mannschaft nach der Platzwahl noch kurz die Fanblöcke abläuft, brüllt gefühlt das ganze Stadion wie am Spieß, um die letzten Mutmacher zu senden. Das hatte etwas von Liverpools Anfield Roar.
14:01 Uhr -Torchance für Ahlen
Trotz des großen Zuschauerandrangs konnte Schiedsrichter Dardenne die Partie pünktlich anpfeifen und kurz nach Spielbeginn stockt ganz Fußball-Essen der Atem. Weil Ahlen zu einer guten Torchance kommt, nachdem eine Hereingabe an den Essenern vorbei gerutscht war. Der Drehschuss bleibt aber ohne Folgen und geht deutlich an Jakobs Golz Kasten vorbei. Was Essens Anhang noch nicht weiß, und was ihn sicherlich sehr beruhigt hätte, so nah sollten die Gäste am heutigen Tag nie wieder an einem Torerfolg sein.
14:28 Uhr – 1:0 für RWE!
Nach der anfänglich spürbaren Nervosität ist Essen schon länger drin im Spiel und drückt dieses den Gästen auf. Es gab schon die ein oder andere gute Torannäherung. Essens neuer Weitwurfweltmeister Oguzhan Kefkir schnappt sich nach knapp 28 Spielminuten das Leder und sein langer Einwurf wird von den Ahlenern nur schlecht geklärt und die Kugel fällt Ötzi wieder vor die Füße. Genau in diesem Moment entweicht mir der Schrei „Der kommt!“. Gemeint ist der folgende Flankenball, denn Kefkir ist seit einiger Zeit in bestechender Form und fast genau wie beim goldenen Treffer in Wiedenbrück serviert Ötzi das Leder haargenau in den tödlichen Raum zwischen Ahlens Abwehr, wo Cedric Harenbrock Horst Hrubesch spielt und zum 1:0 einnickt. Völlige Ekstase. Der Torschütze selbst, anders als Hrubesch kein Kopfballungeheuer, springt am Aufgang vor dem Essener Block auf der Gottschalk-Tribüne hoch und badet in literweise Jubelstauder-Fontänen. Einige Stunden später wird er vor der Kokille auf der Rü meine Frage, ob dieses sein erstes Kopfballtor für RWE gewesen sei, jedoch verneinen. Vor 5 Jahren in Wegberg hatte er es schon einmal getan. So schön, formvollendet und wichtig wie dieser Treffer gegen RWA war das aber wohl nicht.
14:40 Uhr – 1:0 für den 1.FC Köln II
RWE hat nach der Führung sämtliche Fesseln abgelegt und drängt auf den zweiten Treffer. Dieser gelingt aber vorerst nicht, dafür erfreut ein Tor auf einem anderen Platz das Stadion an der Hafenstraße, die erneut ausrastet. Die Kölner führen in Münster! Solange RWE gegen Ahlen auch nur mit einem Tor Vorsprung die Oberhand behielte, müssten die Münsteraner ab nun fünf Tore erzielen, um noch an RWE vorbeizuziehen.
14:45 Uhr – Halbzeit an der Hafenstraße
Als Dardenne zum Pausenstauder pfeift, brandet euphorischer Beifall auf. Die erste Etappe ist erfolgreich absolviert und es sieht nun sogar noch einmal deutlich besser aus als zu Spielbeginn. RWE hat bislang konzentriert seine Hausaufgaben erledigt, Münster strauchelt. Etwa 2 Minuten hinkt das Spielgeschehen an der Hammer Straße hinter dem in Essen hinterher, deshalb verfolgen viele auf den Smartphones, ob Kölle auch tatsächlich mit der Führung in die Halbzeit kommt. Kommt es.
15:09 Uhr – Ausgleich in Münster
Unsere Mannschaft ist auch zu Beginn von Hälfte zwei präsent, doch nun gibt es einen kleinen Dämpfer, denn Preußen gelingt nach 52 Spielminuten in Münster der Ausgleich. Obwohl noch immer alles gut aussieht wird allen klar, dass RWE nun nachlegen sollte, um den Dreier zu sichern. Auf dem rot-weissen Twitteraccount kommt es zu einem vokalischen Skandälchen, denn dort steht „Scheiß Münster hat den Ausgleich gemacht.“ Was als Beleidigung für einen sportlich würdigen Konkurrenten aufgefasst werden könnte, ist allerdings nur eine Unmutsäußerung, bei der das e hinter dem Kraftausdruck abhandengekommen war. Beim kommenden Vizemeister wittert man allerdings Essener Stillosigkeit.
15:15 Uhr – 2:0 für RWE!
