Vorbericht
„Wir fahr‘n nach Wuppertal, wir fahr‘n nach Wuppertal…“
Wurde einem bei diesem Gesang zu Zweitligazeiten Angst und Bange, da das aufgebrachte Publikum seinen Frust über einen möglichen Abstieg in die Regionalliga ausdrückte, gilt dieses Motto am Mittwoch (19:00 Uhr) zum Glück nur für den Niederrheinpokal.
Bereits der letzte Ausflug ins Tal fand in eben jenem Wettbewerb im Schlussspurt der Vorsaison statt und kostete Trainer Christian Neidhart zwei Spieltage vor Saisonende mitten im Aufstiegsrennen den Kopf. Obwohl Duelle mit dem WSV bei der rot-weissen Fanschar traditionell höchste Priorität genießen, hätte es Neidhart niemand übelgenommen, wenn er die A-Jugend eingesetzt und 5:0 verloren hätte, um dadurch die Spieler im Aufstiegsrennen zu schonen. Stattdessen lief die Stammelf auf und schonte sich einfach selbst: Der WSV gewann hochverdient mit 3:1, Sportdirektor Jörn Nowak ersetzte Neidhart für die letzten beiden Liga-Spiele auf der Bank und aufgrund des folgenden Aufstiegs ist dieses Spiel bei den meisten Fans bereits in Vergessenheit geraten.
Auch am folgenden Mittwoch genießt das Derby in beiden Fanlagern ganz unterschiedliche Prioritäten: Während in Essen das nächste „Sechs-Punkte-Spiel“ im Abstiegskampf gegen die SpVgg Bayreuth am Sonntag in den Hinterköpfen steckt und der Pokal eher wie eine lästige Pflichtaufgabe wirkt, ist für den WSV die Regionalligasaison bereits gelaufen, sodass das Duell mit dem ewigen Rivalen im Niederrheinpokal das Saisonhighlight mit der letzten Chance auf einen versöhnlichen Abschluss dieser Spielzeit darstellt.
Dabei gab es in Wuppertal im Sommer noch allen Grund zum Optimismus: Björn Mehnert konnte in der abgelaufenen Saison mit 78 Punkten (Punkteschnitt von 2,05) den dritten Platz hinter RWE und Münster festmachen und den Kader zur neuen Saison weiter verstärken. Mit Marco Stiepermann verpflichtete man einen gestandenen Zweitliga-Profi aus Paderborn für das offensive Mittelfeld, Mittelstürmer Serhat-Semih Güler kam mit der Empfehlung von 14 Saisontoren aus Bonn und erreichte diese Marke bereits jetzt nach 24 Spieltagen.
Durch den verpatzten Saisonstart mit nur zwei Siegen aus den ersten acht Spielen ging der WSV jedoch früh mit der Hypothek von neun Punkten Rückstand auf den souverän punktenden Spitzenreiter Preußen Münster ins Aufstiegsrennen und musste sich nach den jüngsten Punktverlusten nach der Winterpause endgültig von allen Drittligaträumen verabschieden. Björn Mehnert wurde nach dem Fehlstart durch Hüzeyfe Dogan ersetzt, der ein Zwischenhoch einleiten konnte – doch trotz des 1:0-Erfolgs im direkten Duell bei Preußen Münster und sieben Siegen am Stück kamen die Bergischen zu keiner Zeit in Schlagdistanz des designierten Drittligameisters aus Münster.
Noch vor ein paar Jahren hätte man in Essen den Misserfolg der Wuppis im Aufstiegsrennen sicherlich mit Häme bedacht, doch angesichts des peinlichen Verhaltens der Münsteraner im Aufstiegsrennen der Vorsaison, hätten nicht wenige Rot-Weisse einen Aufstieg des WSV bevorzugt, um nächstes Jahr nicht schon wieder das „Mimimimi“ der jammernden Gummiadler ertragen zu müssen. Außerdem waren die Fahrten zum WSV abgesehen vom Aus im Niederrheinpokal in den letzten Jahren sehr erfolgreich: In den letzten drei Spielzeiten konnte RWE alle drei Ligaduelle in Wuppertal gewinnen, nachdem man jahrzehntelang keine drei Punkte mehr vom Zoo mitgenommen hatte.
Die größte Wundertüte wird dabei sowohl für den gegnerischen Trainer als auch die rot-weisse Anhängerschaft, mit welcher Startelf Rot-Weiss Essen die Aufgabe beim klassentieferen Gegner angehen wird. Tut es Christoph Dabrowski seinem Vorgänger gleich und schickt auch im Pokal die volle Kapelle auf den Platz? Kommt der komplette zweite Anzug zum Einsatz? Oder wird es eine Mischform aus Stamm- und Ersatzpersonal? Am wahrscheinlichsten erscheint die dritte Variante, bei der die Spieler in der Startelf zum Zug kommen, die sich in der laufenden Saison fast ausschließlich in der Jokerrolle wiederfanden. Für Mustafa Kourouma, Cedric Harenbrock und Aurel Loubongo bietet sich hier eine gute Gelegenheit, um Spielpraxis zu sammeln. Der in Ingolstadt nicht eingesetzte Clemens Fandrich dürfte auch ein Kandidat für die Startelf sein, ebenso könnte Andreas Wiegel eine Pause bekommen und für ihn entweder Meiko Sponsel oder Sandro Plechaty beginnen.
