Vorbericht
Der 1. FC Saarbrücken kommt – geht die rot-weisse Achterbahnfahrt weiter?
Der Oktober gleicht für RWE bislang einer wilden Achterbahnfahrt: Am 1. Tag des Monats wurde Spitzenreiter Dynamo Dresden mit 3:1 nach Hause geschickt und ein frenetisch feierndes Publikum zückte die Taschenrechner, um Relegationsrang 3 und ein mögliches Spiel gegen den blauen Nachbarn anzuvisieren. Wenige Tage später setzte es zunächst eine 0:4-Klatsche bei Aufsteiger Unterhaching und am zweiten Oktoberwochenende stand die Hafenstraße nach einem 0:5 gegen den SC Verl im negativen Sinne Kopf. Kapitän Felix Bastians, in der eigenen Kabine bereits seit längerem in Ungnade gefallen, wurde suspendiert und eine ersatzgeschwächte RWE-Elf stürmte wiederum eine Woche später, begleitet von über 10.000 Essenern, mit 2:1 das Dortmunder Westfalenstadion. Nun kommt mit dem 1. FC Saarbrücken ein ersatzgeschwächtes Top-Team an die Hafenstraße.
Das Personal
Rechtzeitig zum Dortmund-Spiel wurde Vinko Sapina wieder fit und läuft nun auch ganz offiziell als „Kapitän der Hafenstraße“ auf. Aufgrund der Sperre von Björn Rother und der Verletzung von Thomas Eisfeld stellt sich die Mittelfeldzentrale derzeit fast von selbst auf: Torben Müsel, dank des 2:1-Siegtreffers mit 2 Toren nun rot-weisser Top-Torjäger, und Cedric Harenbrock werden sehr wahrscheinlich die Zentrale komplettieren. Auch auf den offensiven Außenbahnen ist es nicht unwahrscheinlich, dass Marvin Obuz und Isi Young wieder zur Startelf gehören. Im Sturm hat Leonardo Vonic in Dortmund seinen Torriecher zwar noch nicht unter Beweis stellen können, erarbeitete sich jedoch Torchancen und könnte den Vorzug vor den Ackergäulen Berlinksi und Doumbouya erhalten. Vor Jakob Golz werden neben Rios Alonso und Lucas Brumme wohl die wieder genesenen Felix Götze und Andreas Wiegel die Viererkette komplettieren.
Der Gegner: 1. FC Saarbrücken (Platz 12/14 Punkte/3 Siege/5 Unentschieden/2 Niederlagen/18:14 Tore/Differenz +4)
In der Vorsaison verpasste der FCS erst am letzten Spieltag den möglichen Aufstieg in die 2. Bundesliga: Der Osnabrücker Last-Minute-Doppelschlag stürzte die Saarländer noch vom Relegationsrang und leitete auch einen Umbruch im Kader ein, da einige Leistungsträger den Verein für höherklassige Engagements verließen. RWE-Schreck Dave Gnaase, der im Rückspiel der Vorsaison zwei Tore zum Saarbrücker 3:0-Heimerfolg beisteuerte, schloss sich dem Aufsteiger VfL Osnabrück an.
Torwart Daniel Batz, nach sechs Jahren im Verein fast schon zum Legendenstatus aufgestiegen, sitzt nun bei Bundesligist Mainz 05 auf der Bank. Edeljoker Adriano Grimaldi (10 Saisontore) geht nun beim SC Paderborn eine Liga höher auf Torejagd und sein Sturmpartner Marvin Cuni (13 Treffer) wechselte gar in die italienische Serie A zu Aufsteiger Frosinone. Da Sebastian Jacob (7 Saisontore) nach seinem Kreuzbandriss Ende 2022 noch immer nicht wieder einsatzbereit ist, legte der FCS zu Saisonbeginn für die Offensive nach und scheint mit dem ablösefreien Kai Brünker aus Magdeburg einen Volltreffer gelandet zu haben: 7 Tore in Liga 3 und eines im DFB-Pokal stehen bereits auf dem Konto des 29-jährigen. Auch der zweite Neuzugang, Patrick Schmidt aus Ingolstadt (10 Tore in der Vorsaison) fügte sich mit 3 Toren in 6 Einsätzen gut ein, fehlt jedoch aufgrund eines Beinbruchs.
