Spielbericht
Lebenszeichen aus dem Tabellenkeller – RWE schlägt Spitzenreiter Cottbus mit 4:0
Nach der katastrophalen Punkte- und Torausbeute aus der Englischen Woche wollte die Mannschaft von der Hafenstraße unbedingt Wiedergutmachung leisten. Diese gelang gegen den Tabellenführer aus Cottbus fulminant. Dabei zeigte sich das Team von Trainer Dabrowski in nahezu allen Bereichen deutlich verbessert.
Von einem Befreiungsschlag kann dennoch nicht gesprochen werden, da sich die rot-weisse Truppe durch die Ergebnisse der letzten Wochen in die gefährlichen Tabellenregionen selbst hineinmanövriert hat. Trotzdem ist der Auftritt gegen Energie Cottbus ein abermaliger Fingerzeig, wozu die Truppe und auch das Trainerteam durch eine taktische Meisterleistung in der Lage sein kann. Eine Wiederholung dieses Erfolges wäre nicht nur wünschenswert, sondern unbedingt erforderlich, um sich aus der prekären Lage wieder zu befreien.
Das Personal
Mit der Rückkehr von Lucas Brumme und Tobias Kraulich stellte Dabrowski wie im Auswärtsspiel in Dresden auf eine Fünferkette um. Neben den Innenverteidigern Kraulich, Schultz und Rios Alonso gesellte sich Eric Voufack auf seiner angestammten Position im rechten Außenfeld, Brumme durfte nach drei Spielen Pause wieder seine linke Seite beackern.
Kaisers Fehlen bedingt durch seine schwere Verletzung in Rostock kam wenig überraschend, die Herausnahme von Kaparos als einzig „echtem“ Sechser dagegen verwundert schon etwas. In der Zentrale vertraute Dabrowski nur auf Torben Müsel und Ahmet Arslan, wobei Arslan offensiver als Müsel agieren durfte. Auf der linken offensiven Außenbahn verdrängte Kelsey Owusu den glücklosen Joseph Boyamba, Ramien Safi erhielt auf der rechten offensiven Seite eine weitere Bewährungschance. In der Spitze vertrat Leo Vonic den angeschlagenen Manuel Wintzheimer und hoffte dabei sehr, seinen Starteinsatz zu rechtfertigen.
In der 69. Minute nahm Dabrowski einen Doppelwechsel vor. Voufack durfte den Platz für Robbie D`Haese verlassen, zudem ersetze Jimmy Kaparos den unermüdlichen Owusu. Acht Minuten später war Schluss für Leo Vonic, der positionsgetreu durch Manuel Wintzheimer getauscht wurde. Zeitgleich war auch die Partie für Ramien Safie beendet, Joseph Boyamba kam für die letzten dreizehn Minuten im Spiel. Eine Minute vor Ablauf der regulären Spielzeit wurde auch in der Zentrale gewechselt, Thomas Eisfeld bekam durch die Herausnahme von Torben Müsel einen weiteren Kurzeinsatz.
