Vorbericht
RWE will gegen die Spatzen die Taube auf dem Dach! Essen empfängt den SSV Ulm im Duell um Platz 3
Spitzentanz an der Hafenstraße 97 A. Fußball-Drittligist Rot-Weiss Essen hat sich durch seine Saison-Performance verdient, dass es nun mittlerweile Matches mit Essener Beteiligung gibt, die dieses Prädikat mit Fug und Recht erhalten. Am Samstag empfängt RWE den SSV Ulm, der Vierte empfängt den Dritten, das stärkste Rückrundenteam empfängt das drittstärkste Rückrundenteam. RWE wird erneut mit Personalsorgen ins Spiel gehen, aber spätestens seit dem reifen Auftritt, mit dem Dabros Mannschaft drei Zähler aus Regensburg entführt hat, weiß ein jeder, RWE trotzt Problemen und wird wie immer auf Sieg gehen.
Das Personal
Erneut fallen Christoph Dabrowski wichtige Säulen aus. Kapitän Vinko Sapina befand sich nach seinen Knieproblemen im Aufbautraining und wurde dabei von einem grippalen Infekt gestoppt, an einem solchen laboriert auch immer noch Lucas Brumme. Dafür kehrt Stammkeeper Jakob Golz zurück zwischen die Pfosten, vor ihm werden Felix Götze und Rios Alonso die Innenverteidigung stellen. Aufgrund des erneuten Brumme-Ausfalls werden die Außenverteidigerpositionen von Andreas Wiegel auf der rechten und Eric Voufack auf der linken Seite gebildet werden. Mit Sascha Voelcke kehrt eine Alternative für die linke Außenbahn zurück in den Kader.
Das Mittelfeld wird erneut sehr offensiv ausfallen. Thomas Eisfeld musste in Regenburg nach einem Kopfballduell ausgewechselt werden, Eisi plagte nach dem Luftkampf ein Brummschädel. Essens Nummer 10 ist aber einsatzbereit, ihm werden sich Torben Müsel und Cedric Harenbrock zugesellen. Der sich immer besser entwickelnde Nils Kaiser ist die erste Wechseloption. Die offensiven Außenbahnen belegen Isi Young und Marvin Obuz, der sich mittlerweile zu einem der Top-Scorer der Liga gemausert hat.
Ron Berlinski brummt eine Gelbsperre ab. Daher ist Leo Vonic im Zentrum gesetzt, Moussa Doumbouya lauert im Hintergrund. Nach seinen stets beherzten Auftritten wird der technisch sehr versierte U-19-Akteur Ahmed Etri sicherlich auch wieder einen Kaderplatz erhalten. In dieser Formation strebt Rot-Weiss Essen den fünften Heimdreier in Folge an.
Der Gegner: SSV Ulm 1846-Fussball (3. Platz/ 25 Spiele/ 44 Punkte/ 13 Siege/ 5 Remis/ 7 Niederlagen/ 43:32 Tore/ Differenz +11)
In Ulm pfeifen es die Spatzen von den Dächern, die Baden-Württemberger schicken sich an, den Aufstieg-Doppelpack zu schnüren. Aktuell steht der Aufsteiger aus der Regionalliga Südwest auf dem Relegationsplatz 3, der zu Ausscheidungsspielen um einen Platz in der Zweiten Bundesliga gegen den dortigen Tabellensechzehnten berechtigten. Dabei waren die Ulmer zuvor noch viel länger aus dem Profifußball verschwunden als unser RWE. Ende der 90er Jahre war der Fusionsverein, 1970 aus den beiden Ulmer Großvereinen Turn- und Sportgemeinde Ulm 1846 sowie dem 1. Schwimm- und Sportverein Ulm entstanden, in die Zweite Bundesliga aufgestiegen und dann sogar in die Bundesliga durchmarschiert. Nach dem direkten Wiederabstieg folgte nach einem Jahr in der Zweiten Bundesliga der tiefe Sturz. Der SSV ging in die Insolvenz und bretterte sofort bis in die Verbandsliga Württemberg nach unten. Diese Spielzeit 2001/02 markierte das erste von 22 Jahren im Amateurfußball.
