Vorbericht
RWE vor Rödinghausen wie Bob der Baumeister: Baustellen über Baustellen sind zu bearbeiten
Am Samstag trifft Rot-Weiss Essen auf den SV Rödinghausen. Ob weiterhin als Tabellenführer ist unklar. Das enttäuschende Remis bei Wegberg-Beeck hat bei RWE Spuren hinterlassen sowohl im Selbstverständnis der Essener als auch tabellarisch. Rot-Weiss hat sein Ziel verfehlt, die Konkurrenz unter Druck zu setzen. Die drehte sogar geschlossen den Spieß um und atmet den Essenern nun in den Nacken. Preußen Münster könnte, ein Sieg am Freitagabend gegen den SC Wiedenbrück vorausgesetzt, RWE zumindest vorübergehend vom Thron stoßen. Aktuell müssen sich die Essener damit nicht nur mit dem sicherlich schweren Match gegen die Zwiebelfestfreunde beschäftigen, sondern haben ganz nach Art von Bob dem Baumeister auch diverse Baustellen in ihrem eigenen Spiel zu bearbeiten. Unser Vorbericht ist somit zugleich eine Bestandsaufnahme rund um die Hafenstraße 97 A.
Das Personal und die taktischen Optionen
Im Vergleich zum Aufgebot, das Christian Neidhart bei Wegberg-Beeck zur Verfügung gestanden hatte, hat sich nichts verändert. In der Startaufstellung darf man dennoch eine Veränderung erwarten. Um gegen einen sicherlich sehr robusten und spielstarken Gegner mehr Kompaktheit in die Mittelfeldzentrale zu bringen, wird Christian Neidhart wahrscheinlich nicht erneut mit einer Doppelspitze bestehend aus Simon Engelmann und Zlatko Janjic beginnen, sondern einen zusätzlichen Spieler hinter einer Stoßspitze platzieren. Einer der genannten Spieler müsste dann weichen. Sagen wir mal so, Engel hätte auf jeden Fall noch eine Rechnung mit dem SVR offen, die er begleichen möchte. Dazu später mehr. Erolind Krasniqi ist insgesamt in sehr guter Verfassung und der Spieler, der den tödlichen temporeichen Pass in die Tiefe beherrscht. Eros Startaktien dürften daher gut sein. RWE muss gegen Rödinghausen ein anderes Gesicht zeigen als in den letzten Partien. Insgesamt gibt es diverse Punkte, an denen die Essener Stellschrauben bewegen müssten. Beschäftigen wir uns also mit diesen Baustellen.
Baustelle Nr. 1: Das Defensivverhalten
In der vorherigen Saison kassierten die Rot-Weissen in satten 40 Partien lediglich 28 Gegentore (Quotient 0,7). Nun sind es in 17 Spielen auch 17 Gegentreffer, das Ausrechnen des Quotienten ist wohl kaum nötig. Das macht im Ranking der besten Abwehrreihen der Liga lediglich Platz 6 aus. Besonders krass sind die Rot-Weissen da aktuell gegenüber dem Wuppertaler SV (9 Gegentore) und Fortuna Köln (10 Gegentore) im Hintertreffen. Die Bergischen spielten zuletzt fünfmal in Folge zu Null, Fortuna Köln viermal. RWE hingegen schaffte in den vergangenen 6 Partien kein einziges zu Null-Spiel. Das sind die Spiele, in denen die Essener von Beginn an auf Daniel Heber verzichten mussten.
Die defensive Anfälligkeit allein auf das Fehlen des Abwehrchefs zurückzuführen, greift jedoch zu kurz. In Wegberg geriet RWE in Rückstand, weil man auf holperiger Wiese mit der Brechstange hinten heraus kombinieren wollte, anstatt den pressenden Gegner mit einem langen Ball zu überspielen. In anderen Partien ließ man vor allem über die Außenbahnen relativ viel zu, hier stehen die Essener gewohnheitsmäßig sehr hoch. Auch im Zentrum kommt RWE nicht so schnell und konsequent hinter den Ball, wie in der Vorsaison. Das Fehlen von Marco Kehl-Gomez wollten die Essener mit einem etwas offensiverem Spielstil kompensieren. Man bekommt jedoch den Eindruck, dass Dennis Grote in dieser Hinsicht nicht alles alleine regeln und überall auf dem Platz sein kann.
