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2024/2025 – 3. Liga

SV W. Wiesbaden – Rot-Weiss Essen (1:3)

Das war ein Ausrufezeichen! Nach dem Traumtor vom am Kopf bandagierten Ahmet Arslan trafen noch Tobias Kraulich und Julian Eitschberger zum 3:1 Endstand in Wiesbaden. Die Spielanalyse zum Erfolg beim SVWW ist online.

Spielbericht

Spiel gedreht und die Verbindung zum Mittelfeld wieder hergestellt

Beim ersten Blick auf die Tabelle sieht es beinahe so aus, als sei der Sieg in Wiesbaden wenig wert gewesen, doch dieser Blick täuscht. Nach Erfolgen von Mannheim und Osnabrück wäre Rot-Weiss bei einem Punktverlust wieder richtig dick im Abstiegsgeschäft gewesen. Außerdem konnten Essen, Osnabrück und Mannheim dafür sorgen, dass sie die halbe Liga in den Abstiegskampf hineinziehen, denn der Abstand zu Borussia Dortmund II auf Platz 10 beträgt nur noch 5 Punkte.

Wiesbaden selbst lässt den Fußballenthusiasten ein wenig traurig zurück. In das Projekt SVWW wird enorm viel Geld gesteckt. Dementsprechend treten in Wiesbaden immer qualitativ starke Teams an und immer wieder findet sich der Verein in der 2. Bundesliga, einem Sehnsuchtsort für viele Zuschauer. Die Akzeptanz der Bevölkerung ist dagegen gar nicht vorhanden. Aufgrund der frühen Ankunft hörte man in einem Lokal, nur wenige hundert Meter vom Stadion entfernt, die Frage vom Wirt: „Fahrt ihr nach Mainz? Hier ist doch gar kein Fußball.“ Im Bus zum Stadion, in dem ein Teil des RWE-Trosses ausstieg, sagte eine lokale Mitfahrerin: „Huch, ich wusste gar nicht, dass hier ein Stadion steht.“ Das ist die Fußballwelt von Wiesbaden. Umso schöner, dass es hier ausnahmsweise einen Erfolg für Rot-Weiss Essen zu feiern gab.

Die Aufstellung

Die Trainingskiebitze berichteten, dass Uwe Koschinat unter der Woche andere Systeme als die 3er bzw. 5er-Kette trainiert habe und unter den Anhängern entbrannte die Diskussion, welche der Innenverteidiger nun auflaufen sollten. Die Antwort hieß erneut, dass alle drei spielten, denn Koschinat vertraute derselben Aufstellung wie im Spiel gegen Unterhaching.

Ab der 70. Minute wechselte Koschinat erstmals und brachte Eric Voufack und Kaito Mizuta, wenige Minuten später kamen Jimmy Kaparos und Matti Wagner auf den Platz. Kurz vor Schluss erhielt auch Gianluca Swajkowski noch Einsatzminuten und durfte den Siegschrei auf dem Platz miterleben.

Die Einwechselspieler passten sich sehr gut in die wirklich starke Mannschaftsleistung ein. Nichtsdestotrotz soll an dieser Stelle einmal Jimmy Kaparos herausgehoben werden, denn Kaparos musste nach einigen glücklosen Auftritten viel und harte Kritik einstecken. Gestern zeigte er sich nicht etwa geknickt oder gehemmt, sondern kam gallig ins Spiel und sorgte immer wieder für Ballgewinne weit vor dem Essener Strafraum, wodurch er immer wieder die Abwehrreihe entlastete und für Zeitgewinne sorgte. Dass er sich so stark präsentierte, freut einfach für diesen jungen Fußballer, der es bislang nicht leicht an der Hafenstraße hatte.

Die Pluspunkte

Ganz oben ist hier die mannschaftliche Geschlossenheit zu erwähnen. Gerade in der Hinrunde wirkte es häufig nicht so, als dass die elf Akteure eine Einheit sind, die gemeinsam alles für den Erfolg einbringen. Mehrere Aussprachen schon zu Beginn der Saison sprechen auch Bände, dass dieser Eindruck nicht nur gefühlt so war. So ist es wahrscheinlich das größte Verdienst Uwe Koschinats, dass er es in der Winterpause geschafft hat, dass diese Mannschaft zusammenhält und durch diesen Zusammenhalt die zweifellos vorhandene Qualität vieler Einzelspieler endlich zur Geltung kommt.

Besonders gefreut hat die Reaktion der Spieler, die gegen Unterhaching stark in der Kritik standen. Kapitän Michael Schultz hatte insbesondere in der ersten Halbzeit des letzten Heimspiels einen Auftritt zum Vergessen, immer wieder ließ er sich locker überlaufen und wirkte auch im Spielaufbau unsicher. Ganz anders war sein Auftritt in Wiesbaden. Er war an jedem Ball, gewann gefühlt 100% seiner Kopfballduelle und führte seine Mitspieler emotional. Das war eines Kapitäns würdig.

Klaus Gjasula wirkte unauffällig, was für einen defensiven Mittelfeldspieler meist ein gutes Zeichen ist. Er war jedoch immer am ballführenden Spieler, sobald dieser in die Essener Hälfte eindrang und zeigte eine Ruhe, die man von ihm erwartet.