Bis man wieder nach oben kam, legte man noch zwei weitere Insolvenzen hin. Holperige Wege zu gehen kennt man somit beim SSV Ulm, der das Wort Fußball sogar im Namen trägt. Infolge der vorerst letzten Insolvenz spaltete sich die Fußball-Abteilung 2009 ab und gründete den SSV Ulm 1846-Fussball e.V. um sich stärker vom SSV Ulm abzugrenzen und ab 2011/12 einen schuldenfreien Neuanfang starten zu können. Vor diesem Hintergrund ist die jüngste Entwicklung des Vereins sicherlich bemerkenswert positiv zu werten und weist weitere Parallelen zu Rot-Weiss Essen auf.
In der Gegenwart bleibt das Team von Thomas Wörle die größte Überraschung der Saison. Auch nach 25 Spieltagen haben sich die Spatzen nicht aus dem Spitzentrio verdrängen lassen. Zwar spielt man nicht die Rolle einer SV Elversberg, aber es sind letztlich auch nur die ohnehin als Mit- bzw. Topfavorit gehandelten Regensburger und Dresdner, die tabellarisch vor den Ulmern rangieren. Dafür sorgt auch eine bislang große Konstanz. Schon die Hinrunde schloss der SSV auf Rang 3 ab, genau dort steht er auch in der Rückrundentabelle, diese führt bekanntlich Rot-Weiss Essen an.
Führt man die statistischen Spielchen weiter, so rangiert der kommende Gast ebenfalls auf Platz 3 der Auswärtstabelle und ist mit 20 errungenen Zählern in der Fremde überaus erfolgreich. Dumm nur, dass man dann zum erfolgreichsten Heimteam der Liga reisen muss, das bekanntlich ebenfalls Rot-Weiss Essen ist. Offenbar steht also eine Knallerpartie bevor, die Werte beider Teams versprechen ein echtes Spitzenspiel. Nachdem RWE in der Vorwoche ausgerechnet bei Spitzenreiter Regensburg beeindruckend seine schlechte Auswärtsserie beendete, wünschen wir uns natürlich nun, dass jetzt nicht umgekehrt die starke Heimbilanz der Rot-Weissen ein Ende findet.
Zuletzt siegten die Dabrowski-Schützlinge viermal in Folge an der heimischen Hafenstraße. Aber sechs Ulmer Auswärtssiege in dieser Spielzeit sind nicht von Pappe. Die Spatzen verdanken ihre gute Platzierung dabei ihrer offensiven Durchschlagskraft, mit 43 Torerfolgen sind sie hinter Dresden und Ingolstadt natürlich Dritter im Ranking der Angriffsreihen. Dabei haben sie mit Dennis Chessa (7 Tore + 4 Assists) und Leonardo Scienza (7 Tore und 9 Assists, das ist einmal mehr Platz 3 für einen Ulmer im Ligavergleich) ihre gefährlichsten Scorer. Im Hinspiel zog RWE mit 1:2 den Kürzeren, welche Lehren lassen sich daraus ziehen?
Ulms Chefcoach Thomas Wörle hatte RWE vor dem Spiel als sehr spielstarke Mannschaft über den grünen Klee gelobt, was Wörle auch veranlasst hatte, sehr genau hinzuschauen. Jedenfalls fand der Ulmer Trainer das richtige Konzept, den guten Kombinationsfußball der Essener im Keim zu ersticken. In vorderster Linie liefen die Spatzen sehr gut an, Essen wählte häufig den Rückpass auf Jakob Golz, weil es schleppend nach vorne ging. Die Ulmer besetzten vor allem die Schnittstellen des RWE-Spiels und machten diese dicht. Nach der ersten Pressingreihe rückten die Gastgeber konsequent nach, die Essener Ball-Übergabespieler auf der 8 und der 10 wurden zugedeckt oder gnadenlos bekämpft, was für RWE gefährliche Ballverluste produzierte.