Das ist keine Kritik an DG 6, der ein vorbildlicher Kapitän ist und stets vorangeht. Aber RWE muss eine systemische Antwort darauf finden. Aktuell wird es den Gegnern zu einfach gemacht, Tore gegen Essen zu erzielen. Dass daran auch z.T. individuelle Aussetzer schuld sind, gehört auch zur Wahrnehmung dazu. Auch die Konzentration muss einfach wieder höher und länger, idealerweise über das gesamte Spiel hochgehalten werden. Das alte Motto, Offense wins games, Defense Championships wäre derzeit jedenfalls nicht im Essener Wappen zu finden.
Baustelle Nr. 2: Die offensive Durchschlagskraft
Man macht es den Gegnern nicht nur zu einfach, Tore gegen RWE zu erzielen, sondern z.T. bricht sich Essen in und auch vor der gegnerischen Box den sprichwörtlichen Finger in der Nase ab. Dabei verfügt Rot-Weiss mit 40 Treffern über den besten Sturm der Liga. Dieses wiederum relativiert sich, wenn man die elf Buden subtrahiert, die RWE allein dem KFC Uerdingen eingeschenkt hat. Dann wären es nur noch 29 Tore aus 16 Partien und keine Referenzklasse mehr. Irgendwie und irgendwo ist RWE die Leichtigkeit abhandengekommen. Man siehe Simon Engelmann. Die Großchance, die Engel von Erolind Krasniqi mit einem tollen Pass in die Tiefe auf die Reise geschickt kurz vor dem Ende in Wegberg ausließ, hätte der Torjäger gefühlt im Vorjahr nicht nur vollstreckt, sondern zuvor noch ein Geschenkschleifchen um den Ball gebunden.
In vielen Partien muss man das Verhältnis von Aufwand und Ertrag kritisch hinterfragen. RWE investiert in jedes Spiel sehr viel, meistens deutlich mehr als der Gegner, aber das münzen die Neidhart-Schützlinge zu selten in klarere Ergebnisse um. Auch Zlatko Janjic, eigentlich als Torversicherung an die Seite von Simon Engelmann geholt, schießt ungewöhnlich viele Fahrkarten. Auch aus dem Mittelfeld kam schon einmal mehr Torgefahr. Hier ist Erolind Krasniqi aktuell der einzige RWE-Spieler, der sich in dieser Hinsicht deutlich nach vorne entwickelt hat. Die Essener Elfmeterschwäche ist das negative Sahnehäubchen oben drauf. Positiv ist und bleibt, dass die Rot-Weissen sich meistens dennoch viele Gelegenheiten erspielen.
Rührt ein Gegner Beton an, fällt RWE aber zu wenig ein. Das ist nichts Neues. Obwohl die Ära von Christian Titz mittlerweile von einigen Nostalgikern bis zur Unkenntlichkeit mythologisch verklärt wird, hatten die Essener auch unter Neidharts Vorgänger ihre liebe Mühe und Not, zu Chancen und Toren zu kommen, wenn ein Gegner nicht mitspielen und nur auf Essener Fehler warten wollte. Erinnert sei hier an die Spiele bei Gelsenkirchen II, gegen Homberg (0:2) und gegen Haltern (1:1). In der letzten Saison war das Match zum Rückrundenauftakt in Wiedenbrück ein solches und am Freitag in Wegberg spürte man ein gewisses Déjà-Vu und sich an das Spiel bei RW Ahlen (1:2) zurückerinnert.
Rezepte dagegen kennt man eigentlich, wendet diese jedoch zu wenig an. Insgesamt fehlen die Läufe in die Tiefe, ein konsequenterer Torabschluss aus der zweiten Reihe und vernünftige Standards. Und Christian Neidhart bemängelte es nach dem Lotte-Spiel selber, die Mannschaft geht manchmal einfach zu schnell mit dem Fuß vom Gaspedal und holt somit eigentlich bereits am Boden liegende Gegner unnötig wieder in die Partie zurück.
Baustelle Nr. 3: Die Personaldecke
Es wurde bereits im Kapitel Personal und taktische Optionen angesprochen, aber es wiegt natürlich schon sehr schwer, dass die Essener aktuell zwar eine immer noch sehr gute erste Elf aufs Feld schicken, aber den Gegner von der Bank nicht mehr so effektiv bespielen können wie vor einigen Wochen. Bei der Partie in Wegberg nahm Christian Neidhart auch nur zwei Wechsel vor, weil RWE eben nicht mehr ohne Qualitätseinbußen austauschen kann. Noch beim Match in Lippstadt „beschwerte“ sich das fachkundige Heimpublikum darüber, dass RWE einen starken Spieler herunternehmen und einen ebenso starken einwechseln könne. Das ist aktuell nicht möglich.
