Verlieren in Verl verboten! RWE bei Spieltagseröffnung in Ostwestfalen unter Druck
Fußball-Drittligist Rot-Weiss Essen hat nach den letzten beiden Spieltagen an Vorsprung auf die Abstiegszone eingebüßt und liegt nur noch 3 Zähler vor Platz 17. Grund genug, am Freitagabend bei der Eröffnung des 30. Spieltags ein gutes Ergebnis erzielen zu müssen. Aber es geht ausgerechnet zum SC Verl, einer Art Angstgegner der Rot-Weissen.
Das Personal und die taktischen Optionen
Uwe Koschinat kann auf einen breiten Kader zurückgreifen. Es fehlen lediglich die bekannten Langzeitverletzten Ekin Celebi und Nils Kaiser zu denen sich leider auch wieder Thomas Eisfeld gesellt. Manuel Wintzheimer stand nach langer Reha bereits am letzten Wochenende beim Halbfinalerfolg im NR-Pokal in Oberhausen erstmals wieder im Kader. Tobi Kraulich kehrt nach seiner GR-Sperre zurück und ist ein klarer Startelfkandidat. Ein Fragezeichen stand hinter Tom Moustier, doch seine Trainingsverletzung ist so weit abgeklungen, dass der Franzose wieder auf dem Feld stehen kann. Ein Ausfall des in den letzten Wochen sehr starken Moustier wäre für RWE eine schlechte Sache.
Insgesamt wird sich wohl an Essens erster Elf beim SC Verl aber voraussichtlich wenig ändern. Jakob Golz und die Dreierkette vor ihm, neben Kraulich noch Schultz und Ene Rios Alonso sind gesetzt, Julian Eitschberger und Lucas Brumme werden die Schienenspieler bilden. Eitschberger wird sich ungern an das Hinspiel erinnern, als er nach einem taktischen Foul an Berkan Taz zunächst folgerichtig Gelb sah, der Schiedsrichter dann aber auf Rot aufstockte, da er ein besonderes schweres Foul mit offener Sohle ausgemacht hatte. Als Doppelsechs werden Klaus Gjasula und Tom Moustier besonders gefordert sein, denn die Verler zählen zu den ballsichersten Teams der Liga.
Derzeit in sehr guter Form und gesetzt ist Ahmet Arslan. Das gilt wohl auch für Dominik Martinovic. Sein Wert für die Mannschaft als technisch versierter Dauerläufer und Assistgeber ist unbestritten. Doch natürlich fragen sich alle bei RWE, wann der in den Vorjahren bei anderen Klubs treffsichere Angreifer endlich für Essen netzt. Als vorderste Sturmspitze erscheint er aber im aktuellen Kader beinahe als alternativlos. Ein Luxusproblem ist die Besetzung des zweiten neben Arslan sehr offensiv ausgerichteten Akteurs, der immer wieder in die vorderste Spitze vorstoßen soll. Hier stehen Ramien Safi, Kaito Mizuta und Torben Müsel zur Verfügung. Safi und Mizuta sind die Tempospieler, Müsel, laut Koschinat in bestem Fitness- Zustand klarer Stammspieler, ist die Denker-und-Lenker-Variante. Müsel könnte aber auch defensiver für Moustier auflaufen.
Gegen die Verler wird es extrem wichtig sein, sehr gut gegen den Ball zu arbeiten. Von daher kommt es drauf an, wem Koschinat das am besten zutraut. Im Vorjahr gestaltete RWE, damals noch unter Christoph Dabrowski, das Match aus einer kompakten Devise heraus und setzte auf Umschaltmomente. Letztlich reichte es damals aber nicht zum Sieg, weil Verl gleich zwei unberechtigte Elfmeter geschenkt bekam. Der erste Strafstoß egalisierte die RWE-Führung durch Moussa Doumbouya, der zweite wurde eine Beute von Jakob Golz. So hieß es am Ende 1:1. Angesichts der Tabellensituation sollte es auch diesmal mindestens ein Punkt sein, den Essen in Ostwestfalen erringt.