Der Auftritt wurde jedoch von dem wohl stärksten Spiel Ahmet Arslans im RWE-Trikot überstrahlt. Hatte man zu Beginn des Spiels noch Furcht, dass Arslan aufgrund des Zusammenstoßes mit Teamkamerad Eitschberger das Feld verlassen muss, drehte der Mittelfeldspieler in der zweiten Hälfte auf.

Vorangestellt sei die perfekte Flanke auf den Kopf von Tobias Kraulich, die die 2:1 Führung einleitete. Der Moment des Tages war da allerdings schon Geschichte. Kurz nach Wiederanpfiff in der zweiten Hälfte nahm er sich die Kugel, stahl sich zwischen die beiden Innenverteidiger von Wiesbaden und hämmerte den Ball aus 18 Metern direkt unter die Latte. Keine Chance für Torwart Florian Stritzel.

Dieses Tor haben sich viele sicher immer wieder angeschaut. Diese genialen Momente sind es, die man sich von der Verpflichtung Arslans versprochen hat und man kann nur hoffen, dass das Selbstbewusstsein nach solchen Treffern immer größter wird, sodass er diese Momente immer wieder zeigt.

Den Schlusspunkt setzte Julian Eitschberger, über dessen großartige Leistungen man gar nicht mehr redet, weil sie bei ihm Normalfall geworden sind. Der junge Rechtsverteidiger nahm sich ein Herz und zog an der Strafraumkante flach ins Eck zum 3:1 ab und markierte so den Endstand.

Die Knackpunkte

Die Abwehrleistung war grundsätzlich gut in Wiesbaden. Gerade in der zweiten Hälfte schaffte man es, die treffsichere Offensive sehr früh vom eigenen Kasten fernzuhalten. Jakob Golz hatte also einen eher ruhigen Samstag. Trainer Uwe Koschinat war auf den Gegentreffer angesprochen trotzdem erzürnt, da seine Verteidiger die Absprachen für Standards nicht umgesetzt hatten.

Nach einem Einwurf fehlte die Zuordnung, sodass der Ball durch den Strafraum trudelte und Tarik Gözüsirin völlig unbedrängt draufhalten konnte. Der Ball wurde noch abgefälscht und ging unhaltbar ins Tor. So manche Reaktion hat wohl etwas mit Persönlichkeit und fehlender guter Kinderstube zu tun, dennoch ist es eine Randnotiz, dass Torschütze Gözüsirin sich recht billig am Publikum abarbeitete, anstatt sich einfach über seinen Erfolg zu freuen. Ahmet Arslan zahlte es bei seinem Treffer mit gleicher Münze zurück, denn am Ende war es der Torschütze, der den Mund hielt.

Der Moment des Spiels

Schon früh rasselten Ahmet Arslan und Julian Eitschberger aneinander und blieben beide mit einem Cut am Kopf auf dem Feld liegen. Da zwei Spieler für ein Ärzteteam gleichzeitig nicht zu behandeln sind, reagierten die Docs von Wehen Wiesbaden sofort und versorgten Ahmet Arslan in kürzester Zeit. Bei aller Konkurrenz und allen Spielchen ist es tröstlich, dass man sich, wenn es drauf ankommt, aufeinander verlassen kann.

Fazit und die Lage der Liga

Für Rot-Weiss standen zwei Partien im Fokus. Waldhof Mannheim hatte Hansa Rostock zu Gast und schickte die Hansestädter mit einer 5:0-Reise wieder nach Hause. Für Mannheim, das sehr hart für seine letzten Auftritte kritisiert wurde, war das mal wieder ein Lebenszeichen, für Rostock hingegen ein Rückschlag im Aufstiegsrennen.

Auch Osnabrück traf fünfmal beim Gastspiel in Hannover. Während Osnabrück weiter wegzieht, ist Hannover mittlerweile einige Punkte vor dem rettenden Ufer entfernt und wird es ähnlich schwerhaben wie die SpVgg. Unterhaching, die wenig Chancen hat, wenn ihr nicht heute ein Überraschungserfolg gegen Saarbrücken gelingt. Auch auf das Abendspiel, wenn Dresden gegen 1860 München spielt, werden viele Essener Augen gucken, denn die Münchner Löwen sind ganz dick in der Verlosung, wenn die Dynamos wieder in die Spur kommen sollten.

RWE setzte nach Bielefeld in Wiesbaden ein zweites Ausrufezeichen, das deutlich macht, dass die Essener es nun wissen wollen. Die erarbeitete Ausgangslage ist gut und nach dem ärgerlichen Unentschieden gegen Unterhaching richtet sich der Blick auf das nächste Heimspiel, bei dem mit dem FC Ingolstadt ein ganz unangenehmer Gegner kommt. Das nötige Selbstbewusstsein, das es braucht, um gegen diesen Gegner bestehen zu können, sollte Essen sich in den letzten Wochen geholt haben, nun hoffen wir auf weitere geniale Momente der Mannschaft an der Hafenstraße.

In diesem Sinne: Nur der RWE!

Hendrik Stürznickel