Die Ausfälle von Daniel Heber, Kevin Holzweiler und Oguzhan Kefkir waren sogenannte Unfallverletzungen und haben ihre Ursachen somit nicht vereinsintern in mangelnder Belastungssteuerung. Ohne diese Akteure steht der RWE-Kader im Vergleich zur Konkurrenz nicht mehr über allen anderen Vereinen der Liga, die sich dennoch gerne als Underdogs verkaufen. Es hilft jedoch nicht, Trübsal zu blasen. Mit dieser Situation müssen die Essener umgehen können und auch anderen Mannschaften fehlen oder fehlten Schlüsselspieler. Das Transferfenster öffnet sich für unter Vertrag stehende Spieler in der Winterpause wieder. Bis dato könnten nur aktuell vereinslose Kicker an die Hafenstraße 97 A gelotst werden. Essen sportlicher Leiter Jörn Nowak wird den Markt genau sichten. Unüberlegte Transfers sind teuer und natürlich hoffen die Essener darauf, dass sich ihr Lazarett zu Beginn des Jahres 2022 lichten wird. Den RWE-Anhang erfreuen immerhin aktuelle Bilder von Daniel Heber aus der Reha, der nach seinem Wadenbeinbruch bereits wieder mit dem Training auf dem Laufband begonnen hat.
Baustelle Nr. 4: Das RWE-Umfeld
Wir haben oben viele kritische Punkte zusammengestellt, wegen denen der RWE-Anhang unzufrieden sein darf und natürlich auch ist. Im Stadion selbst ist die Unterstützung der Mannschaft durch den Essener Anhang auch weiterhin top zu nennen. Naürlich wirft auch der Stadionbesucher einen kritischen Blick auf das Geschehen. Kritik ist jedoch nicht gleich Kritik. Was sich zuweilen im Schutze der Anonymität in sozialen Medien abspielt, lässt einen nur noch den Kopf schütteln. Spieler und Trainer werden beleidigt und unter der Köpfe-müssen-Rollen-Metapher zum Abschuss freigegeben. Das geht teilweise so weit, dass derjenige, der einfach mal darauf hinweist, dass nicht alles Scheiße wäre, gleich ein Schönredner ist.
In Traditionsvereinen gibt es eben auch diese selbstzerstörerischen destruktiven Kräfte, die eigentlich stetig am Werk sind und in Zeiten des Erfolges lediglich kurz eingedämmt werden, um dann mit voller Wucht wieder loszuschlagen. Genutzt hat das noch nie jemand anderem als der sportlichen Konkurrenz, die sich zurücklehnen und genießen kann, wie eine Gruppe von Menschen mit Vehemenz alles niedertrampelt, was zuvor mühsam aufgebaut worden ist. Auch wir als RWE-Anhang sollten uns dann hinterfragen. Es sind wir, die gerne und häufig auf die tolle Stimmung an der Hafenstraße 97 A hinweisen und auf das riesige Zuschauer- und Fanpotenzial. Wie sehr wir dieses Potenzial selbst ausschöpfen, sei dahingestellt. Gerade, wenn es nicht reibungslos läuft, braucht unsere Mannschaft, die personell ein wenig auf dem Zahnfleisch geht, unsere Unterstützung. Und damit konzentrieren wir uns dann auf den kommenden Gegner, an dem wir dann gerne unsere überschüssigen Energien auslassen dürfen.
Der Gegner SV Rödinghausen (17 Spiele/ 7. Platz/ 8 Siege/ 3 Remis/ 6 Niederlagen)
Der SVR aus dem Wiehengebirge kommt quasi als Mannschaft der Stunde nach Essen, auch wenn die vorherige Partie gegen RW Ahlen vor heimischer Kulisse mit 0:1 verloren gegangen ist. Seit Carsten Rump seinen glücklosen Vorgänger Nils Drube abgelöst hat, läuft es richtig rund bei den Ostwestfalen. In den ersten vier Partien setzte es ausnahmslos Niederlagen für die Zwiebelfestfreunde. Das kostete Nils Drube den Job. Unter Neucoach Rump holten der SVR 27 Punkte aus 13 Partien und damit nur zwei Zähler weniger als unser RWE in derselben Zeit. Dabei ist es Rumps erste Station als Cheftrainer. Zuvor war der gebürtige Dessauer vor allem bei Arminia Bielefeld als Co-Trainer tätig und assistierte dort den Cheftrainern Rüdiger Rehm, Jürgen Kramny und Jeff Saibene, dem er später noch nach Ingolstadt folgte.