Auch das rot-weisse Ersatzpersonal sollte sich mit einem Top-Regionalligisten mindestens auf Augenhöhe befinden und der Favoritenrolle gerecht werden, zumal der WSV am Wochenende einen bitteren Last-Minute-Ausgleich beim Regionalliga-Schlusslicht SV Straelen kassierte und am Mittwoch gehörig unter Druck steht. Nicht zu vergessen, dass dem Sieger ab dem Halbfinale lösbare Aufgaben (Ratingen, Bocholt sowie der Sieger der Partie ASV Mettmann – Rot-Weiß Oberhausen) auf dem Weg zu einer Teilnahme am DFB-Pokal bevorstehen und die damit verbundene Finanzspritze beiden Vereinen eine große Hilfe wäre. Motivation dürfte demnach ausreichend vorhanden sein und auch der Gästeblock wird am Mittwoch um 19:00 Uhr wieder gut gefüllt sein – es liegt an den elf Rot-Weissen auf dem Rasen, Derbysieg und Halbfinaleinzug perfekt zu machen.
Nur der RWE!
Dominik Gsell
Spielbericht
Mit viel Glück aus dem Tal gekommen – RWE ist im Halbfinale!
Die Revanche für das Pokalaus im letzten Mai ist geglückt. Diesmal konnten die Rot-Weissen sich über einen 1:0-Erfolg nach dem Elfmetertor von Bastians freuen. Wie auch beim letzten Mal konnten sich die Wuppertaler auf zahlreiche Zuschauer verlassen. Knapp 9.800 Zuschauer kamen in das altehrwürdige Zoostadion, um die nur einmal in dieser Saison stattfindende Partie zwischen dem WSV und dem RWE zu sehen. Leider spiegelte das hohe Interesse an dem Spiel nicht die Stimmung wider, diese war an diesem Mittwochabend eher mau. Der Essener Anhang musste ohne die Aktiven auskommen, die dem Spiel lieber fernblieben. Die Wuppertaler Zuschauer sorgten zumindest für eine aufwendige Choreo, aber der aktive Kern der WSVler war wie gewohnt eher klein und hat es nicht geschafft, das übrige Stadion mit sich zu reißen. So blieb es bei dem langweiligen Austausch von Nettigkeiten der Fanlager, die sich das ganze Spiel lieber an dem Gegenüber abarbeiteten, anstatt die eigene Mannschaft zu unterstützen. Aber entscheidend ist dann doch auf dem Platz, wo die Essener das Halbfinalticket buchen konnten.
Das Personal und Taktik
Alle Überlegungen, wie eine Aufstellung trotz harten Ligaalltag in dem Pokalduell gegen den Erzrivalen aussehen könnte, wurden durch eine Meldung kurz vor Spielbeginn völlig durcheinandergewirbelt. Trainer Dabrowski musste auf einen großen Teil seines Kaders verzichten, da mit Sponsel, Wollschläger, Wienand, Römling, Ennali, Engelmann, Wiegel, Niemeyer, Fandrich und Tarnat gleich zehn Spieler krankheitsbedingt ausfielen. Dennoch gab das Personal immer noch eine schlagkräftige Drittligaaufstellung her. In der Abwehr ersetzte auf der rechten Seite Plechaty den formstarken Wiegel. Der gesunde Harenbrock bekam auch seine Chance in der Startelf für den Dauerbrenner Tarnat, was das Mittelfeld durchaus mehr Offensivkraft geben sollte. Dafür nahm trotz Einsatzfähigkeit Holzweiler auf der Bank Platz, für ihn spielte auf dem Flügel Isy Young.
Beim Gastgeber wurde gleich fünfmal getauscht, für Langhoff, Montag, Galle, Henke und D`Hone, die alle noch in der Liga gegen Straelen gespielt hatten, durften Patzke, Hagemann Salau, Berisha und Müller ran. Da hatte man im Tal doch glatt die Liga endgültig abgeschenkt und alles auf die Karte „Halbfinaleinzug gegen Essen“ gesetzt.
