Spielbericht
RWE erstürmt spät die Grotenburg und zieht ins Halbfinale ein
Ein Spiel dauert neunzig Minuten, jeder kennt diese Weisheit. Aber um eines zu entscheiden, reicht auch manchmal weniger aus. Eine passable zweite Halbzeit sorgte dafür, dass der Favorit aus Essen gegen die aufopferungsvoll kämpfenden Uerdinger am Ende die Nase vorn hatten. Der Traum von der Titelverteidigung lebt also weiter.
Denn mit den verlorenen Punkten gegen Unterhaching ist die direkte Qualifikation für den DFB-Pokal, bei der mindestens Platz vier in Liga drei erreicht werden muss (außer eine Zweitvertretung befindet sich auf den ersten vier Plätzen), etwas außer Reichweite geraten. Um auf Nummer sicher zu gehen, muss auch der Verbandspokal mit der nötigen Ernsthaftigkeit bestritten werden. Das Erreichen der ersten DFB-Runde sorgt für Geld, der in den kommenden Kader gesteckt werden kann, und bietet einen weiteren Anreiz für potenzielle Neuzugänge, an der Hafenstraße die Fußballschuhe zu binden.
Das Personal
Nach der Niederlage im letzten Heimspiel gegen Unterhaching nahm Coach Dabrowski gleich fünf Veränderungen in der Startelf vor. Im Tor durfte Wienand für Golz spielen, dieser Wechsel ist aber im Pokal in der Regel so vorgesehen. Sapina und Kaiser ersetzen die beiden Dauerbrenner Harenbrock und Müsel, die sich nach den letzten Wochen eine Pause verdient hatten. Gleiches galt für Außenstürmer Young, für den Voelcke ran durfte. Außerdem musste Rotsünder Berlinski, der im Pokal weiterhin spielen darf, auf die Bank, Vonic nahm seinen Platz ein. So wurde die Innenverteidigung wieder von Rios Alonso und Kourouma gebildet, Felix Götze stand noch nicht einmal im Kader. Die defensiven Außenbahnen übernahmen abermals Wiegel auf rechts und Brumme auf links. In der Zentrale hielt Dabrowski einzig an Eisfeld fest, außerdem behielt Obuz auf der offensiven rechten Außenbahn seinen Startplatz.
Nach 45 Minuten hatte der Trainer genug von ersten Elf gesehen, Wiegel und Kaiser mussten ihre Positionen räumen. Mit Dombouya kam ein Stoßstürmer zu Lasten der Viererkette, die nun zu einer Dreierkette wurde. Zudem sollte Harenbrock das lahmende Offensivspiel wieder beleben. 17 Zeigerumdrehungen später war auch für Sapina Schluss und Müsel komplettierte die zuletzt gut funktionierende Zentrale. Weitere 10 Minuten später durfte dann Berlinski doch noch spielen und seinen Sturmkollegen Vonic ersetzen. Zu guter Letzt wollte Dabrowski die Führung über die Zeit bringen und brachte in der 78. Minute den defensiven Rother für den offensiven Eisfeld.
Die Pluspunkte
Aufgrund des hohen Zuschauerandranges begann das Spiel 15 Minuten später. Unsere Mannschaft entschied sich allerdings, den Anpfiff um satte 65 Minuten zu verschieben. Mit den Einwechselungen von Doumbouya und Harenbrock wurde das Team dann doch noch plötzlich aus dem Schlaf gerissen. Der bullige Stoßstürmer sorgte allein aufgrund seiner guten Ballannahmen und der enormen körperlichen Präsenz dafür, dass die Uerdinger große Probleme bei der Verteidigung innerhalb des Strafraums hatten. Allerdings hat Moussa anscheinend immer noch nicht Helmut Rahns Beststeller: „Mein Hobby: Tore schießen“ gelesen, denn sein Hauptjob erledigt weiterhin nicht vollends. Immerhin konnte er sich in der 90. Minute belohnen und nach tollem Zuspiel von Harenbrock über die rechte Seite den Deckel auf das Spiel machen.
Cedric belebte die Partie durch seinen Passstärke und Dribblings, die endlich das Spiel etwas schneller machen sollte. Allerdings war es eine Kombination aus Einzelaktion und Towartfehler, die das Spiel zugunsten von RWE drehte. Nach Zuspiel von Sapina hatte Brumme plötzlich viel Platz und zog aus 25 Metern einfach mal ab, Towart Gomoluch half mit seinen Fäusten, den Ball über die Linie zu boxen. Danach war auch das Essener Publikum wach und sorgte für die nötige Unterstützung zum Aufbau einer richtigen Angriffswelle. Nach fünf dicken Chancen im Minutentakt (Vonic/Doumbouya 64., Obuz 65., Eisfeld 69., Müsel 71. und Vonic plus Latte 72.) erlöste Harenbrock den Drittligisten im Anschluss an einer perfekten Flanke von Voelcke mit dem Kopf. Danach suchte RWE weiter das Heil in der Offensive, gewann die Zweikämpfe schon im Mittelfeld und ließ den Uerdingern kaum Zeit zum Atmen. Wieder einmal ist diese unglaubliche Moral der Mannschaft zu loben, sich auch aus brenzligen Situationen selbst herauszuziehen. Dies war auch bitter nötig, denn der Auftritt in der ersten Hälfte war des Teams von der Hafenstraße nicht würdig.