Einen bundesweit spektakulären Auftritt feierte Rump, als er die vom Abstieg bedrohte Arminen-Mannschaft als Motivator auf das anstehende Zweitligaspiel gegen Eintracht Braunschweig einstimmte. Arminia siegte derart motiviert mit sage und schreibe 6:0 gegen die Eintracht. Es ist also nicht despektierlich zu sagen, dass Rödinghausens Coach ein echtes Rumpelstilzchen ist. Auch beim SVR scheint er die richtigen Worte gefunden zu haben. Dort ist man seit Enrico Maaßen lauthals schreiende Cheftrainer aber ohnehin gewohnt. Eines steht fest, auf RWE wartet ein sehr robuster Gegner, der sich viel vornehmen wird.
Die Rödinghausener sind und waren ein Reizthema in der Regionalliga West. In der Spielzeit 2019/20 marschierten sie in der Tabelle vorneweg. Bereits kurz vor dem coronabedingten Saisonabbruch erklärte der Verein dann jedoch, keinen Lizenzantrag für die Dritte Liga zu stellen. Der offizielle Grund war die mangelhafte Infrastruktur und Zuschauerkapazität des Häcker-Wiehen-Stadions, das mit knapp 2.500 Zuschauerplätzen viel zu klein für die Auflagen an ein Drittligastadion ist. Das schockierte die damalige Mannschaft, darunter auch der jetzige RWE-Torjäger Simon Engelmann. Noch in der Winterpause hätte Engel in die Dritte Liga zum gutbezahlenden FC Ingolstadt wechseln können, erhielt jedoch keine Freigabe. Das ist bis heute ein emotionales Thema für unsere Nummer 11. Mit der Verschleierungstaktik machte sich der SVR nur Freunde in Verl, denn die stiegen dann anstelle des „Abbruch“-Meisters auf.
Den Verein und seinen seltsamen Amigos-Fanclub hat auch in Essen keiner ins Herz geschlossen. Mit Angelo Langer hat Rödinghausen z.B. einen der größten Unsympathen der gesamten Regionalliga West in seinen Reihen, der sich sicherlich auch diesmal wieder einige unnötige Provokationen für das Essener Publikum auf seine Fähnchen geschrieben hat. Wer fußballerisch nicht so üppig ausgestattet ist, muss eben zu anderen Mitteln greifen. Als sonderlich sportlich hat man die Wiehengebirgler ohnehin nie wahrgenommen. Dass sie nun nach den gelockerten Bestimmungen für eine Drittligaspielstätte mit einem Male wieder ganz offiziell davon sprechen, mit dem Verein noch einmal angreifen zu wollen, begeistert somit nur die Sombreroträger vor Ort. Und hier sei ganz klar gesagt, wir mögen euch nicht und oberhalb der vierten Liga hat ein Konstrukt wie das eurige rein gar nichts verloren.
Wo wir gerade beim Mögen sind: für uns völlig unverständlich bleibt, dass man in Rödinghausen kein Bier mag. Wir erinnern uns, dass Jawattdenn.de zum Saisonende 2021 bis zu 300 Liter Bier ausgelobt hat. Nach vielen fruchtlosen Telefonaten und unbeantworteten Mails müssen wir zu dem Schluss kommen, dass die Furcht vor 150 Litern Pils so groß war, dass man sich in Rödinghausen abschottete. Da Wettschulden allerdings Ehrenschulden sind, hat Jawattdenn.de nun den Gegenwert als Spende für die Jugendabteilung des SVR überwiesen, in der Hoffnung, dass damit die Ausbildung für einen Jugendspieler mitfinanziert wird, der es nach seinem Wechsel zu Rot-Weiss Essen in die Nationalmannschaft schafft.