Der Gegner: Sportclub Verl (Platz 8/ 43 Punkte/ 11 Siege, 10 Remis, 8 Niederlagen/ 42:41 Tore, Differenz +1)
RWE reist nicht gerade zum Lieblingsgegner. Der Sportclub aus Verl ist auch in diesem Jahr wieder sehr gut in der Spur und hat 9 Punkte Vorsprung auf Platz 17. Abstiegssorgen haben die Ostwestfalen damit nur noch theoretisch. Bei 7 Punkten Differenz auf den Relegationsrang 3 möchte man viel eher mit einem Sieg über Essen möchten die Gastgeber viel eher Druck auf die Spitzengruppe ausüben. Für RWE ist das Stadion an der Poststraße seit mehr als einem Jahrzehnt eine uneinnehmbare Festung. Am 05.10.2013 sorgte Fußball-Gott Marcel Platzeck für den letzten rot-weissen Dreier in Verl.
Und generell gewann RWE nur ein einziges der letzten 13 Partien (sic!) gegen die Ostwestfalen. Was macht die Verler für Essen so schwer bespielbar? Eine Erklärung ist, dass die Verler eine sehr klare DNA des Ballbesitz- und Kombinationsfußballs entwickelt haben, die tatsächlich unabhängig vom jeweiligen Chefcoach erscheint. Kaum eine Truppe lässt die Kugel so gern und häufig kurz zirkulieren und versteht es, die Gegner zu frustrieren. So auch RWE im Hinspiel.
Da hieß es am Ende aus RWE-Sicht 1:3. Natürlich spielte Essens früher Platzverweis den Verlern in die Karten, doch auch bei 11 gegen 11 wirkten die Gäste spielerisch reifer. Zudem verfügt man über sehr kreative Standards. Was Ahmet Arslan für Essen ist, ist Berkan Taz für den Sportclub. Der extrem technisch versierte offensive Mittelfeldspieler hat mit 17 Scorerpunkten sogar 2 Punkte mehr als Ahmo auf dem Konto. Die meisten Tore (6) für Verl hat der polnische Stürmer Dominik Steczyk erzielt, der klassische Neuner Lars Lokotsch hat mit 3 Toren diese Saison etwas Abschlussschwierigkeiten. Obwohl Verl mit den Mittelfeldakteuren Tom Baack, Marcel Bengert, Yari Otto und Timur Gayret neben Berkan Taz sehr gute Einzelspieler hat, funktioniert das Team wie viele Jahre zuvor über das Kollektiv.
So ist es seit längerer Zeit auffällig, dass die Verler immer wieder Leistungsträger an besser zahlende Klubs verlieren, diese aber scheinbar mühelos durch Spieler auffangen, die bis dato noch keinen nennenswerten Namen hatten. Hauptsache, sie passen in das konstant gespielte System. Die himmlische Ruhe in der ländlichen Stadt Verl ist ein gutes Pflaster um Spieler weiterzuentwickeln. Verl zählt übrigens zu den reichsten Kommunen Deutschlands, was man der Stadt offen gestanden auch nicht auf den zweiten Blick ansieht. Auch der langjährige Hauptsponsor Elektro Beckhoff zahlt nicht mit Knöpfen.
So braut der kleine Klub seit Jahren eine Art Zaubertrank aus all diesen Zutaten und befindet sich sportlich auf Augenhöhe mit vielen weitaus größeren Klubs. Bei so viel Lob für das Team von Alexander Ende fragt man sich, ob es auch Schwächen gibt. Eine rhetorische Frage. Das verschnörkelte Spiel, das auch konsequent von hinten heraus betrieben wird, führt auch zu Risiken und Anfälligkeiten. Von den 7 in der Tabelle vor Verl platzierten Teams hat nur eine Mannschaft mehr Gegentreffer kassiert. Schafft es ein Gegner mal, die Verler im Mittelfeld zu stellen und mit Robustheit zu bekämpfen, so kann man ihnen zu schaffen machen. Das gelang RWE im Hinspiel in Hälfte 2 sogar in Unterzahl, als die Mannschaft phasenweise das Heft in die Hand nahm. Schafft man Unruhe in der Verler Box – wir denken an Essens weite Einwürfe – so sieht man die Deckung des Sportclubs auch mal im Mannschaftsausflug zum Schwimmen. Robust und kompromisslos zeigten sich zuletzt die Ingolstädter und siegten ungefährdet 4:1 in Verl.