Die Knackpunkte
Den Rot-Weissen fehlten zunächst die Ideen, die Abwehr des KFC ernsthaft in Verlegenheit zu bringen. Sapina und Eisfeld machten das Spiel in der Zentrale viel zu langsam, kein gefährlicher Pass wurde zwischen die Verteidiger des Oberligisten gespielt. Vor allem an Sapina lief das Spiel nahezu vorbei. Dem Kapitän fehlt nach seinem Ausfall durch Knieprobleme und grippalem Infekt die nötige Fitness und die Übersicht im Spiel. Zwar konnte er körperlich den Ball gegenüber den anstürmenden Uerdingern noch behaupten, sobald er aber den Ball weiter transportieren wollte, wurde es gefährlich. Bei Verlusten des Spielgeräts war er kaum in der Lage, hinter seinem Gegenspieler herzulaufen. Die Auswechslung in der zweiten Halbzeit wirkte fast wie eine Erlösung für ihn. Außerdem war auffällig, dass RWE hauptsächlich das Spiel über die linke Seite aufzog. Voelcke war allerdings nicht in der Lage, die Linie bis zum Ende durchzulaufen und stoppte den Ball im Halbfeld immer wieder ab. Auf der anderen Seite des Spielfelds war Obuz völlig abgemeldet, wurde er dennoch einmal in Szene gesetzt, waren direkt zwei Verteidiger des KFC da. Dieser Standfußball konnte den Fünftligisten nicht aus der Fassung bringen, mehr als eine Halbchance von Vonic in der 19. Minute und einem Kopfball von Kaiser weit über das Tor kurz vor der Pause sprangen nicht dabei heraus.
Besorgniserregender waren allerdings einmal mehr die Defizite in unserer Viererkette erkennbar. Jeder der vier Spieler hatte Böcke im Spiel, so dass das Umschaltspiel des KFC für höchste Brandgefahr vor dem Kasten von Wienand sorgte. Neben dem andauernden Wegrutschen auf einem Rasen, den die Verantwortlichen gerne als Prämie für den Sieg an die Hafenstraße mitgenommen hätten, gab es ordentlich viele Stellungsfehler, die vom KFC direkt in der 14. Minute eiskalt ausgenutzt wurden. Kourouma stand dabei viel zu weit weg von Gegenspieler Touratzidis, der keine Probleme hatte, Wienand aus kürzester Distanz zu überwinden. Auch danach fiel der Yougster in einer schwachen Verteidigungskette noch negativ auf. Immer stand er ein wenig zu weit rechts, als ob er auf der Außenbahn Routinier Wiegel unterstützen musste und so ordentlich Raum für die KFC-Doppelspitze gab. Sinnbildlich war auch eine Aktion vor der Pause, wo plötzlich Kourouma kurz vor dem gegnerischen Strafraum auf der rechten Seite eine Flanke schlug, die postwendend zurückkam und der Angriff des KFC glücklicherweise im Mittelfeld verhungerte. Es bleibt die große Frage, warum ein Innenverteidiger die Aufgaben seines rechten Flügelmanns übernehmen und dieser dann als letzte Absicherung fungieren sollte. Wahrscheinlich war auch der Trainer damit beschäftigt und nahm den schwachen Wiegel zur Halbzeit aus dem Spiel.
Logischerweise führte die Umstellung auf eine Dreierkette nicht zu einer Stabilisierung bei. Dies war auch Dabrowski klar, der mit einer Stärkung der Offensive hoffte, den Underdog trotz der bis dahin sehr schlechten Leistung in Verlegenheit zu bringen. Dennoch gab es über Konter weiterhin die Gelegenheit für Uerdinger, das Spiel wieder zu drehen. In der 59. Minute wurde die Essener Abwehrreihe einmal mehr überlaufen, Wienands tolle Parade und Webers fehlendes Auge für seinen mitgelaufenen Nebenmann verhinderten aber die erneute Führung für den KFC. Leider ziehen sich die schwachen Defensivleistungen seit Winter durch unsere Spiele, auch gegen Unterhaching sah die Innenverteidigung nicht immer gut aus. Dies kann bei einem Mann weniger auch mal passieren, aber gegen einen Fünfligisten, der aus dem Spiel heraus so gut wie nichts beigetragen hat, müssen solche einfachen Fehler vermieden werden.