Die Pluspunkte
Eine selbstbewusste Mannschaft aus der Lausitz setzt eine verunsicherte Truppe aus Essen, die sich erst in der Defensive finden muss, mit permanenten Ballbesitz unter Druck und nimmt dann die Heimmannschaft spielerisch auseinander. Sie glauben, diese Geschichte sei frei erfunden? Damit haben sie recht, aber hier hat nicht Jonathan Frakes versucht, sie hinter das Licht zu führen, sondern Trainer Christoph Dabrowski. Wichtig ist nur, dass die Gäste aus Cottbus diese Erzählung für bare Münze genommen haben. Die Mannschaft von Pele Wollitz strotzte tatsächlich vor Selbstbewusstsein, verfiel aber gerade in der Rückwärtsbewegung in trügerischer Sorglosigkeit. So gelang es Ahmet Arslan nach zehn Minuten mit einem gechipten Pass auf Safi die Viererkette von Energie auszuhebeln, Safi setzte dann auf der linken Strafraumseite zum Solo an und ließ insgesamt drei Verteidiger aussteigen. Sein Knaller unter die Latte war der erste Torschuss, den Essen auf das gegnerische Gehäuse abgab und stellte damit das Spiel schon früh auf den Kopf. Vierzehn Minuten später fing die Essener Defensive ein Pass in die Spitze ab und schaltete anschließend rechts über Safi schnell um. Dieser nahm Eric Voufack mit, der mit einer flachen, aber präzisen Hereingabe auf der gegenüberliegenden Seite Leo Vonic fand. Auch er ließ einen Verteidiger aussteigen und schloß den überfallartigen Konter in die kurze Ecke ab – 2:0. Wer jetzt behauptete, gemäß der Anteile der Essener am Spiel wäre die Führung unverdient gewesen, übersah die sehr gute Defensivleistung der Bergeborbecker. Die Cottbuser fanden gegen das enge Netz der Essener keine Mittel. Zudem lief RWE immer geschickt an und provozierte somit leichte Ballgewinne gegen die überraschten Gäste. Wurde es doch einmal gefährlicher, warf sich die Defensive auch einmal in die Schüsse oder es tauchten Spieler im Rücken der Energiespieler auf, um mit dem nötigem Willen den entscheidenden Zweikampf doch noch zu gewinnen. Reichte dies auch nicht aus, wurde der Ball mal lang herausgeschlagenen statt ein riskantes Aufbauspiel zu wagen. Nach der ersten Halbzeit gab es zwei deutliche Signale, die verdeutlichen sollten, dass die Essener bislang alles richtig gemacht hatten. Pele Wollitz ließ seine Mannschaft sehr lange in der Kabine, wahrscheinlich drohte er mit einen Ausdauerlauf um die „Ostsee“. Dabei handelt es sich übrigens um den größten künstlichen Baggersee, der gerade in der Lausitz entsteht, nur um Verwechslungsgefahr zu vermeiden. Nach seiner Rückkehr offenbarte Wollitz das zweite Zeichen. Der ständige Vulkan an der Seitenlinie blieb in den ersten Minuten einfach mal in seinem Stuhl sitzen. Das Spiel hatte ihn anscheinend sprachlos gemacht. In der zweiten Halbzeit nahm RWE etwas Tempo beim Umschaltsspiel vom Gas, allerdings blieb die vorbildliche Einstellung in der Abwehrarbeit bestehen. So erarbeitete sich die rot-weisse Mannschaft das nötige Spielglück, als Ramien Safi einen Ball von Arslan nachhechtete, obwohl der Cottbuser Torwart Bethke das Spielgerät einfach nur wegschlagen musste. Bethke konnte aber den Ball nicht kontrollieren, Safi bedankte sich und schob den Ball nach einem kurzen Sprint hinter die Linie. Das Spiel war schon entschieden, allerdings hatte RWE noch nicht genug, Sekunden nach der Einwechslung leitete Thommy Eisfeld mit einem Pass einen weiteren Konter ein, Boyamba spielte im Strafraum kurz auf Eisfeld zurück und der Routinier lupfte den Ball mit all seiner Erfahrung über den bedauernswerten Gästekeeper Bethke. Vier geschossene Tore und keine Gegentreffer im Duell mit dem Spitzenreiter sprechen für eine nahezu tadellose Leistung, die durch die Umsetzung aller Tugenden möglich war, welche die Mannschaft in der Englischen Woche vermissen ließ – Einsatzbereitschaft, Effizienz und der unbedingte Wille, das Spiel gewinnen zu wollen. Wer ein symbolisches Bild für den unbändigen Einsatz haben möchte, hat sich hoffentlich den am Ende mit Turban spielenden Kraulich genauer angesehen.