Fazit und über den Tellerrand geschaut: Die Lage in der Liga
Trotz aller Kritik dürfen wir eines nicht vergessen, unser RWE ist noch immer Tabellenführer der Regionalliga West und es sah in Richtung Kalenderjahresende schon wesentlich trüber aus. Aber eine gewisse nervöse Anspannung ist vorhanden und nur Siege können helfen, diese zu vertreiben. Wie eingangs angesprochen könnte Preußen Münster den Druck auf den RWE-Kessel noch erhöhen und mit einem Erfolg gegen Wiedenbrück die Essener zum Siegen verdammen, um den Aufstiegsplatz auch weiterhin innehaben zu können. Hier hoffen die Rot-Weissen, dass sich die Emsstädter in diesem Westfalenderby genauso wehrhaft und humorlos zeigen wie vor einigen Wochen beim Gastspiel an der Hafenstraße.
Noch gefährlicher für RWE ist aber Fortuna Köln. Nach dem 1:0 Erfolg in Aachen bleiben die Südstädter voll auf Kurs und sind virtuell sogar punktgleich mit Essen, da sie das Stadtderby gegen die U23 des FZÄH noch in der Hinterhand haben. Gegner Mönchengladbach II kriselt nach allen Regeln der Kunst und hat zuletzt ein halbes Dutzend Partien in Serie verloren. Schützenhilfe ist hier allem Anschein nach nicht zu erwarten.
Das dürfte ebenso wenig für das Gastspiel der Sportfreunde Lotte beim Wuppertaler SV gelten. Auch hier trifft Formstärke (WSV) auf Formschwäche (Lotte). Rot-Weiß Oberhausen kam durch das letzte Remis der Essener wieder ein wenig heran und gastiert in Lippstadt, und zwar ebenfalls favorisiert.
Fazit, rein von der Papierform her haben die Rot-Weissen an diesem Wochenende die schwerste Aufgabe aller Aufstiegsaspiranten vor der Brust. Vielleicht hilft das den Essenern aber eher. Bislang lieferte RWE gegen die tabellarisch gut aufgestellten Kontrahenten sehr gut und hatte in diesen Partien Walter Schlendrian nicht im Kader. Das Match gegen den unsympathischen Verein aus dem Wiehengebirge bietet zudem die Möglichkeit eines Art Befreiungsschlags. Mit einer überzeugenden Leistung und drei Punkten kann Rot-Weiss Essen auch seinen Anhang wieder voll hinter sich bringen. Der wird am Samstag im zukünftigen „Stadion an der Hafenstraße“ aufgrund der Corona-Lage ausschließlich der Kategorie 2 G entstammen. Was das für die Zuschauerzahl bedeuten wird, bleibt abzuwarten. Aber erstklassiger Support ist keine Frage der Quantität. Packen wir es also an. Bis dahin wie immer
NUR DER RWE!
Sven Meyering
Spielbericht
Ein Tor für ein Halleluja! RWE schlägt Rödinghausen und bleibt Tabellenführer!
Rot-Weiss Essen hat den gegnerischen Ansturm auf die Tabellenführung der Regionalliga West abgewehrt und bleibt Spitzenreiter. Gegen den wie gewohnt unsportlich und unsympathisch auftretenden SV Rödinghausen reichte RWE am Ende ein einziger gut und konsequent zu Ende gespielter Angriff zum 1:0 Siegtor durch Cedric Harenbrock. Und auch wenn einige das nicht verstehen können oder wollen, auch das ist Qualität. Hier folgt unsere Analyse.
Das Personal
Wie in unserem Vorbericht erwartet, löste Christian Neidhart die zuletzt von Beginn an praktizierte Doppelspitze mit Simon Engelmann und Zlatko Janjic auf und brachte Erolind Krasniqi, um für mehr Kompaktheit im Mittelfeldblock zu sorgen. Simon Engelmann saß gegen seinen Ex-Verein zunächst auf der Bank, Janjic stürmte von Beginn an. Auf den anderen Positionen gab es keine Veränderungen, was angesichts der Personaldecke nicht verwunderlich war. Bereits zur Halbzeit kam Simon Engelmann dann doch ins Spiel und RWE ging zur Doppelspitze zurück, was sich insgesamt bezahlt machen sollte.