Der Aufreger
In jeder Hinsicht kann RWE froh sein, die Niederrungen des Amateurbereichs hinter sich gelassen zu haben. Auch wenn über die Schiedsrichter in der Dritten Liga gemeckert werden kann, so häufig, wie das Fähnchen am Seitenrand gehoben wird, nur weil der Verdacht auf Abseits besteht und der Assistent mal wieder zu langsam ist, kommt eher weniger im Ligaalltag vor. Zum Glück hatte sich dies nahezu auf beiden Seiten ausgeglichen.
Kurios wurde es dann kurz vor dem Ende. Spielertrainer Kenia wurde in der 88. Minute von Alexander Schuh vom Platz gestellt, weil dieser anscheinend gemeckert hatte. Vorausgegangen war eine Ringereinlage von Müsel, der einen Angriff des KFC damit unterbinden wollte und ein taktisches Foul zog. Dies passte Kenia wohl nicht und wollte seinen Ärger dem Unparteiischen kundtun. Eine Kreisligaweisheit besagt: Wenn der Spielertrainer vom Platz fliegt, bist Du wirklich unten angekommen!
Trotz dieser Spitze gegen den KFC war der Besuch an der Grotenburg ein schönes Erlebnis, mit denen sich nostalgische Gefühle verbinden. Allein die steilen Aufgänge zu den Tribünen und die markanten Flutlichter, deren Lichter noch von Weiten für ein wärmendes Gefühl im Rücken beim Verlassen des Stadions sorgten, lässt jedes Fußballfanherz höherschlagen. Dazu war die Kulisse mit knapp 8.200 Zuschauern ein toller Rahmen für das Viertelfinale eines Verbandspokals, dies sucht deutschlandweit seinesgleichen. Die Fans des KFC verliehen mit ihrer Choreo ein Hauch von den guten alten Zeiten, in denen sich der Verein mal befand, bevor er seine Seele an einen Investor verkaufte. Trotz all der Nostalgie bleibt zu hoffen, dass sich unsere Ausflüge auf den Niederrheinpokal beschränken.
Zuletzt möchte ich noch einmal kurz auf mein Lieblingsthema rund um den Fußball eingehen, nämlich die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Ohne vorherige Ankündigung über die Presse oder der Homepage des Vereins wurde ein Sonderzug zum Essener Hauptbahnhof eingesetzt, der allerdings anscheinend alle knapp 2.000 im Stadion anwesenden Essener befördern sollte. Gekommen waren vielleicht 30-40 Essener, ganze Waggons standen leer. Die sehr langsame Reise, bei der jeder Bahnhof zwischen Krefeld und Duisburg sehr genau betrachtet werden konnte, endete dann vorerst am Bahnhof Hochfeld-Süd, weil der Lokführer des Güterzugs vor uns aus Versehen ein Haltesignal übersehen hatte und die Strecke von der Sicherheit der Deutschen Bahn erst freigegeben werden musste. Da ich in Hochfeld aufgrund der unsicheren Lage ausgestiegen bin und mich zum Duisburger Hauptbahnhof geschlagen habe, hoffe ich inständig, dass der Sonderzug sein Ziel doch noch erreicht hat. Eine Liebesbeziehung zu Fußballreisen mit der Deutschen Bahn hat sich leider immer noch nicht entwickelt.
Ausblick und Fazit
Mit dem Sieg gegen Uerdingen wartet jetzt im Halbfinale der Ligakonkurrent des KFC, Germania Ratingen, auf unsere Elf. Die Ratinger spielen in der Oberliga Niederrhein eine tolle Runde und können auf den Aufstieg hoffen, weil die Sportfreunde Baumberg als Tabellenführer auf den Sprung in die Regionalliga verzichten wollen. Allerdings hat Baumberg selbst noch die Chance, in das Finale um den Niederrheinpokal einzuziehen. Gegner ist dort RW Oberhausen, die mit einem Erfolg möglicherweise selbst noch die Endspielniederlage aus dem letzten Jahr wettmachen und den Pott mit in die Centrostadt nehmen können. Laut Rahmenkalender soll das Halbfinale in der Woche nach Ostern (02.-04. April) ausgetragen werden.
Erkenntnisse aus Pokalspielen gegen niederklassige Gegner zu ziehen ist immer schwer. Allerdings muss sich RWE in der Defensive gehörig steigern. Es kann nicht nur sein, sich auf die Rückkehr von Götze zu verlassen, der natürlich einer der besten Innenverteidiger der Dritten Liga ist, aber auch mit ihm ist die Abwehr im Gegensatz zur Vorrunde anfälliger geworden. Auch ein Sapina in Normalform wird gebraucht, da er mit seiner Zweikampfstärke vor dem Strafraum wichtig ist, Angriffe vor den gefährlichen Räumen im Keim ersticken kann. Am wichtigsten ist aber, dass alle in der Viererkette zu alter Form zurückfinden, hier ist auch das Trainerteam gefragt. Denn es macht nicht nur Spaß, Festungen zu erstürmen, sondern auch selbst eine aufzubauen!
In diesem Sinne NUR DER RWE