Die Dinge nehmen unwiderruflich ihren Lauf. Der Fußballgott ist heute nach all dem Leid und all den Prüfungen, die er Rot-Weiss Essen auferlegt hat, endlich einmal Gast an der Hafenstraße und schenkt RWE einen weiteren Moment des großen Glücks. Wieder hat Oguzhan Kefkir sich das Leder zum Reinwerfen geschnappt und schleudert die Kugel vor der Kulisse der Rahn-Tribüne hoch und weit in die Ahlener Box. Daniel Heber und ein Gegenspieler bemühen sich um den Ball, dieser rutscht jedoch durch und landet in den Jagdgründen des gnadenlosesten Torraubtiers der Regionalliga West. Der Instinkt eines perfekten Torjägers hat Simon Engelmann am zweiten Pfosten lauern lassen, nun tupft ihm die Kugel auf die Aufstiegslocken und von dort hoch oben ins gegnerische Gehäuse. Ahlens Keeper ist mit der Hand noch dran, kann den Einschlag aber nicht verhindern. Das ganze Stadion ist ein einziges Tollhaus, den Torschrei aus abertausenden Kehlen müsste auch der Konkurrent in Münster noch vernommen haben. Auch alle Reservespieler sind bei Engel, der Jubel so groß, als sei das Spiel schon beendet.
15:29 Uhr – 2:1 für Preußen Münster
Die Nachricht des Münsteraner Führungstreffers lässt viele Menschen im Stadion an der Hafenstraße schon erstaunlich kalt. Dem Konkurrenten fehlen noch immer vier weitere Tore, denn nach Engelmanns 2:0 müssten die Adlerträger nun schon mit 6:1 triumphieren. Daran glaubt man nicht bzw. befürchtet es nicht mehr. Wenn der Essener Fan nicht mehr sorgenvoll ist, dass etwas noch ganz schieflaufen könnte, ist das erstaunlich. Dafür verantwortlich ist auch ein absolut souverän zu nennender RWE-Auftritt. Jeder Rot-Weisse fightet für den anderen, Ahlen kommt nicht zu gefährlichen Szenen, vielmehr müsste RWE bei den sich nun mehrenden guten Chancen sogar das 3:0 und damit endgültig alles klarmachen.
15:45 Uhr – Abpfiff an der Hafenstraße
Überpünktlich pfeift Niklas Dardenne die Partie ab und entkommt mit dem Spielball Richtung Kabinentrakt. Viele RWE-Spieler sinken zu Boden und lassen sich von ihren Aufstiegsgefühlen übermannen. Die gesamte Bank stürmt gewandert in den Aufstiegs-T-Shirts den Platz und unmittelbar danach, allen Aufforderungen Walter Rueges zum Trotz, den Platz nicht zu stürmen und den Rasen heil zu lassen, die ersten Anhänger, deren Zahl größer und größer wird. Auf der Alten West werden Pyros abgebrannt, die Feier steigt. Aber Moment einmal, offiziell ist der Aufstieg noch nicht, denn in Münster ist noch nicht Schluss. Von daher sind es surreale Gefühle und Situationen. Während unten auf dem Rasen bereits gefeiert wird, dass sich im wahrsten Sinne des Wortes die Torbalken biegen, die von Souvenirjägern abmontiert werden, schauen viele andere auf den Rängen noch immer nervös auf das Handy. Werden Preußen Münster noch vier Tore in fünf Minuten Nachspielzeit gelingen? Diskutiert wird auch wild darüber, ob es ein 5 oder 6:1 sein müsste, es war wie bereits gesagt, ein 6:1. Da war sie wieder, die Angst vor Essens Aufstiegsfluch.
15:50 Uhr – Abpfiff in Münster – RWE ist offiziell aufgestiegen!
Schluss in Münster. Preußen siegt nur mit 2:1, viel zu wenig, wie wir wissen. Nun strömen noch mehr Menschen auf den heiligen Rasen. Dort heulen mittlerweile erwachsene Männer vor Rührung und Glückseligkeit wie die Schlosshunde und schämen sich ihrer Tränen nicht. Beim Vizemeister und seinen Fans rollen derweil hingegen die Tränen der Enttäuschung die Backen herunter. An dieser Stelle auch ein Glückwunsch an Preußen Münster. Ebenso wie RWE holten die Münsteraner einen sagenhaften Punkteschnitt von 2,29 Zählern pro Partie. Kein Wunder, dass alle anderen Konkurrenten aus Wuppertal, der Kölner Fortuna und schon einige Zeit länger RWO die Segel streichen mussten und es am Ende ein Zweikampf war. Der Aufstiegskampf war super knapp und hochklassig. Und hoch kann am Ende eben nur eine Mannschaft. Das haben wir vor einem Jahr bitter erfahren, nun sind wir auf Wolke 1907. Das ist der Fußballsport.