Vinko Sapina bekam sogar wechselnde Manndecker verpasst. Auch auf die Außenbahnen verschoben sich die Gastgeber mit einer weiteren ballorientierten Kette sehr gut, RWE kam hier kaum durch und größere Chancen bleiben Mangelware. Da man dann auch noch dumme Gegentreffer durch einen unglücklich abgefälschten Freistoß und einen schlecht verteidigten Konter kassierte, blieb der Punktekorb leer. Zudem zeigten sich die Ulmer als Meister des Zeitspiels und um kein Mätzchen verlegen, um Minuten von der Uhr zu nehmen. Keeper Christian Ortag nutzte zum Beispiel jeden von ihm gefangenen Ball, um mit dem Spielgerät danach eine halbminütige Meditation auf dem Rasen zu vollführen. Das nennt man einen sehr unbequemen Gegner, der eine große Abgeklärtheit an den Tag legte.
Wie werden die Ulmer nun in Essen auftreten? Gemäß dem Spitznamen des Vereins bietet sich hierbei der alte Kalauer an, ob man mit dem Spatz in der Hand zufrieden ist und auf ein Remis geht oder nach der Taube auf dem Dach, also dem Dreier greifen wird? Insgesamt ist der SSV Ulm eine Mannschaft, deren DNA ähnlich der von RWE ist, mit 13 Siegen hat man ebenso viele Erfolge wie die Essener errungen, ein Sieg an der Hafenstraße könnte die Gastgeber 5 Punkte distanzieren.
Ebenso wie RWE kann man im Grunde unbeschwert aufspielen, denn das eigentliche Ligaziel Klassenerhalt ist schon 3 Monate vor Ende der Spielzeit sichergestellt und könnte nur durch einen Ligaabgang in die andere Richtung „gefährdet“ werden. Christoph Dabrowski erwartet jedenfalls einen variablen Gegner, der sowohl starke Pressingsituationen kreieren als auch in gefährliches Umschaltspiel kommen wird. RWE wird hier genauso konzentriert aufbauen und gegenpressen müssen, wie es in der Partie in der Oberpfalz vor Wochenfrist zu sehen gewesen ist.
Fazit und über den Tellerrand geschaut: Die Lage in der Dritten Liga
Spätestens nach dem Coup der Vorwoche hat Rot-Weiss Essen keinerlei Sorgen mehr, in der kommenden Saison nicht im Profifußball vertreten zu sein. Die nun kommenden 13 Partien sind daher Bonus-Spiele, die das Team von der Hafenstraße aber mit vollem Elan angehen wird, um am Ende vielleicht sogar das ganz große Ding zu rocken. Auch gegen den SSV Ulm wird Christoph Dabrowski seiner Mannschaft den Marsch nach vorne verordnet haben. Die Alles-oder-Nichts-Mentalität, die in bislang 25 Ligaauftritten nur zu 3 Remis, aber satten 13 Siegen bei 9 Niederlagen geführt hat, trägt tabellarische Früchte. Sage und schreibe 11 Vereine haben in dieser Saison weniger Spiele verloren als der Tabellenvierte Rot-Weiss Essen, sogar der 14. Viktoria Köln zog einmal weniger den Kürzeren.
Es sind jedoch eben nur zwei Vereine mit mehr Ligasiegen als RWE zu finden und das ist das Spitzenduo Regensburg (15 Siege) und Dresden (16 Siege). Der kommende Gast aus Ulm hält wie im Gegnerportrait schon genannt ebenso viel von Dreiern wie RWE. Beide Mannschaften sind also für ihre mutige Art Fußball zu spielen belohnt worden. Gemeinsam mit seinem wahrscheinlich ausverkauftem Heimbereich im Rücken wird Rot-Weiss Essen alles dafür tun, den 14. Ligasieg einzutüten und gegen die Ulmer Spatzen nach der Taube auf dem Dach greifen. Alles andere entspräche nicht der Mentalität der Dabrowski-Elf.
Wahrscheinlich wird der Ligaauftakt am Freitagabend dafür sorgen, dass Essen nur als Fünfter ins Spitzenspiel am Samstag gehen wird. Der SV Ingolstadt empfängt den abgeschlagenen Tabellenletzten Freiburg II und könnte mit einem Sieg nach Punkten gleich und übers Torverhältnis an Essen vorbeiziehen. Vielleicht wehren sich die Breisgauer aber ebenso tapfer wie kürzlich in Essen und haben dabei etwas mehr Fortune.