Für die Mittelfeldzentrale kam Patrick Sontheimer vom Ligakonkurrenzen Viktoria Köln, wird jedoch am Sonntag aufgrund einer Rot-Sperre fehlen. Da auch Mittelfelddauerbrenner Richard Neudecker verletzt ausfällt, steht Trainer Rüdiger Ziel am Sonntag vor einem ähnlichen Problem wie sein Gegenüber Christoph Dabrowski: Der dünne Kader gibt bei Ausfällen wenig Alternativen her. Beim 0:2 der Saarbrücker in Aue saßen nur fünf Feldspieler auf der Bank und die Personalprobleme spiegeln sich auch im durchwachsenen Saisonstart wider.
Zwar konnten die Saarländer den Karlsruher SC in der ersten DFB-Pokalrunde mit 2:1 niederringen und am 8. Spieltag mit 6:2 die Bielefelder Alm stürmen, mussten sich gegen die Aufsteiger Ulm, Unterhaching und Lübeck jedoch mit Punkteteilungen zufriedengeben und kommen in bisher 10 Saisonspielen (das Spiel gegen den MSV Duisburg wurde verschoben) nur auf 3 Siege. Gegen Verl reichte es nach einem 1:3-Rückstand noch zu einem 4:3-Heimsieg, gegen Viktoria Köln gab es nach 1:0-Führung noch eine 1:2-Heimniederlage, sodass am Sonntag eine Wundertüte auf RWE wartet. Der deutliche Qualitätsunterschied der Vorsaison hat sich jedoch verringert und wenn auch die Rot-Weissen wieder an ihre Form aus dem Dortmund-Spiel anknüpfen können, deutet alles auf ein Spiel auf Augenhöhe hin.
Fazit und über den Tellerrand geschaut: Die Lage in der Dritten Liga
Bei zwei ersatzgeschwächten Teams mit starken Formschwankungen und den vielen Aufs und Abs im Oktober ist eigentlich alles angerichtet für eine langweilige Punkteteilung. Der Druck liegt jedenfalls bei den Gästen, die den Anschluss an die Spitze nicht schon frühzeitig verlieren dürfen, während RWE mit 15 Punkten aus 11 Spielen voll im Soll liegt.
Ausruhen können die Rot-Weissen sich auf dem aktuellen 6-Punkte-Polster jedoch keineswegs, denn die Ausgeglichenheit der dritten Liga ist mehr als eine Floskel. Mit Ulm, Unterhaching und Münster kamen drei Aufsteiger gut aus den Startlöchern und stehen in der oberen Tabellenhälfte, während Vizemeister Freiburg II nach seinem personellen Aderlass weiterhin in der Abstiegszone festhängt. Mit Ingolstadt, dem nächsten Gegner aus Saarbrücken, 1860 München, Arminia Bielefeld und Waldhof Mannheim sind hinter RWE zudem noch mehrere Teams zu finden, die wohl in den meisten Tipprunden vor der Saison eher in der oberen Tabellenhälfte zu finden waren.
Es ist also davon auszugehen, dass die Tabelle in den kommenden Wochen noch gründlich durchgewirbelt wird, ehe sich Auf- und Abstiegskampf deutlicher herauskristallisieren. Es bleibt zu hoffen, dass RWE die Position im gesicherten Mittelfeld festigen und den Existenzkampf so früh wie möglich hinter sich lassen kann. Nach dem Saarbrücken-Spiel warten die beiden West-Duelle gegen den MSV Duisburg und Arminia Bielefeld, die sich am Samstag um 16:30 Uhr zum absoluten Krisengipfel treffen – mit etwas Glück kann RWE den Vorsprung auf die beiden sogar an diesem Wochenende schon weiter ausbauen.
In diesem Sinne: NUR DER RWE!
Spielbericht
RWE schlägt nach Kampfspiel den 1. FC Saarbrücken
Meine Güte, kann es unsere Mannschaft nicht auch mal ohne diese zerreißende Spannung klarmachen? Spaß beiseite, Rot-Weiss Essen hat einen tollen Erfolg gefeiert, denn in diesem 2:1 steckt sehr viel Arbeit. Der Großteil der über 17.000 Zuschauer riss gegen 18:30 Uhr die Arme hoch und feierte den zweiten Dreier in Folge.
Tabellarisch beginnt damit die Zeit, in der man sich Screenshots der Tabelle anfertigt. Platz 6 in der dritten Liga, das tut einfach gut, auch wenn noch darüber zu sprechen sein wird, wie trügerisch diese Liga ist. Die Momentaufnahme nehmen wir trotzdem gerne mit.