Die Minuspunkte
Kann es überhaupt etwas zu meckern geben, obwohl das Team auch in der Höhe überraschend 4:0 gegen den Spitzenreiter gewonnen hat? Es sind sehr wenige Punkte, aber es lohnt sich hier, genauer hinzuschauen. Zunächst einmal muss über die 40. Minute geredet werden. Ein weitere Balleroberung durch Müsel landete über Owusu bei Vonic, der völlig frei Bethke anschoss. Der Cottbuser Torwart war schon auf dem Weg nach unten, Vonic hatte hier viel einfacheres Spiel als bei seinem 2:0 zuvor. Hier muss er seine Chancen nutzen, um weiterhin auf Einsätze in der Startelf zu hoffen. Außerdem weiß auch jeder in der Lausitz, dass das Wildschwein erst erlegt ist, wenn es nicht mehr zuckt. Somit wäre das 3:0 die Vorentscheidung gewesen. Kurz vor den ersten Auswechslungen zeigten die Essener die typischen Ermüdungserscheinungen nach der sehr kraftraubenden Defensivarbeit. So kam Möker nach einer Hereingabe von Copado in der 56. Minute zentral vor dem Tor zum Abschluss, sein Schuss strich nur knapp über das Tor. Auch in zwei weiteren Situationen wäre mehr für Cottbus drin gewesen. Fällt in einer dieser Situationen das 2:1, wäre Energie hier möglicherweise durch das gesteigerte Selbstvertrauen noch einmal zurückgekommen. Unter dem Strich wurde ein Aufsteiger besiegt, der auf gewisse Situationen aufgrund fehlender Erfahrung nicht reagieren konnte. Mit einer solch defensiven Taktik, die auf überfallartige Angriffe ausgelegt ist, kann die Mannschaft von Christoph Dabrwoski bestimmt nicht dauerhaft die Heimspiele bestreiten, vor allem nicht gegen so destruktive Truppen wie z. B. die Alemannia aus Aachen. Aber zu diesem Zeitpunkt waren die gewählten Mittel genau richtig.
Der Aufreger des Tages
In der Rückschau betrachtet sind die Auftritte in der Englischen Woche trotz der großen Freude über den Sieg gegen Cottbus noch unergründlicher. Allein mit der Einstellung aus dieser Partie wären mindestens vier Punkte aus den drei vergangenen Spielen drin gewesen. Warum kann Arslan plötzlich sauber grätschen und kommt ohne gelbe Karte aus dem Spiel? Seit wann kann Voufack so traumhaft Flanken und sich defensiv innerhalb weniger Tage so steigern? Wieso trifft Vonic nach längerer Frustzeit auf der Bank nach wenigen Minuten und stellt sich auch noch völlig in den Dienst der Mannschaft? Wieso entpuppt sich Schultz endlich als der Abräumer, der auch von den Verantwortlichen verpflichtet wurde?
Bestimmt lässt sich bei fast jedem Spieler im Kader eine positive Veränderung zu den letzten Auftritten finden. Allerdings ist die Mannschaft in eine Situation geraten, in dem ein positiver Auftritt nicht ausreicht, um wieder herauszukommen. Hoffentlich müssen nicht noch weitere Krisengespräche folgen, um solche Leistungen abzurufen, denn davon gab es leider in dieser Saison schon genug.
Ein „positiver“ Aufreger war der Auftritt der Cottbuser Fans, die ihre Mannschaft trotz der Niederlage nach Abpfiff feierten. Sicherlich ist die Gesamtbilanz des Aufsteigers zu diesem Zeitpunkt weit über den Erwartungen, auch nach den Ergebnissen am Sonntag wird Energie mindestens den zweiten Platz belegen. Nach den Erfahrungen in der letzten Woche mit dem unsäglichen Verein von der Ostseeküste, der fernab seiner Ansprüche spielt, ist es völlig in Ordnung, wenn die Fans aus Cottbus ihre Mannschaft für die bisherigen Leistungen friedlich und frenetisch unterstützt.
Ebenfalls lobend erwähnt werden, sollte Schiedsrichter Konrad Oldhafer. Er blieb im Hintergrund und sorgte aufgrund seiner guten Spielleitung, in der er eine lange Leine ließ, dafür, dass beide Mannschaften nur je eine gelbe Karte erhielten. Dies war der Gegenentwurf zum Schiedsrichter des letzten Heimspiels.