Am Samstag gibt es neben dem Match in Essen fünf weitere Partien. Joe Enochs und sein Jahn rangieren noch immer 10 Zähler vor RWE, von daher würde man an der Hafenstraße einen Regensburger Sieg beim SV Sandhausen (Platz 7/39 Punkte) sicherlich gut verschmerzen können.
Der VfB Lübeck, zuletzt in Dresden mit 2:7 abgeschossen, braucht dringend Punkte im Kampf um den Klassenerhalt und darf diese gegen Preußen Münster und Unsymphatikus Sascha Hildmann gerne holen.
Im Westduell Duisburg gegen Viktoria Köln kann man den Angstschweiß beider Teams vor Anpfiff förmlich riechen. Die Viktoria möchte nicht unten reingezogen werden, der MSV benötigt einen weiteren Dreier, um das Lebenszeichen des Verl-Erfolges in der Fremde nicht wieder verstummen zu lassen.
Der SC Verl steht noch komfortabel da, wird aber beim Gastspiel beim BVB II weitere Zähler sammeln wollen. Den Samstagabend beschließen Arminia Bielefeld und die SpVgg Unterhaching. In Freiburg gab es für die gebeutelte Kniat-Elf einen Pflichtsieg, gegen die kantigen Bayern, die auch noch verschämt nach oben schielen, könnte der Spaß aber schnell wieder vorbei und die Abstiegsplätze nah sein.
Der Spieltag wird am Sonntag mit drei Partien beschlossen. Akute Not verspürt Waldhof Mannheim, das auch unter Neucoach Marco Antwerpen nicht vorankommt und den ersten Abstiegsplatz belegt. Gegner 1.FC Saarbrücken sorgt in dieser Saison für Freude im DFB-Pokal sowie für Frust in der Liga und bei Freunden gepflegter Rasenplätze. Sportlich rangieren die Saarländer im Niemandsland und weil das heimische Stadion häufiger eher einem Freibad ähnelt, kann sich die Elf von Rüdiger Ziehl nur auswärts darauf verlassen, dass ein Spiel überhaupt angepfiffen wird.
Im Ostduell empfängt Erzgebirge Aue den Zweiten Dynamo Dresden, wo Gästecoach Markus Anfang nicht nur Gefahr läuft, Punkte zu lassen, sondern auch von den Einheimischen mit einem geschnitzten Erzgebirgschen Räuchermännchen verwechselt zu werden.
Am Sonntagabend spielt noch 1860 München, aktuell in sehr guter Verfassung, gegen den Halleschen FC, der abhängig von den anderen Resultaten womöglich zu Anpfiff auf einem Abstiegsplatz rangieren wird.
Rot-Weiss Essen blickt in andere Tabellenregionen. Im Stadion an der Hafenstraße ist alles bereitet für ein weiteres Fußball- und anschließendes Freudenfest mit Christoph Dabrowskis Mentalitätsmonstern.
NUR DER RWE!
Sven Meyering
Spielbericht
Ulmer Spatz lässt Siegesgezwitscher ertönen – RWE unterliegt dem SSV mit 0:2
Fußball-Drittligist Rot-Weiss Essen musste vor gut 17.000 Zuschauern am Samstag einen Dämpfer hinnehmen. Mit einem Sieg über den direkten Konkurrenten hätte man Platz 3 erklimmen können, doch der Aufsteiger aus der Regio-Südwest zeigte an der Hafenstraße Elversberg-Gene. Spielerisch reif und extrem abgeklärt errangen die Gäste einen verdienten 2:0 Erfolg. Dennoch gab es Momente, in denen RWE die Chance hatte, das Spiel in seine Richtung zu ziehen. Vor allem in Hälfte eins zeigten beide Teams ein rasantes Match, das einem offenen Schlagabtausch glich. Nach der Pause hatten die Ulmer den besseren Punch.