Irgendwann zwischen 16 und 18:30 Uhr
Zeiten, Orte und Menschen verwischen so langsam. Nach wie vor fällt man sich in die Arme, tanzt im Kreis und versucht es zu begreifen, dass wir tatsächlich aufgestiegen sind. So ein bisschen läuft man auch sinnierend und die Gedanken sortierend über den Rasen wie einst Franz Beckenbauer nach dem WM-Sieg von 1990 durchs Römer Olympiastadion, wenn auch dem Kaiser dabei deutlich mehr Privatsphäre zuteilgeworden ist. Die Meisterehrung von DFB-Funktionär Peter Frymuth sowie die anschließenden Ansprachen einiger Spieler auf der Gottschalk-Tribüne werden aufgrund einer nicht gerade gut ausgelegten Akustik etwas zum Ratespiel. Essens zum zweiten Keeper aufgestiegenes Partybiest Raphael Koczor besticht durch die RWE-Aufstiegsperücke, die auch schon Alex Thamm 11 Jahre zuvor nach dem entscheidenden Sieg in Siegen, RWE war nach der Insolvenz aus der NRW-Liga wieder aufgestiegen in die Regionalliga West, getragen hatte. Ob es dasselbe Exemplar war, ist nicht bekannt. Irgendwann geht es zum Bierstand auf den Helmut-Rahn-Platz zurück, minutenlang schunkeln und singen Anhänger „Ole RWE!“. Dann macht man sich auf in Richtung Rüttenscheid, wo weiter gefeiert werden soll. Natürlich vorerst nur die älteren Semester. Die aktive Fanszene hat noch ein paar Party-Patronen auf Lager und zelebriert zunächst eine beeindruckende Pyroshow am Rheinischen Platz, bevor auch von dort der Fanmarsch weiter zur Rü ziehe sollte.
Nach 20:00 Uhr bis Sonntagfrüh
Das mondäne Rüttenscheid erscheint noch nicht bereit, für das, was nun kommen sollte. In einigen Szenekneipen zeigt man sich gegenüber den siegestrunkenen RWE-Fans noch etwas reserviert. Als Blaulicht aufleuchtet kündigt sich der eintreffende Fantross von Rheinischen Platz an. Eine kaum enden wollende Menschenkette, die Polizei sprach später von mindestens 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, zieht nun die Rüttenscheider Straße hoch, auf der natürlich kein Auto mehr fahren kann. Die asozialen Essner, die unter Brücken schlafen, faszinieren dann doch und kaum zu glauben aber wahr, die Rüttenscheider Straße mit ihren zahlreichen Kneipen und Lokalen feiert Rot-Weiss Essen die ganze Nacht lang frenetisch und positiv ausgelassen. Diverse Kneipen vermeldeten jedoch, leer gesoffen worden zu sein und müssen bis Dienstag schließen. Solche Szenen gab es zuletzt nach Deutschlands viertem WM-Triumph 2014. Vielen Essener Bürgern ist wohl angesichts dieser Szenen erst jetzt klargeworden, welch großer Verein in ihrer Stadt beheimatet ist. Vor der Ampütte wurde das nächste nicht enden wollende „Ole RWE“ von rot-weissen Goldkehlchen präsentiert. Auch die Aufstiegshelden mischten sich unters Partyvolk. Cedric Harenbrock und Fabian Rüth standen vor der Kokille für jeden sichtbar auf den Bänken und feierten mit den Anhängern, Thomas Eisfeld versuchte eher unerkannt durch die Menge zu gehen, was nicht gelang, Marius Kleinsorge verteilte pfeifend rote Karten, Sinn der Aktion unbekannt, Niklas Tarnat musste begleitet von Sascha Voelcke erst mal eine Pizza essen gehen. Die Mannschaft feierte später im Giradethaus im Klub Purple weiter, wie viele andere Kneipen noch von einem selbst gestürmt worden sind, ist nur schemenhaft bekannt.
Sonntag 15.05, 9.00 Uhr – Erstes Aufwachen als Drittligist
Auch wenn Stauderbier in rauen Mengen einem doch ganz schön zugesetzt hat, gelang das Erwachen am nächsten Morgen mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Und nach wie vor musste man sich zwicken, dass es tatsächlich geschafft war. Auch wenn es „nur“ der Aufstieg von Liga Vier in Liga Drei war, war es der wahrscheinlich schönste und emotionalste Aufstieg, den ich je miterlebt habe, vergleichbar höchstens mit der grandiosen Aufstiegsrunde von 1993. Denn es wäre kaum auszudenken gewesen, wenn wir es nicht geschafft hätten. ABER RWE hat es geschafft! WIR haben es geschafft! Allen Unkenrufen zum Trotz! Genießen wir das einfach.
NUR DER RWE!
Sven Meyering