Das Personal
Es gab nach dem 3:1 Erfolg in Dortmund wenig Grund für Christoph Drabowski zu rotieren. So nahm der Trainer lediglich Mustafa Kourouma aus der Startelf und stellte Felix Götze wieder in die Innenverteidigung. Obwohl sich Kourouma eigentlich für einen erneuten Einsatz empfohlen hatte, muss man wieder einmal über die Leistung von Felix Götze sprechen. Der Magentakommentator zählte Götze zu den Besten, was es in der 3. Liga in der Innenverteidigung gibt und das muss man unbedingt unterstreichen. Was Götze Spiel für Spiel abräumt, das ist wirklich stark. Und wenn dieser einmal überwunden wird, dann ist Jakob Golzt vielarmig wie ein Kraken zur Stelle. Mit einer Monsterparade hielt er RWE auch heute wieder einmal im Spiel.
Einmal durchatmen mussten die RWE-Fans in der 27. Minute, denn da musste Lucas Brumme verletzungsbedingt ausgewechselt werden. Der Motor auf der linken Seite wurde bereits in diesem Spiel vermisst. Nichtsdestotrotz zeigte der junge Voelcke gerade defensiv ein blitzsauberes Spiel und vernaschte mehrfach seine Gegenspieler und leitete damit Gegenangriffe ein.
In der 76. Minute stellte Christoph Dabrowski auf eine Dreierkette um und wechselte dazu Kourouma ein. Darüber hinaus ersetzte Andreas Wiegel Eric Voufack. Zum Ende hin kamen noch Sandro Plechaty und Ron Berlinski.
Die Pluspunkte
RWE legte furios los und zeigte eine wirklich starke halbe Stunde. Es erinnerte zeitweise an den dominanten Auftritt gegen Regensburg, nur mit dem Unterschied, dass RWE seine Leistung dieses Mal vergoldete. Nach nicht einmal sieben Minuten legte Eric Voufack nach langem Zuspiel von Torben Müsel auf Marvin Obuz ab, der den Ball perfekt in den Strafraum flankte. Von hinten setzte Isaiah Young zum Flugkopfball an und versenkte den Ball in den Maschen. Young zeigte sich wie gegen Dortmund sehr stark und belohnte sich selbst.
In der 18. Minute bekam wieder Marvin Obuz den Ball auf der rechten Seite und flankte recht flach in den Strafraum. Dieses Mal stand Leonardo Vonic bereit und erzielte seinen ersten Drittligatreffer für Rot-Weiss Essen. Das ganze Stadion freute sich nicht ganz uneigennützig für den jungen Stürmer, denn wir alle hoffen, dass Vonic der Mittelstürmer ist, der so dringend gebraucht wird.
Ab der 30. Minute erhöhte Saarbrücken massiv den Druck. Einmal mehr zeigte sich die Essener Abwehr von ihrer besten Seite. José-Enrique Rios Alonso und der bereits erwähnte Felix Götze köpften, grätschten und liefen Bälle ab, dass es eine Freude war. Dennoch konnte RWE immer wieder Konter fahren, auch wenn sie sie nicht mehr zum gewünschten Ende abschließen konnten.
Insgesamt zeigte RWE in der zweiten Hälfte eine kämpferische Leistung, die anerkennenswert ist. Symbolisch dafür kann die Arbeit an der Eckfahne genommen werden, bei der das Team beinahe zwei der fünf Minuten Nachspielzeit von der Uhr nahm. Dafür durften sich die Spieler zurecht nach Spielschluss feiern lassen.
Die Knackpunkte
Beim Gegentreffer ließ sich die soeben gelobte Abwehr zu leicht ausspielen. Einer von vielen unnötigen Ballverlusten im Mittelfeld ermöglichte Tim Civeja mit dem Ball in Richtung Essener Strafraum zu laufen und Kasim Rabihic in Szene zu setzen. Dieser drang in den Strafraum ein und passte perfekt durch den Fünf-Meter-Raum zu Amine Naifi, der ins leere Tor abschließen konnte.
Lucas Brumme hat sich in den ersten 12 Spielen zu einem echten Leistungsträger entwickelt. Dementsprechend schockte seine Verletzung alle, die es mit RWE halten. Allerdings war der enorme Leistungseinbruch, der direkt nach der Verletzung erfolgte, nicht nur mit der Verletzung Brummes zu erklären. In der zweiten Hälfte war der Kopf des Teams zum Glück wieder oben, sodass der Kampf, den Saarbrücken dann bot, angenommen werden konnte.