Das Personal
Christoph Dabrowski schickte mit Ausnahme von Jakob Golz dieselbe Startformation auf das Feld wie beim viel umjubelten Coup in Regensburg. Das aber auch notgedrungen, denn mit Vinko Sapina und Lucas Brumme fehlten erneut wichtige Säulen durch grippale Infekte. So musste Eric Voufack für Brumme erneut auf die Linksverteidiger-Position, Andreas Wiegel verteidigte auf Rechts. Felix Götze und Rios Alonso bildeten die Innenverteidigung. Thomas Eisfeld, Torben Müsel und Cedric Harenbrock formierten das Zentrum im Mittelfeld, Isi Young und Marvin Obuz spielten offensiv auf Außen. Leo Vonic begann als Stoßstürmer.
Sehr viele Alternativen bot die Bank nicht mehr, da auch noch Ron Berlinski eine Gelbsperre absitzen musste. Beim Stande von 0:1 versuchte Dabro durch systemische Umstellungen neue Impulse zu setzen, Moussa Doumboya kam für Eric Voufack, Essen spielte von nun an mit Doppelspitze, Isi Young musste somit auf Außen den Schienenspieler geben. Zeitgleich kam Nils Kaiser positionsgetreu für Thomas Eisfeld (72.). Zehn Minuten vor dem regulären Ende ersetzte Sascha Voelcke dann Isi Young. Aufgrund des abgeklärten Defensivspiels der Ulmer blieben die Umstellungen jedoch wirkungslos.
Die Pluspunkte
Es dauerte fast 20 Spielminuten, bis RWE den Anfangsdruck der Ulmer abschüttelte und selbst offensiv aktiv wurde. Das allerdings dann nachhaltig. Nach 22 Minuten stand Felix Götze nach einem Eckstoß für RWE hoch in der Luft über allen und nickte die Kugel aufs Ulmer Tor, Keeper Ortag wäre wohl chancenlos gewesen, doch ein Abwehrknie lenkte den Ball ganz knapp am Pfosten vorbei.
Vier Minuten später fiel dem völlig freistehenden Cedric Harenbrock ein Abpraller in der Ulmer Box vor die Füße. Cedi legte sich die Kugel auf den starken Linken und schlenzte aufs lange Eck, leider ein Stück zu hoch. RWE spielte nun druckvoll und Ulm offenbarte durchaus Schwächen in der Deckung. So auch kurz vor der Halbzeit, als Essen gleich zwei Topgelegenheiten hatte und leider vergab. Zunächst luchste Harenbrock einem Spatzen die Kugel in der Vorwärtsbewegung ab und setzte Isi Young in Szene, doch der US-Boy brachte in gefährlicher Position nur einen unplatzierten Schuss in die Arme von Ortag zustande.
Kurz darauf machte es Isi besser und vernaschte seinen Gegenspieler links in der Box, seine Hereingabe erreichte Eisfeld, doch dessen Direktabnahme landete aus kurzer Entfernung an der breiten Brust des Ulmer Schlussmanns. RWE hatte bis zum Pausenpfiff vier erstklassige Gelegenheiten, die Führung zu erzielen und das Spiel in eine andere Richtung zu lenken. Zwischendurch gab es auch immer wieder gefährliche Ulmer Gegenstöße, die Essen leidenschaftlich verteidigte. In der zweiten Hälfte darf man der Mannschaft zugutehalten, bis zum Schluss das Mögliche versucht zu haben, zählbare Chancen erarbeitete sich RWE aber nicht mehr.
Die Knackpunkte
Zu Spielbeginn war Essen nicht wach und sah sich großem Druck der sehr ballsicheren und passsicheren Ulmer ausgesetzt. In dieser Phase erzielten die Gäste auch durch Chessa bereits das vermeintliche 0:1, doch wurde der Treffer zu Unrecht wegen angeblichem Abseits nicht anerkannt. Wer weiß, ob RWE ansonsten noch so gut in Hälfte eins gekommen wäre, wie es dann geschah. In der Anfangsphase insgesamt in den Zweikämpfen schläfrig und viel zu brav wurden die Bälle im Aufbau früh verloren, sodass als Sicherungsvariante Vonic mit langen Bällen gefüttert wurde. Gegen die Ulmer Abwehrschränke nicht die beste Variante.