Die Pluspunkte
RWE versuchte von Beginn an, spielerische Lösungen zu finden. Vor allem über Young lief im Angriff einiges, die Wuppertaler kamen mit dem schnellen Spiel aus dem Mittelfeld heraus überhaupt nicht klar und ermöglichten den Essener viele Vorstöße über die linke Seite. So hatte Isy schon in der ersten Minute eine gute Gelegenheit, indem er sich klassisch an der Torauslinie durchspielte, leider kam der Ball nicht entscheidend vor das Tor. Neun Minuten später hätte Rother nach Zuspiel von Young fast Harenbrock gefunden, allerdings hatte Berisha etwas dagegen und klärte den Ball in höchster Not. In der vierzehnten Minute konnte aber Young nach einem starken Dribbling kurz vor dem Einschuss nur durch ein Foulspiel gestoppt werden – der Rest war dann nur noch Formsache, Bastians verwandelte den berechtigten Elfmeter wie gewohnt souverän.
Die Abwehr war wie gewohnt sehr sicher und ließ den Wuppertalern kaum Möglichkeiten. Die Gastgeber versuchten oft, über lange Bälle das Essener Mittelfeld zu überbrücken und z. B. den sehr agilen Güler zu finden. Viele Ungenauigkeiten spielten den Rot-Weissen aber in die Karten, sodass Golz nur einmal in der 25. Minute gegen Stiepermanns Schuss wirklich eingreifen musste. Wer nach einem Klassenunterschied suchte, konnte diesen in der ersten Halbzeit noch finden.
Die Knackpunkte
Diese Sportart besteht nun einmal aus zwei Halbzeiten und nicht aus einer. Diese Ableitung aus einer der vielen Sepp-Herberger-Weisheiten hatten die Jungs von der Hafenstraße heute leider nicht beherzigt. Direkt nach der Pause hätte Stiepermann die Unordnung in der Essener Abwehr ausnutzen können, aber zum Glück gibt es nicht nur zwei Halbzeiten, sondern auch zwei Torpfosten. Wirkliche Entlastung gelang den Gästen kaum noch, der WSV drückte auf dem Ausgleich.
Schon in der ersten Halbzeit viel auf, dass der Gastgeber vor allem die Seite über Plechaty bespielen wollte. Jetzt allerdings zeigte sich der WSV variabler und hätte durch Güler in der 57. Minute sich belohnen können. Der endgültige Bruch im Essener wurde dann mit dem Dreierwechsel Eisfeld/Loubongo/Kourouma für Harenbrock/Young/Plechaty vollzogen. Gerade der jungen Kourouma tat sich gegen anrennende Wuppertaler schwer, vorne gelang es nicht, trotz besserer Spielanlage die Bälle festzumachen.
Hier kann wieder das alte Lied gesungen werden, großartige Ballkombinationen bringen nach vorne wenig, wenn diese ins Leere laufen. Ohne Vereinsbrille hätten die Wuppertaler den Ausgleich aufgrund der schwachen zweiten Halbzeit unserer Jungs und auch aus kämpferischer Sicht verdient gehabt.
Der Aufreger
Das aus dem Wuppertaler Sieg nichts wurde, ist auch ein Verdienst des blau-roten Spielers König, der drei Minuten vor Schluss Kourouma mit offener Sohle am Oberkörper traf. Da hat der Fuß überhaupt nichts verloren, dementsprechend geht der Platzverweis völlig in Ordnung. Danach folgte eine sehr unnötige Diskussion unter den Spielern, die ein wenig Hitzigkeit in ein ansonsten faires Duell hineinbrachte. Auch die Reaktion von der Haupttribüne sorgte für reichlich Irritation. Einen Spieler mit Standing Ovations zu verabschieden, der gerade mal für fünf Minuten auf dem Platz stand und dann nach einem rüden Foul möglicherweise seiner Mannschaft die letzte Möglichkeit auf die Verlängerung gekostet hat, hat auch viel Geschmäckle. Aber anscheinend ticken da die Uhren im Tal etwas anders. Danach war jedenfalls auch der Tank der Gastgeber völlig leer und Essen stand nach Ablauf der Verlängerung in der nächsten Runde des Niederrheinpokals.
Ausblick
Dem Ziel, den Verbandspokal nach 2020 wieder einmal zu gewinnen, ist RWE wieder ein Stück nähergekommen. Dort wartet ein Wiedersehen mit unseren alten Helden Platzek und Grund sowie mit der Leihgabe Voelcke. Bis dahin heißt es aber, sich wieder voll auf den Ligaalltag zu konzentrieren. Diese Aufgabe wird gegen formstarke Bayreuther nicht einfacher, zumal es noch völlig offen ist, welche Namen am Sonntag auf dem Spielbogen erscheinen werden. Es bleibt die Hoffnung, dass sich nicht noch weitere Spieler angesteckt haben und vielleicht doch noch der ein oder andere Akteur sich gesund zurückmelden kann. Auf eine positive Sache ist am Ende immer noch Verlass: Es ist schöner, sich auf Bayreuth vorzubereiten als auf die Kölner Amateure!
In diesem Sinne
NUR DER RWE!
Pascal Druschke