Vorbericht
Serie fortführen, Serie brechen
Der letzte Sieg im Sportpark Höhenberg liegt mittlerweile fast 13 Jahre zurück. Am 27.10.2012 konnte Rot-Weiss Essen hochfavorisierte Kölner mit 2:1 schlagen. Torschützen damals waren Konstantin Sawin und Kevin Rodrigues Pires, für die Viktoria traf Hamdi Dahmani, der später auch seine Fußballschuhe für Rot-Weiss schnüren sollte. In einem hitzigen Spiel wurden gleich drei Spieler (Mike Wunderlich, Kevin Grund und Kerim Avci) frühzeitig vom Platz geschickt.
Ganz so hitzig wird es wahrscheinlich am kommenden Mittwochabend bei kühlen Temperaturen nicht, denn die Viktoria zeigt zumeist den Geist ihres stets sportlich fairen Trainers Olaf Janßen. Muss Rot-Weiss Essen sich nicht gegen brutale Truppen wie Waldhof Mannheim erwehren, sind solch chaotische Szenen wie zum Teil am Sonntagabend unwahrscheinlich.

Das Personal
Dass Uwe Koschinat sehr stark darauf bedacht ist, eine erfolgreiche Mannschaft weiterspielen zu lassen, konnte man in den letzten Wochen deutlich sehen, doch ist er im Fall von Tom Moustier zum Wechseln gezwungen. Moustier, dem die Herzen der Fans zufliegen, hat in seiner Reihe von starken Auftritten gegen Mannheim sein wohl bestes Spiel abgeliefert und war überhaupt nicht mehr vom Ball zu trennen. Aufgrund seines Ballwegschlagens sah er jedoch seine 5. gelbe Karte und wird erst gegen Dresden zur Verfügung stehen.
Es bieten sich gleich zwei Wechselkandidaten für Moustiers Position an. Torben Müsel ist nach seinen Rückenbeschwerden wieder im Training und viel spricht dafür, dass der technisch versierte Fußballer wieder seinen Startelfplatz erhält. Umgekehrt blieb Müsel in der Schlussphase des Mannheimspiels blass, wohingegen Jimmy Kaparos in seinen Kurzeinsätzen deutlich auf sich aufmerksam machte.
Kaparos wurde in den knappen Spielen in Wiesbaden, Dortmund und gegen Ingolstadt in der Schlussphase gebracht und sorgte mit zahlreichen offensiven Ballgewinnen dafür, dass weniger Bälle auf die letzte Abwehrreihe kamen und nahm somit Zeit von der Uhr. Auch wenn Jimmy Kaparos zu Saisonbeginn schwerwiegende Böcke in seinem Spiel hatte, wäre es durchaus spannend zu sehen, ob er mit Klaus Gjasula im Rücken seine Talente vielleicht besser ausspielen könnte, denn dass der Spieler durchaus ein guter Fußballer ist, hat er immer wieder gezeigt.
Ansonsten spricht viel dafür, dass die restlichen zehn Positionen so besetzt werden wie im letzten Heimspiel. Einzig interessant ist die Frage nach Kaito Mizuta, der erneut nach seiner Einwechslung richtig Dampf gemacht hat und beinahe wieder mit einem kräftigen Fernschuss erfolgreich war. Er verdient es sich immer mehr, dass er von Beginn an zeigen darf, ob er genauso gefährlich ist wie nach seinen Einwechslungen.