Essen verlor das Spiel dann in einem Korridor von 25 Minuten, der die letzten 5 der ersten und die ersten 20 Minuten der zweiten Hälfte umfasste. Hier ließ man zunächst dicke Gelegenheiten liegen, selbst in Führung zu gehen, dann war man schläfrig nach Wiederanpfiff. Die in der ersten Halbzeit so rasante und rassige Partie wurde nach dem Seitenwechsel deutlich ruhiger. Jedoch musste man den Eindruck bekommen, dass eher die Gäste für den Taktwechsel verantwortlich waren. Die Ulmer begannen, gewarnt von Essens Chancen in Hälfte eins, wesentlich kompakter. Aber sie waren wacher, als es drauf ankam.
Nachdem die Partie gerade eher etwas dahinplätscherte, schlief Essen im Kollektiv. Auslöser des 0:1 ein simpler und kurz ausgeführter Einwurf. Energisch hatte zuvor Götze gegen Rösch geklärt, doch der durfte dann den Einwurf zum völlig freigelassenen Strompf buchsieren, der sekundenlang ungedeckt war. Viel zu spät orientierte sich Vonic zum Flankengeber, der absolut keinen Druck bekam. Im Zentrum flipperte die Kugel, bis sie Chessa vor die Füße fiel, der durfte sich mit dem Rücken zum Tor drehen und ungehindert einnetzen. So darf man in Liga 3 nicht verteidigen. Sofort schalteten die Gäste in den Clever-Modus, machten RWE alle Räume zu und nutzten jede Spielunterbrechung, um noch mehr Zeit von der Uhr zu nehmen. Bei Freistoßentscheidungen pro RWE stand immer sofort ein Ulmer vor dem Ball und unterband die schnelle Ausführung. Das war nicht schön, aber abgeklärt im Stile einer Spitzenmannschaft.
Dagegen fand Rot-Weiss keine Mittel mehr, auch die Systemumstellung auf Doppelspitze verpuffte im Land ohne Räume. Das 0:2 nach 82 Minuten beleuchtete die herrschenden Kräfteverhältnisse. Romario Rösch hatte einen wieder einmal ungenauen Essener Pass abgefangen und strebte raumgreifend der rot-weissen Box entgegen und in diese hinein, erst dann wurde er behindert. Und das leider von Andreas Wiegel zu ungestüm, der Rösch blocken wollte und über den Rasen rutschte, dabei traf er auch den Gegenspieler. Eine Attacke, die unnötig war und wenn dann vor dem Strafraum kommen sollte. Felix Higl schoss den fälligen Strafstoß genau in die Tormitte, wo der Ball durch einen Platzfehler auch noch aufsprang, Jakob Golz tauchte in ein Eck. Damit war die Messe gelesen. Für RWE kam auch die Erkenntnis, dass man Spieler wie Vinko Sapina und Lucas Brumme eben nicht ohne Qualitätseinbußen ersetzen kann.
Die Aufreger
Schiedsrichter Frank Willenborg und sein Gespann lagen bei der Abseitsentscheidung gegen Dennis Chessa nach 16 Minuten falsch, Essens Abwehr war erst nach dem „Vorlagenschuss“ herausgerückt, zum Glück für RWE nahm der Linienrichter das nicht wahr. Während die Elfmeterentscheidung pro Ulm korrekt war, verweigerte Willenborg umgekehrt RWE einen möglichen Strafstoß, als Felix Götze nach einer Essener Ecke in der Luft stehend von seinem Gegenspieler mit beiden Händen bearbeitet worden war. Die alte Diskussion um das „zu wenig“ bei Abwehraktionen in der Box. Ein Grenzfall. Etwas unglücklich agierte Willenborg, als er den Ulmern beim Zeitspiel in der Extra-Time noch half. Zwar zeigte er Tom Gaal, der sich aufreizend viel Zeit gelassen bis er einen Freistoß ausgeführt hatte, den gelben Karton. Zur „Belohnung“ durfte Gaal dann den Freistoß, der zuvor schon bei den Essenern gelandet war, wiederholen.