Erolind Krasniqi, der kurz vor dem Seitenwechsel in einem Zweikampf auch etwas abbekommen zu haben schien, ging für Engel aus dem Spiel. Dieser Wechsel war der einzige, der systemisch für nennenswerte Veränderungen sorgen sollte. So zogen sich die zuvor noch relativ mutig agierenden Gäste in der zweiten Hälfte erkennbar weiter zurück, weil RWE nun offensiver aufgestellt war. Im Vergleich zum Wegberg-Spiel nutzte Neidhart alle Wechseloptionen aus, drei Wechsel kamen jedoch erst sehr spät. Nach 83 Minuten kam Sascha Voelcke für Torschütze Cedric Harenbrock und Isi Young wechselte kurzzeitig vom linken auf den rechten Flügel. Youngster Voelcke zeigte sich erneut sehr engagiert, allerdings fehlt ihm in engen Situationen noch die Übersicht, weswegen er manchmal den Zeitpunkt zum Abspiel verpasst und gute Aktionen verpuffen.
Kurz vor dem Ende kam es zu einem Doppelwechsel. Langesberg und Heim ersetzten Plechaty und Young positionsgetreu. Es bleibt dabei, RWE kann von der Bank nicht mehr so viel reinwerfen wie zu Saisonbeginn, sodass Christian Neidhart oft nur einen Wechsel von hoher Qualität vornehmen kann. Engelmanns Hereinnahme und die damit verbundene taktische Umstellung wirkte allerdings.
Die Pluspunkte
RWE biss sich durch! Das Match war sicherlich kein Leckerbissen, aber die Essener besiegten einen wie gewohnt aggressiven und unsportlichen Gegner aus dem Wiehengebirge verdient, weil sie sich in der zweiten Spielhälfte nicht nur gegenüber dem ersten Abschnitt erkennbar steigerten, sondern auch die Ruhe bewahrten und nicht unüberlegt ins Risiko gingen. Stück für Stück tastete sich Essen zum Erfolg.
Nachdem in der ersten Hälfte sehr wenig ging, sorgte die Einwechslung Simon Engelmanns dafür, dass sich das Spiel deutlich in die Hälfte der Gäste verlagerte. Grotes starker Flugball auf Isi Young verursachte dann nach einer Stunde den ersten Rödinghausener Platzverweis. Sportskamerad Angelo Langer sah sich gezwungen, den enteilenden Isi kurz vor der Box zu Boden zu reißen, was als das Vereiteln einer klaren Torchance gewertet wurde. Spielte RWE zuvor zu oft zu kompliziert, so war dieser eine präzise lange Ball deutlich effektiver. Das Siegtor durch Cedric Harenbrock nach 74 Minuten war das Ergebnis eines starken Spielzuges. Grote verlagerte das Spiel auf den rechten Flügel zu Plechaty, der sich mittels eines starken Zusammenspiels mit Young dann Raum verschaffte und von kurz vor der Grundlinie auf den kurzen Pfosten auf den lauernden Engelmann spielte. Ob Engel den Ball absichtlich zum zweiten Pfosten verlängerte sei dahingestellt, aber dort konnte Cedric Harenbrock dann die Kugel ins leere Tor schieben, denn Gästekeeper Tigges verharrte überspielt am kurzen Pfosten.
Übrigens erzielte RWE vor gut einem Jahr ein fast deckungsgleiches Tor gegen Rödinghausen. Auch damals passte Plechaty, auch damals wurde die Kugel am ersten Pfosten verlängert und auch damals stand Cedi dann goldrichtig. Insgesamt war es die beste Kombination der Essener, die zuvor kaum eine klare Torchance erarbeitet hatten. So darf man endlich auch einmal von Effizienz sprechen. In Kombination mit einer insgesamt guten Defensivleistung und dem ersten zu Null-Spiel seit dem 16. Oktober gegen Wiedenbrück reichte das gegen einen ruppigen und unangenehmen Gegner zu einem wichtigen Erfolg. Man spricht dann gerne vom Stile einer Spitzenmannschaft. Auch wenn das einigen Personen, die schon kurz nach Abpfiff in den sozialen Netzwerken eine katastrophale RWE-Leistung gesehen haben wollten, nicht gefällt. Zu diesen Stänkertypen fällt einem so langsam nichts mehr ein, zumindest nichts, was man hier schreiben könnte.
Die Knackpunkte
Die erste Spielhälfte war harte und zähe Kost. Rödinghausen kaufte RWE zumindest teilweise den Schneid ab, stellte das Zentrum zu und hätte seinen Torwart Tigges im Grunde kaum benötigt, denn RWE kam nicht zu Abschlüssen. Auch die Defensivbewegung ließ zu wünschen übrig. Bereits nach 2 Minuten war Essen unsortiert und Rios Alonso konnte seinen Gegenspieler zum Glück noch entscheidend stören, nachdem dieser den richtigen Zeitpunkt zum Pass auf den in der Mitte der Box völlig freistehenden Gerrit Kaiser versäumt hatte. Essen wirkte zunächst wenig zielstrebig und viel zu unsauber im Spielaufbau.