Der Gegner: Viktoria Köln (7. Platz / 12 Siege / 4 Unentschieden / 11 Niederlagen / 40 Punkte / 43:37 Tore / Torverhältnis +6)
Viktoria Köln ist alles andere als ein Lieblingsgegner von Rot-Weiss Essen und es gibt wenige Vereine, auf die RWE in den letzten zehn Jahren so oft getroffen ist wie die Domstädter. Vor der Saison wurde klar, dass der Verein sehr viel weniger Geld zur Verfügung gestellt bekommt, da ihr Mäzen Franz-Josef Wernze verstorben ist. Für viele Experten war die Viktoria ein Abstiegskandidat. Dass die Viktoria sich in dieser Saison aller Unkenrufe zum Trotz zeitweise mit dem Szenario 2. Bundesliga beschäftigen konnte, ist einer wirklich perfekt zusammengestellten Mannschaft zu verdanken, die einerseits aus gestandenen Spielern, die sich bewusst für den Standort Köln entschieden haben, und andererseits aus den teilweise spannendsten Nachwuchsspielern der Dritten Liga besteht.
Der wohl spektakulärste Fußballer der Kölner ist Said El Mala, dessen Schnelligkeit, Technik und Torinstinkt in der Liga seinesgleichen sucht. Wohl dem 1. FC Köln, der sich schon im letzten Jahr die Dienste des 18-jährigen gesichert hat, sodass er wohl im kommenden Jahr eine der beiden Bundesligen aufmischen wird, je nachdem wie Köln im Aufstiegskampf mitspielt. Jeder Fußballliebhaber wird begeistert von der Spielweise El Malas sein. Allerdings wird jeder, der RWE liebt, froh sein, dass die Viktoria am Mittwoch auf die Fähigkeiten El Malas verzichten muss, da er sich beim Gastspiel in Verl einen Muskelfaserriss im Oberschenkel zugezogen hat.
Darüber hinaus grassiert die Grippewelle, die die Bundesrepublik erfasst hat, auch bei der Viktoria heftig, sodass mit weiteren kurzfristigen Ausfällen zu rechnen ist. Klar ist jedoch, dass Viktorias Kapitän und Abwehrchef Christoph Greger ausfallen wird. Weniger gravierend sind für die Viktoria die Ausfälle von Ex-Essener Moritz Fritz sowie Paul Pöpperl.
Ein Grund zur Entspannung sind die Ausfälle für Rot-Weiss Essen jedoch nicht, da Viktoria Köln insbesondere in der Offensive vielseitig und stark aufgestellt ist. Vor der Saison umgarnte Essens sportliche Leitung Lex-Tyger Lobinger, der sich jedoch für die Viktoria entschied und dort bereits 12 Treffer erzielt hat. In den letzten fünf Spielen übernahm er immer wieder Verantwortung und traf gleich dreimal.
Darüber hinaus hat die Viktoria den Edeljoker der 3. Liga unter Vertrag. Serhat Semih Güler kommt oftmals von der Bank und hat trotzdem bereits 13 Mal getroffen. Gegen Essen ist davon auszugehen, dass auch Güler von Beginn an startet.
Die Viktoria ist eine der wenigen Mannschaften der 3. Liga, die in der Lage ist, ein gepflegtes Aufbauspiel zu zeigen. Dabei sind die Kölner gedankenschnell und kreativ. Die Defensive konnte in den letzten Wochen jedoch auf verschiedenen Wegen geknackt werden. So traf Erzgebirge Aue beide Male aus der Ferne, als der Verteidigung die Zuordnung fehlte, Saarbrücken spielte die Viktoria teils im eigenen Strafraum aus, allerdings kann die Viktoria auch nach Standards gefährlich erwischt werden.
Es lohnt also, den Druck der letzten Auswärtsspiele auch in Köln aufzubauen, um die Defensive zu Fehlern zu zwingen. Die Hoffnung ist groß, dass Rot-Weiss Essen dieses Mal im Sportpark Höhenberg so chancenlos ist wie in der letzten Saison, als die Viktoria trotz eines gefühlten 90-Minuten-Sturmlaufs nur einen Punkt gegen wacker verteidigende Essener behalten konnte.

Über den Tellerrand geschaut: Die Lage der Dritten Liga
Die Liga zieht sich zusammen und am Beispiel Rot-Weiss Essen zeigt sich, wie eng das Feld ist. RWE trennen trotz der unglaublichen Serie lediglich 5 Punkte von einem Abstiegsplatz. Gleichzeitig sind die Bielefelder Arminen auf dem 4. Platz nur 7 Punkte entfernt. Einen besonderen Fokus haben die RWE-Fans dennoch auf folgende Partien der englischen Woche:
VfB Stuttgart II – VfL Osnabrück
Während die Stuttgarter zuletzt Achtungserfolge erzielen und damit den Anschluss an das rettende Ufer halten konnten, wurde die Erfolgsserie Marco Antwerpens und seiner Osnabrücker durch die 0:1-Heimniederlage gegen Wiesbaden unterbrochen. Es wird eng zugehen in Großaspach und möglicherweise reicht es zur Punkteteilung, die man sich in Essen wünscht.
FC Ingolstadt – Alemannia Aachen
Nach dem Sieg über Rot-Weiss Essen wähnte man sich in Aachen beinahe schon sicher in der Klasse, konnte jedoch in den darauf folgenden sieben Spielen nur noch drei Punkte holen. Durch die irre 3. Liga ist Aachen nur 6 Tore vor den Abstiegsrängen und muss nun nach Ingolstadt fahren, die nach der Niederlage in Rostock wohl Wut im Bauch haben und eine Reaktion zeigen wollen.
Waldhof Mannheim – SV Sandhausen
Da Mannheim nach dem zeitweise brutalen Auftritt in Essen zwei Spieler gelbgesperrt fehlen, wird es nicht einfacher gegen von den Namen her super besetzte Sandhäuser. Allerdings läuft in Sandhausen momentan wenig zusammen und die ständigen spitzen des Gönners und Präsidenten Jürgen Machmeier laden nicht dazu ein, motivierter zu Werke zu gehen, sodass hier für Mannheim ein wichtiger Dreier im Abstiegskampf möglich ist.

Fazit
Spiele gegen und bei Viktoria Köln sind grundsätzlich am wenig attraktiven Termin unter der Woche. Da diese Spiele in Liga 3 mit 19 Uhr sehr früh beginnen, ist es für Arbeitnehmer nicht gerade einfach vor Ort zu sein, auch wenn die Entfernung nach Köln verhältnismäßig kurz ist. Nichtsdestotrotz werden viele Essener das Team nach Köln begleiten und hoffen auf eine Fortsetzung der Serie.
Für Rot-Weiss und den sehnlichst herbeigewünschten Klassenerhalt ist jeder Punkt wichtig und so kann man nur hoffen, dass RWE weiter Punkte sammelt. Die erfolgreiche Abwehrschlacht gegen Mannheim hat das Selbstbewusstsein dabei hoffentlich gestärkt, sodass mit den Fans im Rücken die erfolgreiche Serie im Jahr 2025 fortbesteht und die Sieglos-Serie im Sportpark Höhenberg gebrochen wird.
In diesem Sinne: Nur der RWE!
Hendrik Stürznickel