Der Aufreger
Egal, ob man RWE oder den 1. FC Saarbrücken fragen wird, niemand wird mit der Leistung des Referees rundum zufrieden gewesen sein. Man hatte eigentlich schon in der Anfangsphase das Gefühl, dass dem Unparteiischen das Spiel entgleitet. Assad Nouhoum stellt die Marke Schiedsrichter dar, die gern selbst im Mittelpunkt steht. Immer wieder diskutierte er quälend lang mit Spielern vor Eckbällen. Der Höhepunkt war kurz vor Schluss eine Einzelunterredung vor dem Ausführen eines Einwurfs. Dies konnte man aus Essener Sicht aber gerne annehmen, da er trotz der Verzögerung sehr pünktlich nach Ablauf der 5 Minuten das Spiel beendete.
Auf Essener Seite ärgerte man sich über die recht laxe Auslegung der Handspielregel. Während das vermeintlich elfmeterwürdige Foul an Isi Young, sich beim Betrachten der TV-Bilder als eher plumpe Schwalbe herausstellte, hatte der FC Saarbrücken bereits in der 13. Minute, als Bjarne Thoelke sich den Ball beim Fallen selbst an die Hand schoss, Glück. Sicherlich kein klarer Elfmeter, aber es gab schon Schiedsrichter, die solche Situationen gepfiffen haben. Auch in der Nachspielzeit der zweiten Halbzeit forderte der RWE-Anhang Handelfmeter, denn Marcel Gaus beförderte mit weit gereckten Armen den Ball ins Toraus. In den Fernsehbildern kann man beim besten Willen nicht erkennen, ob Gaus den Ball mit der Hand spielt. Dass es allerdings nicht einmal Eckball gegeben hat, das ist eine Entscheidung, die Schiedsrichter Nouhoum wahrscheinlich selbst nicht erklären kann.
Umgekehrt hatte RWE in der Schlussphase Glück, denn Sandro Plechaty hatte sich bei Ahmet Arslan die Tätlichkeit aus der Vorsaison abgeschaut und trat Fabio Di Michele Sanchez absichtlich auf den Fuß. Das wäre ehrlicherweise eine rote Karte gewesen. Am Ende kann man dem Team gratulieren, dass es sich von der eigenwilligen Spielführung nicht hat aus dem Konzept bringen lassen.
Fazit und die Lage der Liga
RWE zeigte sich wie in Dortmund kämpferisch geschlossen, sodass die Befürchtungen, dass die grausamen Ergebnisse in Unterhaching und gegen Verl einen Bruch in der Mannschaft zur Folge haben werden, sich glücklicherweise nicht bewahrheitet haben. Als Saarbrücken sich entschlossen hat, mitzuspielen, konnte man sehen, dass diese Mannschaft gerade offensiv sehr viel Qualität mitbringt. Dass RWE mit viel Kampf dieses Ergebnis über die zweite Hälfte getragen hat, ist der Mannschaft hoch anzurechnen.
Platz 6 ist, wie bereits geschrieben, eine schöne Momentaufnahme, allerdings ist diese Liga grausam ausgeglichen, was an folgender Statistik klar wird. Bei einer Niederlage wäre RWE lediglich drei Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt gewesen, durch den Sieg stehen die Rot-Weissen nun drei Punkte hinter dem Relegationsplatz. Deswegen ist das kommende Spiel in Duisburg nicht nur für das Prestige wichtig, sondern auch hier sind wichtige Punkte zu holen.
In der Abstiegszone konnte der VfB Lübeck mit dem Last-Minute-Treffer gegen Viktoria Köln drei Big Points erringen, und Waldhof Mannheim, das recht chancenlos gegen Dortmund II verlor, auf den Abstiegplatz verweisen. Der Abstand für Halle (Niederlage gegen Regensburg), Freiburg (Niederlage gegen 1860 München) und Duisburg (Niederlage gegen Bielefeld) weist nun schon vier bzw. fünf Punkte auf.
An der Tabellenspitze unterstrich das Führungstrio Dresden (gegen Münster), Regensburg (gegen Halle) und Ulm (gegen Aue) mit Siegen die eigenen Ambitionen und die drei führenden Vereine konnten den Vorsprung vor den Verfolgern ausbauen.
Nun bleibt Zeit zur Vorfreude und Vorbereitung auf das Derby in Duisburg. Der freie Verkauf beim MSV nimmt Fahrt auf, sodass es wieder einmal ein stimmungsvolles Derby wird, eines der Spiele, auf das die RWE-Fans 14 lange Jahre hingefiebert haben. Mit breiter Brust und hoffentlich ähnlich kämpferischer Leistung darf es dann gerne weitergehen.
Hendrik Stürznickel