Mit Dennis Grote und Felix Bastians waren zwei rot-weisse Säulen nach gut einer Viertelstunde bereits mit Gelb verwarnt, weil sie in Zweikämpfen zu spät gekommen waren. Diese erkennbare Verunsicherung konnten die Gäste zum Glück nicht nutzen. Oldie Daniel Flottmann traf im Anschluss an einen Standard per Kopf nur den Pfosten des RWE-Tores. Aber das war auch das einzige Mal, bei dem Davaris Tor akut bedroht gewesen war. Nach dem erlösenden Führungstreffer hätte RWE einen der zahlreichen Konter gegen einen nun stärker öffnenden Gegner schlichtweg besser zu Ende und ins Ziel bringen müssen. Hier fehlte es grundsätzlich am letzten Pass. So durfte wieder bis zum finalen Pfiff gezittert werden.
Die Aufreger
Schiedsrichter Fabian Maibaum brachte mit insgesamt 6 Karten, davon zwei knallrote Kartons, relativ viel Farbe ins Spiel. Der Essener Anhang regte sich über die frühen Verwarnungen für Dennis Grote und Felix Bastians mächtig auf. Insgesamt hallten die gesamte erste Spielhälfte über immer wieder phasenweise „Schieber“-Rufe durch das zukünftige Stadion an der Hafenstraße. Das Publikum hatte nicht den Eindruck, dass der Referee in seiner Beurteilung von Zweikämpfen und im Zusammenspiel mit den Assistenten bei Abseitsentscheidungen den richtigen Durchblick besaß. So galten auch die beim Pausenpfiff aufkommenden Pfiffe in erster Linie dem Schiedsrichtergespann und nicht der RWE-Mannschaft, wie anderswo behauptet wurde.
In Hälfte zwei blieb es hektisch. Der Platzverweis für Oberunsympath Angelo Langer war regelkonform, die Herausstellung von Adrian Bravo Sanchez, der gegen Dennis Grote direkt vor der Essener Bank rustikal zur Sache ging, wäre mit Dunkelgelb auch angemessen geahndet worden.
Und natürlich sorgte der SVR generell wieder für Zornesausbrüche in Essen. Die Gäste waren ruppig, sie schauspielerten schlecht und lange und provozierten wie gewohnt. Solange es Remis stand, war kein Trick zu billig, um Zeit von der Uhr zu nehmen. Kaum waren sie in Rückstand geraten, hatten es die Zwiebelfestfreunde aber auf einmal sehr eilig. Am Ende monierten sie wild gestikulierend die angezeigte und aus ihrer Sicht zu kurze Nachspielzeit. Wer ständig auf Zeit spielt, sollte eigentlich gar keine Extratime erhalten, wenn er am Ende hinten liegt. Man möchte diesem Verein und seinen Akteuren manchmal nur seine Amigo-Sombreros verbeulen. Dafür müssten die diese nicht einmal vorher abnehmen.
Fazit und über den Tellerrand geschaut: Die Lage in der Liga
RWE holte sich einen Arbeitssieg, aber dafür bekommt man bekanntlich ebenso drei Zähler wie für ein Fußballfestival. Und es wäre schön, wenn einige RWE-Anhänger einfach mal begreifen würden, dass Essen in der jetzigen Situation ohne zahlreiche Leistungsträger zu Letzterem aktuell eben nicht in der Lage ist. Wohl aber dazu, den Kampf anzunehmen und seine Tabellenführung ein weiteres Mal zu verteidigen. Preußen Münster hatte diese RWE mit einem 1:0-Erfolg über Wiedenbrück am Freitagabend nur vorübergehend entreißen können. Auch alle anderen Konkurrenten siegten. Fortuna Köln mit 2:1 gegen Mönchengladbach II, Wuppertal und Oberhausen mit demselben Resultat gegen Lotte und in Lippstadt. Es bleibt also eng und spannend. Aber Tabellenführer bleibt trotz aller Wackler und Widrigkeiten unser RWE. Diese Spitzenposition soll am Freitagabend zum Hinrundenabschluss bei RW Ahlen erneut verteidigt werden.
Bis dahin wie immer
NUR DER RWE!
Sven Meyering