Was es für RWE aber schwerer macht als für einen langweiligen Retortenklub wie das Audi-Konstrukt ist die Geilheit der Gastgeber, große zuschauerträchtige Klubs zu ärgern. Auch aus diesem Grund spielen die Verler gegen RWE fast immer auf einem sehr guten Leistungslevel. Dass die Ränge in der Sportclubarena für die Verler gegen namhafte Klubs fast einen Auswärtscharakter bekommen, motiviert die Mannschaft mehr, als dass es sie verunsichert. Zuletzt spürte dass der Großstadtklub aus Bielefeld und erlitt auf dem „Land“ eine sehr bittere 1:2-Niederlage.
Fazit und über den Tellerrand geschaut: Die Lage in der Dritten Liga
Für RWE geht es in Verl darum, die extrem schlechte Bilanz der letzten Jahre gegen diesen Gegner unbedingt aufzupolieren. Angesichts der Tabellensituation erscheint zumindest Verlieren in Verl verboten. Aber das beste Team der Rückrunde Rot-Weiss Essen erscheint gewappnet, die schwere Aufgabe zu meistern.
Gelänge das könnte Essen an einem Spieltag, der gleich vier direkte Duelle der Abstiegskonkurrenz bietet, einen größeren Schritt auf das rettende Ufer machen. Am Samstag duellieren sich an der Bremer Brücke der VFL Osnabrück (Platz 16/ 35 Punkte) und 1860 München (11/39). Waldhof Mannheim (14/36) empfängt Borussia Dortmund 2 (15/35). Brisanz pur.
Die SpVgg Unterhaching (20/19) ist nur noch theoretisch vor dem Abstieg zu retten. Die Münchener Vorstädter, seit ihren Verhandlungen mit dem früheren Meistertrainer Felix Magath für ihre gesunde Selbsteinschätzung bekannt, haben sich nun von Magath-Ersatz Heiko Herrlich getrennt. Herrlich hatte sich zeitgleich mit dem Mannschaftskapitän, dem sportlichen Leiter und dem Sohn des Präsidenten angelegt. Das sind wohl mindestens zwei Gegner zu viel, kurios ist nur dass diese sich in der Hachinger Dreifaltigkeit in Markus Schwabel vereinen. Gegner Alemannia Aachen (12/37) will da keine religiösen Gefühle zulassen und 3 Punkte mitnehmen. Das vierte Direktduell beschließt am Sonntag den Spieltag. Der VFB Stuttgart 2 (17/34) empfängt den SV Sandhausen (18/32) der von Coach Kenan Kocak zur formschlechtesten Truppe der Rückrunde geformt worden ist.
Die restlichen Partien haben für RWE mal ein wenig und mal gar keine Relevanz. Nach den letzten Wochen muss auch Erzgebirge Aue (10/40) mit etwas bangem Blick nach unten schauen. Für die Sachsen geht es zum Ostderby in die Lausitz wo Energie Cottbus (2/52) noch immer gute Aufstiegschancen hat. Tabellenführer Dynamo Dresden empfängt Wehen Wiesbaden (9/41). Eine Niederlage könnte auch die Hessen noch in die bedrohte Zone bringen.
Arminia Bielefeld (4/49) bläst zum Angriff auf die Aufstiegsplätze. Gegner Hannover 96 2 (19/26) benötigt im Grunde eine Sensation auf der Alm, um das letzte Fünkchen Hoffnung auf den Klassenerhalt zu bewahren. Zwei Duelle, bei denen es Richtung Aufstieg geht, komplettieren den Spieltag. Hansa Rostock (7/44) kann an den 1. FC Saarbrücken (3/50) heranrücken. Das Verfolgerduell der Runde lautet FC Ingolstadt (5/45) gegen Viktoria Köln (6/44). Es geht also wieder mal richtig rund in der Liga. RWE, das sich einmal mehr der großen Unterstützung seiner Away-Fans sicher sein kann, wäre daher gut beraten, den Freitagabend erfolgreich zu gestalten.
NUR DER RWE!
Sven Meyering