Die Lage in der Liga und Fazit
Rhein vs. Neckar
Im Freitagsspiel konnte die Viktoria nach einer Durststrecke von vier Spielen die Zweitvertretung aus Stuttgart mit 2:0 besiegen. Für die Kölner trafen jeweils am Ende der Halbzeiten Lofolomo und El Mala. Damit dringen die Rheinländer wieder in das obere Mittelfeld, während die hochgehandelten Jungspunde vom Neckar schon seit sechs Spieltagen auf einen Dreier warten.
Zwickauer Mulde vs. Saar
Aue und Saarbrücken trennen sich 1:1, für die Erzgebirgler traf Bär, für die Saarländer Brünker. Aue verbleibt im oberen Mittelfeld, mit zwei Punkten mehr hat die Mannschaft von der Saar bereits Anschluss an die Spitzenränge.
Donau vs. Elbe
Auch an der Donau werden die Punkte geteilt, Besuschkow markierte den Treffer für Ingolstadt, Oehmichen glich für Dresden aus. Ingolstadt verharrt im Mittelfeld, während Dynamo nach dem Spieltag weiter in den Top Vier bleiben wird.
Flussloses Dorf vs. Isar
Nicht nur in Essen gab es eine dicke Überraschung. Der Aufstiegsfavorit aus Sandhausen ging zu Hause mit 0:3 gegen die Löwen unter. Wahrscheinlich waren die Kicker von der Isar durch das frische Geld des allseits beliebten Hasan Ismaik dreifach motiviert, Reinthaler, Kozuki und Philipp trafen für die Giesinger. Sandhausen bleibt dennoch oben dran, während den Sechzigern der Anschluss an das Mittelfeld gelingt.
Die Schande von der Ostsee vs. Hase
Der Stachel der Ereignisse vom letzten Wochenende sitzt noch tief. Leider gewinnen die Nordostdeutschen auch ihr nächstes Heimspiel, diesmal gegen den VfL Osnabrück. Die beiden Treffer für die Hausherren erzielten Haugen und Naderi. Während der neue „Lieblingsgegner“ der Essener sich langsam aus der Abstiegszone kämpft, bleibt die Situation in Osnabrück mit der Manifestierung der roten Laterne weiter hochdramatisch.
Elisenbrunnen vs. Leine
Im Duell der Aufsteiger heißt es am Ende 0:0. Damit bleibt Aachen im Mittelfeld, während der Nachwuchs aus Hannover weiter im Tabellenkeller festhängt.
Am Sonntag möchte Unterhaching sich aus dem besagten Keller herausarbeiten, während Mannheim unbedingt weiter Abstand zu den unteren Rängen wahren möchte. Nach dem Erfolg im Pokal gegen Union Berlin kann Arminia Bielefeld in Wiesbaden sogar Tabellenführer werden, allerdings möchte der Gastgeber genau dasselbe Ziel erreichen. Den Abschluss des dreizehnten Spieltages bestreiten die Tabellennachbarn aus Dortmund und Verl. Beide werden alles daransetzen, einen kleinen Abstand zu den Abstiegsplätzen herzustellen.
Das Umfeld an der Hafenstraße darf aufatmen. Es steckt noch Leben in der Truppe, dies konnte nach den Auftritten gegen Verl und in Rostock durchaus bezweifelt werden. Es folgt eine knifflige Aufgabe im Erzgebirge. Beide Auswärtsauftritte in der Dritten Liga wurden mit 2:1 verloren, zudem darf die Essener Mannschaft bei der Anstoßzeit von 16:30 am Sonntagnachmittag auf kaum Unterstützung der eigenen Anhängerschaft hoffen. Allerdings sollte mit dem Schwung aus dem Cottbusspiel gegen zuletzt nicht überzeugende Erzgebirgler etwas drin sein. Jeder Punkt in dieser verrückten Liga kann am Ende wichtig sein, was einmal mehr dieser Spieltag bewiesen hat. Die Mannschaft hat den klaren Auftrag, alles daran zu setzen, um drei Punkte aus dem Schacht zu entführen!
In diesem Sinne: NUR DER RWE!
Pascal Druschke