Fazit und über den Tellerrand geschaut: Die Lage in der Dritten Liga
Für RWE ist der Griff nach den Sternen ein gutes Stück weiter geworden. Nach der Niederlage gegen die Ulmer, die ihrerseits die direkten Aufstiegsplätze unter Druck setzen, beträgt der Abstand auf den Relegationsrang 3 nun 5 Punkte. Die Mentalität, keine halben Sachen zu machen, das letzte Remis datiert vom 6. Spieltag (0:0 gegen Regensburg am 06. September!!!), erbrachte viele Siege, aber nun bereits die 10. Saisonniederlage. Statt auf Platz 3 steht man nun auf Platz 6.
Dabei begann der Freitagabend mit einem guten Resultat. Ausgerechnet bei Aufstiegsanwärter Ingolstadt beendete das Schlusslicht Freiburg 2 eine Sieglosserie von 15 Partien und drehte dabei die Dramaturgie der Niederlage an der Hafenstraße. Kurz vor Ende der regulären Spielzeit stand es noch 2:1 für die nach einem Platzverweis in Unterzahl agierenden Gastgeber, dann folgte ein Freiburger Doppelschlag zum 3:2 Erfolg. Ingolstadt liegt nun satte 8 Zähler hinter Ulm zurück. Ein Hammerspiel erlebten die wie immer nicht allzu zahlreichen Zuschauer in Sandhausen. Noch-Tabellenführer Jahn Regensburg lag nach 11 Spielminuten mit 3:0 in Front und unterlag am Ende mit 3:6. ein fast schon historisches Spiel, das dem Jahn nicht nur Platz 1 kosten, sondern nach dem 1:3 gegen unsere Mannschaft auch das vorläufige Ende der wochenlangen Souveränität markieren könnte.
Gerne sagt man es nicht, aber die Mannschaft der Stunde ist Preußen Münster, das beim 3:0-Erfolg in Lübeck das dortige Marzipan mit immer mehr Abstiegsbitterstoffen würzte. Mit der Spielvereinigung Unterhaching setzte ein weiterer Neuling ein Ausrufezeichen. Nicht nur, weil man 2:1 in Krisenfeld siegte, sondern mit dem erst vor wenigen Tagen 16 Jahre alt gewordenen Gibson Nana Adu den jüngsten Drittligaspieler aller Zeiten einwechselte. Der Jungspund machte kaum auf dem Platz die Arminen-Deckung trickreich lächerlich und holte sogleich einen Foulelfmeter heraus, den Haching aber vergab. Jetzt ist jedoch auch in Ostwestfalen die Ruhe vorbei. Schallende „Kniat-Raus“-Rufe kamen auf in der Schüco-Arena. Kniat formt aus Arminia Bielefeld immer mehr ein Regionalliegefeld.
Generell ist in Ostwestfalen Schluss mit lustig. Der SC Verl wird nach dem Verlust seiner beiden Schlüsselspieler Mael Corbuz und Oliver Batista Meier nun offenbar durchgereicht. Beim BVB 2 setzte es eine herbe 2:5-Niederlage. Schließlich gelang dem MSV Duisburg gegen eine durch Verletzungen arg dezimierte Viktoria aus Köln ein eminent wichtiger 1:0 Sieg. Zumindest vorübergehend sind es für die Zebras nur noch 2 Punkte bis zum rettenden Ufer.
Wie gut der Spieltag aus Duisburger Sicht wirklich gewesen sein wird, zeigt sich in den heutigen Partien der Konkurrenten Waldhof Mannheim gegen Saarbrücken und des Halleschen FC bei 1860 München. Dynamo Dresden könnte mit einem Sieg bei Erzgebirge Aue den vor längerer Zeit an Regensburg verlorenen Platz an der Tabellen-Sonne zurückerobern.
Apropos Dresden. Am kommenden Wochenende setzt sich der RWE-Express in Richtung Elbflorenz in Gang. Für 720 der noch deutlich zahlreicheren Auswärtsfahrer im wahrsten Sinne des Wortes mit einem von der FFA auf die Gleise gestellten Sonderzug. Der RWE-Anhang bleibt positiv. Trotz der in Teilen ernüchternden Schlappe gegen Ulm skandierten die Tribünen „Auswärtssieg“ in Richtung der Mannschaft. Warum auch nicht?
NUR DER RWE!
Sven Meyering